Seit zwei Jahren begleite ich Richard mit diesem Podcast bei seinen Digitalisierungsvorhaben in Braunschweig. Er ist als Erbe und CEO in einer besonderen Situation und für nicht zu fein, um sein Unternehmen digital fit zu machen. Diese Folge nutzten wir für einen Blick zurück und bewerten was gut funktioniert hat und ob der Blick nach Hannover eine gute Idee ist. Außerdem habe ich Richard heute noch spontan gefragt, wie sein Geschäft von Corona betroffen ist. Eigentlich müssten die Menschen doch gerade wie wild wertstabile Münzen kaufen wollen, oder? Er meint dazu:
Bei uns ist gerade die Hölle los – wir haben unsere Firma inkl. Logistik und Kundenbetreuung zu 80% auf Home Office gestellt, gleichzeitig ist die Nachfrage insb. im Onlinebereich deutlich gestiegen. Wir ernten heute die Früchte der Digitalisierung der letzen 2 Jahre
Schon sehr cool. Viele Unternehmen würden sich freuen, wenn sie aktuell bereits so eine digitale Infrastruktur hätten.
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In regelmäßig–unregelmäßigen Abständen sprechen Alex und Richard, der in vierter Generation die Familienfirma Borek MDM leitet und von Alex bei der digitalen Transformation unterstützt wird, über den Wandel im Geschäftsmodell des weltgrößten Münz- und Briefmarkenhändlers und die Entwicklung seines Inkubators borek.digital. Der in Braunschweig ansässige Unternehmer kann von echten Erfolgen berichten und hält mittlerweile selbst Vorträge über den digitalen Wandel: So bildet diese vierte Folge der Mini-Serie so etwas wie einen thematischen Abschluss. Auf die Strecke, die er mit seinem Unternehmen zurückgelegt hat, blickt er mit Alex zurück, bevor die beiden den Weg nach vorne in Augenschein nehmen.
„Diese Transformation ist fast wie ein neuer Markteintritt“
4:20
Alex: Magst du zunächst mal erzählen, vor welchen Herausforderungen du vor fünf Jahren standst? Ihr seid ja mit einem Münz- und Briefmarkenkatalog groß geworden: Warum habt ihr damals überhaupt angefangen, euch um Themen wie digitale Kanäle gekümmert?
Richard: Unser Slogan ist immer gewesen: „Wir machen zufriedene Sammler“. Das Wichtigste dabei war immer, neue Kunden mit neuen Produkten vom Sammeln – vom schönsten Hobby der Welt – zu begeistern: Numismatik, Philatelie, Edelmetalle. Was man mittlerweile wieder vergessen hat: Vor vier-fünf Jahren kamen Tablets in der breiten Masse an – auch in unserer Zielgruppe 50+. Diesen Eingang in die Online-Welt wollten wir uns zunutze machen.
Alex: Wie wichtig sind die digitalen Kanäle für euch heute im Absatz?
Richard: Im Bereich der Neukundengewinnung ist der Online-Kanal mittlerweile der wesentlichste. Ursprünglich hegte ich die Hoffnung, dass es sich bei digitalen Kanälen um Zusatzgeschäft handeln würde. Im Rückblick sage ich: „Ein Glück, dass wir Online hatten!“ Weil der Printraum im gleichen Zeitraum deutlich an Relevanz verloren hat. Diesen Rückgang konnten wir auffangen.
(Alex fasst die Inhalte der vorigen Podcasts zusammen. Im Ersten ging es um das Unternehmen und die klassischen Kassenzone-Fragen nach Kundenherkunft, -beitrag und -treue. Im Zweiten erzählte Richard von seiner Rolle als Interim-CTO – und wie man aus der Denke herauskommt, dass IT bloß eine Kostenstelle ist und die Idee verbreitet, sie könne auch Werttreiber sein. Bevor sie zum Dritten kommen, gibt Richard kurz ein Update, wie das Unternehmen jetzt personell und organisatorisch im Bereich IT aufgestellt ist. Zudem unterstreicht er, wie wichtig die kulturellen Veränderungen im Unternehmen und ein gutes Projektmanagement gewesen seien – was Alex zu einer Zwischenfrage veranlasst.)
9:50
Alex: Ich würde dich gern auf meine Theorie ansprechen, dass Unternehmen wie Bol.com, Zalando und AboutYou (sowie natürlich Amazon), die im Wesentlichen über digitale Schnittstellen mit ihren Kunden interagieren und Marktanteile gewinnen, ungefähr einen IT-Mitarbeiter pro zwei-bis-vier Millionen Euro Umsatz haben. Die Unternehmen, die gerade abgehängt werden, müssen mit gemessen am Umsatz deutlich weniger Entwicklern auskommen. Die kommen nicht hinterher, weil der Wettbewerb so intensiv geworden ist.
Nehmen wir Bol.com als Beispiel: In Summe geben die die Devise aus, eine Million Euro Umsatz pro Mitarbeiter – und die Hälfte der Belegschaft kann man der IT zurechnen. Zwei Millionen pro IT-Mitarbeiter, also: Das kommt hin. Der CEO hat uns verraten, dass von 1.000 IT-Leuten rund 200 im ERP und anderen asynchronen Bereichen wie Finance, HR usw. arbeiten. Im Business-Bereich arbeiten 500 an der App und weitere 300 an Geräten und Systemen, die für den Kunden gar nicht sichtbar sind (z. B. Voice).
Bei dir gab es schon früher IT-Mitarbeiter fürs Warenwirtschaftssystem, bevor du einen Online-Vertrieb hattest. Jetzt hast du einen digitalen Auftritt auf die Beine gestellt. Wie sieht es jetzt mit deiner Quote aus?
Richard: Verglichen mit Bol.com muss ich erst einmal sagen: Da habe ich noch was vor mir! Bevor ich aber rechne, finde ich es wichtig, dass man die Kompetenz aufbauen muss, Entwickler einzuarbeiten – und das auch mal über die Entfernung, weil man nicht immer nur Leute in der eigenen Stadt findet; in Braunschweig ist die Wahrscheinlichkeit, dass mir noch 10 Entwickler über den Weg laufen, relativ gering. Darüber hinaus müssen nicht alle Entwickler im deutschsprachigen Raum sitzen: Wir richten den Blick nach Osten – nach Polen und vor allem in die Ukraine. Nicht wegen der Kosten, sondern wegen der Verfügbarkeit. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht. Das setzt aber voraus, dass man intern die Kompetenz hat, die Qualität sicherzustellen. Deswegen ist die Rolle eines Product-Owners so wichtig.
Nun zu den Zahlen: Im synchronen Bereich – also direkt an der Wertschöpfung beteiligt – haben wir inklusive der externen Mitarbeiter um die 20 Entwickler.
Alex: Was nach meiner Rechnung 40 bis 60 Millionen Euro Online-Umsatz erklären würden.
Richard: Rechnest du BI mit ein? Dann würde das hinkommen, wenn man sich das schönrechnen will. Wir sind auf dem Weg dahin. Übrigens: Ein paar Planstellen haben wir offen!
(Für viele Unternehmen, so Richard, die sich in der digitale Transformation befinden, sei es schwierig, den Umsatz im gleichen Tempo wie die Mitarbeiterzahl wachsen zu lassen. Wer Kostendruck verspürt, müsse lernen, zu skalieren oder ein neues Geschäftsmodell – weniger transaktions-, mehr kundenlebenszyklusfokussiert.
Alex schließt diesen Exkurs mit einer Zusammenfassung des dritten Podcasts ab: „Innerhalb von 18 Monaten von ‚alten‘ Händler zum Keynote-Speaker“ habe er ihn damals betitelt. Da ging es um Richards Bestreben, mit seinem Start-up Weekend und einem Accelerator-Programm zu einer festen Größe in der digitalen Szene zu werden – und diese in Braunschweig auf Vordermann zu bringen.)
16:35
Alex: Wie haben denn deine digitalen Formate dich dabei unterstützt, neue Mitarbeiter und neue Ideen zu finden?
Richard: Wir treten ja mittlerweile als borek.digital auf, weswegen ich heute meinen schöne rosafarbenen Pulli anhabe – und das ist ein unglaublicher Unterschied zu früher. Vor drei-vier Jahren kamen Leute zu mir und sagten: „Wir müssen employer branding machen.“ Da habe ich eingesehen, dass das sinnvoll ist. Aber was sollte ich denn bei „MDM Deutsche Münze / Richard Borek Briefmarkenfachhandlung“ branden? So kam ein Gespräch zustande – und letztendlich haben wir uns als Arbeitgeber einen neuen Markenauftritt verpasst, der unsere digitale Story erzählt. Denn – wie gesagt – so schlecht sind wir gar nicht aufgestellt, wenn wir die Entwicklerzahl auf den Online-Umsatz hochrechnen. Diese Story müssen wir nach außen hin verkörpern.
Das heißt auch, nicht nur für die eigenen Firma zu stehen, sondern auch Gründer in unserer Region zu unterstützen. Mir ist es Anliegen, immer wieder Leute dazu zu bringen, sich mit Unternehmertum zu beschäftigen – um es zu fördern und regional, vielleicht sogar überregional tolle Sachen auf die Beine zu stellen.
In den letzten zwölf Monaten haben wir gesehen, dass die Qualität der Bewerbungen für unseren Accelerator stark angewachsen ist – ebenso die Zahl der Bewerbungen. Was zeigt, dass sich mehr Gruppen aufgefordert fühlen, auch schon während des Studiums ihre Idee vorzustellen, um sie zumindest reflektiert zu bekommen und vielleicht für zwei oder drei Monate am Accelerator-Programm teilzunehmen. Das Feedback, dass wir zum Accelerator haben, ist übrigens sehr positiv. Teilnehmer berichten, dass sie was lernen – und wir lernen auch. Diese Vernetzung hat auch nach innen gewirkt: Viele haben das als Aufruf verstanden, sich mit ihren Meinungen im Unternehmen zu beteiligen. Das Accelerator-Programm ist ein sehr langfristiges, ressourcenaufwändiges Projekt. Aber wir haben schon sehr gute Start-ups bei uns gehabt, die sich nachhaltig etabliert haben.
20:05
Alex: Ich war ja auch mal als Juror eingeladen.
Richard: Und du solltest dir das Programm mal wieder anschauen, um zu sehen, wie sich das entwickelt hat!
Die zweite wichtige Initiative war das Start-up-Weekend von Google TechStars. Jetzt richten wir es zum fünften Mal aus – und sind damit zum zweiten Jahr in Folge das größte Start-up-Weekend in Deutschland. Das verdeutlicht die Resonanz, die wir in unserer Region erzeugen. Das sind ja nicht nur Studenten, sondern zum Teil 40-50-Jährige, die sich ein ganzes Wochenende zu ihre Geschäftsideen austauschen und in die digitale Szene einzutauchen wollen. Letztes Jahr hatten wir gut 80 Teilnehmer, die zum Pitchen, Netzwerken und Gründen kamen – und die teils sehr positive Bewertungen abgaben.
Wir sind auch viel enger mit den Hochschulen im Austausch. Es gibt an der TU Braunschweig zum Beispiel ein MBA-Programm, das zwar nicht so groß ist, aber gleich am Anfang des Semesters in das Start-up-Weekend kommen. Wie cool ist das denn?! Bevor überhaupt der MBA startet, haben die alles von der Idee bis zum Pitch durchgemacht.
Mein großes Ziel ist es, dass wir auf regionaler Ebene mit den verschiedenen Anbietern auf vier-fünf Kernthemen fokussieren. Mobilität bietet sich ja wegen der Nähe zu Wolfsburg an. Und dann haben wir die TU Braunschweig mit weltweit führenden Forschungseinrichtungen: In dem Umfeld wird es auch Gründungsthemen geben, die in der Digitalisierung Veränderungen unterliegen. Da können wir in Braunschweig etwas von überregionaler Bedeutung aufstellen.
(Alex spricht Richard auf eine im Vorgespräch getätigte Aussage an: Er trenne zwischen Digitalisierung und Transformation. Richard sagt, er halte es mit Matthes Schrader: Man müsse zwischen bloßer Elektrifizierung und richtiger Digitalisierung unterscheiden. So ein Webshop sei ein erster Schritt in Richtung Digital – wo plötzlich alles sehr viel schneller gehe. Die Anpassung daran sei Transformation. Problem: Man habe zwar eine Vision, keiner könne aber hervorsagen, wohin die Reise geht. Ergebnis: Man müsse bauen, testen, lernen und Feedbackschleifen einrichten. Es gehe um Wissensaufbau – und dieser funktioniere exponentiell besser, wenn nicht nur die Führungskräfte, sondern das ganze Team im Lernprozess einbezogen werde.)
25:55
Alex: Hat sich durch die Transformation deine Führung von Führungskräften geändert?
Richard: Ja: Es geht um die Transparentmachung des Vorgehens und das gemeinsame Erlernen der Fähigkeiten. Ich habe keine 100 andere Führungskräfte – und ich setze auch voraus, das die, die ich im Unternehmen habe, gemeinsam lernen wollen. Das Wichtige ist dann, dass der Prozess sehr strukturiert vom Unternehmen begleitet wird. Das geh nur mit einem starken HR-Team – Stichwort: Personalentwicklung.
Alex: Mit dem Wissen von heute: Was würdest du denn dem ‚jungen Richard‘ von vor paar Jahren empfehlen.
Richard: Wenn ich eine Zeitreise fünf Jahre in die Vergangenheit machen würde, würde ich viel früher Talent suchen. Ich war zu vorsichtig: Ich habe erst letztes Jahr einen CTO gesucht. Ich hätte viel früher kühne Schritte unternehmen müssen. Denn diese Transformation ist fast wie ein neuer Markteintritt – und dafür braucht man die richtigen Köpfe. Zwar sitzen wir zusammen und ich darf das alles bei uns leiten, aber ein gutes Team, das ein bisschen weiter war als ich, hätte geholfen. Diese Erkenntnis, dass ich Unterstützung im Transformationsprozess ist aber erst im Mai-Juni letzten Jahres bei mir gereift. Und dass ich einen CTO doch brauche…
Ich bin überzeugt, dass die größte Herausforderung bei uns derzeit im mittleren Management liegt, weil die KPIs, wonach sie steuern können, sich ändern. Und das muss ein Unternehmen begleiten können – mit Leuten, die das verstehen; die nicht nach Zahlen, sondern nach Daten führen. Das ist ein neuer Schritt.
Rückblickend hätte ich da in einem früheren Stadium etwas kühner vorgehen können. Aber der Engpass war noch nicht da. Das ist immer der Punkt mit dem Rückblick! Perspektivisch habe ich aber für mich gelernt: Angesichts des war for talents sollte man sich jede gute Führungskraft, die man sich halbwegs leisten kann, sofort schnappen. Es gibt in so einer Transformation einfach so viele Aufgaben – und der Engpass sind meistens Personalkapazitäten.
(Man solle nicht oben sparen, fasst Richard zusammen, bevor er die neue Art von operativ versierten Führungskraft beschreibt, die ja auch selber anpacken kann. Das gemeinsame Arbeiten sei ja ein Merkmal der neuen digitalen Welt.)
30:10
Alex: Viele Podcast-Gäste bekommen den verschärften Wettbewerb zu spüren: Amazon, Zalando, Alibaba & Co. Trifft das auch deine Branche?
Richard: Im Bereich Münzen, Briefmarken und Sammeln ist das ein eher geringeres Problem – zumal wir einen starken Eigenmarkenanteil haben und eventgetriebene, emotionale Produkte verkaufen. Wir kommen auf so lustige Ideen wie „Star Wars“-Münzenkollektionen oder die „Disney Collection“. Wir haben sogar eine Prinzessinnensammlung…
Alex: Ihr verkauft also Disney-Figuren-Münzen exklusiv weltweit?
Richard: „Exklusiv“ ist bei Disney ein sehr teures Wort, aber wir haben die Vertriebsrechte für unsere Produktgattungen. Die Designs, wie wir sie verkaufen in der Form: Die sind exklusiv bei uns.
Alex: Früher habt ihr neue Sammler geschaffen – man hat so kleine Briefmarkenalben verschickt oder so. Wer ist heute eurer Konkurrent um die Aufmerksamkeit von potenziell interessanten Kunden? Ich denke so an jemanden aus der Zielgruppe 30-40, der ein Hobby sucht, das er zu Hause machen kann. Die Modelleisenbahn wird, so habe ich das gelernt, von Smart-Home verdrängt, weil es die Möglichkeit bietet, vieles einzustellen… Wo gehen also die 50 Euro hin, die früher ins Münz- oder Briefmarkensammeln gingen?
Richard: Der Einfachheit halber lass uns ein paar Zielgruppen definieren. Der klassische Sammler, der die Fünf-Mark- und Fünf-Euro-Münzen kauft, ist tendenziell über 60. Seine 50 Euro würde er sonst für Kreuzfahrten aufwenden oder damit mit den Enkeln ins Kino gehen. Freizeitanbieter sind also hier meine direkten Wettbewerber.
So müssen wir also andere Gründe finden, damit Leute in die Sammlung kommen. Früher reichte es, zu sagen: „Münzen sammeln macht Spaß!“ Heute müssen wir wissen, welche Emotionen das auslöst und es bildlich untermauern. Und der Kunde wird kritischer, weshalb ich ihn immer wieder aufs Neue begeistern muss.
Dann haben wir den jüngeren Sammler. Der ist eher ein Souvenir- oder Geschenke-Käufer. Den hatten wir vorher nicht: Er stellt eine Ergänzung dar. Ein Harry-Potter-Fan kauft sich unsere Münzen, weil es eben dazugehört, wenn man Harry-Potter-Fan ist. Der Nachteil: Alles was nicht Harry Potter ist, ist für ihn auch nicht relevant. Unser share of wallet ist bei ihm also klein und zeitlich begrenzt. Das ist eine Herausforderung für uns – aber auch eine Chance, weil es sich hier um ein völlig neues Marktsegment handelt.
Nicht zuletzt haben wir die Anlagemünzenkäufer, die Goldbarren- und Edelmetallanleger. Die sind weiterhin vorhanden. Man hört zwar immer wieder was von Bitcoin oder Index-Zertifikaten hört: Der Deutsche kauft gern Edelmetallprodukte als Anlage. Da sehe ich im Kern keinen Wettbewerb.
34:40
Alex: Und siehst du denn neue Märkte? Sind etwa Asien oder Afrika durch die Globalisierung einfacher für euch zu erreichen, als im Katalogzeitalter der Fall war?
Richard: Es gibt zwei Produktgruppen. Einerseits haben wir Numismatik – zum Beispiel die „Fünf-Mark-Münze Germanisches Museum“, eine wertvolle Münze aus den Anfängen der Bundesrepublik. Dafür kann ich aber keinen Franzosen begeistern; in Frankreich muss mein Produktportfolio eher Franc-Ausgaben haben; oder in Österreich der Schilling. Die Produktgattung numismatische Artikel ist also schwierig in der internationalen Skalierung. Andererseits sind die Lizenzprodukte von Disney oder Marvel da viel einfacher. Das nennen wir intern „products without borders“ – und da sehen wir auf jeden Fall Chancen, relevante Märkte zu bedienen.
Wir schauen uns gerade die Vermarktung in Afrika an. Das geht in neuen Märkten mit dem Start eines neuen Kinofilms einher. China ist für uns auch ein interessanter Markt: Hier werden Produkte auf Tmall verkauft, wo wir aber bislang nur als B2B-Händler für unsere Vertriebspartner auftreten.
(Ob Richard sich vorstellen könne, von Braunschweig aus ein auf China zugeschnittene Marketinginfrastruktur aufzubauen? Das würde etwa heißen, nach Influencern für das nächste Singles Day zu suchen oder ähnliches. Richard käme es auf den Business Case an. Tmall sei ja ein Geschäftsmodell wie auf Amazon: Der Kunde gehöre einem nicht. Eigentlich sei aber die Stärke von Borek die eigene Kundendatenbank, die man monetarisiere. Daher würde man 2020 in Asien erste Versuche im Direktvertrieb starten. Über ein kleines Vertriebsbüro in China verfüge man bereits.)
38:45
Alex: Stell dir mal vor, wir reden wieder in zwei Jahren –Anfang 2022 also. Heute sagst du: „Hätte ich früher kühner agiert und mehr Leute eingestellt!“ Sagst du das auch morgen rückblickend? „Eigentlich hätten wir unser Start-up Weekend viel größer aufstellen! Wir hätten ein Preisgeld von einer halben Million statt nur 10.000 Euro anbieten müssen! Wir hätten viel aggressiver Start-ups erwerben sollen, um an die Talente ranzukommen…“
Richard: Klar, die Gefahr ist auf jeden Fall da, weil die beste Strategie immer rückblickend geschrieben wird. Ich persönlich finde an dieser neuen Welt furchtbar, dass man immer Wetten eingehen muss – und ich bin kein Spielertyp! Also muss man frühzeitig erkennen, wenn eine Wette nicht aufgegangen ist und sich was neues überlegen.
Rückblickend von 2022 aus gedacht? Wir sind jetzt in der Lage, Entwicklerteams schnell einzuarbeiten – ob bei uns in Braunschweig, anderswo in Deutschland, oder im Ausland. Diese Kompetenz muss man erstmal aufbauen. Es reicht nicht, nur Geld auf den Tisch zu legen. Man muss den Fluss der Informationen sicherstellen und Leute haben, die sie verarbeiten und dann Sachen auf die Straße bringen. Diese Basis haben wir auch geschaffen.
Aber man läuft immer noch das Risiko, nicht mutig genug zu sein. „Mutig“ heißt jetzt nicht, den Einsatz zu erhöhen, sondern größer zu denken – und sich auch größere Partner zu suchen. Allerdings muss man sich auch fragen, ob es im Ergebnis den Prozess beschleunigt.
Wie wir es gemacht haben, hat uns in den letzten Jahren jedenfalls enorm weitergebracht: Wir haben einen lebendigen Austausch in einer doch sehr aktiven Gründerszene, wo die Schlüsselakteure bekannt sind; Wir werden vom Land Niedersachsen wahrgenommen und an zwei Standorten in Braunschweig auch gefördert; Und wir sind dabei, uns zu überlegen, wie wir qualitativ besser werden und nicht nur quantitativ die Sachen ausbauen.
Daher muss man Engpässe ausmachen – und dort investieren. Denn Investment ist ja immer ein Risiko. Man muss also gezielt damit umgehen.
42:30
Alex: Gibt’s für dich denn Vorbildunternehmen, denen diese Transformation besonders gut gelungen ist? Oder rein digitale Unternehmen, von denen du denkst: „Boah, das würde ich so gern können, wie die das machen!“
Richard: Wenn man sich damit ein bisschen beschäftigt, wie sich der Otto-Konzern in den letzten zehn Jahren entwickelt hat. Man kann über die einzelnen Fehler, die sie gemacht haben, nachdenken. Aber in der Summe haben sie in vielen Segmenten in Deutschland die Marktführerschaft errungen – etwa bei Haushaltsmöbeln, glaube ich. Man muss erstmal drauf kommen: Der größte Möbelhändler online ist nicht Home24, sondern Otto! Und dann AboutYou… Da muss man anerkennen, dass das ein Unternehmen ist, das im Produktsortiment, im Aufbau und in der Skalierung die Transformation erreicht hat. Ein Vorbild!
Und das mag zwar den einen oder anderen verwundern, aber Apple finde ich ebenfalls vorbildlich, wie sie es immer wieder schaffen, in ihrer Zielgruppe mit weitergehenden Entwicklungen zu punkten. Sie haben das Launching drauf: Sie fokussieren ganz auf einen Termin und dann auf den Abverkauf danach.
(Anderes Vorbild für Richard: GymShark – „atemberaubend, wie die von YouTube- zu Instagram-Influencern wurden“. Die Kundenbeziehung sei eng. Denn bloß ein Instagram-Follower sei kein Asset, weil da noch Instagram dazwischen stehe. Echte Assets seien – so altmodisch wie sich das anhöre – E-Mail-Adressen und Handynummern, damit man Kunden ohne Mittelsmann anschreiben oder ansimsen könne. Deswegen sei die Kassenzone-WhatsApp-Gruppe jetzt eine SMS-Gruppe, so Alex.)
45:55
Alex: So wie ich das sehe, hast du eine hohe Investitionsbereitschaft und einige Jahre in der digitalen Transformation. Damit bietest Leuten, die vielleicht zurück in die Heimat nach Hannover/Braunschweig wollen, eine tolle Umgebung, um sich auszutoben…
Richard: Auf jeden Fall! Und für Leute, die gern in den Bergen sind, haben wir den Harz: Mountainbiken im Sommer, Skifahren im Winter, Rodeln, Wandern, Natur genießen. Aber auch Partymachen in der Braunschweiger Innenstadt. Und Hannover ist nur 35 Minuten mit dem InterCity entfernt! Wir sind eigentlich fast im Zentrum Deutschlands ansässig.
(Alex bringt die Serie mit der Bemerkung zum Abschluss, er wolle Richard weiterhin als Sparringpartner dienen und mit ihm neue Ideen hecken, damit man für einen zukünftigen Podcast spannende Themen habe. Die Hörer könnten, so Alex, auf „the Next Big Thing in Braunschweig“ gespannt sein…)