Pierre Haarfeld ist der Möbelexperte schlechthin im Deutschen Markt. Er weiß was passiert und kennt vor allem die Geschichten hinter den Kulissen. Er war bereits mehrfach zu Gast im Kassenzone Podcast und wusste mit Kompetenz und viel Hintergrundwissen zu überzeugen. Mit Nuucon hat er den einen spannenden Möbelmarktplatz aufgebaut auf dem sich Designer und Anbieter treffen und Geschäfte machen. Darüber reden wir im Podcast, aber vor allem sprechen wir über die aggressive Wachstumsstrategie von XXXLutz, die gerade „schwache“ Möbelhändler in der Schweiz und in Deutschland aufkaufen.

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Möbelhandel online mit Pierre Haarfeld, Mitgründer und Geschäftsführer von Nuucon

Wer Information über den Online-Handel mit Möbeln in Deutschland sucht, der kommt an Pierre Haarfeld nicht vorbei. Der Autor der mittlerweile fast schon legendären Studie zum Möbelmarkt „Knut bleibt sitzen“ war schon zweimal bei dessen Herausgeber Alex im Podcast zu Gast – allerdings gute drei Jahre her. Neben den Entwicklungen bei Teilnehmern wie Onliner Westwing und Home24 sowie vor allem den stationären Riesen XXXLutz und IKEA geht es auch um Pierres eigenes Marktplatz-Unternehmen nuucon.

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„Lutz ist ein Anbieter, den ich auf dem Online-Möbelmarkt ernst nehmen würde.“

3:10

Alex: Pierre, stell dich bitte erst einmal kurz vor!

Pierre: Ich bin Mitgründer und Geschäftsführer von nuucon, dem einzigen Aggregator in DACH für Interior-Projekte. Davor habe ich mit Digital Apartment die führende E-Commerce-Beratung im Möbelumfeld gegründet. Wir beraten Möbelhersteller und -händler darin, wie sie sich digital aufstellen sollten. Dem vorausgegangen sind mehrere Jahre an der Schnittstelle zwischen etablierten Möbelfirmen und neuen Geschäftsmodellen.

Alex: Nehmen wir mal einen klassischen Hersteller von Küchen…

Pierre: Küchen sind ja ganz speziell!

Alex: Okay, eher von… Sofas, Polstermöbel usw. Setzen wir mal 200 Millionen Euro Umsatz an und sagen wir, dass es ihm alles zu schwierig wird zwischen übermächtigen Stationären wie IKEA und XXLutz einerseits und Onlinern andererseits. Pierre, was soll er tun?

Pierre: Die Frage ist wichtig, weil man auf der Großfläche eine extreme Konzentration bei Höffner, XXLutz & Co. hat. Da bekommen die Hersteller den Margendruck weitergereicht. Allerdings ist deren Abhängigkeit von der Großfläche von ehemals 100% auf 70-80% runtergegangen. Denn die Hersteller arbeiten jetzt mit Eigenmarken – oft mit neuen Brands für Endkonsumenten, die sie über Amazon aufbauen. Dabei scheitern sehr viele, weil sie so nach dem Motto operieren: „Stelle ich bei Amazon rein. Kommt sechs Wochen keine Bestellung. Nehme ich wieder runter.“ Dann ziehen sie ihr Fazit: „Amazon hat für mich nicht funktioniert.“

06:30

Alex: Hältst du es denn für sinnvoll, dass Möbelhersteller, solche Marken aufbauen – und sich damit die Unbill der Einkaufsverbände zuziehen?

Pierre: Für mich führt gar kein Weg darum herum, in den Direktvertrieb zu gehen. Die Frage dabei ist nur, ob ich im Vendor- oder Seller-Model bei Amazon vertreten bin. Die Königsdisziplin ist es, mit einer starken Eigenmarke direkt an den Endkonsumenten zu verkaufen. Dem steht aber oft eine mangelnde Bereitschaft zu investieren im Wege: Mit 100.000-200.000 Euro ist es nämlich nicht getan. Dann ist es eine Mentalitätsfrage: Wer bislang immer nur an den Handel geliefert hat, empfindet oft eine gewissen Scheu vor der Wette.

Alex: Gibt es Händler, denen ist schon gelungen ist? Vitra, zum Beispiel, die ja als einer der wenigen echten Marken im Markt gilt…

Pierre: Wobei – und hier will ich gar nicht die neunstelligen Umsätze von Vitra kleinreden – es wesentlich größere Player gibt. Da wir als Konsumenten sie wahrnehmen, wird Vitra sehr oft genannt. So ist Vitra für mich auch gar kein typischer Hersteller, weil er schon über eine so starke Marke verfügt. Worüber wir also reden sollen, sind diejenigen, die nicht sichtbar sind und einen Weg aus der Abhängigkeit finden müssen.

Bei Vitra gibt es natürlich spannende Fragen: Wie sehen die neuen Produkte aus? Wie läuft es mit der Expansion in andere Länder? Wie werden sie den Vertrieb in der Zukunft organisieren? Aber daran sieht man, wie viel weiter sie schon sind.

09:35

Alex: Kannst du denn mit nuucon anderen Herstellern einen alternativen Kundenzugang anbieten?

Pierre: Definitiv. Lass mich auch an der Stelle kurz was zu der Historie von nuucon sagen. Im für den Möbelmarkt charakteristischen Umfeld von Verbundgruppen wollten wir Hersteller und Händler miteinander vernetzen. Meine Hypothese war, dass es dafür Nachfrage gibt. Damit sind wir aber tatsächlich gescheitert. Dafür haben sich immer mehr Interior-Designer bei uns registriert, was dazu geführt hat, dass wir uns mittlerweile komplett auf Interior-Projekte konzentrieren.

Hier treten wir ja als einzigen Aggregator der DACH-Region auf. Was bedeutet das konkret? Du bist Innenarchitekt und hast ein Projekt: Du musst ein Büro oder ein Apartment ausstatten. In der Regel kaufst du von 20 bis 30 Marken ein – und musst sie alle einzelnen anfragen. Das ist ein Scheißprozess. Was wir gesehen haben: Das kann man bündeln. So vereinfachen wir den Einkauf für Innenarchitekten und eröffnen großen Marken den Zugang zu Projektgeschäften.

Unsere Hauptkunden sind Interior-Desginer sowie Bürobetreiber und Serviced-Apartment-Anbieter. Letztere statten bis zu 2.000 Wohnungen mit uns aus, was hohe Volumina bedeutet und uns für Hersteller attraktiv macht.

Alex: Gelingt es damit, die Abhängigkeit eines mittelgroßen Herstellers von der Großfläche signifikant zu senken? Oder gibt es so zwei bis drei Hersteller, die bei Interior-Designern sehr beliebt sind und immer wieder gekauft werden?

Pierre: Es gibt die Klassiker wie Muuto und Flos, die total beliebt sind. Die Abhängigkeit von der Fläche ist aber für keinen allein mit uns gelöst. Da müssten wir natürlich ganz andere Volumina aufbringen.

12:20

Alex: Als wir uns vor drei unterhalten haben, waren Home24, Westwing & Co. die absoluten Renner. Alle haben auf die gesehen und gefragt, ob sie nicht das lang ersehnte „Zalando der Möbelbranche“ waren…?

Pierre: Das Thema ist total abgeflaut, womit alle Hersteller, die damals geschimpft haben, dass das nie funktionieren würde, sich bestätigt fühlen. Tenor: „Home24 hat nicht funktioniert, also brauche ich auch nichts machen.“ Allerdings ist das ein Trugschluss. Was viel mehr Thema ist: Wayfair. Auch heiß diskutiert: Wie Otto sich gerade zu einer Plattform umbaut. Und es wird die Entwicklung im Stationären von Lutz und Höffner sehr genau verfolgt.

Dann kommen direct-to-consumer brands. Letztes Jahr haben wir zum Beispiel die Top-100 Start-ups in Home & Living angeguckt: Davon waren 75% B2C-Brands, was mich auch überrascht hat. Entweder waren das Hersteller, die diesen Weg bestreiten, weil sie sich gefragt haben, warum eigentlich sie nur den Handel beliefen. Oder es waren Teams, deren Stärke in Marketing liegen und sich einen Hersteller gesucht haben.

(Derzeit sei die Landschaft sehr heterogen mit vielen Anbietern, die rund 7-8 Millionen Euro jährlich umsetzen. Konsumenten wünschten sich aber Möbelmarken – was nicht an Amazon vorbeigegangen sei. Unter Alkove drücke der Konzern gerade Sofas, Tische, Stühle & Co. in den Markt. Alex sucht nach dem Namen und bei erster Inaugenscheinnahme fällt im sofort auf, dass Amazon die Formulierung „Amazon-Eigenmarke“ unumwunden verwendet. In Produktkategorien mit starken Konsumentenmarken wie Kopfhörern versuche der Konzern, sich mit Psuedomarken unbemerkbar unterzumischen. Hier erzeuge er aber mit der Marke Amazon Glaubwürdigkeit, was viel über die fast nicht vorhandene Fähigkeit zur Markenbildung in der Möbelbranche aussage.)

19:30

Alex: Jetzt reden wir mal über den Elefanten im Möbelraum: LutzXXL.

Pierre: Du meinst: XXXLutz!

Alex: Stimmt. Mit drei X, oder? Wie auch immer: Da vergeht gerade kaum einer Woche, in der sie nicht irgendeinen darbenden Möbelhändler kaufen. Letzte große Akquisition war Roller, aber zwischendurch könnte noch etwas gekauft worden sein. Hier in Norddeutschland kennt man sie aber nicht so gut. Kannst du uns in Bild setzen? Und warum kaufen sie den ganzen Kram gerade…?

Pierre: In der Akquisition, die du angesprochen hast, haben sie 50% von tejo/Schulenburg gekauft, die im Discountbereich rund 1,4 Milliarden Umsatz machen. Diese Riesenübernahme ist mittlerweile eine typische XXXLutz-Aktion. Bislang war die österreichische Kette in elf Ländern unterwegs; jetzt kommen gerade die Schweiz und Polen hinzu. In der Schweiz haben sie direkt sechs Märkte von einem Wettbewerber übernommen. Sie haben jetzt rund 270 Einrichtungshäuser und machen 4,4 Milliarden Euro Umsatz.

Alex: Was für Häuser übernehmen sie denn gern?

Pierre: Große – in der Regel 20.000 bis 40.000 Quadratmeter Fläche. Gerade werden sie ganz oft im Mittelstand fündig. Beispiel: Zurbrüggen aus Westfalen. Dann gibt es auch die Beteiligungen wie an POCO. Wenn du das alles dazuzählst, kommst du sogar auf einen Umsatz von rund 8 Milliarden. Um eine Idee vom Warengröße von Lutz zu bekommen, muss man den konzerneigenen Einkaufsverband Giga angucken: Der bewegt rund 10 Milliarden Euro an Volumen.

Alex: Wie steht das im Verhältnis zur Größe von IKEA?

Pierre: In Deutschland ist IKEA knapp 5 Milliarden Euro groß und XXXLutz sehe ich ja bei rund 4,4 Milliarden – insgesamt über alle Länder. So ist IKEA noch deutlich größer. Aber Lutz ist der spannendste Kandidat, IKEA einzuholen.

Alex: Aber POCO benennen sie nicht in XXXLutz um.

Pierre: Nein, es gibt eine klare Mehrmarkenstrategie. Einige behalten ein paar Jahre ihren alten Namen, bevor sie in XXXLutz umgetauft werden. Andere bekommen den Namen als Zusatz, sowie BUT in Frankreich, nun „XXXLutz BUT“. Und wiederum andere wie Roller bleiben eigenständige Marken.

23:45

Alex: Und wo nimmt XXXLutz das Selbstvertrauen her, so viele Übernahmen zu tätigen?

Pierre: Einerseits das Aufgeben der mittelständischen Händler. Gerade Händler mit zwei, drei, vier Filialen haben wirklich Angst um den Fortbestand ihrer Märkte – und Lutz macht es ihnen einfach. Bei vielen Verbandgruppen gibt es Exklusivität und die Aufnahme wird geblockt, wenn man geografisch zu nah an bestehenden Mitgliedern ist. Lutz sagt: „Egal wie voll der Markt, wir sehen immer Platz für einen weiteren XXXLutz.“ So ist es einfach, Märkte abzugeben.

Vom Selbstverständnis her sieht Lutz seine Stärke im Einkauf. Bei Absatzkanälen holen sie zwar auf, aber die Stellschraube ist der Einkauf. Hier mal einen – ich verwende den Begriff ja ironisch – „Fun Fact“: Der Lutz selber hatte 75 Geburtstag und versuchte aufgrund dieser Tatsache, bei allen Herstellern 7,5% Nachlaufrabatte über sechs Monate einzufordern. Da schritt dann das Bundeskartellamt ein mit der Begründung, dass hier keine Gegenleistung vorlag. Also ging das offiziell nicht. Was aber inoffiziell ging, kann jeder für sich ausmalen. Das ist lähmend für die Branche: Konzentration auf der Absatzseite, sodass Hersteller zunehmend unter Konditionsdruck geraten.

(Kurioses Detail: XXXLutz-Märkte habe alle Restaurants, aber in Wien ist vor kurzem die erste XXXLutz-Soilo-Gastronomie eröffnet worden. Hintergrund, so Pierre: Sie wollen kleinteiliger in Innenstädten präsent sein. Bei Karstadt sei wohl Fläche frei, scherzt Alex, bevor er Pierre zu den Preisen für große Möbelmärkte am Stadtrand ausfragt. Es entspinnt sich eine Diskussion mit Alex in der Rolle von „Möbel Graf“, der ein paar Einrichtungshäuser in Schleswig-Holstein betreibt und verkaufen will: Warum Lutz? Dabei unterstreicht Alex die besondere Bedeutung – und lähmende Wirkung – des Dreiecks Hersteller-Einkaufsverband-Händler im Möbelmarkt. Pierre führt aus, genau wie die vorhin erwähnte geographische Begrenzungspolitik in Verbundgruppen es schwierig mache, ein Möbelhaus zu verkaufen und in einen neuen Einkaufsverband zu wechseln, der bereits einen Generalisten in der Nähe hat. Lutz schneide hier besser ab.

Zumal Online, so Pierre weiter, die erklärte Lutz-Strategie einem Zweck diene: Frequenz in die Märkte zu bringen. Das schmeichele Möbelhauseigentümer, die von der Richtigkeit ihres ausschließlich stationären Konzeptes überzeugt seien. Allerdings sei auch zu erwähnen: Lutz‘ Online-Anteil liege nach eigener Auskunft „im guten zweistelligen Prozentbereich“ – womit Online bereits die größte Filiale der Gruppe wäre.)

34:50

Alex: Die Argumentation mit Online als Frequenzbringer für Baumärkten ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Zwar habe ich mich immer über IKEA Click&Collect lustig gemacht – 5 Euro Gebühr zahlen, um selber die Ware abzuholen! – aber da gibt es eben einen Markt für. Es kommentieren nämlich immer wieder Leute bei Kassenzone oder Facebook, dass sie das gut finden, weil sie nicht durch den Laden laufen müssen!

Aber was hältst du denn davon? Und glaubst du, dass Lutz das vielleicht als Feigenblatt benutzt, um an neue Fläche zu kommen, und eigentlich online doch richtig Gas gibt?

Pierre: Beides. Lutz ist ein Anbieter, den ich auf dem Online-Möbelmarkt ernst nehmen würde. Warum? Weil das Unternehmen eine DNA des Versuchens hat. Sie experimentieren sehr stark. Was zum Beispiel kaum einer weiß: Sie sind mal mit ihren Marken an Amazon gegangen, um herauszufinden, ob es was bringt. Denn Lutz verkauft zu 70% Eigenmarken. Das hat selbst Wayfair nicht, obwohl sie es versprechen…

Alex: Einspruch: Im letzten Geschäftsbericht stand da 80%!

Pierre: Okay, dann ist der Anteil nach oben gegangen. Jedenfalls probiert Lutz vieles aus. Und personell geben sie Gas: Schätzungsweise arbeiten schon 250 Leute bei XXXLutz in der Online-Abteilung und ich weiß, dass sie in Wien und Umfeld weitere Hundert suchen. Letztes oder vorletztes Jahr haben sie 90 Millionen Euro für ein eigenes E-Commerce-Lager ausgegeben und gerade kommen im Burgenland kommen weitere 120.000qm  Lager- mit bis zu 240.000qm Stellfläche dazu.

Aber auf der anderen Seite würde ich mal behaupten, dass Lutz nie nach außen mit der Botschaft gehen wird: „Hey! Online ist die Zukunft für uns!“ Ich habe ja vorhin gesagt, dass Lutz die Stellschraube im Einkauf sieht.

(Alex outet sich – für regelmäßige Zuhörer möglicherweise unerwartet – als zufriedener IKEA-Kunde. Mindestens in dem, was Kinderzimmermöbel angeht, kaufe er gern beim allgegenwärtigen schwedischen Einrichtungsanbieter an. Online machten die Schweden aber eben 90er-Jahre-Kram. Auf die Frage, ob Lutz aggressiver als IKEA vorgehe, antwortet Pierre verneinend: Zudem müsse er widersprechend festhalten, dass IKEA bei im Möbelmarkt so wichtigen Themen wie Augmented Reality führend sei. Und gerade da hinke Lutz einige Jahre hinterher. Erst letztens habe Lutz mit viel Tamtam die zentrale Verwaltung und Aussteuerung aller digitalen Assets als Rieseninnovation gefeiert. Den Schritt seien andere aber schon vor fünf Jahren gegangen. Nichtsdestotrotz traue er Lutz in Zukunft viel zu.)

40:15

Alex: Könnte Lutz perspektivisch andere große Gruppen wie Höffner übernehmen, um sich vom jetzigen 10 Milliarden Außenumsatz auf 20 oder 30 Milliarden hochzuhieven? Heutzutage kriegt man auch Geld für lau, wenn man ein erfolgreiches Geschäftsmodell hat.

Pierre: Der Deal mit tejo/Schulenburg war eine kleine Sensation. Ich meine: Dass XXXLutz die Hälfte von Roller akquiriert, hat keiner so kommen sehen. Ich lehne mich aber soweit aus dem Fenster und sage, dass so ein Kurt Krieger seine Höffner-Filialen nicht verkaufen möchte – und nicht an Lutz! Das sind die Lager zu verfeindet. Klar ist aber, dass Lutz mittlerweile die Macht und Kraft hätte, solche Übernahmen zu stemmen.

Alex: Die Perspektive eines IKEA-Herausforderers allerdings, der die nötige Größe und Breite hat, es mit den Schweden aufzunehmen, ist eigentlich völlig rational. Zumal es dann digital richtig aufrüsten könnte – etwa mit einem personalisierten Ansatz, wo IKEA alle Zielgruppen zusammenstampft. Würden 10 Milliarden auf einen Schlag obendrauf für XXXLutz reichen, um diese Position einzunehmen? Und würde das Konzept von besseren Skaleneffekten aufgehen?

Pierre: Ja, es würde reichen und es würde funktionieren. Aber die Frage ist, warum Lutz das machen würde. Ist es doch gerade viel bequemer für die, durch einzelne Zukäufe die Märkte regional aufzurollen. Warum nicht 20 bis 30 weitere kleinere Häuser übernehmen, die sowieso schwächeln und die du viel einfacher übernehmen kannst? Das erklärt deren Übernahmestrategie in Ländern wie die Schweiz oder Polen.

Aus Kaufpreis- und Markenbildungssicht ist dieses Vorgehen sehr sinnvoll. So greift XXXLutz auf lokal starke Marken zu einem günstigen Preis und integriert sie unter seiner Dachmarke. Was ich aber kritisch sehe: Sie schaffen es nicht wie IKEA, diese Markenstärke überall gleich auszuspielen und mit einer 100%-vertikalisierten Produktpalette zu arbeiten. Hat doch Giga viele Eigenmarken, von denen man eine oder zwei überall Online und in allen Märkten ausspielen könnte. Das ist ein Schatz, der noch nicht gehoben wurde.

(Alex zeigt aus dem Fenster des in der Einkaufsmeile Spitalerstraße gelegenen Hamburger Studios: Wären die schätzungsweise 300qm Fläche des dort unten sichtbaren Depots für Baumarktbetreiber interessant, die in die Innenstädte reinwollen? Pierre schätzt die gesuchte Größe auf eher 2.000qm, damit genug Sortimentsbreite dargestellt werden kann.)

46:40

Alex: Was sieht du sonst so für wichtige Neuentwicklungen im Möbelmarkt?

Pierre: Ich sehe zwei Entwicklungen. Erstens die Logistik: Bei Amazon in USA wurden jetzt zwei Logistikzentren exklusiv für Möbel aufgebaut – und damit fängt Amazon jetzt auch in Deutschland an. Logistik ist übrigens der Schlüsselpunkt: Wer das Thema im Griff hat, wird den E-Commerce beherrschen. Zweitens Asien. Bislang lag der Fokus auf neuen Anbietern aus Frankreich oder Großbritannien, aber wer sich einzelne Kategorien wie Heimtextilien auf Amazon anguckt, merkt, dass die Asiaten gerade sehr stark werden. Deconovo ist so eine Marke: Eher im unteren Preissegment und drängt gerade massiv auf den deutschen Markt.

Alex: Deswegen, weil sich Heimtextilien so gut transportieren lassen?

Pierre: Ja, wobei eine ähnliche Entwicklung ja auch im Gartenbereich zu beobachten ist – ebenfalls bei Accessoires. Auch aus den USA versuchen gerade so einige, in Deutschland Fuß zu fassen.

Alex: Und diese Marken kommen über einfach zu bedienende Marktplätzen wie Amazon und eBay.

Pierre: eBay: eher nicht! Jedenfalls nicht im Möbelbereich. E-Commerce-Relevanz im Möbelmarkt in Deutschland haben eigentlich nur Amazon, Otto und Wayfair; Westwing würde ich jetzt Mal außen vor lassen. Das Problem bei Wayfair und Otto: Das komplette self on-boarding, wie Amazon es anbietet, haben sie noch nicht. So ist die Marktplatzstrategie generell so, dass man über Amazon geht. Ich bin aber gespannt, wie Otto und Wayfair darauf reagieren werden. Das könnte noch ganz interessant werden.

50:00

Alex: Findet eine große Veränderung im B2B-Bereich statt? Ich vermute, Innenarchitekten werden nicht zu Büroausstattern fahren wollen, sondern werden bequem online suchen wollen – eine Entwicklung, in der ihr bei nuucon eine zentrale Rolle wohl einnehmt.

Pierre: Klar, das nimmt gerade massiv zu. Es gibt ja auch einen Grund, warum wir in B2B, nicht B2C unterwegs sind. Um ein paar Einblicke zu geben: Der durchschnittliche Warenkorb beträgt bei uns 40.000 Euro und wir haben immer wiederkehrende Käufe. Ein typisches zwei-bis-drei-Mann-Büro für Interior Design hat ein jährliches Einkaufsvolumen von rund 500.000 Euro. Wenn du das Team für dich gewinnst und es wickelt all seiner Projekte bei dir ab, ist das ein interessantes Model.

Aus meiner Sicht kann kein anderer Akteur aktuell das anbieten, was wir gerade haben: Alles aus einer Hand für Innenarchitekten, Bürobetreiber und Anbieter von Services Apartments. Rufst du Alex Graf nämlich bei einem Händler an, weil du dein Ferienhaus neu einrichten willst, und sagst: „Ich finde eure Sachen ganz gut, aber ich hätte gern noch die Sofas von Wayfair und fünf Lampen von Otto sowie paar Sachen von Mixed und Made.com…“ Da sagt dir der Händler: „Alex, hast du einen Vogel?! Warum soll ich Produkte von Wettbewerbern dazukaufen? Und wenn ich’s mal mache, habe ich da auch keine Marge.“

Alex: Eine letzte Frage. Wir sitzen beide ja in Hamburg und hier hört man oft vom ebenfalls hier ansässigen Konzern Otto, dass – obwohl Zalando das Rennen im Fashionmarkt gewonnen haben und obwohl Amazon der größte Marktplatz sein mag – kein Wettbewerber im Möbelversandhandel nur ansatzweise mit Otto vergleichbar sei: Die schiere Größe und der Service von Hermes, das ja das Altsofa mitnimmt… Stimmt das? Und traust du Otto als Marktplatz viel zu nach vorne raus?

Pierre: Man darf es nicht runterspielen: Otto ist ganz klar die Nummer Eins, was Möbel in Deutschland online angeht. Und es ist ein offenes Geheimnis, dass sie ihren Marktplatz weiter ausbauen wollen. Wenn dadurch mehr Wachstum zustande kommt, traue ich ihnen eine ganze Menge zu. Was sie an CGI gebaut haben und vor allem die Kooperation mit dem zur Gruppe gehörenden Logistiker Hermes, das sind kluge Schachzüge. So enthalten sie anderen Anbietern freie Kapazitäten und diese müssen mit anderen Spediteuren wie Hellmann arbeiten, von denen man nicht immer nur Gutes hört.

Dadurch, dass wir unseren Kunden hier den ganzen Organisationsaufwand abnehmen, wissen wir nämlich gut Bescheid, wie es in der Logistik aussieht. Ganz oft haben wir vor dem Büro einen LKW mit 40 Sofas stehen – Da hat wieder mal der Spediteur Liefer- mit Rechnungsadresse vertauscht! Klingt trivial, kommt aber immer wieder vor. Wollte ich jetzt was gründen, würde ich eine ordentliche Möbelspedition aufbauen!

(Daraufhin geht Pierre kurz auf neue Konzepte aus den USA, die Sofas in sechs Einzelteilen als Pakete direkt nach Hause liefern, was an den Engpass der Zweimannlogistik vorbeiarbeite. Alex erinnert sich daran, einen Strandkorb in vielen Paketen bekommen zu haben, was sehr praktisch gewesen sei: Der Aufbauaufwand sei allerdings doch noch sehr hoch gewesen!)

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