Im letzten Interview mit Florian Heinemann hatte ich bereits ein Update zum Heinemann Kegel angekündigt. Der Heinemann Kegel ist ein Konzept das besagt, dass man in allen E-Commerce Teildisziplinen (Kundengewinnung, Plattform, CRM…) immer zur Top 5% Gruppe gehören muss, um überhaupt erfolgreich im E-Commerce sein zu können – so gut wie der Florian Heinemann, daher stammt der Name. Ok, das Konzept hat sich bisher noch nicht so richtig durchsetzen können, aber einen alternativen Mittelweg gibt es scheinbar nicht wie dutzende gescheitere (Konzern-) E-Commerce Projekte in Deutschland zeigen.
Die Kompetenzen im Heinemannkegel und im dazu passenden E-Commerce Benchmark sind eher technischer Natur. Ergänzend dazu haben Holger Schneider und ich vor ein paar Jahren mal eine Wettbewerbsmatrix („Das Transparenzdilemma“) entwickelt, die zeigt wie sich die verschiedenen Anbieter im E-Commerce Positionieren und wie schnell bisherige Top Positionen von neuen Anbietern überholt werden können. Auf dieser Basis betrachten wir auch 25 Unternehmen im E-Commerce Buch.
In meiner Welt der Plattformökonomie (GAFA) ist es damit sehr einfach: Man braucht Top-Leute in einem legacyfreien Umfeld (ohne Konzernfessln), und diese Leute müssen noch so hungrig sein, dass sie sich & ihre Teildisziplin permanent weiterentwickeln wollen. Dazu muss man immer damit rechnen, dass ein Wettbewerber (den ich heute ggf. noch nicht kenne) noch schlauer ist und mich überholt. Das Endgame ist dann die Erreichung des Plattformzustandes. (GAFA)
Vielleicht mache ich es mir auch zu einfach, aber grundsätzlich halte ich diese Sicht für alle vom Internet betroffenen Branchen & Services für verallgemeinerbar. Mir ist aber auch bewusst, dass diese Sicht nicht mehrheitsfähig ist. Auf Konferenzen abseits von K5 und DCD dreht sich die Diskussion fast immer darum wie man bestehende Unternehmen in diese Welt führen kann. Welcher Onlineanteil sollte angestrebt werden? Lohnt sich das Investment in Startups? …. Alles gute Fragen, allerdings werden sie meistens zu spät gestellt. Der Markt gibt mittlerweile neue Fragen vor, sowohl strategische als auch operative (siehe Heinemannkegel). Beraterseitig stark vereinfacht und ohne Anspruch auf Vollständigkeit könnte man das wie folgt ausdrücken:
E-Commerce bis 2008 | E-Commerce 2008-heute | Plattformökonomie | |
Kunden | Was kostet ein Neukunde?
„SEO/SEA Wettbewerb“ |
Wie mache ich mehr aus den Stammkunden?
„CRM Wettbewerb“ |
Kann ich meinen Kundenzugang für Dritte öffnen?
„Plattformwettbewerb“ |
Angebot | Was passt zu meiner Nische?
„mehr Marken!“
|
Wie vertikalisiere ich meine Nische?
„..mehr Eigenmarken!“ |
Ist mein Angebot attraktiv genug, um echte Stammkunden zu haben?
„...alles was der Kunde sucht.“ |
Technologie | Wie bekomme ich einen schönen Shop?
„Frontend Fokus“ |
Läuft der Shop auf dem Handy/Tablet?
„Device Fokus“ |
Wie bringe ich mein Angebot personalisiert auf alle Kanäle?
„Backend Fokus“ |
…. |
Gibt es in einer Plattformökonomie das Transparenzdilemma überhaupt noch? Damals hatten wir argumentiert, dass sich die klassischen E-Commerce Leistungsfaktoren (Preis, Angebot, Verfügbarkeit, Service) permanent im Sinne des Kunden verbessern und es nicht mehr ausreicht sich eine fixe Position zu suchen, weil der Markt sich einfach zu schnell bewegt. Diese These gilt aber nur bei einem funktionierenden Wettbewerb, den es in einer Plattformökonomie mit wenigen oder nur einem Anbieter so nicht mehr gibt.
Sehr aufschlussreich hierzu ist der aktuelle Streit zwischen Spotify und Apple um den Zugang zum Kunden. Spotify möchte diesen Zugang weiterhin kostenlos erhalten, während Apple seine Standard 30% Steuer einfordert, um seine Plattform und den Marktplatz zu finanzieren.
Google und Apple bilden also ein Duopol, das kaum angreifbar ist. Dementsprechend vorsichtig sollten sie mit der Macht umgehen, die aus ihrer Rolle als Wächter über die jeweiligen App-Stores erwächst. Ansonsten könnten die Kartellbehörden in den USA und der EU sich bald auch App-Stores näher anschauen. Google scheint das verstanden zu haben – Apple dagegen nicht.
Spotify fürchtet, dass Nutzer im Falle der Steuerzahlung die Nutzer an Apples Streamingdienst verliert, weil sie damit automatisch den Preis anheben müssten. Der Wettbewerb hat sich damit in das Ökosystem verlagert und wird nicht mehr zwischen unabhängigen Plattformen ausgetragen. Das Pech für Spotify ist lediglich, dass der neue Wettbewerber auch Betreiber des betreffenden Ökosystems ist. Spotifys Angebot war bisher attraktiv genug, um echte Stammkunden zu haben, aber die neuen Regeln im digitalen Vertrieb über Android, IOS und Facebook scheinen diese Position zu gefährden. Sollte hier irgendwann mal eine Kartellbehörde mitentscheiden, dann muss sie entscheiden welches Recht einem echten GAFA Unternehmen (Apple) gegen ein GAFA Unternehmen 2. Ordnung (Spotify, Uber, Airbnb) zugestanden werden muss. Ein wegweisender Rechtstreit!
- Sehr konkret diskutieren wir die verschiedenen Strategieansätze auf dem Spryker Stand bei der DMEXCO (14/15 September) Köln in diesem Jahr. Da können interessierte Leser mal hinter die Spryker Kulissen schauen und herausfinden wie sich Digitalisierung der Praxis anfühlen kann.
- Mit einem ganz anderen Ansatz diskutieren ich das Thema dann auf der brandeins Handelskonferenz „Künstler gesucht“ am 29. September in Hamburg. Wenn es nach dem brandeins Autor Wolf Lotter geht, dann wird das alles doch nicht so schlimm wie ich hier immer schreibe. „Der Golem und du“
- Am 12. Oktober folgt dann der große Showdown im Streitgespräch mit Kai Hudetz (Vater des Hudizismus) auf der NEOCOM in Düsseldorf. Ich bin gespannt, ob die Kassenzone Thesen das aushalten werden.
P.S.: Der Begriff „GAFA 2. Ordnung“ stammt aus dem Interview mit Florian Heinemann zum Thema „Investieren mit Geld zurück Garantie“