Lattoflex – die Lattenrost Erfinder mit CEO Boris Thomas

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Der Lattenrost ist ein Deutsche Erfindung – eine Erfindung vom Opa des aktuellen Lattoflex CEO Boris Thomas der im Podcast eine Menge Wissenswertes rund um das Thema Schlafen und Lattenrostvertrieb erzählt. Eine Folge mit dem Prädikat: Muss man gehört haben – hätte man vorher so nicht gedacht. Der Siegeszug des Lattenrosts rund um Bremervörde hat vor nicht allzu langer Zeit begonnen und ist auch noch nicht weiter über die Grenzen von Holland und Österreich hinweg erfolgt. Schon erstaunlich, wenn man bedenkt wie präsent das Produkt in den meisten Deutschen Haushalten ist. Trotzdem verdient Lattoflex natürlich nichts mehr an den verkauften Einsteigerrosten bei IKEA. Auch darüber sprechen wir im Podcast und nebenbei erfahren wir eine Menge über die Eigenheiten des Bettenfachhandels.

Alexander Graf

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Der Lattenrost mit Boris Thomas, CEO von Lattoflex

Was haben der Buchdruck, das Telefon und der Lattenrost gemeinsam? Genau – all diese Erfindungen wurden in Deutschland erdacht. Was sie allerdings unterscheidet: Während Buch und Telefon die Welt erobern konnten, fand der Lattenrost in nur wenigen Ländern Verbreitung. Ja: Nicht allen hierzulande ist bewusst, wie selten das, was 1957 in Bremervörde von der Firma Lattoflex zum ersten Mal gebaut wurde und auch als „Bettenrost“ oder „Federholzrahmen“ bekannt ist, über die Grenzen Mitteleuropas hinaus zur Anwendung kommt. Wie also blickt ein 1935 gegründetes Familienunternehmen mit einem derart kulturell geprägten Kernthema auf die Globalisierung und den dafür unerlässlichen Online-Handel? Diese und viele weitere spannende Fragen beantwortet Boris Thomas, Enkel des Lattenrost-Erfinders, Geschäftsführer von Lattoflex und (Johannes Gutenberg sei Dank!) Buchautor.

„Es gilt, die Marke Lattoflex zu schützen und nicht das Vertriebssystem.“

06:00

Alex: Boris, du selbst hast mich auf einem Digital Commerce Day in Hamburg aufgeklärt, dass der Lattenrost gar nicht als weltweites Phänomen betrachtet werden kann. Er hat’s nicht mal bis nach England geschafft, stimmt’s? Die Schwerpunktmärkte sind Deutschland, Österreich, Schweiz, ansatzweise Polen und …

Boris: … uns für uns sind auch die Niederlande und Belgien sehr stark. In Belgien ist Lattoflex sogar eine sehr generische Marke, wie „Tempo“ für Taschentücher bei uns, und somit auch eine der stärksten im Bereich Betten. Dort wird unser Markenname „Lattoflex“ praktisch mit „Lattenrost“ gleichgesetzt. Übrigens geht „Lattoflex“ auf „flexible Latte“ zurück. Aber du hast recht, je weiter man sich aus Mitteleuropa entfernt, umso häufiger trifft man auf andere Systeme, auf denen Menschen schlafen.

Alex: Stimmt! Boxspringbetten sind in den USA ganz populär, in Japan überwiegt das Futon, so eine Art Rollmatratze, die man auf dem Boden ausbreitet. Die ist, glaube ich, gar nicht so gesund – zumindest sieht sie für mich nicht so aus.

Boris: Ein Futon ist für unsere europäischen Verhältnisse schon sehr hart, um nicht zu sagen „knusprig“.

Alex: Gibt es denn irgendeine medizinische Grundlagenarbeit oder irgendeine Theorie, die aussagt: Eigentlich ist mit einem Lattenrost alles viel besser, effizienter, günstiger oder gesünder? Gibt es diesbezüglich eine Unique Selling Proposition, die ihr nutzen könntet?

Boris: Wir arbeiten seit den 1960er Jahren daran, eines der größten Archive für Schlafphysiologie aufzubauen, indem wir alle Ergebnisse aus wissenschaftlichen Studien zusammentragen, die weltweit durchgeführt werden. Aber: Die Studienlage ist erschreckend dünn. Das gilt für die Schlafphysiologie im Einzelnen wie auch für die Schlafforschung überhaupt. Das Problem ist im Grunde, dass Schlaf etwas sehr Subjektives ist und schon die Frage danach, was guten Schlaf überhaupt ausmacht, sehr unterschiedlich beantwortet wird.

Deshalb haben wir irgendwann begonnen, uns auf den Bereich Schmerzen zu konzentrieren – Schulterschmerzen bei Seitenlagen, Nackenschmerzen, Rückenschmerzen oder auch Druckschmerzen bis hin zum Dekubitus. Die kann man wenigstens messen. Und so kam es, dass wir heute ein Höchstmaß an Individualisierung betreiben. Wir versuchen Menschen, die irgendein Problem haben, wie einen Bandscheibenvorfall, Nackenverspannungen bis hin zu Unfällen, verbogene Wirbelsäulen oder sogar Nachtschweiß, in irgendeiner Weise so zu lagern, dass sie morgens schmerzfrei und erholt aufstehen können.

Vor allem junge Menschen kommen mit dem erstbesten Boxspringbett noch gut zurecht, aber im weiteren Verlauf des Lebens fehlen in diesem Fall die Justierungsmöglichkeiten. Unsere Zielgruppe beginnt bei Mitte 50, unser „Beispielkunde“ ist 53 Jahre alt. Das ist so die Phase, in der die Leute ihre Ikea-Betten überhaben und etwas Richtiges wollen. Zum Beispiel haben wir ein Spezialsystem für Leute über 65 Jahre. Das läuft sehr, sehr erfolgreich.

10:55

Alex: Verkauft ihr dann auch die Matratze mit?

Boris: Ja, wir verkaufen sowohl die Unterfederung als auch Matratzen, in Deutschland so ziemlich im Verhältnis 1:1, eher ein paar mehr Matratzen. Europaweit sind es viermal so viele Matratzen wie Unterfederungen. Das liegt aber auch daran, dass Menschen die Matratze aus Hygienegründen häufiger wechseln. Und wir verkaufen bei Lattoflex immer sehr „systemtreu“, um es mal so zu nennen. Der Lattoflex-Kunde hat gerne alles aus einer Hand und will zur hochflexiblen Federung eben auch etwas, das deren Funktionen möglichst umfassend und effektiv auf den Körper überträgt. Deshalb sind unsere Kunden sehr treu. Die wollen es komplett.

Alex: Dann also auch inklusive Bettrahmen?

Boris: Ja. Es gibt so einen alten Spruch bei uns, der heißt „Lattoflex ist Gast in fremden Betten“. Wir sind zu über 95 Prozent der klassische Zweitausstatter. Die Mehrheit unserer Kunden hat sich irgendwann einmal in einem Möbelhaus etwas richtig Teures gekauft, alles Ton in Ton, und kann nach einiger Zeit nicht mehr so richtig darauf schlafen. Dann fragen sie uns, ob wir da Lattoflex reinsetzen könnten. Das kommt uns eigentlich sehr entgegen. Wir sind eher Techniker und Ingenieure als Innenausstatter und Designer. Unsere Arbeit „verschwindet“ also gewissermaßen in den Betten der Kunden. Deshalb können unsere Teile auch mehrheitlich auf alle Betten adaptiert werden.

(Hier die Zahlen zu Unternehmen und Produkt: Ein Lattoflex-System aus Matratze und Unterfederung kostet im Schnitt 1.500 Euro VK. Das teuerste Produkt ist ein Rahmen mit fünf Motoren, die über eine App gesteuert werden können, für 5.000 Euro. Insgesamt führt Lattoflex in der Standardpreisliste 12.000 Produktvarianten. An Produkt und Marke arbeiten insgesamt 175 Mitarbeiter, plus sechs weitere in einem Tochterunternehmen in Seattle in den Vereinigten Staaten. Der zweitgrößte Markt ist mit etwas mehr als 80-Lattoflex-Shops China, und gemeinsam mit seinen internationalen Lizenznehmern erwirtschaftet die Gesellschaft jährlich knapp 65 Millionen Euro.)

14:05

Alex: Dein Opa hat sich seinen Lattenrost aber nicht patentieren lassen, sodass ihr an jedem weltweit verkauften Lattenrost verdient, oder?

Boris: Das wäre schön! Aber wie du vielleicht weißt, gelten Patente nur 17 Jahre. Unseres lief also bis in die 1970er Jahre. Wer bis dahin einen Lattenrost verkaufen wollte – ungelogen! – musste bis nach Bremervörde pilgern, um bei uns für ein Vertriebsrecht anzuklopfen. Erst dann begann ein riesiger Boom von Nachahmern und Leuten, die die Idee nutzten, und daraus ist dann der Lattenrost-Markt entstanden.

Alex: Bleiben wir einmal beim Wettbewerb: Letztes Jahr war der CEO von Emma bei mir zu Gast. 2019 war eine Emma-Matratze von Stiftung Warentest zum Testsieger erklärt worden. Du als Schlafwissenschaftler und Vollprofi, wie blickst du auf solche Qualitätssiegel wie die von Stiftung Warentest?

Boris: Da muss man zwei oder eher noch drei Dinge unterscheiden. Das erste ist, was du schon ansprichst: Stiftung Warentest. Gott sei Dank hat sich da in der Zwischenzeit einiges getan. Für mich als „Schlaffreak“ ist die Antwort auf die Frage, wie man auf einer Matratze liegt, immer das Wichtigste. Die Kriterien, die die Stiftung Warentest aufstellt, decken diese Frage aber nur zum Teil ab und die Meinungserhebungen, durch die diese Aspekte erörtert werden, sind meistens auch nur sehr kurzgehalten. Jeder, der wissenschaftliche Forschung betreibt, weiß, dass das Ergebnis, das man erhält, maßgeblich von den Kriterien und Fragen abhängt, die man vorgibt. Wir gehen da anders vor. Unser Markenversprechen ist, dass Menschen schmerzfrei schlafen können. Deshalb richten wir unseren Fokus ganz anders aus und testen intensiver. Das wäre für die Stiftung Warentest so gar nicht umsetzbar, und das ist völlig in Ordnung.

Der zweite Punkt ist: Man sieht im Moment deutliche Verwerfungen. Ich weiß nicht, ob Casper auch schon einmal bei dir im Podcast war …

Alex: Nicht hier, nicht persönlich, aber ich habe schon mit vielen Podcast-Gästen über Casper gesprochen. Ich bin Casper auch hochverbunden – immerhin waren sie einer der ersten Podcast-Sponsoren.

Boris: Auf jeden Fall gibt es im Discountbereich einige Verwerfungen – alleine schon was Emma und Bett 1 vor Gericht ausgefochten haben … Da halte ich mich aber heraus, auch weil ich einen Heidenrespekt vor dem habe, was Emma aufgebaut hat. Und Casper ist ja schließlich gescheitert, weil sie keine höheren Preise durchsetzen konnten. Um ein Vertriebssystem aufbauen zu können, muss man seine Varianten reduzieren. Und daraus entstand die Idee einer one-size-fits-all-Matratze. Es ist durchaus gerechtfertigt, so zu denken – weil es natürlich so eine Art Durchschnittsmensch gibt, der keine großen Ansprüche hat. Das ist aber eben eine ganz andere Philosophie. Und bei Casper und Emma geht es eben nur um die Matratze, während wir das Komplettpaket verkaufen. Am Ende ist es ja entscheidend, worauf die Matratze liegt. Auf einem alten, durchgelegenen, löchrigen Lattenrost nützt dir auch eine Lattoflex-Matratze nichts.

22:20

Alex: Die Matratzen von Casper waren ja auch deshalb so erfolgreich, weil sie es anders als Matratzen Concord oder das Dänische Bettenlager geschafft haben, Online-Kanäle effizient zu nutzen. Casper hat das in den USA vorgemacht, konnte hier dann aber mit den Preislagen, die zuerst Bett 1 und später Emma vorgegeben haben, nicht mithalten. Dafür waren die Werbeeinsätze zu hoch. Welche Rolle spielen Online-Vertriebskanäle in eurem Segment?

Boris: Gar keine. Das muss ich ganz deutlich hervorheben: Wenn überhaupt, dann spielen sie eine minimale Rolle. Unser Dekubitus-Bett vertreiben wir in jedem Fall online, weil wir dort insbesondere die Pflegeheime und Krankenhäuser erreichen müssen. Da wüssten wir von keinem anderen Vertriebskanal sonst.

Die Mehrheit unserer Systeme wird aber klassisch über sehr kleine, sehr beratungsintensiv von Familien geführte Fachgeschäfte vertrieben. Wir sind zum Beispiel weder bei Lutz noch, hier in Norddeutschland, bei Dodenhof vertreten. Und dabei haben wir alles ausprobiert! Das praktische Problem, an dem wir uns in Sachen Online-Vertrieb die Zähne ausbeißen, ist, dass in unserer Preislage viele Kunden wenigstens einmal auf dem Produkt draufgelegen, einen Eindruck vom Liegegefühl bekommen haben möchten. Deshalb haben in China auch zuerst die Flagship-Stores gegriffen. Und dann käme ja noch die Logistik dazu: Unser Fünf-Motorer wiegt 93 Kilogramm und ist nicht eben einmal in 20 Minuten eingebaut. Man braucht die Spedition, man braucht den Service, man braucht die Leute, die unsere Systeme begleiten und einbauen. Und schließlich ist jeder zweite Rahmen, den wir verkaufen, einer mit Motoren. Kein anderes Unternehmen auf dem Markt verkauft so eine Quote, und keinem anderen in unserem Preissegment ist es bisher gelungen, dieses Geschäft online abzubilden.

(Im Hinblick auf potenzielle Wettbewerber kommt Lattoflex am ehesten mit Matratzen Concord in Berührung, aber auch das lediglich bezüglich der Zielgruppe. Ansonsten steht das Unternehmen in vielen Bereichen allein auf weiter Flur, und auch die „unglaublich starke Expansion“ in China fußt auf dem individualistischen Kerngeschäft. „Bedarfe wie der nach motorischen Komponenten werden in einem Beratungsgespräch und nicht online auf Distanz geweckt – das ist in China genauso wie in Frankreich“, merkt Boris an.)

26:10

Alex: Du hast eben Kaufhäuser wie Lutz und Dodenhof angesprochen. Wollt ihr nicht, dass eure Produkte dort verkauft werden oder wollen die die nicht bei sich verkaufen, weil sich das vom Preis oder von der Zielgruppe nicht lohnt?

Boris: Sowohl als auch. Ohne in die Details zu gehen: Dodenhof hatte uns zum Beispiel lange im Sortiment, als es noch vollständig im Besitz der Familie war. Unsere Familien waren befreundet, mein Großvater baute schon damals Fußbänke für Dodenhof. Und dann wurden sie von Lutz übernommen und ihre Ausrichtung wurde angepasst. Denen sind unsere Preislagen zu hoch, der Kaufvertrag wird nicht schnell genug abgeschlossen, unsere Produkte sind zu erklärungsbedürftig… Da kommen wir nicht so richtig zusammen.

Alex: Gehen wir mal zu dem klassischen, ignoranten Online-Kunden – nehmen wir mich als Beispiel: Ich wüsste gar nicht, wo hier in der Nähe ein Bettenfachgeschäft ist. Wie also finde ich euch?

Boris: Das ist echt ein Thema, und das möchte ich auch gar nicht schönreden. Bettenfachgeschäfte sind sehr kleine Einheiten, oft Familienunternehmen – und sie fallen in der Kundenwahrnehmung fallen die hinten runter. Ich schicke meiner Antwort aber einmal eine Zahl voraus: 74 Prozent der Lattoflex-Kunden haben zum Zeitpunkt des Kaufs irgendein konkretes Problem. Die kaufen Lattoflex also nicht „freiwillig“, sondern weil sie ihr Problem lösen wollen. Das ist der treibende Faktor. Deshalb nimmt die Mehrheit unserer Kunden auch intensivere Recherchen auf sich als einfach nur „Lattenrost“ oder „Matratze“ zu googeln. Wenn ich mir unsere Umsatzzahlen angucke: Es gibt noch genug Menschen, die den Weg in den Fachhandel finden…

32:05

Alex: An dieser Stelle möchte ich Widerspruch einlegen! Für mich gibt es nichts Schlimmeres, als in den Laden zu fahren … Gerade jetzt! Nicht nur gibt es derzeit die ganzen Hygienekonzepte, man muss auch noch einen Termin ausmachen … Und angenommen, ich erfahre von euch, über Testberichte zum Beispiel oder über Foren, und gelange auf eure Website, möchte aber einfach nur einen Lattenrost kaufen. Kann ich das?

Boris: Über unsere Händler ja. Die werden dir aber auf jeden Fall auch Fragen stellen, zumindest mal nach den Maßen, den vorhandenen Möbeln und so weiter. Ein Lattenrostkauf ist nie zu 100 Prozent „problemlos“.

Alex: Aber meine alte Matratze könnte ich behalten?

Boris: Wenn du deinen Lattenrost mit motorischen Funktionen haben möchtest, wäre es gut, wenn die Matratze darauf knickfähig ist, weil die Lattoflex-Funktionen ohne eine gewisse Flexibilität der Auflage ja wenig Sinn ergeben.

(Dabei verspricht Lattoflex einen Gewinn in Sachen Schlafqualität, der den einer neuangeschafften one-size-fits-all-Matratze auf jeden Fall übersteigt – und hält das Versprechen auch: Die Schlafstudien, die die Niedersachsen alle drei Jahre durchführen, belegen, dass 93,8 Prozent aller Menschen ihre Gesundheitsprobleme nach vier Wochen auf Lattoflex gelöst haben. Der unbestreitbare Pluspunkt: Man kann einzelne Systemkomponenten auf den Körper anpassen. Und während das Einheitsmatratzengeschäft exorbitant hohe Rückgabequoten verzeichnet, gibt Lattoflex eine Tiefschlafgarantie von vier Wochen und erhält gerade einmal zwei von 1.000 Systemen zurück.)

36:55

Alex: Zwei Fragen habe ich noch zum Thema Vertrieb: Wie hat sich das Bettenfachgeschäft als Kanal in den letzten Jahren entwickelt? Die müssen ja auch nicht auf der Haupteinkaufsstraße liegen und bieten sich sicher auch in Ländern an, die die Vorzüge von Lattenrosten noch nicht erkannt haben. Und die zweite Frage dreht sich um die Loyalität eurer Kunden: Wenn einer einmal bei euch gekauft hat, fängt der dann an, seine gesamte Wohnung inklusive Gäste- und Kinderzimmer mit Lattoflex auszustatten?

Boris: Im Fachgeschäftsbereich haben wir eine Durchdringung von 2.000 bis 2.500 Geschäften, und Innendekorateure und so ein paar Handwerker sind mit 660 dabei. Und diese Zahlen waren in den letzten Jahrzehnten auch sehr stabil, wobei es in unserer Branche bislang kein Flächensterben des Fachhandels gab. Tatsächlich könnte es aber zu einem Nachfolgeproblem kommen, wenn jetzt viele Gründungen aus den 1950er, 1960er Jahren schließen müssen, weil die Kinder gute Anstellungen in der Industrie gefunden haben.

Zu deiner zweiten Frage: Die Bindung an die Marke Lattoflex ist sehr, sehr hoch. Wir haben auch in der Corona-Zeit immer tolle Aufträge hereingekriegt, weil die Leute sich intensiver mit ihren Heimen und ihren Ferienhäusern auseinandergesetzt haben. Außerdem liefern wir Lattoflex für LKW-Fahrer, und auch Caravan-Liebhaber werden bei uns fündig. Und wenn die sich entscheiden, Lattoflex auch zuhause nutzen zu wollen, kommen sie wieder.

Alex: Das strukturelle Nachfolgeproblem in Fachgeschäften kommt sicher irgendwann zustande, und vor allem wenn ihr neue Märkte erschließt, halte ich den Direktvertrieb durchaus für die sinnvollste Option. Meinst du, die Bettenfachgeschäfte würden euch wie anderen Herstellern aufs Dach steigen, wenn ihr jetzt versuchen würdet, die Lattoflex-Serie 200 online direkt zu verkaufen?

Boris: Nein, das denke ich nicht. Wir haben seit 1983 eine Vertriebsbindung, an die wir uns halten, und bieten zudem auch entsprechende Schulungen an. Parallel dazu haben wir jetzt ein Agentursystem aufgebaut, durch das es möglich ist, bestimmte Produktlinien auch online zu vertreiben. Das bauen wir im Moment aus. Mir ist es aber wichtig, so etwas immer sehr solide aufzuziehen. Ich habe keine Lust auf Harakiri-Aktionen, weil ich weiß, dass es die Marke Lattoflex zu schützen und zu bewahren gilt. Ich bin ja der Verteidiger von Lattoflex und nicht der Verteidiger von Vertriebssystemen.

Unser Anspruch ist es, mit zuverlässigen Partnern langfristig zusammenzuarbeiten, wobei das meines Erachtens nichts mit der Quadratmeterzahl des Ladens zu tun hat. Es bringt meiner Marke und den Kunden nichts und macht auch keinen Spaß, wenn irgendwelche Garagenleute ankommen und sagen „Hey, gib mir mal 10 Lattoflex, die verticke ich jetzt mal auf eBay“.

42:05

Alex: Okay, so viel zum Business an sich. Du hast in den letzten Jahren auch ein Buch geschrieben, das heißt „Fange nie an, aufzuhören“ (Campus, 2019). Wie ist es dazu gekommen und inwiefern wird Lattoflex dadurch bekannter?

Boris: Das Buch ist wirklich toll gelaufen! Weil ich relativ viele Vorträge halte, hatte ich bereits Kontakt zum Campus-Verlag, einem der größten Wirtschaftsverlage in Deutschland. Und die kamen auf mich zu und meinten, die Geschichte unseres Familienunternehmens über die Jahre sei so spannend und ob ich nicht Lust hätte, ein Buch darüber zu schreiben. Das kam 2019 auf den Markt, und im September erscheint mein zweites Buch „Teile die Wolken und finde den Weg“.

In „Fange nie an, aufzuhören“ geht es vor allem darum, wie ich als Geschäftsführer eines Familienunternehmens mit Krisen umgehe. Da sind auch viele Interviews mit spannenden Leuten drin, zum Beispiel mit dem Zukunftsforscher Sven Jánszky oder auch mit meinem Vater, über die Gründung von Lattoflex und seine Perspektive als Unternehmer. Immerhin war Lattoflex am Anfang fast zehn Jahre ziemlich unerfolgreich.

Alex: Und könntest du jedem erfolgreichen Manufaktur-Chef empfehlen, auch so ein Buch zu schreiben? Hat das zu größeren Bestellungen bei Lattoflex geführt?

Boris: Diese Quote wird man sehr schlecht als key performance indicator definieren können! Aber spannend wäre der Zusammenhang trotzdem, das stimmt. Ich glaube, dass jede Marke – wie Apple und Steve Jobs – einen Unternehmer braucht, der für diese Marke steht. Und darum geht’s bei dem Buch: Um meine Sichtbarkeit als Unternehmer, um zu zeigen, wofür ich stehe. Außerdem sind viele unserer Kunden und Mitarbeiter nicht „einfach nur“ Kunden oder Mitarbeiter, sondern regelrechte Fans. Und diese beiden Aspekte – unsere Fans und meine Präsenz als Unternehmer – machen die Kraft von Lattoflex aus, weil es eben keine reine Vertriebsmarke ist, die sich jemand mal eben ausgedacht hat, um auf Amazon irgendetwas zu verticken.

46:45

Alex: Dann lass uns in den letzten Minuten noch einmal auf euer Geschäftsmodell und mögliche Innovationen zurückkommen. Wäre ein Subscription-Modell eine Lösung nach vorne, im Sinne von „Schlaf as a service“? Zum Beispiel indem Kunden eure Systeme 10 Jahre für 50 Euro im Monat anmieten würden statt sie zu kaufen?

Boris: Genau zu dieser Frage hatten wir schon zahllose Meetings und Brainstormings: Wie würde ein Unternehmen aussehen, das uns Marktanteile wegnehmen könnte? Und das ist keine leichte Frage, sonst würde es so ein Unternehmen ja auch schon längst geben! Aber alle Modelle, die du jetzt beschrieben hast – Finanzierungsmodelle, Abo-Modelle, alles Mögliche – die sind gnadenlos gescheitert, weil der Kunde am Ende sagt „Kaufe ich, reicht mir, gut“, und dann nicht weiter genervt werden will. Also, dafür ist das Thema vielleicht auch nicht präsent genug. Und wir haben immer diesen Konflikt zwischen: Man wird teurer, je mehr Varianten man anbietet, weil man so mehr Problemkunden bedient. Aber wenn man mehr Varianten hat, kriegt man wieder das Problem mit der Logistik und dem Handling … Deshalb bin ich ganz ehrlich: Ich kann dir darauf keine kluge Antwort geben.

Eine Innovation, die eher wirken wird, geht in Richtung Digitalisierung. Nicht im Sinne der Digitalisierung des Vertriebs, sondern was konkret an unseren Systemen digital gestaltet werden kann. Also haben wir eine Messmimik entwickelt, speziell für den Bereich der Alten- und Heimpflege. Wenn Leute zuhause gepflegt werden, kann man jetzt über ein Handy nachgucken, ob die Person auf dem Bett liegt, ob sie heruntergefallen ist, ob sie sich genug bewegt hat, und man kann kurz einkaufen gehen, weil man weiß, da ist alles in Ordnung – das ist ein Riesenthema! Da hat man einen richtig schönen Hebel und kann eine App machen, Zusatzelemente anbieten … Weil der Bereich der Pflege sehr stark wachsen wird, sind Abo-Modelle für mich da eher denkbar. Da hat man einen konkreten Nutzen.

(Aktuell bereitet sich Lattoflex auf den großen Sommer-Boom vor, bevor Boris im Herbst auf einer Möbelmesse in Shanghai sprechen soll. Mit Sicherheit im Gepäck dabei: Flyer und Zeitungsbeileger – die auch wirklich noch funktionieren, wie Boris absolut begeistert erläutert, ehe sich beide für das Gespräch bedanken und verabschieden.

Wer übrigens mehr von Boris hören möchte, dem sei sein Gespräch mit Digitalkaufmann Nils empfohlen!)

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