Nach vier Jahren Kassenzone.de Podcast ist nun endlich auch mal Tarek Müller zu Gast mit dem ich über seine Gründungsgeschichte rede, die Herausforderungen bei AboutYou, die schwere Aufgabe alte Konzerne zu digitalisieren und vieles mehr. Wir haben die Folge live beim DCD in Hamburg aufgenommen und es gab zwischendurch doch den ein oder anderen Lacher. Die Ausgabe wird euch sicherlich auch gut gefallen. Wer noch mehr lernen möchte über das Geschäftsmodell von AboutYou, den ROI der AboutYou Awards usw., wird fündig beim etwas später aufgenommenen Podcast der OMR, der in der Branche ein breites Echo erfahren hat.

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Unicorn werden mit Tarek Müller, Geschäftsführer von Project Collins / About You

Trotz der vielfachen Verbindungen zwischen den beiden als Gründern und Investoren: Selbst für Alex ist es nicht leicht, mit dem viel gefragten Gesprächspartner Tarek Müller einen Termin für eine Podcast-Aufnahme zu vereinbaren. Umso ärgerlicher ist es daher, wenn die Technik streikt und Gespräche mit ihm auf dem Hamburger Digital Commerce Day nicht aufgezeichnet werden – wie vor zwei Jahren passiert! Diesmal hat es aber geklappt – und es geht um das große Ganze. Ist Tareks wundersame Gründungsgeschichte heute noch in dieser Form realisierbar? Kann man organische Suchergebnisse und den Verkauf von Werbeplatz sinnvoll kombinieren? Was stiftet Sinn und motiviert Mitarbeiter?

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„Allerdings wachsen wir auch brutal!“

2:55

Alex: Du magst zwar hier in Hamburg stadtbekannt sein, aber hier im Podcast musst du doch noch ganz kurz deine Geschichte erzählen – vom Wasserpfeife-Webshop bis hin zum Unicorn.

Tarek: Ich bin Tarek, 30 Jahre alt – und habe mit 13 angefangen, Sachen im Internet zu machen. Es fing an mit SEO-SEA, bevor ich mit 16 die ersten Webshops gegründet und Nischen besetzt habe. Rund 2009 habe ich eine Agentur aufgebaut, Netimpact und dann haben wir – als Nils, du und ich – 2011-2012 eTribes ins Leben gerufen. 2013 waren wir mit der Otto-Gruppe in einem Beratungsprojekt und die Fragestellung war: „Wie könnte ein Mode-Online-Player der Zukunft aussehen?“ Daraus haben wir schlussendlich Anfang 2014 das gegründet, was heute About You ist. Da bin ich bei eTribes ausgestiegen, um bei About You operativ einzusteigen. Ich habe da selbst mit reininvestiert und habe zusammen mit Johannes Wiese und Sebastian Betz und mit der Otto-Gruppe als Hauptinvestor About You hochgezogen.

Mai 2015 sind wir online gegangen und wir sind mittlerweile in neun Ländern aktiv. 2018 hatten wir ein Transaktionsvolumen von 1,6 Milliarden Euro und sind damit nach Zalando der zweitgrößte Online-Mode-Händler in Europa. Und wir sitzen hier in Hamburg.

Alex: 2011 haben wir zum ersten Mal zusammengearbeitet. Du warst über SEO und SEA groß geworden und hattest darauf Online-Shops aufgebaut. Schon damals fragten wir uns, ob so eine Story wie deiner hätte wiederholt werden können, oder ob es schon zu spät war.

Tarek: Ich fing vor deutlich über 10 Jahren mit dem E-Commerce an. Da hat man noch wenig zahlen müssen, sondern konnte seine Treffer bei Google optimieren. Ich komme mir zwar manchmal wie ein alter Mann vor, wenn ich „damals, damals…“ sage, aber: Damals konnte man tatsächlich ohne Kapital einen Online-Shop aufsetzen. Die ersten Transaktionen waren – selbst im paid-Bereich – profitabel, was heute ja nahezu unmöglich ist, wenn man kein ausgewachsenes Geschäft hat. Wir sind nämlich bei About You schon öfter first trasaction proitable, haben aber lange dafür gearbeitet.

Insofern habe ich mich – wie wir heute sagen würden – „gebootstrapped“, sprich: ohne Kapital meine E-Commerce-Aktivitäten aufgesetzt. Das wäre heute selbst in Nischen nicht möglich. Einerseits, weil Paid-Kanäle alle viel teurer geworden sind: Im Durchschnitt zahlt man im Transaktionsbereich einen Euro pro Click und braucht dann eine ziemlich gute Conversion-Rate sowie eine heftige Marge, um darauf schon profitabel zu sein und nicht vom Kundenlebenszyklus leben zu müssen. Anderseits hat eine starke Konsolidierung stattgefunden – vor allem durch Amazon, das sämtliche Nischen aufgesogen hat. Damals habe ich Pokerplatten, Wasserpfeifen, Modelbauautos verkauft: Solche Nischenbereiche, in denen man früher gegoogelt hat, sind mittlerweile zu Amazon gewandert. So halte ich Bootstrapping heute für sehr schwierig, wenn keine Produkte selber herstellt.

Ist man Hersteller, sind dann die Vertriebskanäle anders. Da ist der Direktvertrieb an den Endkunden schwer – es sei denn, man findet Wege über Instagram oder Facebook, den direkten Kanal aufzubauen. Das ist schwierig. Dabei ist es heutzutage viel einfacher, über Plattformen wie Amazon zu gehen. Das hat sich verändert: Als Hersteller muss man nicht unbedingt jahrelanges Lobbying bei REWE und Edeka betreiben, um dann endlich – und nur gegen Listinggebühr – auf die Fläche zu kommen. Da können sich Hersteller bei Amazon – oder bei uns – ein Konto anlegen und mit einem paar Klicks dafür sorgen, dass Produkte gelistet werden.

8:50

Alex: Gibt es Vorurteile zu About You, die du immer wieder widerlegen musst? Mit Zalando hieß es zum Beispiel immer wieder: „Die verdienen kein Geld! Die werden auch niemals Geld verdienen!“

Tarek: Das Geile ist ja, dass immer noch rund zwei Drittel der Leute noch überzeugt sind, dass Zalando kein Geld verdient! Dabei machen sie schon an die 200 Millionen Euro EBIT im Jahr und das komplette investierte Kapital als Dividende ausgeschüttet – in einem Zyklus von rund zehn Jahren.

Der Vorwurf, man könnte mit E-Commerce kein Geld verdienen, ist also bewiesen unwahr. Nichtsdestotrotz bleibt das heute noch der größte Vorurteil, der mir begegnet: „E-Commerce ist reine Geldverbrennung!“ Uns sagt man: „Ihr seid ja auch unprofitabel“ – und das stimmt zum Teil. Denn in der DACH-Region erreichen wir mittlerweile break even, aber als Gruppe investieren wir noch in anderen Märkten ziemlich stark. Allerdings wachsen wir auch brutal! 1,6 Milliarden Umsatz in fünf Jahren aufzubauen: Das fordert doch einfach Investments.

Nach vorne raus kann man aber aus den heutigen Zahlen die künftigen ableiten. Wie ist mein Kundenstamm aufgebaut? Wie aktiv ist dieser? Wie viel zahle ich für einen Neukunden bzw. für die Reaktivierung eines Bestandskunden. Danach berechnet man churn ein, passt entsprechend das Risiko an und kann sich dann ziemlich gut ausrechnen, wie Bilanz im nächsten und übernächsten Jahr aussieht. Über die Fixkostendegression, Skalierungseffekte und Marketingrunterlauf kann man dann vorhersagen, wann man in die Profitabilität reinkommt.

(Habe er es mit Leuten zu tun, denen die Argumentation nicht reicht, vergleich er das Investment in E-Commerce mit einer Immobilie als Anlageobjekt. Eine Immobilie, die eine Million Euro kostet und 300.000 Euro Miete im Jahr abwirft, wäre höchstattraktiv. Eine Million Euro, die als Kapital in ein ebenfalls 300.000 Euro versprechendes E-Commerce-Konzept fließt, generierte aber erst einmal 700.000 Euro „Verlust“, wenn nur 300.000 ausgezahlt würden. About You akquiriere einen Kunden für rund 30 Euro und verdiene 12-15 Euro pro Bestellung: Das sei die „Miete“, die über Jahre immer weiter reinkomme.)

13:00

Alex: Du bist mittlerweile dreißig Jahre alt: Bist du festgefahren? Begegnen dir jetzt jüngere Leute, die dir Dinge zeigen, die du noch nicht kennst?

Tarek: Ja, oft in Kündigungsgesprächen! Dann frage ich die Mitarbeiter, warum sie gehen, und sie sagen: „Ich brauch diesen Job nicht mehr, weil…“ Und dann kommen manchmal ganz spannende Antworten, bei denen ich mir denke: „Damit verdienst du Geld? Krass!“ Die Bitcoin-Welle war so eine Zeit, obwohl die meisten mittlerweile wieder angeklopft haben. Aber es gibt auch nachhaltigere Entwicklungen. Und viele finden sozusagen irgendwas in der Matrix, womit sie durch einen Wissensvorsprung einen Vorteil erarbeiten können.

Runtergebrochen heißt es: Sie finden Wege, günstiger Kunden zu akquirieren, als wir das als mittlerweile großes Unternehmen mit unseren methodisch gewordenen Marketingprozessen tun können. Danach finden sie ein Produkt oder eine Transaktion, das sie diesen Kunden mit Marge verkaufen können. Das kommt immer wieder dann vor, wenn ein Unternehmen, das sich viel Kundenzugang aufgebaut hat, diesen öffnet – wie Amazon mit AMS oder Facebook, Instagram & Co. Da haben diejenigen, die vom Anfang an – oft organisch – mit dabei waren, darauf ein richtig gutes Geschäftsmodell aufbauen können. Allerdings hat so etwas immer ein Lebenszyklus. Das ist oft zeitlich begrenzte Arbitrage, die nur so lange anhält, bis sich das die großen Unternehmen vornehmen und die Preise steigen.

(Bei Google habe es erstaunlich lange gut funktioniert, stimmt Alex ein, bevor der Kanal uninteressant geworden sei. Beide sind der Meinung, Facebook und Instagram durchliefen diesen Zyklus viel schneller. Und mittlerweile halte bei neuen Netzwerken der Wissensvorsprung Corporates gegenüber höchstens ein halbes Jahr.

Die Umbrüche seien gewaltig, führt Tarek weiter aus. Vor fünf Jahren spielte Google noch im Marketing von About You eine bedeutende Rolle. Mittlerweile würde nicht viel passieren, wenn es die Suchmaschine plötzlich nicht mehr gäbe. 2014 machte About You 95% des Umsatzes auf Desktopcomputern: Jetzt finde 80% des Umsatzes auf mobilen Geräten statt. Auf die Frage, wie er About You vor der Gefahr schützen will, mit wachsender Größe schnelllebige aber wichtige Trends zu verpassen, sagt Tarek, es helfe nur eins: „Brutal paranoid zu bleiben!“

Wichtig sei die stetige Reaktivierung von Bestandskunden: Im DACH-Geschäft generiere About You mit ihnen mittlerweile rund 85% seines 500-Millionen-Umsatzes. Hier fokussiere sich Marketing auf Profitabilität und sollen den Kunden einen Grund zu geben, About You täglich anzusteuern. In fürs Unternehmen neuen Märkten liege der Schwerpunkt noch auf Markenbekanntheit – und in einigen osteuropäischen Märkten müsse man sogar Marketingeuros dafür ausgeben, den Konsumenten zu erklären, dass man Mode jetzt auch online kaufen könne. Wobei verschiedene Märkte auch unterschiedliche Kanalzyklen hätten: Im osteuropäischen Raum seien die Anteile von Google, Facebook und TV alle noch höher als in Deutschland. Zudem liefen etwa in Tschechien erst 20% der Umsätze auf Smartphones.)

21:00

Alex: Kann man sich das vorstellen, dass der E-Commerce in manchen osteuropäischen Ländern noch wie der Markt in Deutschland vor ungefähr 10 Jahren aussieht?

Tarek: Nehmen wir ein Land wie Tschechien: Dort hat man eine ganz lustige Situation. Einerseits ist der Einkaufsverhalten wirklich so, wie es vor 15 Jahren in Deutschland war. Das Interessanteste, was ich dort vorgefunden habe, ist die meistgenutzte Zahlungsart: cash on delivery. Das heißt: Du bezahlst den Postboten in bar an der Tür. Das gab es in Deutschland auch: Das hieß Nachnahme – und ich kenne es gut, weil das vor 15 Jahren die beliebteste Zahlungsmethode war, als ich Pokerplatten verklickert habe. Aber das hatte ich total vergessen! Zudem ist Nachnahme im Modesegment eine totale Herausforderung, denn es wird viel retourniert: Aber wie geben wir denn einem Kunden, der bar bezahlt hat, das Geld zurück? Wir haben keine Bankinformation. Also fragten wir bei den Kunden nach der Bankverbindung – und erhielten die ersten Antworten: „Ich habe gar kein Konto.“ Doof! Da sind wir zu unserer Finanzabteilung gegangen und haben gefragt, ob wir das Geld bar in einem Umschlag zurückschicken dürften? Die lachten uns aus: „Noch wie was vom Geldwäschegesetz gehört?“

Andererseits nutzen die Tschechen auch Netflix, Facebook und Instagram. So hat man eine Riesenspanne in der Marktreife: Das Einkaufsverhalten ist unausgereift, aber die Smartphone-Penetration ist teilweise höher als in Deutschland. (Und das Netz ist traurigerweise auch oft besser.)

Alex: Also gab es in Tschechien noch keinen Zalando oder Otto, die seit einem paar Jahren dabei sind, den Markt zu penetrieren?

Tarek: In Tschechien sind wir lustigerweise in genau derselben Woche wie Zalando an den Start gegangen. So ist die E-Commerce-Penetration dort noch sehr gering – im Textilbereich vielleicht erst 5%. In Deutschland sind wir eher bei 20%. Und dort ist für die Bekanntheit der Kanal TV gar nicht so unbedeutend, obwohl der für uns in Deutschland jetzt höchstens semirelevant geworden ist. Aber es kommt sehr aufs Land an: Tschechien, Slowakei, Ungarn… Man kann Osteuropa nicht in einen Topf werfen.

(Alex fragt ins DCD-Publikum, wie viele About You nutzen. Rund ein Viertel – was, merkt Tarek an, bei dem hohen Männeranteil gar nicht mal so schlecht sei. Daraufhin will Alex wissen, warum Bestandskunden About You treu bleiben. Tarek: „Man muss ziemlich viel richtig machen.“ Viele steuerten täglich About You an, um sich über Modetrends zu informieren. Content sei also wichtig. Andere schätzten die Personalisierung: „Mit jedem Click versteht mich About You besser.“ Und wiederum andere möchten einfach die Bedienfreundlichkeit, die guten Bilder, die attraktiven Preise…)

27:00

Alex: Jetzt mal geschätzt: Wie wichtig ist fancy stuff à la künstliche Intelligenz versus Basiskram wie Zugriff auf Prozesse und Daten?

Tarek: Der Kunde wird natürlich antworten: „Fancy stuff!“ Aber nur, weil er alles andere voraussetzt. Und das ist das schwierig. Wenn du guckst, wie wir unsere Leute einteilen, dann kümmern sich 10% um fancy stuff und 90% darum, dass das Paket rechtzeitig ankommt, dass Auswahl, Preis und Verfügbarkeit gewährleistet sind. Da sagt der Kunde niemals: „Wow! Deswegen kaufe ich bei About You!“ Und trotzdem kriegen die meisten Händler nicht mal das vernünftig hin.

Handel ist eben mehr Handwerk als Kunst. Da muss eine ganze Kette reibungslos funktionieren – und dann braucht man nur noch ein bisschen Marketing-Zauber oben darauf. Amazon kümmert sich sogar nur darum, dass die Kette reibungslos funktioniert: Dessen customer proposition ist es meiner Meinung nach, fehlerfrei zu sein. Die meisten Leute bestellen deswegen bei Amazon, weil es eben funktioniert. Als Organisation das Amazon-Experience hinzubekommen, ist viel Detailarbeit. Und wenn man damit auch noch Geld verdienen will, muss man jeden Prozessschritt optimieren: Da macht man sich dann drei Wochen Gedanken, wie man einen Cent in der Transaktion spart. Im Massenmarkt setzt man hier darauf die schlauesten Ressourcen: Bei 20 Millionen Bestellungen im Jahr lohnt sich wirklich jeden einzelnen Cent.

Alex: Wenn das alles so knapp ist, wie viel Marge ist da überhaupt noch möglich?

Tarek: Nehmen wir Zalando, weil das Geschäftsmodell – bei allem starken Wachstum weiterhin – mittlerweile ziemlich ausgereift ist. Wenn ich mich nicht irre, erreichen sie in der DACH-Region rund 10% EBIT-Marge. Offliner wie Zara und H&M sind dann eher um die 20%. Und mein Gefühl ist, dass Modelle wie Zalando und wir schon in Richtung 20% gehen können. Allerdings rede ich hier über ein Zeithorizont von 10-15 Jahren – und setze dabei eine gewisse Konsolidierung voraus, denn der Modemarkt ist noch stark fragmentiert. Die fünf Größten (Zalando, ASOS, Amazon, Otto und wir) haben gerade mal 15% Marktanteil – und das nur online, wohlgemerkt.

(Tarek spricht dann die liebsten Ärgernisse Distanzmodehändler an: Retouren und einer deren Treiber, die unterschiedlichen Passformen der verschiedenen Hersteller. Würden diese vereinheitlicht – und kämen smarte Avatare zur digitalen Anprobe – dann könnte die Retourenquote deutlich gesenkt und die Rentabilität entsprechend erhöht werden. Dazu würden weitere Skalierung sowie Eigenmarken künftig ein paar Prozentpunkte zur Marge beitragen. Nicht zuletzt verauktioniere About You mittlerweile auch Werbeplätze und Sichtbarkeit, um eine zusätzliche Erlösquelle zu erschließen.)

33:10

Alex: Kommt denn ein Hersteller und sagt: „Ich möchte gern auf eurer Kategorieseite „Damen Sommerkleider“ einen Banner für den Zeitraum von einem Monat haben?

Tarek: So in etwa. Amazon macht es wie Google früher und verkauft Platzierungen in der Ergebnisliste über den organischen Treffern. Mittlerweile gibt es bei Google ja nur noch paid Ergebnisse, die aber genauso gut sind, wie früher die Organischen. So sieht man, dass es Google in nur 15 Jahren fertig gebracht hat, dir qualitativ exakt dieselben Ergebnisse zu zeigen – und sich dafür bezahlen zu lassen! Denn ihr Auktionssystem ist versehen mit einem Qualitätsfaktor: Ein gutes Ergebnis zahlt weniger. So zahlen alle dafür, Sichtbarkeit zu bekommen, die früher umsonst war. Amazon geht gerade denselben Weg.

Die Hersteller werden dadurch an ihre Grenzkosten getrieben. Und so nach dem Motto „Friss Vogel, oder stirb“, müssen die Hersteller Sichtbarkeit zusätzlich einkaufen, um die Transaktion zu bekommen. Sobald sich eine kritische Masse an Herstellern darauf einlässt, fängt der erste mit einem Cent, der nächste mit zwei, der nächste mit vier an… Auf die Transaktion verzichten können die Hersteller nicht, weil sie sonst ihre Fixkosten nicht abgetragen bekommen. Schlau wäre, keiner macht mit. Aber der erste, der da mitmacht, verdient richtig Geld – und sorgt dafür, dass der zweite mitmachen muss, weil er ihm Visibilität wegnimmt. Du nennst das Phänomen ja immer „das Gefangenendilemma“.

Alex: Da wäre ich mit der Metapher vorsichtig, weil sie ja hier bedeuten würde, dass About You zum Gefängnis für Fashion-Marken wird!

Tarek: Aber wir sind doch die Guten! Wir sind zwar kein sozialer Verein, aber verkaufen Sichtbarkeit nicht meistbietend. Unser Konzept ist, dass unsere Suchergebnisse organisch und personalisiert sind – und dadurch nicht zu verauktionieren sind. Hersteller können aber zum Beispiel dafür sorgen, dass unsere Community ihrer Marke folgt. Dann wird sie auch öfter organisch angezeigt. Mich als Kunden nervt es mittlerweile bei Amazon, dass ich in den Suchergebnissen mit gesponsorten Sachen vollgebombt werde, die einfach schlecht sind. Meiner Meinung nach kannibalisiert der Konzern gerade durch AMS seine eigene Proposition.

(Alex wechselt zu einem Thema, um das man dieser Tage im Tech nicht herumkommt: Mitarbeitersuche und -treue. Wie gehe hier About You vor? Es sei nur deswegen gegangen, von 0 auf 650 Leute in fünf Jahren zu wachsen, so Tarek, weil immer weltweit gesucht werde. Dabei lande About You immer wieder auf der Nummer Eins der attraktivsten Arbeitgeber für Absolventen in Hamburg, was die Bedeutung der Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräfte unterstreiche. Letztendlich sei entscheidend, dass die Aufgaben spannend und die anderen Mitarbeiter begabt seien. Wegen der Kickertische & Co., die es ja bei AboutYou durchaus gebe, komme kein Mensch. So sei man zum Erfolg verdammt, wenn man die besten Leute haben wolle. Zudem habe die Platzierung als Unicorn einen extra Schub ausgelöst, weil sich Talente an die Milliardenmarke orientierten.)

40:55

Alex: Das heißt: Ihr habt bereits einen Vorsprung – und dadurch, dass ihr jetzt ein Unicorn seid, könnt ihr diesen ausbauen?

Tarek: Wir haben nicht nur den Erfolg, sondern auch keine großartige legacy: Das ist superunfair für Unternehmen, die sich gerade in der Transformation befinden! Denn kein Developer hat Bock, drei Jahre lang legacy aufzuräumen. Dabei ist es wahrscheinlich das Wichtigste, für Corporates, die gerade in der Transformation sind.

Ich habe da auch leider keine Antwort, für die vielen, die jetzt zu uns kommen. So ziehen die Digitaltouristen (die wohl wegen Sparprogramme nicht mehr ins Silicon Valley geflogen werden) durch unsere Räume und bitten mich um Rat für ihre digitale Transformation. Ganz ehrlich: „Weiß ich nicht! Will ich nicht in deiner Haut stecken, du!“ Ich habe da keinen Zauberstab. Du musst dich eben in Tausende Kleinstprobleme reinfräsen: Das ist digitale Transformation. Du musst dich damit echt beschäftigen – und hast einen Nachteil, weil die richtig coolen Leute nicht bei dir arbeiten wollen.

So glaube ich, wir hatten die deutlich einfachere Aufgabe, was auf dem green field zu aufzubauen. Corporates mögen Vorteile wie Markenbekanntheit und Kundenstamm haben, aber dieser legacy

(Alex freut sich, dass jemand anderes einmal die Rolle des Totengräbers des Handels übernimmt. Tarek relativiert: Die Probleme seien doch lösbar, nur eben durch Knochenarbeit im Maschinenraum des Unternehmens – und nicht durch die Ausarbeitung von PowerPoint-Folien. Einige würden die Transformation dann auch hinbekommen, andere dafür eben nicht.)

44:45

Alex: Letzte Frage: Netimpact, eTribes, About You. What’s next for Tarek?

Tarek: Ich habe in paar Interviews gesagt, dass ich nach About You kein Unternehmen mehr gründen möchte, sondern dass ich eher im Laufe der Zeit ein paar assets verkaufen und auf Hamburger Ebene eine politische Partei gründen will. Das ist aber noch ein bisschen hin: Wir haben bei AboutYou noch richtig viel vor – und ich habe da richtig Bock drauf!

(Alex hat dann doch zum Schluss eine allerletzte Frage: Wie oft stand About You eigentlich in den ersten Jahren vor dem aus? Eigentlich gar nicht, so die Antwort, denn die Otto-Gruppe sei langfristig unterwegs. Familienunternehmen dächten ja in Dekaden und Tarek sei sehr froh, Otto als Investoren zu haben. Zudem habe About You immer das eingehalten, was es versprochen habe. Dabei sind Geldgeber es eher gewohnt, dass Sachen schlechter laufen. Positive Überraschungen erlebten sie selten – und daher sei es kein Problem gewesen, an frisches Geld zu kommen. Tarek schließt mit einer Anekdote darüber, dass die drei an der Spitze von About You von einigen Investoren mithilfe von Detekteien durchleuchtet worden sei.)

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