Chronext, The Hut Group, Warby Parker & Rent the Runway im Heinemann Monthly

45:27

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Es passiert wieder eine ganze Menge im E-Commerce, insbesondere auch wegen der weiterhin aktiven Szene rund um neue Börsengänge. Hoffnungsträger Rent the Runway zeigt erstaunlich schlechte Zahlen und wird an der Börse dafür bisher nicht „bestraft“. Wunderkind „The Hut Group“ zeigt im Kern weiterhin gute Zahlen, scheitert aber gerade an seine eigenen Kommunikation rund um neue Tech Initiativen und Chronext hat es aufgrund eines falsch gewählten Geschäftsmodell doch kurzfristig nicht an die Börse geschafft – hat aber Chancen alles zu seinen Gunsten zu verändern. Wir reden auch über den Löwendeal von Dümmel und Kofler, weshalb man sich zusätzlich mein Interview mit Ralf (2 Jahre alt) anhören sollte. Christina & Jonas vom Manager Magazin dort auch noch mal eher kritisch hinter die Kulissen geschaut.

Alexander Graf

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Kassenzone-Spezial mit Florian Heinemann, Kassenzone-Stammgast von Project A Ventures

Über ein Jahr ist es her, dass Alex Florian Heinemann von Project-A-Ventures als Kassenzone-Kommentator „unter Vertrag“ nahm. Seitdem ordnet er mit Alex in lose monatlichen Abständen das Marktgeschehen generell und insbesondere die Aussichten für einzelne Unternehmen ein – immer aus seiner fachmännischen Sicht als Investor (Achtung: keine Anlageberatung!). In diesem neunten Heinemann-Spezial des Jahres 2021 besprechen die beiden den abgeblasenen Börsengang von Chronext sowie die überraschenden Zahlen von US-Brillenhändler Warby-Parker. Auch auf der Tagesordnung: Rent the Runway. Wieder so ein paar Fälle, bei denen Alex und Florian angesichts der Begeisterung an der Börse nur mit dem Kopf schütteln können…

„Mehr Fragezeichen als Antworten.“

2:20

Alex: Reden wir zunächst vielleicht über das generelle Börsenumfeld. Hast du letztens irgendwelche Veränderungen registriert? Nach einem guten Vorjahr haben sich ja E-Commerce-Werte von Unternehmen wie Zalando und AboutYou eher seitwärts bewegt. Allerdings wird da nach wie vor ziemlich viel Geld in den Markt gedrückt – Von einer 10-Jahres-Perspektive aus gesehen sind das für den Online-Handel und angrenzende Bereiche wie Software und Logistik noch recht gute Zeiten, um Geld einzusammeln!

Florian: Im E-Commerce nehme ich schon eine gewisse Abkühlung wahr. Das kommt unter anderem dadurch, dass jetzt die Quartale kommen, in denen man sich mit den Corona-Wachstumsquartalen vergleichen lassen muss. Hier kommt es sowohl bei den IPOs als auch bei der Bewertung von Zahlen an der Börse gelisteter Unternehmen zu Zurückhaltung. Dabei hat sich das IPO-Fenster für E-Commerce-Konzepten an sich keineswegs geschlossen. Und bei Software-as-a-Service sieht die Lage etwas besser aus.

Alex: Also nur die E-Commerce-Unternehmen mit wirklich überzeugenden Zahlen…

Florian: Es geht schon um die größere Frage: Wie kommen die Leute aus Corona raus? Es ist sehr schwer zu sagen, ob man immer noch Wachstum gegenüber dem Vorjahr wird vorweisen können. Deswegen diese Zurückhaltung. Auch deswegen, weil die hohen Bewertungen – vor allem als Faktor zum Umsatz – sehr stark auf hohe Wachstumsaussichten ausgelegt waren. Corona stellte einen wohl einmaligen Schub nach oben dar. Wird es dann weiter nach oben gehen? Stagniert es? Oder kommt es sogar zu Kompensation in die andere Richtung?

5:00

Alex: Ein Modell, dass durch Corona hätte profitieren müssen: Chronext. Sie verkaufen Schweizer Uhren und wollten dann auch in der Schweiz an die Börse. 2020 haben sie nämlich 101 Millionen Euro Umsatz verbucht – bei einem operativen Verlust von 9 Millionen. Dabei waren sie gegenüber 2019 mit nur 20% gewachsen und 2021 war gar nicht so doll…

Kurz zum Konzept: Es wird oft in den Medien als „Uhrenmarktplatz“ beschrieben, aber das stimmt nicht so richtig. Es ist aber eher ein Uhrenhändler, der gebrauchte Uhren aufkauft und sich dann darum kümmert, dass die Authentizität und Qualität stimmt, bevor es sie weiterverkauft. Andere Player im Segment wie Chrono24 sind dann wirkliche Marktplätze, bei denen Händler oder auch Privatverkäufer Inventar einstellen – und nur Angebot an Nachfrage vermittelt wird.

Chrono24 wächst stark und weist hohe Renditen vor. Das ist bei Chronext nicht der Fall – und das war die Kritik im Rahmen des gescheiterten Börsengangs, bei denen nicht ausreichend Banken und Investoren unterzeichnet haben. Mein Conclusio: Falsches Geschäftsmodell gewählt! Sie haben sich für Händler entschieden. Marktplatz wäre besser gewesen.

Florian: Ehrlich gesagt verstehe ich zu wenig vom Markt für Uhren, um das zu beurteilen. Aber tendenziell stimmt: Wenn man in einem Markt mit relativ langsam drehenden Produkten wie Luxusuhren Bestände auf Lager nimmt, ist das nicht immer von Vorteil. Sollte sich die Stimmung in Bezug auf E-Commerce-Modelle aber noch einmal zum Positiven wenden, könnten sie einen erneuten Börsengang wagen. Den Erfolg hätte ich ihnen gegönnt. Sind sie doch schon lange unterwegs. Aber die Messe ist ja noch nicht gelesen. Mal schauen.

Alex: Und anders als mein Lieblings-Negativbeispiel Wish.com haben sie eine solide Brand mit einer relativ großen Kundenbasis – dazu auch noch viel Expertise im Uhrenmarkt. Vielleicht wäre es der Zeitpunkt, auf ein Marktplatzmodell hin umzubauen und sich sonst zu überlegen, was ihnen erlauben würde, mit Chrono24 & Co. mitzuhalten.

Florian: Ja, das sieht man bei allen anderen Händlern: Sie ergänzen zumindest irgendwann den eigenen Handel mit einem Marktplatzkonzept. Zalando und About You machen es ja vor. Ob es langfristig für jedes Unternehmen dann das dominante Modell sein wird, sei dahingestellt. Fürs erste sollten eigentlich alle zumindest ergänzend einen Marktplatzansatz verfolgen. In einem so kapitalintensiven Bereich ergibt das durchaus Sinn – und ist auch kein Ding der Unmöglichkeit. Auch sehr reife Handelsmodelle haben immer wieder diese Transition hinbekommen.

(Alex fragt den ja erfahreneren Börsenbeobachter Florian, wie gewöhnlich oder ungewöhnlich es ist, dass ein geplanter IPO so kurzfristig verschoben oder abgesagt wird. Das sei so ungewöhnlich gar nicht, antwortet Florian. Allerdings dringe das meistens nicht an die Öffentlichkeit durch. Börsenwillige Unternehmen hätten Vorstellungen, was sie einnehmen wollen. Dabei ändere sich die Stimmung an der Börse in Wochentakt. Die dadurch verursachten Unwägbarkeiten habe Tarek Müller von About You sehr anschaulich in einem Podcast mit Philip Westermeyer herausgearbeitet.)

11:20

Alex: Wir haben im letzten Podcast über Online-Brillenhändler Mister Spex gesprochen. Dabei haben wir zwar kritisiert, dass sie jetzt verstärkt auf stationär setzen, allerdings auch eingeräumt, dass sich beim Brillenkauf nach wie vor ein Besuch beim Optiker kaum vermeiden lässt. Die Technologie ist beim Sehtest noch nicht so weit. Das hatte ich auch davor in einem Podcast mit Marc Fielmann herausgearbeitet.

Jetzt ist eins der großen Vorbilder von Mister Spex in USA an die Börse gegangen: Warby Parker. Auch sie setzen mittlerweile auf stationäre Läden – 150-160 an der Zahl. Die sind vermutlich in jedem MBA-Studiengang als direct-to-consumer case schlechthin besprochen worden. Aber die Zahlen sind ein klein wenig enttäuschend…

Florian: Dabei haben sie eine erstaunlich hohe Bewertung: 6 Milliarden Dollar!

Alex: Und das für – laut Geschäftsbericht – folgende Ergebnisse: 2018 setzten sie 270 Millionen Dollar bei einem Verlust von 22 Millionen um; 2019 wuchs der Umsatz auf 370 Millionen Dollar an; aber 2021 fiel das Wachstum gar nicht mehr so hoch aus – 393 Millionen Dollar. Dabei betrug der Nettoverlust 55 Millionen (allerdings wird der noch adjusted). Aus meiner Sicht: enttäuschend!

Florian: Warby Parker ist mittlerweile wohl der achtgrößte Optiker der USA. Und dafür finde ich das alles nicht wahnsinnig beeindruckend. Man fragt sich schon, wo das Unternehme sein starkes Selbstbewusstsein hernimmt. Es ist lange am Markt und da ist eine Menge Geld reingeflossen. Für mich ist es genau wie bei Oatly: Warum nur sind sie so hoch bewertet?!

Alex: Wobei Oatly-Aktionäre mittlerweile wohl den Kassenzone-Podcast hören: Seit dem Sommer ist der Aktienkurs negativ. Der Markt folgt also so langsam unserer Einschätzung…

Florian: Aber bei Warby Parker staunen wir noch. Relativ teuer erkauftes Wachstum, das gar nicht so spektakulär ist: Da muss man sich schon fragen, warum das 6 Milliarden Dollar wert sein soll.

(Dabei sei eine halbe Milliarde an Kapital reingeflossen, macht Alex die Rechnung auf. Heutzutage müsse man laut Tarek Müller damit rechnen, einen Euro an Kapital auszugeben, um in einen neuen Geschäftsmodell nachher einen Euro einzunehmen. Unternehmen, die schon länger am Markt seien, hätten aber weniger ausgeben müssen. Florian: Zalando sei nach einer Investition von 50 Millionen Euro schon profitabel gewesen. Beim inzwischen 12 Jahre alten Warby Parker liege der Umsatz aber immer noch unter der Investitionssumme! Die Euphorie um die Aktie können beide einfach gar nicht nachvollziehen – und erst recht nicht teilen.)

16:45

Alex: Nun zu Rent the Runway, das ja morgen (Anm. d. Red.: 27. Oktober 2021) an die Börse geht. Mit unserem stark ausgeprägten Interesse an Mode sind wir natürlich genau die richtigen, so ein Fashion-Konzept zu besprechen! Wollen wir es mal versuchen.

Beschreibung aus meiner Sicht: Da kann man in einem Abomodell sich extrem coole Markenklamotten leihen und zurückschicken. Mein Fazit: Der feuchte Traum von E-Commerce-Entwicklern von vor 10 Jahren. Sprich: Wie kann man das Internet nutzen, um tote Ware, die irgendwo rumliegt, wieder lebendig zu machen? Stichwort: sharing economy. Ich finde das übrigens sehr progressiv als Gedanke. Cocktail-Kleid für 1.000 Euro? Warum nicht für zwei Wochen mieten…?

Bei Rent the Runway gibt es drei Mitgliedschaftsstufen: 8 Artikel, 12 Artikel oder 16 Artikel pro Monat; Preispunkte von 99,00 $ bis 149,00 $. Man kann die Sachen dann auch etwas länger behalten oder kaufen. Coole Idee – die aber nicht mehr so cool aussieht, wo sie an die Börse wollen und Zahlen rausgeben. Oder was meinst du?

Florian: Kleine Ergänzung bezüglich des Geschäftsmodells erst einmal: Man kann darüber mittlerweile auch die eigenen Designer-Klamotten verkaufen.

Zu den Zahlen: Corona hat Rent the Runway nicht geholfen. Denn ein wesentlicher Grund, Abonnent zu werden, sind gesellschaftliche Anlässe. So sind sie von fast 150.000 zahlende Mitglieder 2019 auf 95.000 im Jahr 2020 gefallen – fast 50% weniger. Von der Delle sind sie für 2021 wieder auf 127.000 hochgekommen. Vor-Corona-Stand also noch nicht wieder erreicht.

Dementsprechend ist auch der Umsatz 38% von 256 Millionen 2019 auf 157 Millionen 2020 rückläufig. Gleichzeitig machten sie Verluste von rund 153 Millionen 2019 und 171 Millionen 2020. Das heißt für letztes Jahr: mehr Verlust als Umsatz! Zwar kann das mal bei Tech-Firmen passieren. Aber da muss strukturell hohes Wachstum dahinterliegen. Das ist hier nicht so! Und dann wollen sie an die Börse…

Die letzte private-market-Bewertung lag 2019 bei rund 750 Millionen Dollar. Die für morgen angestrebte Börsenbewertung beträgt das doppelte: 1,5 Milliarden. Da bin ich mal gespannt, ob die das wirklich hinbekommen…

(Anm. d. Red.: Tatsächlich erreichte Rent the Runway bei einem Ausgabekurs von 21,00 $ und einen starken Start in den Handel à 23,00 $ die Aktie einen anfänglichen Börsenwert von 1,7 Milliarden Dollar. Allerdings schloss die Aktie den ersten Tag mit einem Verlust von 8% ab und hat sich bislang nicht wieder erholt.)

Was ich mich frage: Warum, wo sie sich noch nicht von Corona erholt haben, gehen sie ausgerechnet jetzt das Risiko eines Börsenganges ein? Hast du da eine Idee?

Alex: Ich kann es mir so erklären: Ihnen geht das Geld aus! Wiederum könnte ich mir nicht erklären, warum sie so viel Geld brauchen würden. Es sieht so aus, als ob sie 2020 weniger Umsatz bei unveränderter Kostenbasis gemacht. Dabei hätte man einiges für die Zeit herunterfahren können. Das erschiene mir als Investor fragwürdig.

Vielleicht genau deswegen der IPO: Jetzt wollen sie frisches Kapital, das aber in der Höhe unter Investoren nicht mehr aufzutreiben ist. Im Zweifel nehmen sie also eine niedrigere Bewertung in Kauf. Denn die bestehenden Investoren wollen vermutlich nicht gutes Geld schlechtem Geld hinterherwerfen.

(Alex findet es schade, dass ein so gutes Kreislaufwirtschafskonzept, das auch noch gut umgesetzt wurde, so gelitten habe. Das ändere aber nichts daran, dass der Zeitpunkt verfehlt sei. Es brauche eben ein bisschen länger, bis die Leute wieder mehr ausgingen. Und die unit economics seien nicht so cool, wie das Konzept. Zudem habe Rent the Rundway sie nach vorne raus dasselbe Risiko wie die Shopping-Clubs Typ Vente Privée: Dass sehr exklusive Luxusmarken den Zugang zur Ware erschweren. „Nichts für unser Musterdepot, Florian!“ resümiert Alex den Fall.)

27:00

Alex: The Hut Group hatten wir hier in Podcast besprochen – und für gut befunden. Unser Fazit: ein sehr gut aufgestelltes Unternehmen im Bereich Kosmetik, Nahrungsergänzungsmittel usw. Für das laufende Jahr streben die Briten einen Umsatz von 2 Milliarden Pfund an. Nun möchten sie die hohe Kompetenz, die sie aufgebaut haben, als Dienstleistung anbieten. Dafür haben sie vor rund einem halben Jahr von Softbank eine Investitionszusage eingesammelt.

Aber: Trotz dessen – und trotz unserer positiven Einschätzung – hat The Hut Group nun in den letzten Tagen massive Bewertungsabschläge hinnehmen müssen. Wir reden hier von einer Halbierung des Aktienkurses. Ich glaube, sie liegen nur noch knapp über Wish.com… Was ist denn da passiert, Florian?

Florian: Unsere Einschätzung ruhte primär auf dem E-Commerce-Geschäft. Und das befindet sich weiterhin auf einem soliden Wachstumskurs. Woran sich viele gerade stören, ist allerdings Intransparenz rund um „The Hut Group Ingenuity Business“ – also das, wozu Softbank zur einer wahnsinnig hohen Bewertung Optionen erworben hatte. Die Bewertung für diese Optionen allein war höher als derzeit die Bewertung für das gesamte Unternehmen!

Alex: Derzeit ist THG 3 Milliarden Pfund wert – und liegt damit nur noch eine halbe Milliarde über Wish.com. Softbank hatte eine Option auf 4,5 Milliarden allein für diesen Teilbereich.

Florian: Weshalb es für Softbank derzeit überhaupt keinen Grund gibt, diese Option auch einzulösen. Die Unsicherheit bezüglich dieser THG-Technologie-Tochter ist: Was verbirgt sich überhaupt dahinter? Für welche Kunden wird da gearbeitet? Da gab es eine Investorenkonferenz, die genau diese Fragen klären sollte – und daraufhin ist die Aktie dann noch einmal abgestürzt! Dazu kommen die sehr starken Sonderrechte des Gründers von THG: Die corporate governance ist sehr stark auf ihn zugeschnitten. Dann gab es Gerüchte, dass Shortseller die Aktie als Ziel ausgemacht hatten. Dazu hat sich besagter Gründer dann geäußert: „Nein! Wir gehören nicht zu den am meisten leerverkauften Aktien an der Londoner Börse! Alles Quatsch!“ oder so ähnlich. Das warf wiederum die Frage auf, wie schlau es war, sich öffentlich zu den Vorwürfen zu positionieren…

Lange Rede, kurzer Sinn: Es gibt eine Reihe von Unsicherheiten, die die aus unserer Sicht starke E-Commerce-Leistung ein Stück weit überlagern. Man kann der Firma nur wünschen, dass es ihnen gelingt, mehr Transparenz zu erzeugen. Und auf governance-Seite hat sich letztens doch schon etwas getan.

(Florian umreißt die kürzlich geäußerte Bereitschaft vom CEO Moulding, auf die Sonderrechte seiner Gründeranteile zu verzichten – und geht kurz auf den angelsächsischen Usus der Vorzugsaktien für Gründer und Mitarbeiter der ersten Stunde. Alex bemängelt die offenkundigen Fehler in der Kommunikation: Die Chefs von THG sollten auf eine Pressekonferenz Zweifel am Innovationsvehikel ausräumen, versäumten es aber auch nur einen einzelnen der angeblichen externen Konzernkunden zu nennen. Das habe Raum für die Vermutung gelassen, es würden interne Marken als Kunden ausgegeben, um so Umsatz hin- und herzuschieben.)

33:00

Alex: Aus Spryker-Perspektive ist es interessant, was THG mit Ingenuity vorhat. So war ich auf der Webseite: „the solution to global end-to-end commerce“ – basierend auf den vier Säulen Technologie (CRM, Katalogmanagement usw.), Operations (etwa Logistik), Digitalexpertise (klassischer Agenturtätigkeiten) sowie Data.

Ich habe mich dann durch alle vier Bereiche durchgeklickt auf der Suche nach Referenzen und Fakten dazu, was sie da machen. Es wird aber immer schwammiger… Es erinnert mich total an die Zeit vor rund ein Jahrzehnt, als Agenturen versuchten, ihre verschiedenen Dienstleistungen zu Produkten zu bündeln. Es war dann oft von „360 E-Commerce-Leistungen“ und „digital incubators“ die Rede. Die Die Idee war meistens, für den Auftraggeber ein digitales Geschäftsmodell aufzubauen, Online-Marketing dafür zu machen und es dem Kunden dann betriebsfertig zu übergeben.

THG Ingenuity hat einen ähnlichen Pitch, sagt aber nicht so richtig, was sie eigentlich machen – und was sie besser machen. Dass sie digital Marken wie MyProtein (Nahrungsergänzungsmittel) erfolgreich aufgebaut haben, steht außer Frage. Das auch für Konzernkunden wie etwa Nesté machen zu wollen, ist daher logisch. Allerdings entsteht da sofort ein Zielkonflikt: Warum sollte ich mir selber für MyProtein einen Wettbewerber schaffen wollen?

Auf dieser Plattform läuft auch nicht so viel Umsatz. Im Börsenprospekt für 2020 wurden 30 Millionen Pfund Außenumsatz für diese Innovationsplattform ausgewiesen. Das ist wohlgemerkt nicht der Erlös von THG, sondern erst Umsatz, die Kunden über THG Ingenuity gemacht haben. Sicherlich war das stark wachsend, aber bei Spryker laufen so gerechnet bereits einige Milliarden Euro Außenumsatz.

Dabei ist die Ausgangslage gut. Bei Ocado beispielsweise ist der Börsenwert im Wesentlichen auf ihrem Dienstleistungsgeschäft aufgebaut – also darauf, dass sie Supermarktketten in anderen Ländern anbieten, etwa ihr System für hoch automatisierte Distributions-Center oder ihre Routenplanungssoftware zu benutzen. So ein Technologie-Modell kann also funktionieren. Dadurch, dass es bei THG viele Fragen gibt, die nicht beantwortet werden können – oder: wollen – entsteht aber viel Unsicherheit. In dieser Gemengelage kommen dann die Sonderrechte vom CEO und ein paar krumme Immobiliendeals zwischen ihm und der Firma sehr ungelegen… Mehr Fragezeichen als Antworten. Schade, weil das Kerngeschäft in beauty and nutrition nach wie vor stark wächst – nicht zuletzt durch einen sehr guten M&A-Ansatz. Dazu sind sie international gut unterwegs und sind Online-Vorreiter in einem Markt, der bislang stark offline war. Deswegen würde ich fundamental nicht von unserer positiven Bewertung abrücken wollen.

Florian: Ich auch nicht! Und nicht umsonst versuchen viele andere Händler wie About You oder Net-à-porter, auf Basis ihrer Grundinfrastruktur in dieses Dienstleistungsgeschäft einzusteigen. Strategisch ergibt das schon einen Sinn. Es bleibt nur abzuwarten, ob die Unklarheiten da ausgeräumt werden können.

38:15

Alex: Letztes Thema für heute: Bei „Die Höhle der Löwen“ hat es einen großen Deal gegeben. Die Social Chain AG von Georg Kofler hat dort nämlich die DS-Gruppe von Ralf Dümmel übernommen. Wer wissen will, wie Dümmels Firma mit so Geräten wie Wassersprudler und sonstigen in den Grabbelkisten der Supermärkten verfügbaren Artikel den Markt aufmischt, dem sei den Kassenzone-Podcast mit ihm aus 2019  empfohlen.

Als ich das gelesen habe, war mein Gedanke: „Hm. Ist die Social Chain Group wirklich so erfolgreich darin, stationären Marken durch die digitalen Kanäle zu Expansion zu verhelfen? Das weiß ich nicht so genau.“

Florian: Nach meinem Verständnis hat die Social Chain Group bislang eher Marken gekauft. Und bei Korodrogerie sind sie auch eingestiegen.

Alex: Ein sehr schönes Modell.

Florian: Sie sind also primär D2C unterwegs. DS Gruppe ist vorwiegend im Offline-Retail und Home-Shopping aktiv – aber bisher eben ohne Direktkundengeschäft. Online verkauft DS höchstens über Amazon. Es bleibt also abzuwarten, inwieweit sich die Produkte der DS Gruppe – Du hast hier „Grabbeltisch“ gesagt… – für ein eigenes D2C-Business geeignet sind. Denn dieses Geschäft über Social-Media anzukurbeln, das ist der Kern von Social Chain.

Was dabei außer Frage steht: DS ist im schnellen Sourcing von Produkten, die gerade im Trend liegen, sehr stark. Sie sind auch sehr profitabel – und der Zukauf verdoppelt auf einem Schlag den Umsatz der Social-Chain-Gruppe.

(Alex findet an der Idee grundsätzlich Gefallen. Dümmel habe damals im Podcast erklärt, wie er sich als Partner der Händler begreife und daher D2C außer Acht gelassen habe. DS fungiere quasi die ausgelagerte Produktinnovationsabteilung der Supermärkte. Social Chain sei ein Aggregator von Marken und stark im Direktkundengeschäft, aber kein Produktinnovator. So könnten die beiden Ansätze komplementär zueinanderpassen. Florian kann sich das grundsätzlich vorstellen: „Mal gucken, wie das funktioniert.“)

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