In den letzten Wochen hat die Marktstudie zu Amazon Umsatzanteiligkeiten von Digital Kompakt für die ein oder andere Aufregung gesorgt. In dem Papier geht es u.a. darum einzuschätzen wie dominant Amazon bereits in den verschiedenen Nischen geworden ist. In Kürze: Sehr dominant. Ich bleibe auch weiterhin bei meiner Position, dass es für die meisten Unternehmen langfristig schlauer ist keine „strategische“ Kooperation mit Amazon einzugehen, oder kurz gesagt, keine Termine und Anrufe von Amazon zu dem Thema anzunehmen. Als Kunde bin ich ein großer Amazon Fan, aus spieltheoretischer Perspektive kann Amazon den betroffenen Händlern und Herstellern nicht weiterhelfen. Das habe ich zum Anlass genommen, um mit dem ehemaligen Bosch Manager (u.a. verantwortlich für das Amazon Geschäft) und heutigem Etribes Principal Phil Layer ein Interview darüber zu führen, wie man pragmatisch mit dieser Herausforderung umgehen kann.

Die Diskussionen um das Vendor vs. Seller Modell werden in diversen Foren täglich geführt und Phil hat zu dem Thema ganz praktische Ansätze, die eine Amazon Abhängigkeit zwar nicht verhindern, aber wohl verzögern können. Sehr spannend für alle Marktplatzstrategen! Super langweilig für alle Retter des stationären Handels, aber heute ist ja Sonntag. Auch wenn ich wollte, könnte ich heute nicht zu seiner Rettung beitragen.

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Amazon-Modelle mit Phil Layer, Director bei eTribes

Vendoren auf Amazon werden vom Konzern zusehends in einen ausgesprochen unangenehmes Dilemma gedrängt: Marge abgeben oder Strafmaßnahmen erleiden! Denn durch ihre Abhängigkeit vom Umsatz auf der Plattform, die ja den Kundenkontakt sorgfältig hütet, verbleibt ihnen oft keine andere Wahl. Vor dieser Gefahr warnt Alex seit geraumer Zeit – Stichwort „Gefangenendilemma“. In dieser Ausgabe bespricht er mit Phil Layer von eTribes, der Amazon aus der Sicht von Bosch Powertools im Detail kennengelernt hat, Auswege und Alternativen. Möglichkeit Nummer Eins, um die Handlungshoheit von Amazon zurückzugewinnen: Seller statt Vendor sein!

eTribes – Alex war an der Gründung beteiligt – berät mittlerweile eine ganzen Riege an namenhaften Kunden aus dem deutschen Einzelhandel und der Industrie nicht nur zum Umgang mit Amazon, sondern auch zu Themen wie Personalisierung und Corporate-Venturing.

„Die Füße entscheiden!“

2:40

Alex: Zunächst eine kurze Historie zu Amazon bei mir im Podcast. Vor gut einem Jahr habe ich mich mit Markus Fost über Verhandlungsstrategien mit Amazon unterhalten. Davor war Marc Aufzug von factor-a da gewesen und vor einem halben Jahr habe ich mit Nils Zündorf geredet, ebenfalls von factor-a. Er betreut viele große Kunden und verteilt ihre Marketingbudgets. Aufgrund der Möglichkeiten ist er ein glühender Verfechter des Vendor-Programms.

Darauf hast du mir geschrieben, so 100%-ig würdest du da nicht mit allen Aussagen übereinstimmen. Du hättest nämlich andere Erfahrungen gesammelt und würdest dich eher auf die Seller-Seite schlagen. Aber bevor wir darüber sprechen: Sag doch mal wer du bist und was du machst!

Phil: Mein Name ist Phil Layer und ich bin seit April diesen Jahres als Experte für Amazon bei eTribes angestellt. Diese Expertise kommt unter anderem davon, dass ich für Bosch Powetools das Key-Account-Management für E-Commerce-Kunden aufgebaut habe. Danach war ich verantwortlich für die Betreuung des operativen Geschäfts mit Professional Tools auf Amazon in ganz Europa.

Alex: Was musstest du da genau betreuen?

Phil: Das war ein klassisches Vendor-Account: Da ging es um Konditionsverhandlungen, Listungen, Marketingmaßnahmen…

Alex: Warst du in denn in diesen Gesprächen dabei, in denen es heißt: „Lieber Phil, du bist für uns ein ganz wichtiger strategischer Partner. Wollen wir diese Partnerschaft nicht vertiefen – beispielsweise in Form eines höheren WKZ-Bonus?“

Phil: Wird zwar anders formuliert, aber: ja, genau das. Ist Teil der Geschichte.

Alex: Und wenn du zurückblickst: Was sind die größten Learnings, die du aus deiner Karriere im Online-Handel gezogen hast, bevor du in die Beratung gekommen bist?

Phil: Ich habe auf dem DCD einen Vortrag zu meinen Schlüsselerlebnissen während der Betreuung aus Herstellersicht gemacht, in dem ich alles in Thesen verpackt habe. Erste und wichtigste These: Du brauchst eine europäische Lösung. Denn im Warenraum Europa können wir nicht über eine abgeschlossene Strategie für Deutschland sprechen. So muss ich als Hersteller europäisch denken, verhandeln, und preisen.

(Alex fragt Phil, ob er dieses Prinzip auch gut umsetzen konnte bei Bosch. Phil versetzt sich zurück in seine Zeit beim Werkzeughersteller: Er war der erste, der eine europäische Preisliste und Vereinbarung einführte.

Daraufhin fasst Alex die vorhergehenden Podcasts über Amazon zusammen: Unternehmen mit dezentralisiertem Vertrieb kämen nicht um das Vendor-Modell herum. Nur so könnten sie Produktdaten kontrollieren und eine zu enge Fokussierung auf Top-Seller vermeiden. Der Preiserosion könnten sie sich dabei zwar nicht entziehen, aber das Vendor-Modell habe sich auf breiter Front durchgesetzt. In einer perfekten Welt sei es auch das beste Modell, so Phil. Tatsächlich führten die Anreize aber dazu, dass sich hier verschiedene Landesgesellschaften preislich unterböten.)

8:40

Alex: Was wäre denn die perfekte Welt aus deiner Sicht?

Phil: Sie wäre kartellrechtlich natürlich fraglich, aber das wäre eine Welt, in der ich die Kontrolle über Pricing habe – oder mit meinen Konditionsmodellen dafür sorgen kann, das ich bestimmte Price-Levels über Vertriebsregionen hinweg einhalte. Nehmen wir der Einfachheit halber Europa.

Alex: Dann würde man keine Händler haben, sondern es exklusiv vertreiben. So nach dem Motto: Ich streiche mir selber fast die komplette Handelsmarge ein und bin im Gegenzug bereit, diese 20% Gebühr zu zahlen, die mir der Marktplatz abfordert? Ist das Seller-Modell nicht da das beste?

Phil: Nein, nicht wenn man ganz viel Wachstumspotenzial vor sich hat. Da bin ich ganz bei Nils Zündorf, wenn er sagt, dass im Vendor-Modell mehr Reichweite erzeugt werden kann. Denn eins dürfen wir nicht vergessen: Das Vendor-Modell bietet die höchste Conversion-Rate und das höchste Wachstum.

Alex: Warum?

Phil: Weil die Kunden nach wie vor das höchste Vertrauen in „Verkauf und Versand durch Amazon“ haben. Erfahrungsgemäß hat man, wenn man vom Vendor- ins Seller-Modell wechselt, einen Abschlag von rund 10-15% in der Conversion-Rate beziehungsweise Nachfrage.

Alex: Und trotzdem sagst du: Wenn du eine Marke wärest, würdest du dich auch mit dem Seller-Modell beschäftigen. Warum ist es denn doch irgendwann sinnvoll, sich die alternative Lösung anzusehen?

Phil: Es hat vor allem damit zu tun – und in diesem Jahr haben wir dies sehr oft gehört –, dass Vendoren unter starken Druck in den Verhandlungen geraten sind und sich sehr hohen Konditionsforderungen vonseiten der Vendor-Manager ausgesetzt gesehen haben.

Alex: Ich habe mal gehört, man müsse ungefähr 10% des Netto-Umsatzes, den man auf Amazon macht, für Marketing-Maßnahmen rechnen. Kommt das hin? Als für 50 Millionen in Amazon reinverkaufen, aber 5 Millionen davon zurückgeben müssen?

Phil: Ich glaube nicht, dass man unbedingt so viel ausgeben muss. Es hängt auch sehr stark von der jeweiligen markenpolitischen Ausrichtung ab. Also, ich weiß, dass es große Marken gibt, die weniger ausgeben – und welche, die darüber hinaus investieren. Das halte ich tatsächlich für eine individuelle Entscheidung.

Alex: Wie übt Amazon denn Druck aus?

Phil: Sagen wir mal, du – Graf Koks! – bist Vendor, seit vielen Jahren, und bist einer der dominanten Player geworden. So wurde bei dir im Kanal-Mix Amazon ein signifikanter Faktor mit 20-25% Umsatzanteil. Das heißt, du bist durch deinen Erfolg in eine gewisse Abhängigkeit geraten. Und wenn du dann in den Konditionsverhandlungen nicht in der Lage bist, den Forderungen von Amazon nachzukommen, weil du an deiner Profitabilitätsschwelle bist, leitet Amazon die Strafmaßnahmen ein, um den Druck zu erhöhen und dir vielleicht doch noch ein paar Prozentpunkte abzuknöpfen.

Alex: Wie sehen diese Strafmaßnahmen konkret aus?

Phil: So die Klassiker: Man leitet Traffic um, löst Varianten auf, und was auch sehr oft vorkommt, ist…

Alex: Warte: Was heißt „Traffic umleiten“ hier genau?

Phil: Wenn zum Beispiel auf der Produktdetailseite so schöne Sachen gezeigt werden wie: Das Produkt das Wettbewerbs! „Andere Kunden kauften auch…“ wird sehr präsent angezeigt – etwa above the fold, also direkt über dem Artikeltitel. Zudem fallen gerne mal Long-Tail-Sachen wie Zubehörteile aus der Recommendation-Engine raus. Zusammen ergibt das einen massiven Umsatzverlust von bis zu 40%.

13:45

Alex: Aber wenn Graf Koks an die Profitabilitätsschwelle angekommen ist, welchen Grund kann ich haben, dem nachzugeben?

Phil: Weil dir sonst dein Business auf der Plattform wegbricht. Und wir sprechen ja über einen 20-25%-Umsatzanteil. Zudem kann es sein, dass du nicht mehr inhabergeführt bist und ein Großteil deines Unternehmens an eine Private-Equity-Firma gegangen ist, die unbedingt Umsatzwachstum sehen will. Dann hast du nicht mehr den Spielraum, auf diesen Umsatzanteil zu verzichten. Also machst du es. Und dann bist du in einer Situation, die nicht schön ist!

Alex: Und du bist jetzt seit ein paar Monaten bei eTribes: Wie oft erlebst du das? Wie oft geraten Vendoren an eine Schmerzgrenze, bei der sie sich sagen: „Dieses Jahr kann ich es gerade noch machen, aber dann ist es vorbei?“

Phil: Über die Erfahrungskurven von Vendoren, die über zwei-drei Jahre zurückreichen: Sehr selten. Aber bei denen, die über diesen Zeitraum hinaus mit Amazon zusammenarbeiten – im Bereich vier bis sechs Jahre – hören wir das in jedem Gespräch. Manche Produktsparten und -segmente mögen zwar anders sein, aber im Allgemeinen ist es so, dass sich jeder der Vendoren irgendwann mit der Thematik beschäftigen muss, weil er die Profitabilitätsgrenze erreicht und sich die Frage stellen muss: Lohnt sich dieses Geschäft auf der Plattform überhaupt noch für mich?

Alex: Gut. Was ist denn aus deiner Sicht die Alternative? Außer „Amazon ist Scheiße!“ zu heulen…

Phil: Als Account-Manager würde ich zwei Dinge als meine Pflicht ansehen. Das Erste ist: Ich möchte nicht in diese Situation kommen, also Prävention. Das Zweite ist: Ich möchte mit dieser Situation umgehen können, wenn es denn passiert. Das ist klassisches Risikomanagement. Da muss man sich fragen: „Bin ich in der Lage so eine Krux-Situation auszuhalten?“ Ich kenne Firmen, die sagen: „Ja, ich bin in der Lage ein Jahr lang ohne diesen Umsatz zu leben.“ Das gibt es! Die Beispiele, die ich kenne, sind alle inhabergeführt.

Alex: Und was machen sie nach einem Jahr?

Phil: Sie erwarten, dass Amazon realisiert, dass es nicht ohne ihre Marke leben kann – und dann wieder zurückkommen.

Alex: Frommer Wunsch! Oder?

Phil: In den (zugegebenermaßen) wenigen Fällen, die ich kenne, haben sich innerhalb dieser zwölf Monate Premiumpartnerschaften mit Händlern ergeben, die die Plattform im Seller-Modell bedienen. Vordergründig gibt es keinen Vertrieb, aber im Hintergrund laufen dann Maßnahmen, um das ganze aufzufangen.

(Und die Ware landet dann trotzdem bei Amazon: Alex nennt es das „Birkenstock-Problem“. Man könne den User auch nicht ignorieren, so Phil. In einem Workshop habe er das schöne Sprichwort – auf Stationär-Händler formuliert – gehört: „Am Ende entscheiden Füße“. Wenn alle Kunden auf Amazon kaufen wollten, sei es schlichtweg eine Missachtung ihrer Wünsche, nicht dort präsent zu sein.

Noch ein Spruch: „Wenn Amazon Spaß hat, hast du auch Spaß.“ Wer also in der Lage ist, Amazon eine Marge zu bieten, kommt nicht ins Bedrängnis. Nur seien die meisten Hersteller nicht dazu fähig, weil sie um die Buy-Box kämpfen müssten, was eine Preiserosion auslöst.)

19:25

Alex: Welche Marken haben ausreichend Puffer. So etwas wie Weber mit ihrem Direktvertriebsansatz?

Phil: Ein sehr gutes Beispiel ist meines Erachtens Philips. Da sehen wir sehr starke Kooperationen: So wurden letzte Woche etwa neue Echo-Geräte vorgestellt. Die hatten einen Takeover auf der Einstiegsseite und es gab Bundles mit Philips-Produkten. Ich glaube, das ist darauf zurückzuführen, dass Philips in der Lage ist, eine gewisse Marge an Amazon zu garantieren. Für so große Vendoren gibt es nämlich Möglichkeiten wie joint business plan, in dem man Amazon etwa immer 25% Marge garantiert in durchgerechneten Cases.

Alex: Können das auch kleinere Hersteller?

Phil: Das hängt wohl davon ab, ob man in Austausch mit seinem Vendor-Manager treten kann – was immer schwerer wird, weil die Manager immer weniger präsent sind. Wir wissen ja, dass jeder Vendor-Manager zu 30-40 Unternehmen persönlich Kontakt pflegt. So ist die Chance, vorsprechen zu dürfen, auch relativ gering.

Alex: Was also tun, wenn man sich in einem Race-to-the bottom befindet? Was sind die konkreten Schritte, die man als Hersteller unternimmt?

Phil: Zum einen sollte ich wissen, was für Amazon Margenkiller sind. Das setzt eine Sortimentsanalyse voraus, um Problemprodukte ausfindig zu machen – Da sind wir beim Thema „crap-out“. Da könnte ich über eine Veränderung der Struktur eine gewisse Marge für Amazon wieder herstellen. Zum anderen kann ich den Forderungen nachgeben, wenn mir das möglich ist. Da geht es nämlich seitens Amazon um Margenschutz.

Oder: Ich eröffne andere Kanäle. Das gibt mir die Möglichkeit, dieser Situation zu entziehen und der „Bestellstop“ – die letzte Stufe der Eskalation bei Amazon – verliert seinen Schrecken. Den meisten Herstellern würde das aber Probleme bereiten: -20% bis -25% innerhalb eines Monats! Andere Kanäle eröffnen kann man entweder selbst als Seller oder über seine bestehenden Händler, die bereits auf Amazon vertreten sind, oder aber auch über einen Broker.

Aber all diese drei Situationen muss man durchgespielt haben. Daher ist meine Empfehlung immer, darüber nachzudenken, was man tun würde, wenn man sich Forderungen ausgesetzt sieht, die man nicht mehr erfüllen kann. Vorsorge ist besser als Nachsorge.

(Alex will wissen, wie viele Hersteller so einen „Notfallplan“ in der Schublade haben. Einen einzelnen kenne er, antwortet Phil. Daraufhin muss Phil einen Versuch abwehren, ihn zu einer Verletzung seiner Verschwiegenheitspflicht zu verleiten.

Für Hersteller sei das Vendor-Dasein erst einmal das bequemste Modell, erklärt Alex seine Sicht der Dinge, da man nichts ändern muss: Ware wird an Händler verkauft. Das Seller-Modell habe den Nachteil, dass man andere Strukturen haben müsse: Plattformdaten, selektive Vertriebsstrategie, usw. Das bedeute einen enormen Aufwand. Phil sieht das anders: Große Vendoren hätten Vollzeitteams, die sich mit Amazon beschäftigten. Das Know-How sei im Unternehmen und die Umstellung auf Seller nicht so schwer. Aber klar, das seien andere logistische Strukturen. Allerdings bleibe im FBA-Modell der Versand bei Amazon.)

26:25

Alex: Aber geht das denn überhaupt? Wenn ich noch als Vendor bestraft werde und versuche, davor zu fliehen, kriege ich dann noch Zugang zu FBA im Seller-Model?

Phil: Ja, das ist möglich – vor allem, wenn man schon vorher ein Account angelegt hat. Da sind wir wieder beim Thema Vorbereitung. In dem Zusammenhang ist meine These: Als großer Vendor habe ich ja die Leute bei mir im Betrieb, die sich mit Amazon auskennen. Dieses Personal ist durchaus in der Lage, ein Seller-Account zu betreiben. Vielleicht brauchen sie neue Software, wenn sie sich nicht selber um Preis kümmern wollen, aber im Großen und Ganzen glaube ich, dass ein Vendor so einen Wechsel gut vollziehen kann. Kritisch wird es erst dann, wenn ich auch im Vendor-Modell relativ unerfahren bin – oder wenn ich das Account über Dritte managen lasse und das Knowhow nicht intern habe. Wiederum: Wenn die Lösung des Dilemmas darin besteht, mich als Vendor zurückzuziehen und die Ware über das Händlernetz oder durch das Broker-Modell auf die Plattform zu bringen, ist der Aufwand noch geringer.

Alex: Wie sieht denn das „Broker-Modell“ aus?

Phil: Man schaltet einen Kommissionär dazwischen, der den Verkauf auf der Plattform über Seller-Central als Markplatzteilnehmer gestaltet. Dieses Modell nutzen bereits heute viele Hersteller, weil sie sich scheuen, das übers eigene Handelsnetz zu tun oder nicht im Vendor-Modell abhängig von Amazon werden wollen. So nutzen sie eben eine Service-Dienstleistung.

(Ob dieses Modell weit verbreitet sei, will Alex wissen. Sehr beliebt sei es mit Herstellern, die stark zweistufiges Vertriebssysteme haben und den Konflikt mit ihren Handelspartnern fürchten. Vendoren, die länger bei Amazon sind, fehlt aber oft die Marge, auf Broker umzusteigen. So sei das Modell eher als Übergang oder zum ressourcenarmen Testen der Nachfrage auf Amazon geeignet.)

30:25

Alex: Das, was du beschreibst, ist für Marken – ob groß oder klein – alles schrecklich. Das Amazon-Gefängnis ist real. Wie attraktiv findest du andere Marktplätze als Alternativ? eBay ist am nächstliegenden – in Deutschland zumindest, wobei es ja auch in gewissen Sortimente Otto oder Zalando sein könnte… Oder ist die Devise: „Alle sind bei Amazon. Wenn du nicht da bist, verkaufst du auch nichts!“

Phil: Die Erfolgsmeldungen der letzten Monate Amazon betreffend sind tatsächlich beängstigend und ich bin absolut der Meinung, dass man im Sinne des Risikomanagements auch andere Plattformen und Händler bedienen muss. Aber am Ende des Tages – wie vorhin gesagt: Die Füße entscheiden! Wenn der User auf Amazon einkaufen will, dann habe ich auch die Verpflichtung, mit meinen Produkten da zu sein. Ja, es gibt zwar in bestimmten Segmenten und Nischen relevante Mitspieler, im Großen und Ganzen bleibt Amazon aber der dominante Player. Ich weiß: Das ist unbefriedigend!

(Nun bespricht Alex einen Case mit Phil durch. Angenommen, Graf Koks habe Grills bislang wie Tupper oder Thermomix exklusiv bei Veranstaltungen vertrieben. Jetzt will er bei Amazon verkaufen, hat aber Angst vor einer Verwässerung der Marke und Preiserosion. Wie vorgehen? Um Preiskontrolle zu behalten, so Phil, könne man eigentlich nur als Seller verkaufen. Amazon werde aber versuchen, Graf Koks vom Vendor-Modell zu überzeugen, so Alex.“ Da müsse man entscheiden, sagt Phil, ob man die erweiterte Werbemöglichkeiten und zusätzliches Wachstumspotenzial höher bewertet als die strategische Sicherheit.

Ob man im Seller-Modell gut international verkaufen könne, will Alex im Anschluss wissen. Ja, die Skalierung im europäischen Raum sei kein Problem, antwortet Phil und nennt die Niederlanden und Polen als Beispiel, wie man auch in Länder expandieren könne, die nicht mal eigene Amazon-Marktplätze haben. Nur die Steuer sei kompliziert! Alex fasst zusammen: Im Seller-Modell könne man Distributions- und damit die Preishoheit verteidigen.)

37:55

Alex: Hast du schon einmal eine Marke gesehen, die aus der alten, dezentral organisierten Vertriebswelt gekommen ist und es geschafft hat, sinnvoll zu migrieren und mal wieder die Distributions- und damit die Preishoheit zurückzugewinnen?

Phil: Nein, keine von den Marken, die auf Amazon erfolgreich unterwegs war. Ich kenne – zugegebenermaßen aus Hörensagen – Marken aus der B2B-Sphäre: Angeblich hat Continental eine gute Strategie, um gewisse Margen sicherzustellen. Das funktioniert wohl aber eher über die Sicherung der Bottom-Line (siehe joint business planning) als über die Preise. Aber überprüfen kann ich das nicht.

Ich glaube zudem, dass die zunehmende Relevanz von Amazon bedeutet, dass das vielen Marken alles erst noch bevorsteht. Der Druck wird immer höher, ein Problembewusstsein wächst. Amazon ist dabei ein Aggregator von Problemen! Da läuft alles zusammen und man kann auf einmal sehen, wo man alles in den letzten Jahren im Vertrieb Mist gebaut hat. So lässt es sich aber auch nicht von heute auf morgen ändern. Selbst wenn ich merke, dass ich eine brauche: Eine europäische Absatz- und Preisstrategie kann man nicht über Nacht implementieren.

Ich weiß aber, dass große Markenhersteller in diese Richtung arbeiten, weil es vielen ihrer Vertriebspartner nicht mehr möglich ist, profitabel zu arbeiten und mit den Produkten Geld zu verdienen. Und wenn man als Kaufmann mit den Produkten keinen Schnitt mehr machen kann, verliert man auch die Motivation, sie zu führen. Da kommen wir zu deiner These, dass Handel als Modell zunehmend schwierig wird.

(Alex führt seine These aus, dass wegen Marktplätze Handel als alleinige Geschäftsaktivität langfristig nicht mehr reichen wird – vor allem, wenn man stationär auf 20-30% Marge angewiesen ist, um Miete zu bezahlen. Daraufhin legen Alex und Phil gemeinsam den enormen Preis- und Margenverfall in mehreren Produktbereichen durch den Effekt von Amazon dar.)

41:40

Alex: Also für dich ist Amazon nur der Katalysator für Probleme, die sich Marken selber aufgebaut haben, weil auf einmal Preis und Verfügbarkeit global dargestellt werden. Man kann nicht mehr über Graumärkte nach Polen oder China verkaufen, ohne dass es auffällt. So ist dein Rat an Graf Koks: Vermeide die Kooperation als Vendor mit Amazon so lange es geht und, falls du schon drinnen bist, arbeite einen Notfallplan aus. Aber letzteres zeigt gar nicht auf, wie ich nach vorne wieder Kontrolle zurückerlange.

Ich muss also eigentlich über eine Zweitmarke nachdenken, oder darüber, bestimmte Distributionskanäle selber zu bespielen. Alles andere wird mir, solange es den Buy-Box-Wettbewerb gibt, immer die Marge kaputtmachen.

Zudem sagst du: Obwohl das bei uns in unserer E-Commerce-Filterblase überall besprochen wird, ist die Drohung bei der breiten Massen noch nicht angekommen. Den meisten Vendoren steht das alles noch bevor und so wir werden viele Birkenstock-artige Aufschreie samt Rufen nach den Kartellwächtern erleben. Wird das ein spannendes 2019?

Phil: Absolut! Zumal das Ziel bei Amazon nun eine Steigerung der Profitabilität im Retail ist. Anfang nächsten Jahres könnten wir also viele Jahresgespräche erleben, die in dieser Form eskalieren und im Bestellstop münden.

Alex: Klar, in Europa schreibt Amazon rote Zahlen, während sie in USA gutes Geld verdienen. Sie werden nicht freiwillig das Europageschäft subventionieren. Hast du sonst was in den letzten Monaten erlebt, was dich überrascht hat?

Phil: Ja: Eigenmarken! Die Entwicklung, die wir in den letzten zwei-drei Wochen sehen, ist der Wahnsinn!

(Es geht darum, wie Amazon unverfroren mit Werbung auf Markenproduktseiten seine eigenen Varianten bewirbt: „Schauen Sie sich unsere Eigenmarke an.“ Alex könne aber nicht verstehen, sagt er, warum Amazon als Marktplatz selber mit der lästigen Produktion was zu tun haben will, wenn der Konzern einfach Hersteller auswringen kann. Philip kontert, durch smartes Sourcing könne Amazon bestimmt mit eigenen Produkten gutes Geld verdienen. Zumal man Amazon als kundenzentriert verstehen muss: Aus Sicht des Kunden sieht der Konzern, dass er etwas billiger anbieten kann und somit mehr Traffic anzieht. Bonus: Amazon sichert sich sämtliche Daten, wenn Kunden bei ihm Eigenmarken kaufen. Alex zweifelt noch am Sinn der Initiative.

Ebenfalls spannend: Wie Amazon der größte Kunde von Mercedes-Benz-Vans werde und wie es jetzt Video-Werbung auf der Plattform einführt. Zum Ende des Podcasts hin besprechen Phil und Alex letztere Entwicklung, bevor es ganz zum Schluss noch einmal kurz um den Wechsel vom Vendor- zum Sellermodell geht. Es bedürfe wohl einer Gruppe im Stile der Anonymen Alkoholiker für Vendoren, die von der Plattform losgekommen sind, scherzt Alex abschließend.)

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