2015 schon war Amazon das branchenbestimmende Thema und 2016 hat sich daran bisher nichts verändert. Auf jeder Konferenz ist Amazon das bestimmende Thema und mittlerweile freut man sich schon richtig über lobende Artikel zu eBay („Ist eBay die bessere Alternative für Händler? Interview mit Mark Steier (Wortfilter)„), weil es in der Amazon dominierten Welt ein Lichtblick ist. Ich kann mir zwar noch immer nicht erklären wie eBay zu solch hohen Umsätzen kommt, weil ich weder entsprechend aktive Käufer noch Verkäufer kenne, aber das wird schon irgendwie hinkommen und Peter Höschl findet es auch klasse.
Jochen hat sich sogar zu der folgenden Aussage durchgerungen:
Amazons größte Schwäche ist es, dass es alles für alle sein will, mit seinem One-For-All-Ansatz aber nicht bei allen Kundengruppen gleich stark sein kann. Dies bietet erhebliche Chancen für Newcomer und potenzielle Angreifer. Zalando macht es gerade vor.
Dieser One-For-All Ansatz bringt offensichtlich mehr Vor- als Nachteile für die Unternehmensentwicklung, aber faktisch ist nicht von der Hand zu weisen, dass Amazon in vielen Bereichen erhebliche technische Probleme hat die von diesem Ansatz ausgehen. Dafür muss man sich nur mal die nicht mehr zeitgemäßen Filter- und Sortieroptionen bei Amazon anschauen, oder die nicht vorhandene Personalisierung an allen Ecken. Die Filmempfehlungen bei Amazon Instant sind bei weitem nicht so gut wie bei Nexflix, das Retargeting ist lahm, ich werde noch immer mit „werde jetzt Prime Kunde!“ Werbung bombadiert – als Prime Kunde. Die Funktionen im Sellercenter sind überschaubar, für mein englisches E-Commerce Buch musste ich die Produkt- und Autoreninfos auf jeder Amazonplattform neu eingeben. Wenn ich mir das Video von Amazon.com aus dem Jahr 1999 genau anschaue, waren die Produktempfehlungsmechanismen „damals“ auch schon ganz ok. Und so weiter, und so weiter.
Bestelle ich nun weniger bei Amazon? Natürlich nicht, ich gehöre wahrscheinlich zur perfekten Zielgruppe von Amazon und der Fokus auf meine Zielgruppe macht Amazon für andere Anbieter angreifbar. Im Rahmen der diversen B2B Diskussionen zu Contorion wird auch immer wieder gefragt: Ist das nicht ein Bereich, der über kurz oder lang von Amazon dominiert wird? Dazu kann ich nur sagen, dass es schwierig wird Amazons Welt über den Dreiklang Preis, Angebot und Verfügbarkeit anzugreifen. In dem Bereich kann und wird eher (ein) Amazon gewinnen, aber wenn es nicht mehr darum geht Produkte über eine Webseite zu verkaufen, sondern die Webseite oder das Kundeninterface selber zum Produkt wird, dann sehe ich auf jeden Fall Chancen. Hauptsache die Kunden fragen das nach. Deshalb gibt es für mich auch noch sehr große Freiheitsgrade in der Prognose zur Entwicklung des Online Lebensmittelmarktes. Amazon löst hier gerade nur das Logistikproblem, aber bei weitem nicht das Problem der Bestellung.
Die Desktop Version von Amazon hängt also weit hinterher (meine persönliche Meinung). Das hat Zalando im Bereich Fashion für sich genutzt, aber viele andere Kategorien sind noch vollkommen offen. Die Frage die ich mir nun eher stelle ist, ob die Webseite in Zukunft überhaupt noch eine große Rolle spielt oder ob mobile bzw. sogar voice gesteuerte Eingaben nicht bald der Normalfall sind. Wenn letzteres der Fall ist, dann geht es in Zukunft noch viel mehr um die Frage wer die besseren Daten hat, wer Produkte besser clustern kann, wer Sprache besser zuordnen kann. In den Bereichen scheint Amazon noch immer sehr weit zu sein. Lediglich mit der Webseite (in Deutschland) bewegt sich Amazon am Limit oder natürlich mit allen inspirierenden Kaufprozessen, die Frauen begeistern könnten. Das lässt sich nicht abstreiten.
Die Chancen mit und neben Amazon sind also vorhanden. Die nächsten 100 Mrd. Euro Onlineumsatz dürften nicht komplett an Amazon gehen, sondern an Unternehmen, die schneller und besser in der Lage die bestehende und entstehende Infrastruktur besser in Kundennutzen zu übersetzen – Technologieunternehmen. Darüber habe ich u.a. auch auf der sehr schönen brandeins Konferenz im September gesprochen. Das Video dazu ist nun online.
Alexander Graf: Was geht? Wie man die Technik zum Verbündeten macht from brand eins on Vimeo.
Unsere nächster Digital Commerce Day (DCD) mit dem Motto „Was ist die Alternative?“, findet am 23. März 2017 in Hamburg statt. Zielgruppe sind Menschen, die sich nicht mehr mit der Diskussion über verschiedenen Vertriebskanäle aufhalten (müssen).