Rose Bikes aus Bochholt stellt laut diversen Testberichten die besten Premiumbikes her, wenn es um das Thema Preis-Leistung geht. Die Fahrräder haben eine riesige Fangemeinde und das Unternehmen macht bei knapp 100 Millionen Euro Umsatz noch sehr große Wachstumsschritte in einem Markt der geradezu auf einen Anbieter wie Rose zu warten scheint. Was das für das Unternehmen bedeutet, wie die Händler darauf reagieren, welche Rolle online dabei spielt, bespreche ich im Podcast mit CEO Thorsten Rose und dem digitalen Mastermind Marcus Diekmann. Vielleicht kann Rose das werden was Pringels für Chips geschafft hat – eine Marke an die jeder denkt, wenn es um die Kategorie Fahrräder geht.
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Im vierten Kassenzone-Podcast zum Thema Fahrräder (hier Nr. 1, 2, und 3) geht es um die beachtliche Erfolgsgeschichte der Fahrradmarke Rose. Deren Fahrräder sind Testsieger und bescheren dem Familienunternehmen aus dem nordrhein-westfälischen Bochholt mittlerweile neunstellige Umsätze. Über die Bedeutung des E-Commerce dabei spricht Alex in diesem Podcast mit zwei der drei Geschäftsführer Thorsten Rose und Marcus Diekmann. Thorsten leitet die Bereiche Marke, Logistik und Produktion; seine Frau Steffi kümmert sich um Personal; Marcus verantwortet den Vertrieb, IT und Digitalisierung. Auch Thema: Markenbildung, Vertikalisierung und – natürlich – Amazon.
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„In der Fahrradbranche ist customer first noch nicht wirklich angekommen“
4:05
Alex: Als ich vor zwei Jahren mit René Köhler von Fahrrad.de gesprochen habe, handelte es sich wegen E-Bikes um einen ausgesprochenen Wachstumsmarkt. Seitdem ist nicht zuletzt durch die politische Situation das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Mobilitätswende gestiegen. Merkt ihr davon viel?
Thorsten: Das was sich in der Politik abspielt, lenkt endlich die Aufmerksamkeit auf das Thema Fahrrad – was wir ja seit Jahren versuchen, zu machen. Das ist uns als Branche bislang noch nicht so richtig gelungen. Aber jetzt haben wir endlich den Bundesverkehrsminister so weit, dass er überhaupt das Wort „Fahrrad“ in den Mund nimmt.
Ansonsten sind viele Themen, die uns betreffen, nach wie vor relevant: Elektrifizierung. Hier sind wir noch lange nicht am Ende – eher am Anfang. Beim Fahrrad heißt das: Alle Sportsegmente werden sich durchelektrifizieren. E-Mountainbikes haben sich schon durchgesetzt, aber wir werden bald auch E-Rennräder sehen. E-Mobilität wird normal.
Dann gibt es das Thema System-Integration. Fahrräder werden höchsten Design-Ansprüchen genügen. Die Entwicklung wird vergleichbar mit der des Smartphones nach Apples iPhone sein. Anbauteile werden schicker integriert: Man sieht keine Bremsleitungen oder Schaltzüge mehr, weil die im Rahmen oder sogar teilweise im Lenker verschwinden.
Nicht zuletzt wird sich beim Thema Konnektivität viel tun: Ich glaube, das wird das nächste große Ding in den nächsten Jahren. Wir sitzen ja in der Nähe der Fahrradstadt Münster, wo so viele Räder geklaut werden, dass die fehlende Auffindbarkeit von gestohlenen Rädern zum echten Kaufhindernis geworden ist.
Alex: Insgesamt betrachtet: Wie viel wird mit dem Neuverkauf von Fahrrädern jährlich in Deutschland umgesetzt?
Thorsten: 3,6 bis 4 Milliarden – ohne Zubehör. Zählt man Helme und anderen Zusatzprodukten sowie Radtouristik und ähnliches dazu, macht die ganze Branche rund 12 Milliarden im Jahr. Es wird für Radreisen nämlich zum Teil viel mehr Geld ausgegeben als für Fahrräder.
(Auf eine Rückfrage von Alex geht Thorsten kurz auf Radreisen ein, bevor Markus die Innovationskraft der Branche Fahrrad hervorhebt – bei einem gleichzeitigen Mangel an starken Marken. Der Bekanntheitsgrad von selbst sehr erfolgreichen E-Bikes würden einstellig gemessen.)
8:45
Alex: Wenn man heute zu einem kleinen Fahrradladen mit Werkstatt geht und fragt: „Fahrradhändler, wie geht es dir?“ Was antwortet er?
Marcus: „Top!“
Thorsten: Es kommt darauf an. Die, die in den letzten Jahren stark auf das Thema E-Bike gesetzt haben, werden ein gutes Geschäft machen. Dieser E-Bike-Boom hat dem klassischen Fahrradhandel Zeit verschafft, sich neu aufzustellen. Auch einige Händler wie Hibike haben auf die Karten E-Bike gesetzt und denen geht es nach wie vor gut.
Marcus: Das, was ich gleich sage, soll jetzt nicht despektierlich klingen: In der Fahrradbranche ist die Handelslandschaft unheimlich zerfleddert, voller Einzelkämpfer. Wenn wir ganz ehrlich sind: Ohne den E-Bike-Boom wären 50% aller Händler pleite. Schiebt sich doch das Einstiegsfahrradsegment immer weiter Richtung Online oder in Leihservices wie Swapfiets & Co., während die klassische Mittelschicht im Fahrradsegment ebenfalls bröckelt – und von Rabattitis geplagt ist (15%-20% sind keine Seltenheit mehr). Vertikalisierte Brands wie uns gibt es kaum und viele sind austauschbare Modelle, weil Komponentenhersteller wie Bosch und Shimano drüberstehen.
Das macht es dem Fahrradhändler schwer. Zudem ist häufig kaufmännisch nicht sehr gut aufgestellt. In Stückzahl gemessen verkaufen wir als Branche seit Jahren immer weniger, nur die Bons sind durch die Elektrifizierung letztens deutlich gestiegen. So ist der Rohertrag des Händlers gestiegen, aber dafür kann er auch nichts. Es gibt auch kaum Differenzierung zwischen Händler A und Händler B. Neue Finanzierungsarten oder Service-Angebote sind keine entstanden. Sie sind also völlig austauschbar. Zwischen zunehmender Vetikalisierung einerseits und Filialisierung durch Ketten andererseits wird der Fahrradhandel von heute aufgebrieben werden.
(Alex fragt, wie Rose zu einer Marke wurde, welche Stufen in der Wertschöpfungskette das Unternehmen abdeckt und welche Zahlen relevant sind. Thorsten erzählt. Rose wurde gegründet 1907 und sei immer mit der Zeit gegangen. Angefangen als stationärer Händler, begann Rose früh mit dem Distanzhandel; als die Nachfrage stieg, tätigte Rose erste eigene Importe aus Asien und wuchs in die komplette Eigenentwicklung hinein. Mittlerweile hat Rose eine eigene Abteilung, die die Rahmen von A bis Z durchkonstruieren. Das grenze Rose von Wettbewerbern ab und erlaube eine bessere und nachhaltigere Positionierung.
Rose beschäftigt 450 Mitarbeiter – und stellt gerade über alle Bereiche hinweg 80 zusätzliche Kräfte ein. Die Rahmen kämen aus Auftragsfertigung in Asien, Einzelteile kaufte Rose unter anderem von Bosch und Shimano: Die Produktion der Fahrräder geschehe aber komplett im Haus – mal in Serienmontage, mal völlige Einzelanfertigung – mit rund 70 Produktionsmitarbeitern.)
14:45
Alex: Für diejenigen Hörer, die in den letzten Jahren kein Fahrrad gekauft haben: Was sind das für Fahrräder, die ihr da produziert? Seid ihr eher sportlich oder sind das Mountainbikes?
Thorsten: Sport ist definitiv ganz tief in unserer DNA verankert. Startpunkt war der Rennradbereich und darauf hat sich ein Portfolio entwickelt, das hauptsächlich aus sehr sportiven, im Mittel-bis-Premium-Preissegment angesiedelten Rädern besteht, die sich durch höchste Qualität und aktuellster Technik auszeichnen. Unter Experten gehören wir damit zu den am stärksten nachfragten Marken in Deutschland. Im Lifestyle-Bereich sind wir dahingegen nicht so stark aufgestellt, weshalb das zu unseren Zukunftszielen gehört.
Alex: Und heute seid ihr 100% vertikal: Ihr verkauft eure eigenen Räder nicht über andere Händler.
Marcus: Richtig, wobei wir früher natürlich Handel mit Drittmarken betrieben. Die komplette Vertikalisierung zu unserer Eigenmarke hin war eine unserer Transformationsstufen. Unsere Bikes gibt es nur bei uns zu kaufen.
Alex: Wo kommen denn eure Kunden her? Wie erreicht ihr sie? Ich kann mir schon einmal vorstellen, dass sich so ein Triathlet lange mit seiner Entscheidung für eine Marke beschäftigt…
Marcus: Da gibt es drei Säulen. Wir haben einmal die Customising-Sparte, die uns sehr besonders macht. Du kannst zu unseren drei Stores in München, Posthausen bei Bremen oder Bochholt gehen und dich komplett vermessen lassen; zukünftig wird das auch von zu Hause aus mit Apps gehen. Darauf bauen wir dann dein Fahrrad spezifischer, was uns für Sportler und Experten interessant macht.
Zweitens haben wir Testurteile: Nicht nur in Bezug auf Leistung, sondern auch auf Preis sind wir top. Zwar sind wir im Premium-Segment, aber in diesem Segment sind wir oft Preisführer. Mit unserer Service-Qualität dazu – dritte Säule – haben wir eine unglaublich treue Kundschaft generieren können.
(Daraufhin geht es ins Detail: In welchen genauen Sportbike-Segmenten Rose Erfolge verzeichnet sowie um die Vorteile von Hybrid-Fahrradgattungen, mit denen man Sport betreiben aber auch zur Arbeit fahren kann. Torsten und Marcus erzählen von den Bikes, die sie gern fahren.
Zurück dazu, wie Rose in den Bereich Lifestyle hinein will. Da sei die Tür sehr weit offen, so Marcus: Noch werde hier kein überzeugendes Markenprodukt online vertrieben. Einen Tesla wolle keiner mehr anfassen, bevor er bestellt; der Online-Vertriebsweg für Premium-Fahrräder sei daher offen. Nur müsse das Produkt – etwa wie ein iPhone – selbsterklärend sein. Derzeit seien noch E-Bikes zu kompliziert: „Tausend Differenzierungen, die kein Kunde versteht – und die totaler Quatsch sind.“ Rose habe gerade von 178 auf 104 Modelle reduziert und die verbleibenden Bikes schärfer positioniert. Verbunden mit tollem Service und deutlich mehr stationärer Sichtbarkeit werde Rose demnächst „damit auf Angriff gehen“.)
22:55
Alex: Wie wird man denn als Fahrrad zu einer wahrnehmbaren, erkennbaren Marke?
Thorsten: Swapfiets wird dadurch zur Marke, dass sie einen außergewöhnlichen Service bieten. Früher kaufte man nur bei seinem Händler und da war es völlig egal, was auf dem Fahrradrahmen darauf stand: Da war der Händler die Marke – und da kommen wir eigentlich auch her. Als Händlermarke waren wir sehr bekannt und haben uns über die Zeit mit Top-Service und Preis-Leistungsverhältnis hervorragende Zustimmungswerte erarbeitet. Dafür kennen uns die Kunden seit vielen Jahren. Zum Glück haben wir früh genug angefangen, die Fahrradmarke draufzusatteln: Diese Marke finden die Kunden mittlerweile extrem gut.
So eine Marke lebt ja von Markenwerten. Die muss man durchdeklinieren: Wofür steht man als Fahrradmarke eigentlich? Design ist das ganz wesentlich – was man in der Autoindustrie sieht, wo man zum Beispiel schon an der Silhouette eines Fahrzeugs relativ schnell sieht, um welche Marke es sich handelt. So ein Fahrrad ist zwar nicht so flächig wie ein Auto: Das ist ein bisschen schwieriger. Aber da kann man daran arbeiten. In Zukunft wird die Konnektivitätslösung, die man anbietet, die Marke mitausmachen.
Alex: Die App also, mit der ich mein Fahrrad abschließe und wiederfinde?
Torsten: Beispielsweise. Eine App, die dir vielleicht noch sagt: „Pass auf, du musst in den nächsten Wochen zu einer Inspektion. Dein nächstgelegener Rose-Store ist da und da. Wir haben übrigens für dich morgen um 13:00 ein Termin frei.“ Es ist also nicht nur das Produkt an sich, sondern auch die User-Experience, die die Marke macht. Alles andere – Preis-Leistung, Funktion und Ähnliches – sind halt Killer-Faktoren: Wenn ich die nicht erfülle, dann brauche ich auch nicht anzutreten.
(Marcus hebt Matratzen hervor als Branche, von der man lernen könne: Aus einem Produktwirrwarr hätten Anbieter wie Bett Eins ein kleineres, klarer positioniertes Sortiment gemacht. Auch IKEA habe es geschafft, Produkte herzustellen, unter denen jeder sich was vorstellen könne: Billy-Regale. Wenig Produkte, nicht zu komplex gemacht, die auf einen customer need klar passen: Das sei die Devise.
Um dahin zu kommen, habe Rose letztens die Nutzerbedürfnisse sämtlicher Fahrradtypen neu definiert. Torsten stimmt ein: Simplizität sei der Schlüssel – sowohl beim Produkt als auch im Shop, Versand und sogar beim Auspacken. Bei einem Testkauf im Team, erzählt er anekdotisch, habe sich gezeigt, wie kompliziert es für Laien sei, ein per Paketdienst angeliefertes Fahrrad zusammenzuschrauben.
Da müsse man die Kundebrille aufsetzen. Triathleten etwa wüssten, dass Fahrräder ohne Pedale verkauft werden, weil man eigenen Lieblingspedale hat. Das wisse aber nicht jeder. Und mit einem komplexen, auf Triathleten ausgerichteten Konfigurator komme der unbedarfte Lifestyle-Käufer nicht gut zurecht. Das müsse man wissen, wenn man ihn für sich gewinnen wolle.)
29:35
Alex: Wie reagiert der Handel auf euch. Wenn ich mit einem Rose-Rad zum Fachhändler gehe, weil ich was repariert brauche, sagt er dann: „Nee, du, hast du direkt bei Rose gekauft, mach das also lieber mit denen.“
Torsten: Abgesehen von wenigen Ausnahmen ist der Fahrradfachhandel völlig verblödet. Mein Vater hatte letztens dieses Erlebnis: Du kommst mit einem Fahrrad und willst was repariert haben – und dann sagen die: „Nee, das hast du hier aber nicht gekauft!“ Das sehen sie nicht als Chance, eine Kundenbindung aufzubauen. Ein paar gute sagen: „Ja, kommt mit euren Rose-Bikes zu uns.“ Mit Lifecycle haben wir zum Beispiel eine gute Kooperation. Aber viele – und das hat nicht nur mit Rose zu tun – sind so, dass sie nur das reparieren, was sie dem Kunden selber verkauft haben. Ich sage es mal so: customer first ist in der Fahrradbranche noch nicht wirklich ausreichend angekommen.
31:40
Alex: Ich erinnere mich an eine Aussage von René Köhler im Gespräch: Der klassische Kunde – also nicht der Triathlet – habe eine so geringe Kauffrequenz, dass es total schwer ist, ihn nach dem einmaligen Kauf zu erreichen. Wie schafft ihr das – oder wie wollt ihr das schaffen?
Marcus: Durch die Elektrifizierung steigt der Bedarf für regelmäßige Wartung. Früher hast du für 700 Euro ein Rad gekauft, das du dann nur im Notfall zum Händler zurückgebracht hast, weil du es sonst selber gepflegt und gewartet hast (oder auch nicht…). Technisch sind E-Bikes anders.
Darüber hinaus glaube ich nicht, dass man in fünf Jahren ein E-Bike noch kaufen wird. Ob das Modell dann „Finanzierung“, „Leasing“ oder „Lösung“ heißen wird, ist zweitrangig: Beim Handyvertrag sagt auch kein Mensch, dass er sich sein iPhone „finanziert“ hat. Auch in der Automobilbranche sieht man, wie Leasing Land gewinnt. Zudem sehen wir, dass man ein Fahrrad noch besitzen will, weil es ein Lifestyle-Objekt ist, dass es aber dabei unwichtig ist, ob man es kauft oder über ein anderes Modell bezieht – ein Modell, dass vielleicht Wartung, Versicherung und eine connectivity-Lösung beinhaltet und die Möglichkeit anbietet, für den Urlaub noch ein Mountain-Bike zu buchen. Das wird zu einer ganz anderen Kontakthäufigkeit führen, als wir sie heute haben.
Alex: Nehmen wir den ambitionierten Hobby-Triathlet: Wie oft interagiert er mit der Rose-Website oder -App?
Torsten: Da gibt es hardcore user, die wirklich mehrmals in der Woche da sind – und sich fast jedes Bike, das irgendwo neu auf den Markt kommt. Von diesen bike freaks am einen Ende geht es aber hinunter zum Kunden, den du gerade beschrieben hast, der vielleicht nur alle acht Jahre kommt und noch nie zur Inspektion war – und der sich wundert, wenn irgendwann die Kette zu knirschen anfängt. Da gibt es von-bis.
(Das Gute an einer anspruchsvollen Zielgruppe, so Marcus: Sie gäben Feedback und hielten einen mit Sonderwünschen und Ideen auf Trab.)
35:35
Alex: Lässt sich der Fahrradverkauf eigentlich gut internationalisieren? Holland ist ja bei euch um die Ecke. Oder fängt man bei null an und muss die Marke aufbauen?
Torsten Es gibt zwar Ähnlichkeiten, aber die Märkte funktionieren schon unterschiedlich. In Holland ist der Markt dadurch in einigen Bereichen viel weiter als bei uns, was nicht zuletzt dadurch bedingt ist, dass die Infrastruktur schon vor vielen Jahren auf ein viel besseres Niveau gebracht wurde.
Marcus: In Deutschland wurden bislang 1 Million E-Bikes verkauft – bei einer Jahresverkaufszahl von 4 Millionen Fahrrädern insgesamt. In den Niederlanden sind sie bei Neuverkäufen schon bei einem E-Bike-Anteil von 50%.
Alex: Da fehlt ein bisschen Lobbyarbeit. So eine Kaufprämie wie bei Elektroautos brauchtet ihr! Wie hoch ist übrigens der Anteil von billigen China-E-Bikes für 1300 Euro oder so?
Marcus: Das kommt jetzt erst eigentlich. Bisher war alles sehr Mitte oder gar Premium: Riese & Müller zum Beispiel, oder Sparta und Batavus von Accell. Jetzt kommen aber nicht nur Chinesen, sondern auch Decathlon mit einem Einstiegsmodell für unter 1000 Euro. Auch ALDI bietet in der Preiskategorie Dreistellig ein gutes Bike, für Leute, die nicht allzu viel fahren. Wenn das mit einem guten Service-Versprechen oder Abo-Modell gekoppelt wird, werden solche günstige Räder große Marktanteile einnehmen.
(Alex erinnert sich an eine Phase, als so ziemlich jeder Baumarkt als Frequenzbringer ein Fahrrad zu 99 Euro anbot. Auch Robert Dahl von Karls Erdbeerhof hatte so eins als Willkommensaktion bei einer Neueröffnung angeboten. Ob das für Rose gut oder schlecht sei, fragt Alex? Weder noch, so Thorsten: Rose sei Premium – und nur Mitte sei Tot. Was Alex noch besser wisse. Zumal der reine Preis nicht mehr relevant sei, wenn 18-Jährige dank Handy-Verträgen mit 1.500-Euro-teuren iPhones rumliefen.)
41:25
Alex: Wenn ihr jetzt auf eure Agenda guckt: Was wird euch 2020 so beschäftigen? Sind es technische Dinge wie Apps, in denen man seine Fahrradkonfiguration gespeichert hat und von welchen aus man dann automatisch die richtigen Ersatz- und Zubehörteile kaufen kann? Oder geht es noch sehr viel ums Produkt – so etwas wie ein neues elektrisches Lastenrad?
Thorsten: Definitiv beides! Wir haben uns so breit aufgestellt, dass wir beide Themen bedienen können. Zum einen werden wir von neuen Playern wie SushiBikes herausgefordert, die andere Preispunkte ansprechen. Und vielleicht kommt bald ein anderer Hersteller mit einem neuen Werkstoff auf den Markt, der Karbon ablöst – Wer weiß? So werden wir immer einen produktgetriebenen Ansatz verfolgen mit dem Ziel, immer das beste Preis-Leistungs-Verhältnis in unserem Segment anzubieten. Aber natürlich geht es auch darum, wie wir mit unseren Kunden interagieren. Deswegen haben wir uns mit Kommerz zusammengeschlossen und Rose Digital daraus gemacht: Wir wussten, dass wir digitale Kompetenz in unserem Unternehmen integrieren mussten. Die neuen Kollegen werden uns da weiterhelfen.
Alex: Der Zusammenschluss war vor einem halben Jahr: Wie klapp das auf tagtäglicher Ebene?
Marcus: Erstaunlich gut, weil beide Unternehmen auf ähnlichen Werten wie Bodenständigkeit, Leistungsbereitschaft, Offenheit aufbauen. Wir müssen auch in unserer Kultur offen bleiben. Denn mit dem Eintritt von den 80 Mitarbeitern von Kommerz wird sich die Kultur ändern: Wir werden schneller, mehr zu performance hin orientiert – was nicht heißt, dass es früher falsch war; es war genau richtig für die Zeit. An manchen Stellen reibt es zwar noch, aber im Sinne von storming, norming and performing sind wir auf einem guten Weg.
(Marcus holt aus: Dass Rose im letzten Jahr von 85 auf fast 100 Millionen Euro Umsatz gewachsen sei, basiere auf der Arbeit seiner Vorgänger, die das Produktsortiment gestaltet hatten, einen neuen Online-Shop auf Spryker eingeführt hatten und vieles mehr. Das alles habe für den Sprung gesorgt. Dieses Jahr gehe es auf die 102 Millionen. Das heiße aber nicht, dass es nur noch um Optimierung gehe, um weiter zu wachsen. Denn die Marktsituation ändere sich so drastisch, dass Rose schneller und flexibler werden muss, um auch in Zukunft zu gedeihen. Daher gab es eine „Mission 2020“: 20 Maßnahmen Heute für Morgen und Übermorgen. Die Felder seien Markenbekanntheit, Elektrifizierung, Konnektivität, Organisation und Struktur, sowie die Transformation vom Händler zum connector.)
47:35
Alex: Geld ist sehr günstig geworden und ihr könnt zuverlässig Fahrräder in hoher Qualität herstellen. Dabei habt ihr dank Vertikalisierung vermutlich eine gute Marge. Könntet ihr nicht mit einer Bank zusammenarbeiten, die euch das Geld gibt und den Leasingvertrag mit dem Endkunden macht? Dann müsstet ihr nur das Fahrrad nach fünf Jahren zurücknehmen und für Austausch sorgen.
Marcus: Mit allem, was dem Kunden hilft, werden wir uns beschäftigen – und Angebote schaffen. Solche Modelle sind auf der Liste ganz oben. Wir werden uns auch für andere Investitionsmodelle öffnen – beginnend in der Schweiz. Dort gründen wir eine „Rose Schweiz“ und können uns vorstellen, mit Investoren den Markt noch schneller und rasanter aufzurollen. So denken wir komplett neu – nicht nur zum Kunden hin, sondern auch zu uns intern hin.
Alex: Das Leasing-Geschäft muss für viele Kunden interessant sein, die sich scheuen, 3.000 Euro für ein Fahrrad auf einem Schlag auszugeben.
Thorsten: Und das Geschäft haben wir auch im kleinen getestet – mit Arbeitgebern, die ihren Mitarbeitern günstig Räder zur Verfügung stellen wollten. So haben wir hier mit einer lokalen Bank gesprochen, wie wir das in einem Leasing-Modell finanziert bekommen. Da wollten wir wissen, was passiert, wie der Arbeitnehmer darauf reagiert, ob es dem Arbeitgeber hilft, sich als Marke auf dem Bewerbermarkt zu positionieren. Das wird alles noch in Zukunft für uns weiter relevant sein.
(Deshalb, so Marcus, seine Aussage von vorhin, dass sich in fünf Jahren keiner mehr ein E-Bike kauft. Denn genau wie mit Handys schreite die Technik schnell voran und Akkus werden schnell müde. So werde es nur in solchen Modellen gehen.
Alex fragt, ob Rose relevant werden könne, für Leute, die ihr Fahrrad nur einmal im Monat benutzen – wie seine Frau, deren Fahrgewohnheiten er kurz beschreibt. Es hänge nicht von der Nutzung, sondern von der Wertschätzung ab, sagt Thorsten: Für Leute, die für gute Produkte was übrig haben und bereit seien Geld auszugeben, sei Rose immer relevant.)
52:45
Alex: Auch an euch als vertikal aufgestellten Händlern wird die Amazon-Frage nicht vorbeigegangen sein. Amazon ist ja auch eine Plattform und kann auch Marken bilden. Nun: Ihr habt euren Vertrieb komplett im Griff und könnten die Plattform nutzen und die 10% Marge…
Marcus: 15%
Alex: … abgeben, weil es euch wert ist, diesen Markt zu dominieren. Oder?
Marcus: Wir werden im kommenden Sommer unsere ersten Versuche auf Amazon machen. Gerade binden wir uns an. Ob wir dann mit Fahrrädern gleich anfangen, ist nicht klar: Ich glaube, wir stellen erstmal Bekleidung, Teile und Zubehör rein. Auch bei Ausstattungssachen wie Fahrradpumpen haben wir eine starke Eigenmarke.
Auch Otto werden wir uns ganz genau angucken und darüber nachdenken, was wir damit machen können. Und in zwei Wochen treffe ich Rakuten; eBay werden wir uns auch anschauen. Überall, wo der Kunde ist, und von uns Bekleidung, Teile und Zubehör kaufen will – also von der Marke Rose – werden wir zu finden sein.
(Was dagegen wenig Sinn ergeben: Fremdartikel, die man auf der eigenen Rose-Plattform vertreibt, bei Amazon zu listen. Das sei vergleichbar, austauschar – und damit könne Rose nicht punkten. Mit der Marke Rose allerdings schon. Vor den 70% der Kunden, die Amazon nutzen, solle man, so Thorsten abschließend, nicht verheimlichen, dass es Rose gibt.)