SneakerSchon vor vier Jahren im ersten Kassenzone Interview hat Knud Hansen, Kieler Vorzeigehändler und Intersport Aufsichtsrat, für viele Aha Momente gesorgt. Mit ihm spreche ich offen über die Herausforderungen der Innenstadt und seine Antworten darauf als Einzelhändler und Verbundgruppen Vertreter. Er teilt grundsätzlich die Sorgen von Kassenzone.de und hat auch keine große Hoffnung für unstrukturierte Einkaufsstraßen. Er sieht aber durchaus Chancen und Potentialen in anderen innenstädtischen Lagen und Konzepten, ansonsten würde er wohl kaum weiter so expandieren wie bisher. Er selbst hat in seinem Intersport Stammgeschäft in der Kieler Holstenstraße (super 1a Lage, besser geht es nicht) einen ca. 20% Rückgang der Besucherfrequenzen innerhalb eines Jahres festgestellt, den er durch die Erhöhung des durchschnittlichen Warenkorbs abfedern konnte. Aber jeder kann sich ausmalen wohin die Reise in den nächsten 2-3 Jahren auch in solchen Jahren geht, wenn der Frequenzrückgang anhält.

Darüber sprechen wir eine Stunde sehr offen im Interview. Es geht los mit seinen Learnings seit 2014 (letzter Podcast mit ihm), über die Margen- und Markenpolitik der Hersteller bis hin zu den Optionen kleiner und mittlerer Händler. Auf jeden Fall kaufe ich mir meine nächsten Sneaker bei ihm in Laden. Soviel Lokalpatriotismus muss sein. Er antwortet auch auf eure Fragen hier im Kassenzone Kommentarfeld, falls der ein oder andere noch Argumente findet die nicht ausreichend diskutiert werden. Viel Spass beim Zuhören!

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Die Zukunft der Innenstadt mit Knud Hansen, Einzelhändler und Vizepräsident der IHK zu Kiel

Knud Hansen ist Einzelhändler – stationär und online. Er betreibt in Kiel und Neumünster drei Sportgeschäfte unter der Marken Intersport sowie zwei Konzeptmarken: Sneaxs – derzeit online und stationär mit Geschäften in Kiel und Lübeck vertreten – sowie einen Adidas-Originals-Store. Zudem ist er Vorsitzender des Aufsichtsrates von Intersport Deutschland und nicht zuletzt Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer zu Kiel.

 „Sneaker sind nicht nur Schuhe, sondern ein Lebensgefühl!“ 

5:00

Alex: Vor vier Jahren haben wir hier in Kiel schon einmal über das Thema Wandel im Handel gesprochen: Wie verändert sich die Handelslandschaft, wo werden Hersteller und Händler positioniert sein, wie geht man mit dem Thema Preis um? Zu letzterem sagtest du damals sinngemäß: Wenn ein Kunde den Spruch klopft, er kriege etwas online billiger, antwortest du, dass euer stationärer Service-Anspruch eben ein anderer sei. Das wirkte in der damals sehr unsicheren Omnichannel-Diskussion durchaus selbstbewusst.

Zudem sprachen wir über den Standort Kiel: Wo geht die Reise hin mit den Innenstädten? Wir sitzen jetzt in einer Einkaufsstraße in Kiel, die sich in den letzten Jahren enorm nach vorne entwickelt hat: die Holtenauer Straße. Was ist seit 2014 passiert? Lagst du richtig mit deinen Einschätzungen?

Knud: Es hat sich vieles bestätigt, aber alles ist viel schneller gegangen, als erwartet. Die Frequenzen gehen deutlich zurück – in der Kieler Innnenstadt stärker, als an anderen Standorten. Wir reden hier über Verluste von 20% gegenüber dem Vorjahr.

Alex: Aber betrifft das auch den (von dir geprägten Begriff!) Tütenfaktor? Sprich: Bedeutet 20% Frequenzrückgang auch 20% Umsatzverlust?

Knud: Gott sei Dank, nicht! Wir haben dagegen gesteuert und holen aus dem Kunden, der zu uns ins Geschäft kommt, mehr raus: Wir haben Durchschnittsbon, Warenkorb, Teile pro Kunde erhöht; es ist uns auch gelungen, die Conversion-Rate nach oben zu bringen. Dazu kommt noch, dass gerade in der Kieler Innenstadt gerade unheimlich viel gebaut wird. Das ist einerseits positiv, weil es Veränderungen bringt. Andererseits ist die Stadt derzeit schlecht erreichbar. Kunden bleiben weg.

(Alex und Knud tauschen sich über die Einzelheiten der Bauprojekte aus: Der Einzug von Primark and der Stelle von Woolworth wird besprochen. Die innerstädtische Holstenstraße wird dabei mit der Holtenauer Straße verglichen: Ersterer habe wenig spannende Läden; letztere überzeuge mit einzigartigen Konzepten. Hier bekomme man besondere Produkte und Service-Angebote, die es nicht überall gebe – oft nicht einmal im Netz.

Alex beschreibt den Mix: Ein Drittel Gastronomie – so sei abends auch was los –, ein Drittel Geschenkeläden und ein Drittel inhabergeführte Konzepte. Das locke seine Frau zu einem Bummel mit ihren Freundinnen schon an. Das sei lange nicht mehr in der Holstenstraße der Fall. Dabei sei der Citti-Park interessant, wenn schlechtes Wetter sei. Vorteil dort, so Knud, sei der gute Mietermix, den sich ein Shopping-Center in der Größe bewusst zusammenstellen könne. Zudem seien 3000 kostenlose Parkplätze ein unschlagbares Argument. Parkhäuser in der Innenstadt seien teuer und unattraktiv.)

12:45

Alex: Ganz nüchtern betrachtet: Heißt das, dass eine unstrukturierte Lage in einer klassischen Einkaufszone uninteressant ist? Sagst du, es muss fortan entweder ein Einkaufszentrum mit ansprechendem Mietermix oder eine schöne Flaniermeile in Top-Lage sein?

Knud: Eine Einkaufsstraße, die nicht gut geführt wird, wird nicht mehr interessant sein. Und ohne guten Mietermix bekommt man die Frequenzen nicht dahin oder kann sie nicht da halten, wo man als normaler Händler überleben kann. Es ist nämlich für uns als Intersport zum Beispiel schwer zu realisieren, dass wir so eine Ausstrahlung entwickeln, dass Kunden alleine unseretwegen zu uns kommen. Es gibt zwar Formate, bei denen das funktionieren mag. Aber in der Kieler Innenstadt ist keins davon vertreten.

Alex: Gibt es Städte in Deutschland, die diese Attraktivität hinbekommen? Es gibt nämlich in Dänemark Orte, in denen es einfach extrem schön ist: Ansprechender Mix, keine grelle Werbung, zurückhaltende Fassaden… Klassisches dänisches Design eben! Gut, vielleicht ist das nicht vergleichbar, weil man dort im Urlaub ist. Aber in Deutschland habe ich so etwas noch nicht gesehen.

Knud: Dazu fällt mir spontan Lüneburg ein. Eine wunderschöne, nicht zu große Stadt mit tollen Konzepten – wie hier unsere Holtenauer Straße, nur eine ganze Stadt voll! Die Mischung zwischen großen und kleinen Geschäften stimmt und die Leute gehen gerne hin, weil es dort schön ist: Da gibt es Cafés, Verweilzonen und Überraschungen. Man kann dabei auch noch die Dinge des täglichen Bedarfs gleich mit holen, die ja heutzutage sonst eher online gekauft werden. Dieser Mix ist einfach entscheidend.

Alex: Können die Intersport-Händler in Lüneburg anhand der Frequenz das bestätigen?

Knud: Mein Kollege dort ist zufrieden.

15:45

Alex: Wir sitzen jetzt in deinem Sneaxs-Laden, der ja auf Sneaker spezialisiert ist. Bei Intersport ist das Argument: „Kommt zu Intersport! Hier kriegt ihr alles, was ihr zum Thema Sport braucht!“ Was ist in diesem Store das Konzept?

Knud: Hier haben wir Produkte, die du nicht an jeder Ecke findest. Ich kann mit Recht behaupten, dass wir Sneaker führen, die du in ganz Schleswig-Holstein sonst nirgendwo bekommst. Die Hersteller haben angefangen, Produkte nach Kanal zu vertreiben. So haben wir hier einiges, was in unserem Intersport-Läden nicht im Sortiment ist.

Alex: Aber online schon?

Knud: Ja. Das ist selektiver Vertrieb seitens der Hersteller: In dem Moment, in dem man ein Produkt mit hoher Begehrlichkeit an 1000 Händler in Deutschland ausrollt, ist es nicht mehr begehrlich. Das funktioniert für uns auch sehr gut. Deshalb haben wir weitere Standorte eröffnet – in Lübeck und ab April hier in Kiel im Citti-Park.

Unser Online-Shop ist ehrlicherweise ein schwieriges Thema. Das als kleiner Einzelhändler alleine zu machen, ist eine Herausforderung. Wir machen dort zwar schon Umsatz, verzeichnen aber kein Wachstum, wie andere Online-Händler. Das ist allerdings nicht unser Ziel: Wir sind primär ein stationäres Konzept. Es geht um ein echtes Erlebnis und echte Kundenbeziehungen.

(Alex stellt fest, dass Sneaxs online in Konkurrenz zu anderen Händlern tritt, während sich der stationäre Laden schon abhebt. Bei allem Design: Kein Online-Shop könne so schön aussehen.)

18:55

Alex: Interessant ist, dass das Sortiment Sneaker, das sich ja erst in den letzten zehn Jahren als eigene Kategorie so wirklich herausentwickelt hat, schon prägnant genug ist, um so einen Laden zu tragen.

Knud: Sneaker sind nicht nur Schuhe, sondern ein Lebensgefühl! Und die Produkte, die wir haben, sind schon so exklusiv, das wir durchaus mal einen Camp-Out vor der Tür haben, wenn es ein angekündigtes Release-Date für die Schuhe gibt.

Alex: Für was für einen Schuh übernachten die Leute denn vor dem Laden? Geht es um geringe Stückzahlen?

Knud: Ja, das sind Schuhe, die so heiß und begehrt sind bei Sneaker-Nerds und dabei in so kleiner Stückzahl herauskommen. Leider gibt es inzwischen viele, die nicht aus eigener Sammelleidenschaft kaufen, sondern um den Schuh umgehend bei eBay zum drei- bis fünffachen Preis weiter zu veräußern. Aber wie dem auch sei: Das zeigt, dass es immer noch Produkte gibt, die begehrt sind, weil sie knapp gehalten werden. Und wenn man solche Produkte in einem Geschäft verkauft, ist es schon was Besonderes.

(Daraufhin fragt Alex, ob es andere solche Interessen gebe, die man mit Läden bedienen könne, anstatt noch einen Intersport aufzumachen: Wie es denn mit einem Crossfit-Store wäre? Knud verneint: Zu viele Produktgruppe wolle er nicht aus seinem Kerngeschäft herausseparieren. Eigentlich möchte er in die andere Richtung, sprich: spitz kanalisierte Ware wieder zu Intersport reinholen. Derzeit blockierten das Hersteller, weil die Marke Intersport nicht sexy genug sei. Auf jüngere Kundenschichten ausgerichtete Konzeptstores, die die Marke derzeit in Berlin eröffnet habe, demonstrierten, wo die Reise hingeht. Alex erfragt Details zu den Inhaberstrukturen der Pilotläden.)

24:20

Alex: 2014 haben wir über Bepreisung geredet. Damals hatten Hersteller teilweise überdistribuiert und hatten damit Preiswettbewerb vom Zaun getreten. Sie zogen sich zurück aus vielen Konzepten. Jetzt hat sich – sehr zu eurem Vorteil – die Monopolstellung Amazons so weit entwickelt, dass selbst ganz große Hersteller auf einmal merken, wie wenig sie zu melden haben. Meine Theorie: Jetzt wollen sie wieder Alternativen aufbauen. Merkt ihr von dieser Stimmungswandel was?

Knud: Erst einmal: Als wir 2014 gesprochen haben, hatten wir schon einen Intersport-Online-Shop. Als Händler der Marke konnte man auf ihn als Regalverlängerung zurückgreifen – und die Möglichkeit war angedacht, dass man dort auch seine eigene Ware würde einstellen und verkaufen können. Der entscheidender Webfehler dabei: Wir haben diesen Online-Shop aus Sicht einer Verbundgruppe gedacht. Das hat nicht gut funktioniert. Aber man muss Fehler machen, um daraus zu lernen.

Unser neuer, unter dem Dach der Intersport Digital GmbH geführter Auftritt ist vom Endkunden her gedacht. Es handelt sich um eine kooperative Händler-Plattform. Was sperrig klingt, ist aber nichts anderes, als das, was andere Plattformen auch machen: Unsere Mitglieder stellen ihre Produkte ein, aber Service, Bezahlung, usw. wird über der GmbH abgewickelt.

Es gibt eine Online-Preis-Empfehlung für die inzwischen 65 Mitglieder, die tagesaktuell optimiert wird. Er ist weder der niedrigste noch der höchste – und wird größtenteils übernommen. Ende 2018 wollen wir 200, Ende 2019 400 Mitglieder auf der Plattform haben. Denn das Sortiment liegt ja nicht bei Intersport, sondern bei unseren Händlern. Es zur Verfügung stellen müssen und können nur sie. Wenn wir es schaffen, 400 von ihnen anzubinden, dann haben wir ein relevantes Angebot.

27:50

Alex: Ob in Verbundgruppen oder einfach nur ein Haushaltswarengeschäft: Nur die wenigsten Händler können die Frage beantworten, warum der Kunde bei ihnen kaufen sollte. Dann hört man immer wieder „Sortiments- und Beratungskompetenz“ oder so ähnliches, während der Kunde im E-Commerce ja stark über die Vektoren Preis, Verfügbarkeit und Angebot angesprochen wird. Dazu kommen Service und Convenience – etwa die guten Retourenbedingungen online. Wie beantwortet die Frage so ein Intersport-Händler? Ein bisschen Online löst vermutlich keine Probleme für ihn…

Knud: Stationär muss er erst einmal ein ganzes anderes Einkaufserlebnis schaffen, als er es früher musste. Den Kunden muss er auf der Fläche begeistern und emotional ansprechen, damit er Bock hat, das Produkt zu kaufen. Und er muss dem Kunden mehr verkaufen, als er sich schon selber verkauft hat. Kommt doch der Kunde viel besser informiert in den Laden. Er kommt nicht mehr rein und sagt: „Ich hätte gern einen Laufschuh,“ womit die Beratung dann anfängt. Sondern er sagt: „Ich hätte gern den und den Laufschuh in der und der Farbe und der und der Größe.“ Wenn ich das Modell als Händler dann nicht habe, habe ich schon ein Problem. Vielleicht kann ein guter Mitarbeiter ihn auf ein anderes Produkt umberaten, aber wenn mir das nicht gelingt, ist der Kunde wieder draußen – und hat auf dem Weg dorthin den Schuh schon online gekauft.

Und deswegen müssen wir versuchen zu gewährleisten, dass der Kunde über alle Kanäle zu uns kommen kann. Das ist auch der Gedanke hinter unserer Online-Plattform. Der entscheidende Unterschied zu anderen Plattformen ist, dass wir auch darüber eine Beziehung zum Kunden aufbauen. Verkaufe ich bei eBay, bin ich nur Erfüllungsgehilfe. Und bei Amazon beginnt nicht die Customer Journey, sondern Amazon ist die Customer Journey. Der Kunde ist weg. Ich habe als Händler keine Daten von ihm. Und das ist bei unserer Plattform anders. Ich habe hinterher mehrere Kontaktpunkte zu ihm.

(Alex möchte anhand beispielhafter CRM-Fälle wissen, wie genau dieser Kontakt stattfindet und was dabei rauskommen kann, wenn das alles zentral organisiert sei. Knud betont bei der Antwort, dass alles zwar über die Intersport-Zentrale laufe, dass aber Ziel echte Kundenbeziehungen vom Händler zum Kunden sei.

Thema echte Kundenbeziehungen: Alex erzählt, in der Holtenauer Straße verstünden es einige Händler, seiner Frau das Gefühl zu vermitteln, dass sie sie wirklich kennen. Dieses Gefühl zu schaffen, sei aber für viele Händler ein Ding der Unmöglichkeit. Genau das aber müsse aber jeder Händler in Zukunft leisten, sagt Knud. Zudem biete Intersport über 100 Serviceleistungen an, die man online nicht bekomme. Die gingen weit über einen Umsonst-Kaffee im Laden hinaus – Anpassung von Schuhen etwa.)

34:25

Alex: Viele Händler haben wahrscheinlich auf einfacher umzusetzende Antworten gehofft: zum Beispiel, dass man Ware hat, die andere nicht haben. Wie sieht es etwa bei Intersport mit Eigenmarken aus?

Knud: Je kleiner der Händler bei uns ist, desto größer ist der Anteil Exklusivmarken. Davon haben wir sehr bekannte: McKinley, Energetics, usw., die eine sehr hohe Relevanz am Markt haben. Das ist eins unserer wichtigsten Assets – und wird es in Zukunft bleiben. So müssen wir diesen Anteil auch weiter ausbauen. Das macht uns auch ein Stück weit unabhängiger von den Herstellermarken. Es ist zwar völlig klar, dass das ohne Nike und Adidas nicht geht, aber es gibt viele B-Marken, die mit Exklusivmarken durchaus ersetzbar sind.

Alex: Das bekommen auch die B-Marken zu spüren, oder? Amazon und Zalando sind eben nicht die nettesten Handelspartner: Sie müssen wachsen und tun das in der Regel auf Kosten der Herstellermargen. Sind sie nicht bereit, Marken zu entwickeln, die sie exklusive über Intersport-Läden vertreiben? Da hätten sie Preis-, Service-, und Angebotsstabilität. Vor vier Jahren hätten sie gesagt: „Euch brauche ich bald nicht mehr, ich entwickele gerade einen Online-Shop…“

Knud: Das hat sich geändert. Es gibt durchaus Marken, die feststellen, dass der Weg über Amazon nicht der richtige ist. Einige sagen: „Wir setzen auf den stationären Handel.“ Das sind vorwiegend B oder auch C-Marken. Aber mit solchen Marken kann man sich als stationäre Händler auch durchaus absetzen – vor allem sortimentsabrundende C-Marken, die ich immer „Schmücker“ nenne. Das kann beispielsweise ein Brooks sein im Laufschuhbereich: Früher wurde es nach Adidas, Nike und Asics dünn. Heute setzt man auf C-Marken, weil sie in der Distribution selektiver sind.

(Alex und Knud fachsimpeln dann über Brooks – „vernünfitge Laufschuhe“ – bevor es um Probleme mit der Umsetzungsgeschwindigkeit online geht: In so einem Verbund wie Intersport könne man nicht agil agieren, sagt Alex – nicht nur im Sportbereich, sondern überall da, wo Verbundstrukturen sind. Knud stimmt zu, ergänzt aber, dass die Individualität und Freiraum der Händler ein hohes Gut: Sie kennten den Markt vor Ort und brächten sich auch lokal ein – beispielsweise indem sie Ämter in Stadtmarketing-Vereinen übernehmen und Einkaufsstraßen mitgestalten. Die Koordinierung so vieler Mitglieder sei eine Herausforderung, aber keineswegs unmöglich.)

41:30

Alex: Haben sich denn für euch als Genossenschaft Erkenntnisse herauskristallisiert? Seht ihr euch in der Lage, Stadtentwickler zu beraten: „Macht dies“ oder „So wird das mit Holstenstraße nichts!“

Knud: Man sollte nicht mit dem Finger auf andere zeigen und sagen: „Ihr seid schuld!“ Es müssen alle an einen Tisch: Stadt, Stadtentwickler und – ganz wichtig – Immobilienbesitzer!

Alex: Aber an einem runden Tisch treten dann schon Differenzen hervor, oder? Es ist nicht mal klar, welche Maßnahmen in Zukunft Erfolg haben – und dabei verlaufen die Interessen verschiedener Gruppen diametral.

Knud: Das ist zwar so, aber irgendwann sorgt der Schmerz dafür, dass man sich doch noch zusammenraufen muss. Wenn man sich etwa den Leerstand hinter der Holstenbrücke anguckt: Das wird unweigerlich dafür sorgen, dass sich alle an einen gemeinsamen Tisch setzen und besprechen, wie man die Stadt wieder belebt kriegt. Die Stadt selber hat eine Stelle geschaffen. Vor Jahren schon habe ich gesagt, dass wir so eine Art Leerstands-Manager brauchen. Jetzt haben wir auch einen, der mit den Händlern und den Immobilienbesitzern ins Gespräch kommt

Alex: Ich war seit Jahren nicht mehr in der oberen Holstenstraße…

Knud: Aber du kaufst doch eh alles online, oder?

Alex: Vieles, ja, aber ich kaufe auch offline. Nur muss der stationäre Handel dort sein, wo ich mich aufhalte: Am Bahnhof, am Flughafen, oder am Strand (kleiner Scherz). Aber wegen des Flairs werde ich nicht extra in die obere Holstenstraße kommen. Ich bin eben nie da.

Wenn das Problem aber der Leerstand ist, lässt sich das nicht über den Preis regeln? Müssen dann nicht die Fonds, die die Ladenfläche besitzen, bereit sein, sie mal zu fünf pro Quadratmeter zu vermieten?

Knud: Ich glaube, das wird passieren. Es kann ja nicht sein, dass die Flächen ewig leer stehen. Und so rechne ich mit einem Umdenken seitens der Vermieter. Dann bekommen wir wieder andere Konzepte in die Stadt und – da ich ein sehr positiv denkender Mensch bin – sehe ich Chancen. Ganz klar: Es wird noch eine Zeit dauern. Wir sind gerade im Tal des Todes, und ob wir die Talsohle schon erreicht haben oder ob es noch weiter bergab geht, bevor es wieder aufwärts geht, kann ich nicht einschätzen. Aber es gibt spannende Entwicklungen, es wird gebaut, es entsteht Neues.

Alex: Wie zum Beispiel die Wasserstraße, um die hitzige Diskussionen entbrannt sind…

Knud: Ja, aber wir Deutschen meckern nun gern erst einmal: „So eine zugige Ecke, da wird man gar nicht sitzen können…“ Immer zuerst das Negative! Ich versuche immer, das Glas als halb voll zu sehen. Und die Maßnahmen werden die Aufenthaltsqualität definitiv nicht verschlechtern. Ich finde es gut, dass was passiert. Und es wird dazu führen, dass wieder der eine oder andere Vermieter die Holstenstraße wieder interessant findet. Zwar würde ich noch nicht von einer Renaissance sprechen, aber in einer Stadt wie Kiel mit so vielen Fährtouristen und Besuchern aus dem Umland, wird das schon eine gute Dynamik entfalten.

(Danach geht es im Alex‘ Präferenz für Eckenförde über Kiel. Er wohnt zwischen den beiden und Eckenförde biete eben gemütliche Hafenromantik mit kleinen Fischerbunden. Warum man das nicht in Kiel machen könne? Die Substanz dafür sei auch dort vorhanden, nur werde sie schlecht verwaltet.)

47:45

Alex: Schauen wir zum Schluss nach vorne. Ich werde immer damit zitiert: „Der Handel ist tot!“ Was ich aber eigentlich sage, ist: Ob online oder offline, es wird nach vorne raus schwierig, allein mit dem Rohertrag des Handels Geld zu verdienen. Diesen Schuh für 10 Euro einkaufen und 20 Euro verkaufen…

Knud: Das reicht nicht mehr aus.

Alex: So müssen andere Erlösströme her: Events, Services, Reparatur – was auch immer. Sogar bezahlte Beratung wird vermutlich kommen. Der Kunde bekommt nur gerade alles umsonst und lässt sich nicht über Nacht umerziehen. Was für mich fest steht: Die Leute werden sich immer irgendwo treffen wollen (siehe Weinachtsmärkte) und müssen irgendwo hin, weil die Wohnungen immer kleiner und die Aufenthaltsqualität zu Hause immer geringer wird (siehe verkaufsoffener Sonntag). Es gibt einen extremen Bedarf nach Treffpunkten. Da kann selbst eine obere Holstenstraße mit einem anderen Mix – viele Restaurants, ein bisschen Service – auf lange Sicht Menschen zurückgewinnen. Nur: Diese Erkenntnis hilft dem durchschnittlichen Intersport-Händler nicht weiter, oder? Denn der muss die kommenden Jahre erst einmal Geld verdienen.

Knud: Wenn wir ein Geschäft als Box betrachten, muss der Kunde rein und möglichst mit etwas rauskommen. Zunächst muss man also mehr von den Leuten, die an Geschäften vorbeikommen, auch hereinholen. Das geht in unserem Fall erst einmal über eine bessere Markenpositionierung von Intersport: Schönere, attraktivere Läden von außen, einheitlicher gestaltet, um die Marke Intersport zu stärken. Der zweite Schritt ist dann, dass mehr von den Leuten, die man reinbekommen hat, auch an der Kasse vorbeigehen. Das heißt: Die Konversion-Rate erhöhen – durch interessante Sortimente, mehr Service, mehr Erlebnis. Dabei müssen wir den Durchschnittsbon erhöhen: Klassisch will der Mann einen Anzug kaufen und kommt mit zwei Hemden, eine Krawatte und einem Gürtel dazu aus dem Laden raus. Er fühlt sich total gut und hat viel mehr gekauft, als er eigentlich kaufen wollte. Im übertragenen Sinne müssen wir das auch in unseren Geschäften hinkriegen.

(Zum Schluss geht Knud auf die Margenproblematik ein, die ja auch Hersteller betreffe. Und nicht nur im Einkauf, sondern auch im Verkauf müssten Händler durch erhöhte Lagerumschlaggeschwindigkeit ihre Margen aufbessern. Zudem sei es nicht mehr zeitgemäß, alles zum Normalpreis verkaufen zu wollen, um dann am Ende es im Schlussverkauf zu verschleudern. Dynamic-Pricing werde eine Rolle spielen müssen. Wer sich auf Veränderungen einlasse, werde aber auch in Zukunft stationär rentabel arbeiten können.)

 

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