In der 211. Ausgabe des Kassenzone Podcasts spreche ich mit Frank Thelen über seine Erfahrung mit Food Startups, der Deutschen Handelslandschaft und die schwierigen Digitalisierungsaufgaben Deutscher Konzerne. Wir besprechen auch, warum ich nicht glaube, dass er einen guten Business Rucksack entwickeln könnte. Wer mehr über Frank selbst erfahren will, seinen Weg zur Höhle der Löwen, sein Umgang mit dem plötzlichen Ruhm und sein Einfluss auf die Politik, dem möchte ich die OMR Podcast Folge mit ihm empfehlen. Man muss nicht in allen Dingen mit Frank Thelen übereinstimmen, aber er ist meines Erachtens eine große Bereicherung für die Deutsche Gründerszene.
Passend dazu auch die Analogie zum Homer Car:
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E-Commerce auf Deutsch mit Frank Thelen, Geschäftsführer bei Freigeist Capital
Frank Thelen ist mit seiner Firma Freigeist Capital – ehedem e24 – einer der bekanntesten Risikokapitalgeber Deutschlands. In diesem Podcast spricht der vor allem durch die Fernsehsendung „Der Höhle der Löwen“ berühmt gewordene Investor mit Alex über die E-Commerce-Landschaft im deutschen Lebensmittelmarkt, die Herausforderungen des digitalen Wandels für die Deutschland AG und über die Bedeutung von wirklicher technologischen Innovation. Darüber hinaus geht es auch um die Vorteile und Nachteile seiner Rolle als „Löwe“, in der er neben Persönlichkeiten wie Judith Williams und Carsten Maschmeyer unterhaltungsreich Urteile über Geschäftsmodelle fällt.
Fast jeder kennt PayPal – und fast jeder hat dort ein Konto. Jetzt kommt die Zahlungsanbieter mit einem neuen Service für Händler: Business in a Box. Es handelt sich um eine Art Shop-Paket, damit Kleinunternehmer mit einer Online-Präsenz direkt durchstarten können.
„Die Idioten dieser Welt machen uns zu Helden“
2:50
Alex: Du warst letztens der erste Gast bei Christian Lindner in seinem neuen Podcast – und der wurde als „cremige Podcast-Premiere“ bei Meedia verrissen…
Frank: Aber so eine Creme ist doch eigentlich was ganz Feines!
Alex: Da stehen jedenfalls ziemlich abfällige Bemerkungen: „Dass Lindner für solch ein Format die Zeit findet, ist erstaunlich und bewundernswert. Die erste Folge schoß bei Apples iTunes-Charts direkt auf die Spitzenposition und die ersten Nutzer-Rezensionen sind durchweg sehr positiv. Man sollte jetzt nur nicht dem Glauben erliegen, hier würde tatsächlich Journalismus betrieben.“ Da scheint der Autor, ein gewisser Stefan Winterbauer, doch etwas neidisch zu sein…
Frank: Dieses ständige Haten ist auch eins der schlimmsten Dinger für mich. Man kann natürlich sagen: „Hey Frank, so etwas ist ein No-Go!“ und dann können wir darüber streiten. Aber generell gibt es in der Presse so viel Hass. Auf Gründszene stand zum Beispiel: “Flugtaxis? Das ist so ein Zukunftsding, was überhaupt nicht kommt“ und so… (Anmerkung der Redaktion: Die bislang auf Gründerszene veröffentlichten Beiträge über Thelen und seine Investition in ein Flugtaxi-Start-up sind nicht besonders hämisch oder gar hasserfüllt im Ton.) So viel Energie für Hass anstatt für eine saubere Analyse: Das ärgert mich sehr.
Alex: Erfolg bringt zuverlässig Neider. Vielleicht ist das ein deutsches Phänomen, aber selbst wenn man Kommentare auf den Instagram-Feeds von vergleichbaren US-Amerikanischen Digitalprominenten von etwa „Shark Tank“, dann ist das auch zu 80% negativ.
Sonst würde ich allen, die sich für die Entstehungsgeschichte deiner Firma und deinen Werdegang interessieren, deinen OMR-Podcast empfehlen.
(Danach gibt es eine kurze Tratscheinheit: Frank hatte seinen Ehering in der ersten Staffel nicht an, um seine Familie vor Medieninteresse zu schützen – mit dem gegenteiligen Effekt. In seiner Autobiographie widmet er ihr folglich ein Kapitel, denn sie sei Teil seines Lebens.)
Heute wollen wir uns aber auf den Handel konzentrieren – und zwar aus verschiedensten Perspektiven. Du warst ja auch bei der DMEXCO am Spryker-Stand zu Gast und hast ein bisschen was über Xentral – und eine ganze Menge über IT-Systeme – erzählt. Lass uns aber mit den Investitionen, die du mit Freigeist und über „Die Höhle des Löwen“ im Bereich Consumer getätigt hast. Dabei gucke ich die Sendung eigentlich gar nicht…
Frank: Du nicht? Echt?
Alex: Ich halte das ganze ehrlich gesagt für eine Show, die zwar gut für die Investoren und die Start-ups ist, aber kein seriöses Investment-Format darstellt. Können wir auch gleich drüber streiten! Aber ganz oberflächlich auf deine Investitionen im Food-Bereich geguckt, dann sind das Produkte, die Trends folgen und bei Rewe oder Edeka gut ins Regal passen.
Frank: Genau. Gern nachhaltig und hochwertig, übrigens. Es geht um einen höheren Standard, als man ihn beim Discounter vorfindet. Die Lizza Lo-Carb-Pizza kommt zum Beispiel teuer daher, ist aber ein super Produkt.
7:30
Alex: Wie ist das denn mit Food gekommen? Hast du Konzepte gesucht, die genauso gut online wie stationär bei Rewe und Edeka funktionieren? Oder ist das alles eher zufällig?
Frank: Dem Zufall geschuldet. Ich saß in der Sendung, weil ich mit ScanBot ein Unternehmen hatte, das heute sehr erfolgreich ist, das ich aber damals gegen die Wand gefahren hatte: Technologisch wurde es gefeiert, aber von der KPIs her hat das so gar nicht funktioniert. Das saß ich in so einem Privatanlegerkreis und da hieß es: „Da gibt es so eine Sendung mit Investments, macht mein Nachbar…“ Da dachte ich nur: „Fernsehen? Hau mir ab!“ Der Olli hat mich aber überzeugt, dass ich mir das angucken soll. Ich schaute die US-Version „Shark Tank“ und es gefiel mir gut. Da dachte ich mir: „Hm. Ich habe gerade eine Firma gegen die Wand gefahren. Schwierige Zeit. Wieso nicht? Finde ich lustig.“
Ursprünglich wollte ich aber maximal eine Staffel machen. Das Interessante ist: Da kommen nicht nur Apps rein – und bis dahin hatte ich ja nur Software gemacht – sondern auch Klodeckel und weiß ich nicht was alles sonst… Da muss man es sagen: Da kommt eine Menge grausamer Scheiß.
Alex: Wird alles gezeigt, was ihr euch angucken müsst?
Frank: Nicht alles, aber vieles schon. Wie auch immer saß ich mit Judith – Wir kommen ja beide sehr gut miteinander klar – und sie meinte: „Hey Frank, total leckere Suppe hier.“ Da dachte ich, sie kann das im Teleshopping anbieten und ich vertreibe es online. Ist auch gut skalierbar. Könnte ein Erfolg werden.
Mit der Suppe bin ich dann zu Rewe gegangen und habe sie ihnen verkauft. Da habe ich gelernt, wie der Handel funktioniert. Witzigerweise hatte ich bereits mit meinem Fotobusiness Handel betrieben und so bin ich da reingestolpert – mit einer Menge Probleme, aber auch eine gewisse Erfolgsstory. Denn wir kamen relativ schnell auf eine zweistellige Millionenumsatz, was für ein Start-up relativ viel ist. Dauert es doch meistens lange, bis ein neues Unternehmen die 10-Millionen-Euro-Marke knackt.
Damit hatte ich mein Muster für „Die Höhle des Löwen“ gefunden. Food kann man machen. Wir haben jetzt zehn Unternehmen und wollen dieses Jahr 100 Millionen Euro Umsatz machen. Das ist zwar weder ein Kraft noch ein Nestlé, wir haben aber aus einer Fernsehsendung heraus Hunderte von Arbeitsplätzen geschaffen. Und wir sind womöglich das am Schnellsten wachsende Unternehmen in der europäischen Lebensmittelindustrie. Zumindest kenne ich kein Food-Start-up-Cluster, das schneller expandiert.
(Alex fragt, ob Frank dadurch Learnings über den Einzelhandel für sich rausgezogen habe. Habe er nicht nämlich letztens gesagt, Start-ups verstünden den Handel nicht und brauchten mehr Marge? Frank bejaht: Der Handel sei ein undurchdringlicher Dschungel aus Werbekostenzuschlägen, Neue-Läden-Prämien und sonstigen margenaufzehrenden Schikanen, in dem Unkundige „von A bis Z verarscht“ würden. Sein Start-up-Cluster könne dem zwar nicht die Verhandlungsmacht eines Lebensmittelkonzerns entgegensetzen, komme aber mit Leidenschaft und finde Partner, die faire Bedingungen anböten.)
13:00
Alex: Ist es nicht mittlerweile durch den Erfolg der Show ein No-Brainer für so ein Edeka, eure Produkte zu listen? Zwischen Aufnahme und Ausstrahlung vergeht eine gewisse Zeit und dann kann man zeitlich Passend die Produkte in den Filialen präsentieren…
Frank: Vereinfacht gesagt: Ja. Aber dein Beispiel Edeka: Die Märkte sind überhaupt nicht zentral gesteuert, sondern Edeka besteht aus sieben Regionen, die sich wiederum aus Unterregion zusammensetzen. Nur also weil Hamburg das macht, machen das die anderen noch lange nicht. Dagegen ist es deutlich einfacher, mit Drogerieketten wie Rossmann und DM sowie Kaufland und Real zu kooperieren, weil hier eine zentrale Stelle entscheidet und mit der kann man verhandeln, dass die Ware dann und dann ausliegt. Wer aber bei Edeka reinkommen will, muss Hundert Leute mit geleasten Golfs durch Deutschland schicken… Bezahl das mal!
Alex: Die reine E-Commerce-Lehre besagt: Wenn man eh die Online-Präsenz hat, kann man auch einen direkten Vertriebskanal aufbauen. Da schicke ich also meine Suppenkunden zum Suppenshop oder andernfalls zu Amazon. Braucht ihr im Food-Bereich unbedingt den Handel?
Frank: Nein. Wir sind auch total stark im Direktvertrieb. Guck dir mal unser Ankerkraut an. Das Idealbild für uns ist immer, dass der Handel für uns „zusätzlicher Spaß“ ist. Wir wollen uns über gute Listings und tolle Aktionen freuen, aber nicht davon abhängig sein. Das ist auch gefährlich. Deswegen haben wir auch in der Regel ein sehr starkes Online-Business, das oftmals bis zu 70% des Umsatzes beiträgt. Prinzip: You own the customer. So findet man sich nicht alle Jahre wieder im Handelsgespräch und muss sich gegen irgendwelche verrückte neue Prämien wehren… Diese Unabhängigkeit ist es uns extrem wichtig.
(Alex fragt, ob Frank nicht mal zusammen mit Supermarktketten über Digitalisierungskonzepte nachgedacht habe. Denn die großen Lebensmittelhändler hätten große Probleme, auch nur Banales online umzusetzen. Frank schränkt ein: Rewe und Real hätten super Leute aus dem digitalen Bereich. Generell sei der Lebensmittelhandel aber schon sehr altbacken. Von einem Einkäufer, der seit Jahren die Aufgabe hatte, jedes Jahr einen halben Cent günstiger Reis einzukaufen, sei schließlich auch nicht zu erwarten, dass er erkenne, was für einen Markenmehrwert generiert werde, wenn Frank Thelen über das Produkt twittere. Das sei frustrierend.)
18:00
Alex: Die Trägheit der Supermärkte macht es neuen Akteuren – wie etwa Picnic – einfach. Mit denen müsstet ihr wahrscheinlich besser auskommen…
Frank: Klar. Die Idioten dieser Welt machen uns zu Helden. Edeka hat letztens gesagt: „Wir machen drei oder vier Digitalisierungs-Shop-Projekte über die Regionen verteilt. Das beste gewinnt dann.“ Weißt du schon, welche Region gewinnt? Na? Es ist von vornherein festgelegt.
Alex: Wahrscheinlich das Projekt, das im Münchener Raum angesie…
Frank: Nein, falsch: Der Gewinner des firmeninternen Wettbewerbs ist nirgendwo angesiedelt. Der heißt nämlich: Keiner! Wenn du nämlich dich mit vier Digitalisierungsprojekten verzettelst, anstatt deine Energie auf ein einzelnes Online-Projekt zu bündeln, hast du keine Chancen. Es wird kein erfolgreiches Edeka online geben, wenn man vier Projekte parallel verfolgt.
Das hat damals der Telekom schön bewiesen: Sie hatten drei verschiedene Musikportale gleichzeitig. Drei Stück! Eins fürs Festnetz, eins für Mobile und eins für T-Online. Da wusste ich auch schon, welches davon das Rennen (nicht) macht. Das macht Edeka gerade nach und ich frage mich: „Lesen die keine Geschichtsbücher? Haben sie denn gar keinen, der ein Gehirn für online hat?“ Rewe macht es zwar besser – also zentral –, aber man muss einfach feststellen, dass Amazon brutal intelligent ist. Ich hoffe, dass Rewe weiter seinen Weg geht…
(Ob Frank als prominentes Gesicht des digitalen Wandels viele Anfragen von Konzernen erhalte, Aufsichtsrat zu werden, will Alex wissen. Und ob man dadurch was erreichen könne. Bei Anfragen radikalduze Frank erst einmal, um zu sehen, ob eine Gesprächsgrundlage bestehe. Darüber hinaus versucht er rauszufinden, ob sein Gegenüber es ernst meine mit der digitalen Transformation oder Frank lediglich als Alibi-Gesicht für marketinggetriebenen Aktionismus gewinnen will. Mit einigen DAX-Vorständen sowie Politikern spreche er nicht mehr, weil es reine Zeitverschwendung sei.)
21:45
Alex: Kannst du den Anteil der DAX-Vorstände schätzen, die nicht fähig oder bereit sind, sich der Realität des digitalen Wandels zu stellen versus diejenigen, die Bock haben, was zu bewegen?
Frank: 80%-20%.
Alex: Und nur 3% unter der 20%-Fraktion kann überhaupt was umsetzen, weil das Konzernumfeld stark lähmt, oder?
Frank: Es ist schon brutal hart. Wenn man sich überlegt, dass ein meiner Meinung nach begabter Manager wie René Obermann irgendwann sagt, es sei „wie mit Handschellen zu boxen“, dann ist das schon traurig. Das Problem betrifft jeden großen Konzern: Es ist schwierig, Sachen dort umzusetzen. Gleiches gilt für die Politik: Bis du Blockchain durch den Bundestag bekommst dauert es auch sehr, sehr lange!
(Alex wechselt das Thema zurück zu Handel und E-Commerce.)
24:10
Alex: Würdest du heute noch das Risiko eingehen, in ein Geschäftsmodell zu investieren, das über Handelsmarge im E-Commerce Geld verdienen muss?
Frank: Ja, wenn der Gründer stimmt. Das Geschäft ist knallhart und wir als Freigeist müssen an den Gründer – besser: ans Gründerteam – glauben. Da müssen wir patente Exzellenz in Operations oder bei Produktauswahl oder wirklich herausragendes Marketing sehen: Irgendwo muss ein klarer Vorteil herkommen. Dann könnte es sein, das wir da einsteigen. Aber freudestrahlend um den Hals fallen so nach dem Motto „Krass! Du machst E-Commerce!“ ist nicht mehr.
Alex: Es muss also mittlerweile schon ein Flugtaxi sein?
Frank: Lass mich das mal so sagen: Ich halte – und behalte – meine Amazon-Aktien. Denn ich glaube, dieses Unternehmen wird eher stärker. Es ist natürlich schön, dass man jetzt mit dem Amazon-Pay-Button eine Bezahloption hat, bei dem sich der Kunde nicht anmelden muss. Das verringert die Friktion und steigert die Conversions. Und mit Xentral bin ich in einem Unternehmen investiert, dass – in etwa wie Spryker, aber für kleinere Läden – nicht mehr zeitgemäße Backends wie Magento ablösen will. So finde ich den E-Commerce einen generell spannenden Markt, aber der Gründer muss stimmen!
Alex: Wenn du dir ein Start-up als Investor anguckst: Was sind so die typischen Problemstellen? Ist es die Payment-Lösung? Ist es die Warenwirtschaft? Ist es Logistik-Management…? Oder eher klassische Online-Marketing-Themen wie SEO-SEA…?
Frank: Leider: Alles. Bei Xentral kennen wir das Thema so gut wie wenige. Punkt Eins: Es ist immer wieder eine Herausforderung, einen wirklich guten CTO oder Entwickler, der ein Shop-System unter Kontrolle halten und bei Bedarf anpassen kann, für ein Start-up zu gewinnen. Dann: Online-Marketing. Wir trainieren immer wieder unsere Food-Start-ups und bieten fertige Vorlagen an. Trotzdem läuft das Marketing nicht in allen unserer Unternehmen so, wie ich mir das wünschen würde. Auch die Leidenschaft in Social-Media reinzustecken und die richtigen Influencer zu finden, ist schwierig.
Und die schlimmste Sollbruchstelle ist nach wie vor das System dahinter: ERP, Warenwirtschaft, wie auch immer es genannt wird. Rechnungen stellen, Produkt auf Marktplätzen verfügbar machen, usw: All das hängt davon ab. Deswegen haben wir ja auch in Xentral investiert. Nicht, weil wir unbedingt in diesen Markt wollten, sondern weil wir einfach gesehen hatten, dass wir eine Lösung für unsere Start-ups brauchten. Nun sind alle bis auf eins auf der Plattform.
Aber damit sind längst nicht alle Probleme gelöst: Man braucht eben gute Leute in allen Bereichen: Den coolen Shop-Entwickler, den coolen Online-Marketing-Kopf… Richtiges gutes Talent mit dem kleinen Gehalt, das man als Start-up zahlen kann, zu gewinnen, ist die Herausforderung.
(Daraufhin stellt Alex – wie in vielen Podcasts – die Frage nach dem Standort bei der Anwerbung. Berlin entfalte nach wie vor seine monopolartige Sogwirkung und in anderen angesagten Städten saugten sich nun digitalisierende Großunternehmen den kleineren Markt leer. In München kursiere der Witz, wer nur die Buchstaben P, H und P schreiben könne, werde als Chefentwickler eingestellt. Frank bestätigt das mit einer Anekdote aus seinem Erfahrungsschatz, wonach digitale Mittelständer im Münsterland wie Shopware und Tobit ihren Mitarbeitern Häuser bauen, um gute Leute zu bekommen und zu binden.
Danach geht Alex auf einen kurzen Ritt durch die Vorzüge von vertikalen Geschäftsmodellen gegenüber auf Handelsmarge fußenden Konzepten sowie auf die Schwierigkeit, sich auf durch Wettbewerber ruckartig hochgeschraubten Markterwartungen zu reagieren, bevor er zur nächsten Frage kommt.)
32:10
Alex: Jetzt aus der WhatsApp-Gruppe: „Mischt Frank Thelen als alter Skater im E-Scooter-Markt mit?“ Das scheint gerade ein Modethema zu sein…
Frank: Da bin ich nicht vertreten. Positiv formuliert: „Da geht gerade einiges.“ Negativ ausgedrückt: „Das ist gerade ein Clusterfuck! 80% werden sterben!“ Ich besitze auch keinen E-Scooter, sondern ein One-Wheel.
Alex: Was ist ein One-Wheel?
Frank: Eine Art Surfbrett mit einer großen Rolle in der Mitte. Man kann sich nach hinten und nach vorne legen, womit das Ding dann fährt. Es ist schwierig zu fahren und ist beim Preisschild von rund 4.000$ wohl nicht ganz mehrheitsfähig.
Sei hier aber klar gesagt: Ich werde gar nicht ins Scooter-Business investieren!
Alex: Zweite WhatsApp-Gruppe-Frage: „Ist Frank auf der Suche nach dem perfekten Business-Rucksack denn fündig geworden?“ Ich empfehle persönlich ja immer diesen Rucksack von Salzen aus Köln…
Frank: Kann ich sofort auseinandernehmen, wenn du willst.
(Frank rattert dann ohne weiteres eine lange Manko-Liste runter, was am Salzen-Business-Rucksack alles fehle oder falsch sei: mangelnde Anti-Theft-Funktion, falsche Raumaufteilung, kein USB-Ladeanschluss… Alex verteidigt das Produkt tapfer – man hört im Hintergrund, wie der Rucksack hin und her gereicht wird. Auch mit seinem eigenen, den er ja besser findet als Alex‘ Salzen-Modell, sei er noch nicht restlos zufrieden. Vielleicht werde er mal seinen eigenen entwickeln… Er sei ja getrieben davon, Dinge in Perfektion machen zu wollen.)
36:40
Alex: Kannst du dich an die Simpsons-Folge erinnern, in der Homers perfekte Auto nachgebaut wird – und ein Flop ist?
Frank: Nee, kenne ich nicht.
Alex: Schicke dich dir, weil sie mich ein bisschen daran erinnert, wie du ans Rucksack-Design rangehen würdest.
Frank: Du glaubst, mein Produkt wird nicht gut?
Alex: Nee!
Frank: Weißt du was? Bis heute fühle ich mich als Underdog: Bin ich doch von der Schule geflogen. Habe ich doch Fachabi gemacht und bin beim Studium rausgeflogen. Ich bin auch mal Pleite gewesen. War alles schrecklich und ich habe auch lange keine Frau gefunden… Wenn du mir also sagst: „Frank, deinen Rucksack kauft keiner!“ Dann kannst du dir vorstellen, was bei mir abgeht – und wie sehr ich mich darauf freue, das Gegenteil zu beweisen!
Bei den Büchern habe ich die Leute auch schon eines Besseren belehrt. Sie fragten: „Wie willst du ein gutes Buch machen?“ Ich habe dann unendlich viel Zeit in so Sachen wie den Umschlag, die Bindung und die Papierform… Dann habe ich eine halbe Million investiert und es hat funktioniert.
(Den Inhalt finde Alex gut, daher spricht er einen Lesebefehl aus: Kauft euch Franks Buch!)
39:10
Alex: Was sind denn Themen, die du gerade gut findest, wenn die an dich herangetragen werden?
Frank: Wir haben einen ganz klaren und starken Fokus für unsere Zukunft in der Technologie: Blockchain, künstliche Intelligenz, 3D-Druck, E-Mobilität, Quantum-Computer… Das sind technische Revolutionen, die schon im Labor fertig sind, und nun nach Produkten suchen. Da wollen wir große Firmen daraus machen.
In E-Commerce werden wir also nicht mehr investieren – es sei denn, es gibt ja den richtigen Gründer mit dem richtigen Team. Aber suchen tun wir tiefgreifende Technologie, bei der es uns auch klar ist, dass es bis zur Marktreife um Hunderte von Millionen an Investitionen geht. Darauf konzentrieren wir uns.
Alex: Und von den Anfragen, die ihr in einem durchschnittlichen Monat bekommt, wie viele erfüllen denn diese Kriterien?
Frank: Geschätzt: 0,5% – 1%.
(Deswegen, sagt Frank, gehe er mit seinem Team an die Universitäten, bevor Alex abschließend bedeutungsschwanger anmerkt, dass die Spryker-Gründung damals aus dem ersten Podcast mit Florian Heinemann herauskam…)