spryker-borisIm Vorfeld der Code.Talks Commerce in Berlin hatte ich die Möglichkeit mit meinem Co-CEO Boris Lokschin über die Spryker Systems Learnings zu sprechen. In der letzten Rückschau „888 Tage Spryker“ habe ich schon ein paar Learnings zusammengefasst, aber es vergeht keine Woche in der bei uns nicht etwas Spannendes passiert. Am eindrucksvollsten für mich ist das Einkaufsverhalten unserer Kunden. Vom Erstgespräch mit einer „wir wollen agil, zahlen aber Festpreis“ Dynamik bis hin zur „können wir nicht noch schneller live gehen“ Einsicht auf GF Ebene passiert das, was man durchaus als Transformation bezeichnen kann. Darüber spreche ich mit Boris und natürlich auch über unsere eigene Lernkurve in der Produktentwicklung. Warum ist Spryker schon viel mehr als ein Framework?

In dieser Ausgabe geht es vor allem darum was unsere Annahmen für Spryker waren, welche Kunden am besten zu Spryker passen und warum sich viele Unternehmen noch so dermaßen schwer tun mit modernen E-Commerce Projekten. Eine Erkenntnis für mich aus den letzten drei Jahren ist, dass es gerade den Unternehmen die gar nicht oder sehr zögerlich in den letzten 10 Jahren in ihre technischen Fähigkeiten investieren haben, am schwersten fällt neue Projekte anzugehen und in die Umsetzung zu kommen. Das hat viele Gründe, über die wir auch im Interview reden. Teilweise fehlen rudimentäre Fähigkeiten (PIM, OMS,…), oft wird versucht die fehlenden Investments der letzten 10 Jahre mit einem Riesenprojekt aufzuholen (#Fail) und in anderen Fällen fehlt aufgrund der Plattformökonomie das Verständnis darüber was überhaupt gemacht werden muss. Auch darüber sprechen wir. In der nächsten Ausgabe geht es um konkrete Anwendungscases mit Spryker und wie gewohnt können wieder Interviewfragen via dem Whatsapp Kanal von Kassenzone eingereicht werden. Viel Spass und schönen 1. Mai!

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Boris und Alex haben mehrere Gemeinsamkeiten: Beide bekleiden Co-CEO Posten beim stark expandierenden Technologieanbieter Spryker Systems und beide reden gern E-Commerce Klartext – wie ihnen damals bei der ersten Begegnung in der eher unscheinbaren Umgebung der Systemgastronomie Schweinske am Hamburger Hauptbahnhof klar wurde. Klartexten tun sie auch hier im ersten von zwei Podcasts, in denen sie auf Anregung von Hörern der WhatsApp-Gruppe eine Update zum Stand des jungen Unternehmens geben wollen. Bei Spryker verantwortet Boris unter anderem die Entwicklung des Partner-Netzwerks sowie des Trainings- und Zertifizierungsbereiches „Academy“.

 „Spryker ist das Betriebssystem für Commerce“           

1:50

Alex: Sagst du bitte den Hörern erst einmal, was du vor Spryker gemacht hast?

Boris: Spryker ist die dritte Tech-Company, für die ich arbeite. Die erste habe ich direkt nach der Schule gegründet: Ich war schon immer unternehmerisch tätig. Aus heutiger Sicht war sie im weitesten Sinne eine SaaS-Firma. Wir haben ein kleines Shop-System gebaut, das am Ende eine der größten Elektronik-Einzelhandelsketten in Deutschland eingesetzt hat, um online Navigationsgeräte zu verkaufen.

Alex: Wann war denn das?

Boris: 2002 und 2003 und bauten wir das System und zwei Jahre später verkauften wir es an unseren größten Kunden, besagte Elektronik-Kette. Viele von den anderen kleineren Kunden kamen ja auch aus dem Verbund darum herum. Zusammen mit einem Kernteam, die nicht zum neuen Inhaber gingen oder nicht übernommen wurden, gründeten wir dann Synetrix. Diese Agentur wuchs zu dem größten Magento-Systemintegrator in Europa heran.

Sie wurde dann von der 70.000-Leute-großen CGI Inc. aus Nordamerika gekauft. Sie versuchten damals ein E-Commerce Portfolio als – in ihrem Jargon – „horizontal business unit“ aufzubauen, das über Ländergrenzen hinweg ihren Kunden bereitgestellt wurde. Synetrix sollte hier die Magento-OpenSource-Kompetenz neben viele andere Fähigkeiten mit hineinbringen. So war ich am Ende einer von vielen, die bei CGI Inc. rund 250 Leute geleitet haben. Wir haben viele spannende Projekte umgesetzt: Magento, Hybris, ATG, und Demandware.

Alex: Bevor wir dann zu Spryker kommen: Welche Veränderungen hast du in diesen rund 15 Jahren im Geschäft erlebt? Wie waren die Magento-Projekte von 2007 verglichen mit denen, die du zum Ende hin bei CGI gesehen hast?

Boris: Der Reifegrad der Business-Modelle hat sich geändert. Früher waren – logischerweise – viele Geschäftsmodelle bei weitem nicht online abgebildet. Heute sind die meisten Verticals hart umkämpft. Es ist relativ schwierig geworden in irgendeinem davon – Mode, Elektronik, Reisen – ein E-Commerce-Modell aus dem Boden zu stampfen. Zudem konnte man vor 10 Jahren noch relativ viel in einem System unterbringen. Heute sind die Anforderungen viel komplexer: Man muss ein großes System-Universum mit mehreren Tools haben.

Aber der wesentliche Wandel ist – wie gesagt – in den Verticals. Ein Online-Shop für T-Shirts würde heute keiner mehr so hinstellen. Damals reichte es oft, das Sortiment online zu stellen, ein bisschen SEO zu machen, und eine Bestellungsfunktion anzubieten – und schon waren viele Kunden begeistert. Heute ist das nicht mal mehr Hygiene.

6:00

Alex: Wenn ich mich recht erinnere, haben wir uns 2015 im Hamburger Hauptbahnhof getroffen, um verschiedene Geschäftsmodelle zu besprechen – darunter Spryker. Als du das erste Mal davon gehört hast, wie hast du es eingeordnet?

Boris: Ich fand es spannend. Wie eben geschildert, hatte ich sowohl die erste, stark durch das Prinzip ERP-Wurmfortsatz und von EDV-Abteilungen geprägte als auch die zweite, sehr Shop-fokussierte Generation des E-Commerce miterlebt und mitaufgebaut. In der zweiten Generation kamen dann viele zum Teil junge Leute zu neuen Positionen: Head of Digital, Leiter Online-Marketing, usw. Die sind alle vor der EDV geflohen! Es war gang und gäbe zu sagen: „Wir wollen mit der IT nichts zu tun haben.“ Das war aber eine andere EDV, die Wochen und Monate brauchte, um ein neues Produktfeld oder ein Discount-Code anzulegen. Diese Geflüchteten wollten mehr Autarkie, mehr Sagen über das eigene Shop, über Bestellungen, Aktionen & Co.

Mit der Zeit wurden die Projekte immer komplexer. Wir machten immer mehr Customising in den einzelnen Systemen. Da arbeitete ich meistens mit Magento und Hybris und erlebte, wie teilweise Tausende von Tagen in an die Grenzen der Zweckentfremdung gehende Adaptation gesteckt wurden. Die Systemarchitektur wurde dabei soweit verbogen, dass ein sauberer Total Cost of Ownership nicht mehr abbildbar war: Die Aufwände für Upgrades, Wartung, und Support stiegen ins Unermessliche.

Das waren Erfahrungen, die mich zunehmend prägten. So fand ich es spannend, dass man das Ganze einen Schritt weiterdachte: Wie müssen sich Geschäftsmodelle ändern nach vorne raus, wie hoch ist der Digitalisierungsanteil? Wie viel Innovation kann ich mit Standardsystemen erzeugen? Wie kann ich mich differenzieren? Wie viel muss ich heute eigentlich selber bauen und wie viel kann ich von der Stange nehmen? Und wie relevant sind Komponenten, die mir 2007 als Steigbügelhalter halfen, in den Markt zu kommen in der heutigen Welt noch – bei zunehmend gleichem Sortiment?

So war unsere Diskussion damals spannend und wir teilten viele Erkenntnisse – und vielen Learnings, aus der System- wie aus der Marktsicht. Das war, glaube ich, der ausschlaggebende Punkt.

9:10

Alex: Was uns ja zum zweiten Teil bringt (schöne Grüße übrigens abschließend ans Schweinske im Hamburger Hauptbahnhof!): Unsere Erkenntnis war, dass es kein einziges schnell wachsendes Unternehmen mehr gibt, der auf einer Standardplattform basiert und online Marktanteile gewinnt. So muss eine andere Lösung her – eine, in der die Technologie zum Teil des Produktes werden kann.

Das führt aber dazu, dass Spryker fälschlicherweise als Pille gegen Online-Pure-Player gesehen worden ist. Und die Frage, die wir am öftesten hören ist ja: „Okay, klar, Magento, ATG & Co. wurden für eine andere Zeit entwickelt. Aber wir haben keine eigenen Entwickler. Wie sollen wir Spryker benutzen? Für wen soll Spryker sein?“ Wie lautet deine Antwort darauf?

Boris: Als Zeitzeuge der letzten Jahre bin ich der Meinung: Jedes System ist ein Abbild der Zeit, in der es entstanden ist – und Abbild eines bestimmten Problems auch. Es geht nicht so sehr darum, was besser oder schlechter ist: Diese ganzen Panel-Diskussionen in Deutschland – „Was ist das beste Shop-System?“ – führen ins Leere. Denn es kommt einfach darauf an.

Es ist vielmehr eine Frage der Problemstellung. Es gibt bestimmte Best-Practices, die der Markt nun fordert. An erste Stelle ist das Agilität und Geschwindigkeit: Wie schnell kann ich Innovationen erzeugen und mich abgrenzen? Denn ich verkaufe die gleichen Jeans, Dosen, Portmonnaies und möchte nicht in einer Preisspirale geraten. So gehe ich Themen wie Voice, Bots, Personalisierung an – aber das sind Technologien, und sie werden nicht von der Stange geliefert. So muss man sich aus dem eigenen Shop hinaustrauen. Man hat viele Touchpoints mit dem Endkunden und kann nur äußerst schwer hervorsagen, wie der Kunde am Ende interagieren und kaufen wird.

Für all die Leute, die diesen Punkt verstanden haben, ist Spryker eine supersinnvolle Geschichte. Sonst ist man relativ schnell in diese Eigenentwicklungsschiene, die sich bei weitem nicht alle technisch und budgetseitig leisten können.

12:30

Alex: Dann rollen wir den nächsten Fall auf: Für wen ist Spryker nicht geeignet?

Boris: Ich muss da eine Sache vorwegstellen: Was ist Spryker heute? Viele haben aus der Anfangszeit diesen „Framework“-Begriff mitgenommen, den wir auch selber geprägt haben. Dabei geht das weder weit genug noch ist das verständlich. Deswegen sagen wir heute, Spryker ist das Betriebssystem für Commerce. Es ist eine Infrastrukturtechnologie für Commerce-Modelle. Und genau wie ich bei einem Betriebssystem wie IOs erwarte, dass es gewisse Dinge mit sich bringt auf deren Basis ich Apps bauen kann, so kann ich Spryker sehen.

So sind wären die Shops, die unsere Kunden mit Spryker bauen, in der Apple-Welt eben Apps. So wäre eine Alexa-Voice-Skill oder ein Chat-Bot ebenfalls eine App. Wenn ich mehrere Apps nutzen will, weil meine Kunden das von mir wollen, werde ich immer schneller, günstiger und besser mit Spryker sein. Habe ich aber doch vor, eng im Kosmos einer einzelnen App zu bleiben – also nur einen B2C-Shop zu bauen – dann kann ich nicht alles ausschöpfen, was mir Spryker gibt.

Alex: Erzähl mal was zu den Kunden und Branchen, mit denen wir was zu tun haben.

Boris: Es ist sehr gemischt, was ja auch das Spannende ist. Erstaunlicherweise sind viele der Hypothesen, die wir am Anfang formuliert haben, wer eigentlich darauf reagieren wird, nicht eingetroffen – was positiv ist, weil das Kundenspektrum viel breiter ist, als wir dachten. Da sind Modemarken, Automobilhersteller, Serviceketten mit dabei. Auch klassische B2B-Händler und -Hersteller gehören dazu, sowie eine Fluglinie und eine Versicherung.

Alex: Was macht eine Airline mit Spryker?

Boris: Es gibt eine, die gerade prüft, ob sie nicht Spryker innerhalb der Passagierkabine am Sitzplatz benutzt, um In-Flight-Commerce wie Duty-Free-Einkäufe, Ticket-, Restaurant- und Hotel-Buchungen abzubilden.

15:30

Alex: Da ist die Frage: Wo gibt es Displays, wo gibt es Cases in der digitalen Welt, die noch nicht durch die großen Plattformen – vulgo: GAFA – besetzt sind? Da sind Anzeigen und WLAN im Flugzeug tatsächlich noch frei. Im Auto ebenfalls, also die Touchpoints mit denen man vielleicht demnächst die nächste Tankfüllung bezahlt oder Gastro-Service von unterwegs aus bucht. So sind die Shop-Cases, über die wir damals im Schweinske nachgedacht haben, bei weitem nicht mehr dominierend, weil man sehr viele Displays hat.

Boris: Und gerade die B2C-Handelsmodelle sind hier den größten Druck ausgesetzt, mehrere Schritte weiterzugehen. Es reicht längst nicht mehr, einen SEO-optimierten Online-Shop livezustellen. Die müssen sich angesichts der Drohung durch die Marktplätze und sogar Hersteller permanent neu erfinden. Sie müssen sich ständig fragen: „Möchte der Kunde jetzt Fragen zu seiner Bestellung über WhatsApp senden? Macht es Sinn, ihm die Nachbestellung über Voice zu ermöglichen? Responsive Design oder App als Mobile-Strategie?“

Viele Dinge kann man aber jetzt nicht statistisch erschließen. Da hilft kein PowerPoint, kein Unternehmensberater, keine Marktstudie. Das, was sich als Best Practice herausstellt, kommt durch Trial and Error. Man muss Sachen schnell und datengetrieben auf die Straße bringen können. Der Versuch, jede dieser Apps voll auszugestalten, ist zum Scheitern verurteilt.

Deswegen versuchen wir in unserem Betriebssystem möglichst viele, wie wir sie nennen: Capabilities unterzubringen, damit jede App, die darauf gebaut wird, sich da bedienen kann. So muss so etwas wie die Rabatt-Logik nicht für den Desktop-Shop, die Mobile-App, und den Chat-Bot dreimal neu definiert werden.

Wir wollen ja auch neben B2C für den Bereich IoT – Internet der Dinge – das Commerce-System werden. Da ist gerade sehr viel Nachfrage, vor allem aus dem B2B-Umfeld: Hier versuchen Hersteller Transaktionen zu erzeugen ohne einen Kunden als Schnittstelle. Also: Geräte die in Alleinregie Wartungsfenster buchen, Ersatzteile nachbestellen, aber auch ganz einfache Beispiele à la Amazon-Dash-Button. IoT-Commerce ist gerade ein sehr spannendes Feld für uns, in das wir momentan viel investieren.

19:00

(Alex stellt eine Frage, die in der WhatsApp-Gruppe oft aufkam. Angenommen, ein Unternehmen versteht, wie wichtig es ist, mit dem Wandel mitzugehen: Wie macht es das konkret? Welche Teams kümmern sich um die neuen Kanäle und Apps? Boris antwortet aus seinen Erfahrungen bei vielen Kunden, wie die meisten – vor allem im Mittelstand – vorgehen. Vieles hänge von dem digitalen Reifegrad ab. Gibt es überhaupt interne Teams, die in Frage kommen? Oder brauche ich externe Hilfe, bis ich selber eine Tech-Kompetenz aufgebaut habe?

Dabei lasse Spryker aber viel Freiraum und es sei wichtig zwischen empfohlener Best Practice und Marktrealität zu unterscheiden. Schnelligkeit sei schließlich immer wichtiger als schulbuchmäßige Umsetzung. Und diese entwickele sich am öftesten in Greenfield-Szenarien mit eigenen Teams.

Daraufhin fragt Alex, wie man am schnellsten Personal und Strukturen aufbaut. Ob es einen Trick gebe, den Aufbau abzukürzen? Boris verneint. Das Wichtigste sei, mit jemandem zu beginnen, der technischen Verstand mitbringt und so Product-Ownership ausüben kann. Er könne dann vieles sinnvoll gestalten, gute von schlechten Ansätzen treffen und die richtigen Tech-Leute nach und nach ins Boot bringen.)

26:00

Alex: Gesetzt den Fall, ein großes Unternehmen heuert sich Berater an und beauftragt sie mit der Analyse von von Shops, Apps, Dash-Buttons & Co.. Das incentiviert aber, möglichst viel zu produzieren: lange Anforderungslisten, Best-Practice Vergleiche, usw. Dann holt man eine Agentur zur Umsetzung dazu, die ebenfalls den Anreiz hat, das Ganze möglichst großzuziehen. Vor allem dann, wenn der Kunde eine Werkvertragsstruktur aufsetzt. Hier hat die Agentur nur einen Schuss, also muss dieser eine Vertrag mindestens zwei oder drei Millionen schwer sein. Wie kann man dieses Schema durchbrechen?

Boris: Wir sagen immer, es gibt zwei Trigger: Ambition und Angst. Einerseits kann ich von der Ambition getrieben sein, auf Zeit zu optimieren, weil ich feststelle, es handelt sich um einen „Winner takes all“-Markt und ich zwischen Marktplätzen und Herstellern schnell um den Kundenzugang gebracht werde. So kann ich ehrgeizigerweise rausgehen und sagen: „Ich möchte Category-Leader sein für Tiernahrung/Damenunterwäsche/Reisen nach Mallorca online.“ Bei dem Anspruch lasse ich kein Projekt 36 Monate laufen.

Andererseits kann Angst der Auslöser sein. Beispielsweise: Ich erwirtschafte offline Milliarden mit Werkzeugen, merke aber, dass mir Online-Pure-Plays in den letzten Jahren ein-bis-zweistellige Marktanteile abgenommen haben. Hier kommt es mir ebenfalls auf Agilität um.

Und fairerweise muss man sagen: Dass es auf die Geschwindigkeit ankommt, haben die meisten Agenturen auch verstanden. Sie verstehen, dass ein schneller Launch nicht unbedingt heißt, dass das Projektvolumen kleiner wird. Sie merken, dass es nicht so ist, dass sie dadurch weniger Geld verdienen. Aber bei vielen Einkäufern ist diese Erkenntnis lange noch nicht angekommen. Da scheitern noch viele gute Chief Digital Officers daran, die neu im Amt sind und es plötzlich mit Beschaffern zu tun bekommen, die gestern noch Magnesium im großen Stil besorgten und heute ein agiles, incentiviertes Technologieprojekt aufstellen sollen. Denn die Strukturen – die Vorgaben und Incentivierungen, in denen sich so ein Einkäufer bewegt – sind noch nicht darauf ausgelegt, ihm beim Kauf eines agilen Konstrukts zu unterstützen, bei dem weder Scope noch Budget definiert sind.

29:20

Alex: Wie gehen denn die Agenturen mit solchen Situationen um? Sie stehen ja zwischen uns und den Kunden – und sie verstehen, dass es alles schneller gehen muss. Dann laufen die plötzlich auf Chefeinkäufer Max Mustermann auf, der versucht, 50% Rabatt auf den ohnehin deutlich heruntergesetzten Tagessatz auszuhandeln. Haben Agenturen eine andere Rolle in der Spryker-Welt?

Boris: Ja, haben sie. Obwohl das Problem, das wir gerade geschildert haben, nicht eine reine Spryker-Geschichte ist: Ich habe auch eine Agentur aufgebaut und da meine Erfahrungen gesammelt. Das Agentur-Geschäftsmodell unterliegt gerade einem Wandel. Die „Agentur als verlängerte Werkbank“, die darauf fußt, Manntage zu fakturieren, ist meines Erachtens ein Auslaufmodell. Die Digitalisierung hält gerade bei den Kunden Einzug – auch wenn das langsamer vonstattengeht, als sich viele Experten das wünschen – und wird dazu führen, dass zunehmend Kompetenz kundenseits vorhanden ist.

So müssen Agenturen viel deutlicher in die strategische Beratung reingehen, den Kunden viel, viel früher abholen, und ihn bei der Modellierung verschiedener Cases und der Auswahl des Vorgehens unterstützen. Der klassische Spryker-Kunde sagt: „Gut, ich habe mein Betriebssystem für Commerce bekommen und kann Apps bauen. Was mache ich zuerst? Soll ich meine bestehende Magento-Lösung wegwerfen und in Spryker nachmachen, oder erst einmal lassen und eine Mobile-App oder einen Chat-Bot bauen? Ergibt Voice für mich Sinn?“

Alex: Und? Sollen sie abbrechen und neu bauen?

Boris: Da kommt darauf an: Es muss eine Risikoabwägung stattfinden. Kann die Organisation einen Parallelbetrieb stemmen? Dabei ist das Schöne an Spryker ja, dass der Einstieg in das Universum nicht binär stattfindet. Es ist nicht wie beim klassischen Legacy-System: Gekauft oder nicht gekauft? Wenn ich Magento mit Hybris ablösen möchte, ist das eine binäre Entscheidung. Mit Spryker kann ich sagen: Ich belasse mein bestehendes System und baue erstmal nur die App, nur die Sprach-Skill, nur die BI-Schnittstelle. Oder aber ich migriere, Komponente für Komponente.

Abschließend zum Agentur-Thema: Der Fokus auf Hilfestellung in der Strategiekonzeption ist wichtig. Auch entscheidend: Support bei Methodik und Tools. Bei den meisten Kunden gibt es drei Phasen, die sie durchlaufen müssen: Technologie, Org-Chart, Methodik. So sehen wir das bei den vielen Kunden, die frustriert von ihrem vorherigen System zu uns kommen – die wir ja gar nicht so sehr überzeugen müssen, weil sie sagen: Im letzten Projekt habe ich Tausende von Manntagen investiert, bin nicht mehr Upgrade-fähig, und habe jedes Jahr zwei Millionen Lizenzkosten!

Diesen Leuten kann man neue Technologie in die Hand geben, mit der sie mehr und schneller experimentieren können. Aber das ganze Potenzial kann sich nicht entfalten, wenn die Org-Chart und Methodik nicht vorhanden sind. Eben da brauchen unsere Kunden Support, und eben da fehlt das im Markt. Ich würde mir wünschen, dass Agenturen in diese Bresche springen und Tools anbieten. Und ruhig den Kunden bei Fragestellungen helfen wie: „Wie stelle ich die richtigen Leute ein?“ Denn: Wie soll ein Hersteller von irgendwelchen Schrauben einen CTO anheuern? Wer interviewt ihn? Nach welchen Parametern wird er ausgewählt? Was sind Leistungsmerkmale? Was schreibe ich in seinen Vertrag? Da fängt es schon an.

33:40

(Alex bittet Boris, den Status des Spryker-Ökosystems durchzugeben. Boris gibt über Einzelheiten Auskunft: Wie viele Partner – Beratungen und Systemintegratoren, aber auch Industrie-Partner wie z. B. Zahlungsanbieter, Logistik, BI u. Ä. – Spryker gerade hat und wo, wie die zwei Standorte Berlin und Hamburg aufgestellt sind.

Danach kommt Alex auf die letzten Podcasts mit Sebastian Betz von AboutYou zu sprechen und fragt Boris, ob die Desktop, Mobile-App, und Mobile-Site wirklich so eigenständig sind. Boris stimmt grundsätzlich zu, unterstreicht aber genau wie Sebastian, dass es keine einzig richtige Lösung für alle gibt. Im Handel hänge vieles schließlich vom Kundensegment ab – und es sei wichtig, schnell bauen und testen zu können. Insofern sei es schon sinnvoll, klar getrennte Systeme zu haben, damit man flexibel verschiedene Lösungen etwa in Mobile oder Voice ausprobieren könne.

Und ganz am Ende geht es um offene Stellen bei Spryker.

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