Ich schaue mit Florian Heinemann auf die neuen Amazon Zahlen, die uns in Summe eher enttäuschen. Insbesondere die schwache Retailperformance macht uns Sorgen. Wir besprechen wie und ob das Händler á la BestBuy für sich nutzen können und ob Florian sein Peloton Bike schon bei eBay Kleinanzeigen verkaufen musste.
Die Peak Amazon These von 2019 wird doch wieder relevanter. Peak Amazon bedeutet für uns übrigens nur, dass wir das innovative Momentum vermissen, die Exzellenz im Retailgeschäft, das gewissen etwas über reine Skaleneffekte hinaus. Außer AWS, was mit dem Retailgeschäft nichts zu tun hat, ist die Performance deutlich schlechter als in den letzten Jahren. Deshalb muss man sich um Amazons Wachstum (Umsatz + Börsenkurs) in den nächsten Jahren wahrscheinlich keine großen Sorgen machen, aber auf Sicht 5-10 Jahre sieht das anders aus. Aber hört euch die Folge in Ruhe an und bildet euch selber eine Meinung.
Von Alexander Graf · 20. Februar 2022
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Kassenzone-Serie mit Florian Heinemann, Gesellschafter von Project A
Im ihm zur Ehre getauften „Monthly Heinemann“ ordnet Florian Heinemann von Project-A-Ventures seit bald zwei Jahren – in (ebenfalls dem Namen entsprechend) lose monatlichen Abständen – das Marktgeschehen generell und insbesondere die Börsenaussichten für einzelne E-Commerce- und Tech-Firmen ein. Dabei spricht Florian mit Alex immer aus seiner fachmännischen Sicht als Investor (Achtung: keine Anlageberatung!)
In dieser ersten 2022 aufgenommenen Folge beugen sich die beiden zunächst über die (überraschend enttäuschenden) Amazon-Zahlen. Danach geht es mit der Analyse von Best Buy weiter, bevor Alex Florian abschließend bittet, die derzeitigen Bewertungen am Privatmarkt auf Herz und Niere zu prüfen: Ist das, was VCs mittlerweile zahlen müssen, noch gesund? Davor geht es kurz um zwei Werte, die zuletzt in den Keller gerauscht sind – einer davon gehört zu den Heinemann-Monthly-Lieblingen…
Und ab dieser Folge hat Alex wieder einen Sponsor: das Cloud-basierte financial operating system Taxdoo, das eine automatisierte Lösung für die Abführung der Umsatzsteuer im E-Commerce anbietet. Passender zu Kassenzone geht es nun wirklich kaum!
„Die Amazon-Zahlen sind ein Stück weit verwunderlich.“
3:15
Alex: Florian, viele unserer Hörer vermuten, dass du extrem vermögend bist und dich auch deshalb privat in betuchten Kreisen bewegst. Und vermögende Leute haben in der Regel so ein sündhaft teures Peloton-Bike zu Hause stehen. Just heute (An. d. Red.: 08.02.) musste Peloton aber seinen Geschäftsführer – sowie 20% der Belegschaft insgesamt – entlassen, während sich die Geräte in irgendwelchen dubiosen Läden stapeln. Niemand mehr will sie nämlich haben! Wie sieht es bei dir im Bekanntenkreis aus? Sind die Leute noch ganz fleißig dabei oder ist das Thema mittlerweile erledigt?
Florian: Als Corona losging bekam ich tatsächlich die eine oder andere Mail oder WhatsApp aus dem Bekanntenkreis: „Das ist ein life-changing experience! Musst du dir holen!“ Den Lobpreisungen habe ich aber widerstanden und mir nicht zuletzt deswegen kein Peloton gekauft, weil ich über so viel Selbstkenntnis verfüge, um so wissen, dass ich das so hochfrequent wohl nicht nutzen würde.
Alex: Und den Astralkörper hast du ja bereits!
Florian: Wie dem auch sei: Es ist jetzt nicht so, dass mir meine ganzen vermögenden Freunde auf einmal ihre Pelotons für einen Spottpreis anbieten. Dass aber die Nutzungsfreude ein Stück weit abgenommen hat, ist offensichtlich. Und der Preispunkt ist ja ziemlich hoch. Dabei sind in USA die Öffnungen viel weitergehend als hier: Alle kehren in die Fitness-Studios zurück. Kein Wunder also, dass so ein im Lockdown groß gewordenes Modell gerade Probleme hat.
Alex: Wie siehst du denn den Ausblick dafür? Christian Grau von Sport Tiedje war letztens im Podcast und meinte, es gebe bessere Geräte zu geringeren Kosten und andere Plattformen, die ein vergleichbares Trainingserlebnis anbieten. Und jetzt rückt die McKinsey-Truppe bei Peloton mit dem Rotstift an… Das Momentum ist definitiv raus, oder? Der Börsenkurs jedenfalls ist mit -80% über 12 Monate der schlechteste Wert der NASDAQ 100!
Florian: Die user experience ist, wie ich höre, schon noch besser als das, was man sich sonst getrennt zusammensuchen kann. Die Frage ist eher: Ist man bereit, diesen Preis dafür zu bezahlen? Das ist schon nördlich dessen, was man hier in Berlin für eine Mitgliedschaft in einem guten Fitness-Studio zahlen würde. Wird sich das durchsetzen lassen? Beziehungsweise: Ist das massenmarktfähig?
Ich glaube, dass es dafür zwar schon einen gewissen Markt geben wird. Die Firma, die diesen Markt bedient, ist aber nicht mehr das Wert, was sie es mal war. Zum Börsenwert: Die Börse übertreibt sowohl beim Hochjubeln als auch beim Abstrafen. -80%? Das ist vermutlich der Tiefpunkt. Jetzt muss man die Strukturen des Unternehmens auf die Größe anpassen, die es jetzt hat. Sie werden aber wohl eine – wenn auch etwas kleinere – Kundschaft auch dauerhaft an sich binden können. Ich glaube also nicht, dass das Modell jetzt nach Corona gar nicht mehr funktioniert – bloß in einer anderen Größenordnung und vermutlich zu einem anderen Preispunkt.
Florian: Habe ich länger nicht geguckt, aber so wie du jetzt gerade süffisant grinst…
Alex: 2,30 $. Market cap nach wie vor 1,5 Milliarden und immer noch 10% short interest auf der Aktie.
Florian: Bei Wish gibt es ein fundamentaleres Problem als bei Peloton. Bei Letzterem kann sich zwar über die Marktgröße und den Preispunkt streiten, aber das Grundprodukt ist gut. Bei Wish steht eher die Frage in Raum, ob das Geschäft überhaupt sinnvoll ist. Gegen Apps, die besser sind (etwa AliExpress) fehlt womöglich die Existenzberechtigung.
9:10
Alex: Dann wollen wir zu einem Modell, dem die Börse sehr freundlich gesinnt ist – trotz (würde ich sagen) der Zahlen. Auf diese hast du bestimmt in den letzten Tagen einen Blick geworfen: Wie schätzt du Amazon derzeit ein?
Florian: Mich hat die positive Reaktion der Börse auf die neuesten Zahlen schon etwas gewundert. Anfangs gab es über 10% Plus, was ja bei Amazon umgerechnet einmal SAP samt paar kleineren Firmen dazu bedeutet. In dem Ausmaß hat es mich gewundert. Ein Faktor war bestimmt das Buchgewinn durch die Beteiligung an Elektrofahrzeughersteller Rivian, der allerdings noch nicht so wahnsinnig viele Elektrofahrzeuge hergestellt hat und dessen Aktienkurs inzwischen auch nachgegeben hat. Amazon hielt diesen in der Bilanz zum 31.12.21 fest; seitdem ist der um rund 40% abgesackt.
Alex: Damit die Hörer insgesamt eine Größenordnung haben: Amazon-Ertrag Q4 2021 14 Milliarden, wovon fast 12 Milliarden von der Rivian-Bewertung. Ist die Aktie also um 40% runter, fehlen von diesen 14 Milliarden rund 5 Milliarden – die dann vom Nettogewinn im Q1 2022 wieder abgezogen werden müssen. Das lässt vermuten, dass wir das erste Mal eine negative Nettorendite bei Amazon sehen werden.
Florian: Und diese Leistung rechtfertigt keinen zwölfstelligen Bewertungszuwachs! Deswegen hat mich das so gewundert. Sind doch die Zahlen aus dem Handelsgeschäft sonst eher verhalten. Der Quartalsumsatz von 138 Milliarden stellt ein Wachstum von 9% im Vergleich zum Vorjahr dar. Fairerweise muss man sagen, dass Q4 2020 ein starkes Corona-Quartal war – und Amazon hatte die Infrasktruktur, um davon richtig was mitzunehmen. Aber das Wachstum im Handelsgeschäft hat sich eben deutlich abgeflacht. Und neben diesem nicht gerade überragenden Wachstum kam es in einigen Segmenten sogar zu einem Rückgang.
Was sehr stark gelaufen ist: Das Werbegeschäft – 32% Wachstum auf 9,7 Milliarden in dem Quartal. Aufs Jahr hochgerechnet (und unter Berücksichtigung, dass das 4. Quartal in der Werbung immer das stärkste ist) macht das 30 bis 40 Milliarden Dollar Umsatz – mit einer monsterstarken Marge! Damit ist Amazon ganz klar nach Google/Alphabet und Facebook/Meta die Nummer Drei der Werbeplattformen in der westlichen Welt. Dieser Effekt mag zu dem Kurssprung beigetragen haben. Eine weiterhin starke Leistung hat auch AWS geliefert: Es hat einen Umsatz von fast 18 Milliarden generiert. Hier lag das Wachstum sogar bei 40% – und auch hier ist das Margenprofil super. Diese beiden Bereiche haben wohl das ein Stück weit enttäuschendes Wachstum aus dem Handesgeschäft kompensiert.
Für Florian stelle sich allerdings schon die Frage, wie sinnvoll es sei, zwei so starke Geschäftsbereiche in einem Konglomerat zu haben. Vor allem AWS wäre als eigenständiges Unternehmem wohl um einiges höher bewertet.)
16:10
Alex: Auch ich finde die Zahlen sehr enttäuschend, wobei man ein wenig aufpassen muss: Amazon gibt ja nur Netto-Umsätze an – also das, was sie selbst als Händler verkaufen, sowie Marktplatzprovsionen, Werbeerlöse und AWS-Einnahmen. Zalando oder eBay nennen GMV (also: alle über die Plattform getätigte Umsätze) – und dieser wäre bei Amazon ungemein größer. Diesen 470 Milliarden Umsatz für 2021 steht also wahrscheinlich ein GMV gegenüber, der vermutlich zwischen 640 und 680 Milliarden liegt. Verglichen mit dem GMV vom Vorjahr reden wir dann über ein tägliches Wachstum von 500 Millionen Euro! Jeden Tag wächst Amazon also um ein… ein Karstadt! (Kleiner Scherz…)
Wenn man dann die Segmente auseinandernimmt, sieht man, dass der eigene Handel ziemlich flach verläuft – auch für Q1 2022 haben sie nur 6-8% Zuwachs in diesem Segment vorhergesagt. Das ist aber von Amazon auch so gewollt: Der Handel mit Produkten – das Einkaufen und Verkaufen – ist längst einem Fokus auf Dritthändler gewichen. Da verdient Amazon an den Provisionen und den Gebühren fürs Werben: Da reden wir über einen riesigen Einnahmenstrom von 100 Milliarden Dollar! Das Werbegeschäft ist jetzt schon fast größer als Prime. Beim Handel dahingegen scheint Amazon an einem Punkt angekommen zu sein, an dem sie das Geschäft nicht mehr wie gewohnt skalieren können. Das finde ich erstaunlich! Insbesondere auf internationaler Ebene verzeichnen sie einen Rückgang und nur in Q4 keine negativen Margen, weil sie wegen der hohen Nachfrage alles Eigenwerbung einstellen konnten.
In Summe reißt also eigentlich nur AWS das ganze Modell wieder nach oben. Das ist die Melkkuh! Und das schönt alle anderen Zahlen – hat aber mit dem Handel, mit dem Marktplatz und mit dem Werbegeschäft rein gar nichts zu tun. Würde man das also abspalten, fände ich den Rest eigentlich gar nicht so attraktiv. Denn: Wenn Amazon fast genauso viel für Werbung ausgeben muss, wie es von seinen Marktplatzverkäufern einnimmt, ist das eben nicht so aussichtsreich. Das sind die Umsatzprognosen für Q1 übrigens auch nicht.
Und dann dieser Rivian-Deal: Amazon ist wahrschienlich da eingestiegen, weil es diese Wagen auch kauft. Dafür gibt es einen bilanziellen Buch-Gewinn, der auf Seite Eins im Geschäftsbericht genannt wird. Das sieht für meine Begriffe alles andere als stabil aus! Dazu kommt, dass wir von vielen Amazon-Sellern hören, wie es immer teurer wird, auf der Plattform Kunden zu akquirieren und die Gebühren immer weiter steigen. Irgendwann gibt es einen Kipppunkt, ab dem sich immer mehr Seller nach anderen Marktplätzen umsehen oder fürs Direktkundenschäft entscheiden. Auch das Prime-Programm lässt sich nicht unbegrenzt ausweiten, weil der Stremaing-Wettbewerb extrem zugenommen hat: Da muss Amazon immer mehr tun, um noch ein, zwei Dollar in der Prime-Gebühr zu rechtfertigen (wurde letztens von, glaube ich, 120 auf 140 Dollar im Jahr angehoben).
Alles in allem sieht das für mich mehr als ein klein wenig nach Peak Amazon aus. Wenn man AWS rausnimmt, mit dem ich über Spryker viele Berührungspunkte habe, weil wir die sehr gute AWS-Cloud-Lösung verwenden, verliert alles andere an Amazon für mich an Relevanz: Das Angebot für mich als Konsumenten wird nicht mehr besser – Liefergeschwindigkeit, Preise usw. Das finde ich überraschend schlecht und es erzeugt bei mir etwas Pessimismus nach vorne in Bezug auf alle E-Commerce-Aktien. Wenn Amazon es nämlich nicht mehr schafft, profitabel zu skalieren, wie dürfte das denn erst bei anderen Unternehmen aussehen? Kurzum: Auch ich kann mir diesen nachbörslichen Aufschlag auf die Amazon-Aktie gar nicht erklären. Ich fand, das war der schlechteste Amazon-Bericht, den ich jemals gelesen habe.
Florian: Du bist ja immer etwas pointierter in deinen Aussagen, als ich es bin. Ich weiß also nicht, ob ich so weit gehen würde: AWS und Advertising fand ich beides stark. Aber es gibt zwei Zahlen, die deine Auffassungen untermauern (Dank hierfür an die Kollegen beim Doppelgänger-Podcast). Erstens: Wie haben sich die Fulfilment-Kosten entwickelt? Sie nehmen tendenziell über die Zeit zu – Sie lagen im letzten Quartal bei 12% (höchster Q4-Wert der letzten vier Jahre). Zweitens: Auch der Marketingkostenwert war der höchste jemals (5,7% vom GMV). Es ist zumindest etwas kontraintuitiv, dass Amazon, das ja schon riesig ist und noch wächst, mit steigenden Kosten zu kämpfen hat. Eigentlich würde man mit so vielen Prime-Kunden, die eine steigende Kauffrequenz an den Tag legen, sinkende und keine steigenden Marketingkosten erwarten. Die liegen zwar verglichen mit Zalando oder AboutYou noch auf einem niedrigen Niveau, schließen aber nicht die Aufwendungen für den Streaming-Dienst Prime (was nichts anderes ist, als ein Marketing-Werkzeug) noch nicht ein. Und es sollte einem Amazon, angesichts des sehr breiten Sortiments, schon leichter als einem Zalando fallen, eine hohe Kauffrequenz zu erzeugen. Es ist also an der Stelle ein Stück weit verwunderlich, warum das so ist.
28:50
Alex: Reden wir über die Makro-Effekte – wie zum Beispiel Logistikkosten. Alles wird teurer: Fahrzeuge, Kraftstoff, Fahrer! Auch im Lager kriegen Mitarbeiter mehr – Letztes Jahr hat Amazon in USA den Stundenlohn für Lageristen auf 18 Dollar angehoben; es gibt 3.000 Dollar auf die Hand als Willkommensbonus. Obwohl Amazon das im Geschäftsbericht als Kurzfristeffekt angibt, sehe ich das gar nicht so. Ich glaube sogar, dass Arbeitskräfte tendenziell sogar eher teurer werden.
Zudem gibt es andere Spezialanbieter, die in ihren jeweiligen Segmenten immer besser werden. In Europa steht Amazon in Wettbewerb zu Zalando und AboutYou in Mode, in Musik und Elektronik zu Thomann usw. In einzelnen Bereichen tut sich Amazon gegen Spezialisten mitunter extrem schwer. Und in der enormen Größe, die Amazon mittlerweile hat, gibt es keine einfach zu erschließenden Märkte mehr, die noch einmal 10% oder 20% Wachstum liefern können.
Eine gute Aussicht für Amazon: Apple hat sich gegen Tracking entschieden. Damit wird Amazon für die Werbewirtschaft viel attraktiver. Aber insgesamt gbit es mehr Gegenwind als Rückenwind für Amazon auf gesamtwirtschaftlicher Ebene. Aus meine Sicht könnte das zu Übersprungshandlungen aufseiten des Konzerns führen – etwa Dritten, die nicht auf Amazon verkaufen, die Werbeplattform öffnen; oder die kostenintensive Auslandsexpansion zurückfahren. Gerade weil Amazon dieses Jahr zum ersten Mal mit den liquiden Mitteln etwas haushalten musste, könnte das Märkte, die in den kommenden Jahren investitionsintensiv sein werden – Niederlande, Schweden, Polen – weniger attraktiv aussehen lassen. Wozu sich Amazon wohl auch verleitet fühlen wird: die Gebühren für Verkäufer massiv anzuheben.
Florian: Grundsätzlich stimmt das wohl so. Was man allerdings bei den Makrotrends nicht vergessen darf: Es gibt nach wie vor eine Bewegung von Off- zu Online hin. In einigen Vertikals mag der Trend mehr oder minder abgeschlossen sein, in vielen anderen geht der aber erst recht los. Da ist die Frage, welcher dieser Effekte netto größer ausfällt. Ich glaube grundsätzlich, es wird nicht die Größe des Markts oder stockende Nachfrage sein, die Amazons Wachstum hemmt, sondern eher die kostenseitigen und infrastrukturellen Faktoren, die du ansprichst. Denn es gibt eine Menge Kategorien, in denen Amazon nicht gut aufgestellt ist, in denen aber ordentlich Potenzial schlummert: B2B zum Beispiel. Da müsste sich Amazon produktseitig viel Mühe geben und so Themen wie Suche und Filter angehen; auch das Verhältnis von organischen Ergebnissen zu Sponsored products gehörte hier auf den Prüfstand.
Das sind für mich eher die Knackpunkte. Denn die Begrenzungen in der Infrastruktur treffen auch alle andere – auch Gorillas und Wolt. Gesamtgesellschaftlich ist das ohnehin die Frage: Wenn wir 50% mehr E-Commerce bekommen, wer macht denn eigentlich die ganze damit verbundene Arbeit?
35:30
Alex: Wir wollte uns schon länger Elektronikhändler Best Buy ansehen. Denn im Heimatmarkt vom Amazon dürfte es sie eigentlich gar nicht mehr geben – auch keinen anderen consumer electronics retailer! Aber siehe da: Best Buy wächst nach wie vor solide, Jahr ein, Jahr aus. Mittlerweile kommen sie auf einen Umsatz von knapp 50 Milliarden Dollar mit zuverlässig rund 5% EBITDA. Und durch Corona haben sie ihren Online-Anteil auf rund 40% katapultiert. Meine Erkenntnis: Wenn das gegen Amazon möglich ist, geht auch noch vieles mehr! Viele Spezialisten mehr könnten sich gegen die gefühlte Übermacht von Amazon stemmen und einfach besser verkaufen.
Aber wie erklären wir uns diesen Erfolg denn genau? Hast du Freunde in USA, die dir sagen können, warum sie ihre Kopfhörer lieber bei Best Buy als bei Amazon kaufen?
Florian: Ich würde es so versuchen: Vielleicht ist Best Buy die bessere Version von MediaMarkt-Saturn? Zumindest höre ich, dass sie über gute Beratung und Sortimentskompetenz punkten – und das schlau mit E-Commerce verknüpfen. Nun weiß ich, dass du für Multi- und Omnichannel-Konzepte immer wenig übrig hast. Aber da scheint es ein gewisses Kundensegment zu geben, das diese Verknüpfung schätzt. Besseres Sortiment ist dabei relativ leicht erklärt: Das schaffen spezialiserte Online-Pure-Player auch (siehe Notebooksbilliger.de) und die Beratungskompetenz hat man dann.
Beim Börsenkurs sieht man allerdings, dass die Bewertung nur die Hälfte des Jahresumsatzes erreicht. Zwar handelt es sich um Elektronik (niedrige Margen), aber das ist bei dem Erfolg und der Rendite eine recht bescheidene Bewertung im Vergleich zu Online-Pure-Plays.
Alex: Ich habe mir den aktuellsten Geschäftsbericht heruntergeladen – schon von 2021. Was meinst du, wie häufig der Begriff „e-commerce“ auf 90 eng bedruckten Seiten vorkommt? Beziehungsweise wie oft es im Bericht überhaupt um den Online-Handel geht?
Florian: Wenn du so fragst… nicht so häufig! Weniger als 50 mal?
Alex: Ein einziges Mal!
Florian: Hatte ich recht: Weniger als 50!
Alex: Es wird nur in dem Kontext erwähnt, dass Michael Mohan, President und CEO, unter anderem dafür zuständig ist. Sonst ist die Strategie nach vorne: „Mehr Läden! Besseres Click-&-Collect! Stärkerer Fokus aufs Sortiment!“ Da habe ich mich gefragt, wie so online so erfolgreich sein können – und habe mir die Webseite angesehen. Was schon auffällt: Sie haben sehr viele Produktreszensionen. Sonst ist das letzte Fünftel der Produktdetailansicht mit einem AdSense-Banner ausgestattet – ganz, wie man das früher gemacht hat; so gar nicht smart, nicht programmatic wie bei Amazon! Aber: vernünftige Produktdarstellung, gute Warenverfügbarkeit und ansprechende Preise. Und das scheint auszureichen, um weiterzuwachsen – in einem Markt, in dem Amazon ein extrem kompetitives Angebot bereithält.
Florian: Beachtlich!
42:40
Alex: Letztes Thema für heute! Sinkende Börsenkurse bedeuten eigentlich sinkende Preise im private market. So glaube ich das jedenfalls mal gehört zu haben. Heißt das jetzt für euch bei Project A, dass ihr günstiger reinkommt? Kannst mal ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern…
Florian: Kurzfristig nicht! So viel kann ich schon verraten. Denn du hast nach wie vor eine Reihe von Fonds, die gerade Geld eingesammelt haben – oder och dabei sind – und das sorgt weiterhin für viel Wettbewerb in der frühen Phase. Das war mal nicht ganz so komeptitiv wie series A oder series B – da kommt der Wettbewerbssprung. Und das bleibt erstmal so.
Wenn aber die Situation, die wir gerade haben – steigende Zinsen in USA, die zu einer höheren Abdiskontierung von zukünfitgen Cashflows führt; eine Spirale aus Lieferkettenknappheit und Inflation, starke Unsicherheit wegen Faktoren wie Ukraine usw. – Wenn das alles so anhält (wofür derzeit einiges spricht), dann wird sich das schon suksessive auf die früheren Phasen auswirken. Der Effekt wird zeitverzögert auftreten, aber man kann private und public markets nur für einen gewissen Zeitraum voneinander entkoppeln, weshalb er dort auf jeden Fall ankommen wird.
Im private market werden nämlich gewisse multiples angelegt – ARR (annualised recurring revenue) in SaaS und Software, Umsatzfaktor im E-Commerce – die als Referenzpunkte fungieren. Wenn diese an der Börse sinken, werden sie im private market unweigerlich – wenn auch zeitverzögert – nachziehen. Für uns heißt das schon, dass wir günstiger einsteigen, aber die exit-Werte sind dann auch niedriger.
Ehrlich gesagt finde ich das alles gar nicht mal so schlecht. Es gibt am Markt immer Wellen, in denen gewisse Themen überwertet sind, was sich irgendwann korrigiert. Die letzten Jahre schlug immer „Wachstum!“ alles andere als wesentlicher Bewertungstreiber – und diese Sichtweise ändert sich gerade. So etwas wie Marge wird wichtiger. Das ist vielleicht nicht das Schlechteste!
Was schon passieren könne (wie etwa zu Anfang der Pandemie): eine Verlangsamung der Investitionsgeschwindigkeit als Ausdruck einer Abwartehaltung. Denn es gelte für Fondsbetreiber immer zu vermeiden, dass sie in einer unsicheren Zeit – vielleicht mit einem Portfolio, das in Abwertung ist – versuchen müssen, Geld für den nächsten Fonds einzusammeln. Und ein funktionierender Wagniskapitalmarkt, wie er in den letzten fünf Jahren in Europa zustande gekommen ist, sei auch im gesamtgesellschaftlichem Interesse.
Florian gibt zu, dass bis Oktober/November 2021 sich im Markt beinahe alle einig waren, dass Tech-Firmen überbewertet waren. Jetzt habe die Geschwindigkeit der Talfahrt alle überrascht. Es wäre schade, sinniert Florian abschließend, wenn deswegen der Tech-Optimismus einem erneuten Pessimismus weichen würde.)
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Alexander Graf, Jahrgang 1980, ist Seriengründer und E-Commerce-Unternehmer. Als CEO von Spryker, einem Softwareunternehmen für Digital Commerce, gestaltet er die Disruption von transaktionalem Business jeder Art. Wann immer es um die Digitalisierung des Handels geht, ist Alexander Graf als Host des Branchen-Podcasts „Kassenzone“ und Autor von „Das E-Commerce-Buch“ ein gefragter Experte. [email protected]
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