Woran ist Farfetch gescheitert?

Oft besprochen, meistens kritisiert und nun für läppische „500 Millionen“ an den nächstbesten Bieter verkauft. Was können wir aus der Farfetch Geschichte lernen?

Im letzten Monthly Heinemann habe ich mit Florian Heinemann besprochen, woran Farfetch gescheitert ist. Wie kann ein Unternehmen, dass vor Kurzem an der Börse mit über 20. Milliarden Dollar bewertet wurde so schnell unter die Räder kommen? Unser Podcast Supporter Julian hat zu diesem Thema eine Menge Material gefunden, das ich gerne in hier wiedergeben würde.

Bei Kassenzone war ich zum Börsengang sehr skeptisch in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit von Farfetch und einige der damals aufgeführten Argumenten haben leider (für die Mitarbeiter und Investoren) ihre Gültigkeit behalten. Als Asset-light Modell waren sie allerdings der Liebling der Investoren und konnten zudem eine Menge Kunden begeistern:

Als Online-Marktplatz für Designermode verbindet das Modell High Fashion Boutiquen aus aller Welt mit dem Endkunden. Ohne eigenen Warenbestand bedient sich der Marktplatz dabei ausschließlich der Artikel, die in den kooperierenden Boutiquen vorrätig sind. Also quasi das Omichannel Modell schlechthin. So wie es Net-A-Porter geschafft hat, 350 Designermarken für den Onlinehandel zu gewinnen, so hat Farfetch 300 Boutiquen für sein Modell gewonnen, mit über 1000 Marken. Größer, schneller, besser klingt aus fast allen Berichten zu Farfetch. Das hat natürlich seinen Preis und das Unternehmen macht quasi jährlich mit einer neuen Finanzierungsrunde von sich hören

Allerdings war auch Farfetch schon vor sieben Jahren klar, dass es nicht ausreichen würde als Boutique-Inventar-Aggregator zu fungieren. Aus diesem Grund hat sich Farfetch als „Partner“ der Marken positioniert, die „damals“ noch recht wenig mit dem Thema DTC E-Commerce zu tun hatten. Die Euphorie am Markt war also verständlich. Ich war trotzdem nicht begeistert.

Aus meiner Sicht sind Modelle á la Farfetch eine Relikt der E-Commerce Euphorie von 2008-2012. Anders als myfab, fab.com und groupon ist es aber in einem Markt aktiv, der aufgrund seiner eigenen Regeln die Digitalisierung ein paar Jahre länger aussitzen konnte. Viele Bausteine im Farfetch Modell sind nicht stabil und dürften in den nächsten Jahren erheblich unter Druck geraten. Mittlerweile sind auch die Top Lagen davon nicht mehr ausgenommen und die Boutiquen dürften nicht mehr als ein Steigbügelhalter für den Aufbau des eigenen Plattformgeschäfts gewesen sein. Ich habe in den letzten Jahren nicht ein B2C Modell gesehen das erfolgreich ohne 100% auf den Endkunden fokussiert zu sein. Bei Farfetch sind Marken und Boutiquen aber noch immer im Fokus. Das dürfte sich bald rächen

Obwohl ich auch nach den ersten Zahlen an der Börsen enorm skeptisch war, konnten mich die beteiligten Stakeholder zum Teil beruhigen. In einem Podcast von 2018, hat mir ein Österreichischer Betreiber von „Luxus“ Boutiqen davon berichtet, dass er mit der Performance von Farfetch für sein Geschäft sehr zufrieden ist.

Ich weiß allerdings, dass es uns langfristig als Zwischenhändler an den Kragen gehen wird. Aber was ist meine Alternative? Ich fahre erstmal recht gut mit Farfetch: Es hilft mir ja in der stationären Sortimentsgestaltung und ich habe keine Investitionskosten – und ob Farfetch in fünf Jahren noch dasselbe Modell hat, stört mich in dem Moment nicht.

Warum hat das alles nicht funktioniert am Ende, hat Julian in einigen Punkten gut zusammengefasst:

  • Das Marktplatzmodell, stark angetrieben durch „niedrige“ Preise, steht im Konflikt mit den wichtigsten Partnern – den Marken. Luxusmarken schreddern lieber die eigene Ware, als niedrige Preise im Markt zu akzeptieren.
  • Die Marken haben mittlerweile einen eigenen Endkundenzugang aufgebaut. Statt auf die Händlersuche zu verweisen, kann bei vielen Marken nun direkt gekauft werden. Die Begehrlichkeit der Produkt ist groß genug, um einen eigenen Kundenaccount pro Marke zu rechtfertigen.
  • Die technischen Dienstleistungen, die Farfetch und später YNAP erbracht haben, erfüllen nicht mehr heutige Marktstandards. Nebenbei eine E-Commerce Plattform zu bauen ist für die allermeisten Händler dann doch zu kompliziert und widerspricht dem heute populären „Composable“ Architekturmodell.
  • Die operative Exzellenz bei Farfetch, gemessen am Headcount, war schlecht und konnte nur in Zeiten niedriger Zinsen überdeckt werden.
  • Die M&A Entscheidungen waren schlecht, weil sie nicht den Regeln der Plattformökonomie gefolgt sind. Farfetch wollte selber „Marke“ sein und hat sich vom ursprünglichen Asset Light Ansatz meilenweit entfernt.

Die Übernahme durch Coupang, dem Superstar aus Korea sieht erst einmal sinnvoll aus auf dem Papier, weil zumindest laut letzter verfügbarer Daten ca. 4 Millionen Kunden Farfetch vertrauen.

Die Performance der Luxuskleidungs Markplätze sieht in der Tat nicht gut aus, während die Kurse der großen Luxus Marken durch die Decke gehen. Die Zeit der Luxusretailer „online“ scheint vorbei zu sein.

Die Luxusmarken sind weiterhin sehr klassisch auf die Offline Experience konzentriert, in die weiterhin viel Geld investiert wird. Ob das ausreichen wird, ist offen. Die nächste Generation begehrter Luxusmarken entsteht eher im rein digitalen Raum und weniger hinter einer von 9-19 Uhr geöffneten Tür am Hamburger Jungfernstieg.

Muted e-commerce sales aren’t necessarily a bad thing for luxury brands. They still prefer customers to come to their fancy stores, which double as a marketing tool. And during the pandemic, they developed a new method of selling remotely with which they seem more comfortable. Sales assistants communicate with shoppers on WhatsApp or over Zoom and send goods to customers’ homes for them to try on. These kinds of transactions make up 20% to 40% of some brands’ business today and blur the boundary between online and store-based sales.

Aus meiner Sicht ist Farfetch eher an den eigenen Ambitionen und dem Wachstumsdruck gescheitert. Als Asset-Light Modell wäre es wahrscheinlich langfristig besser gefahren. Damit hätte man allerdings nicht die hohen Erwartungen der Börse befriedigen können.

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