Alte KutscheDas Jahr 2014 ist fast vorbei und es ist Zeit für einen kleinen Blick zurück. Für Kassenzone.de war das Jahr sehr erfreulich. Fast 300.000 Besucher haben die Beiträge auf dem Blog gelesen und es gab noch mehr Abrufe per Mail, RSS und mittlerweile auch im Podcast. Fast 100% Wachstum im Vergleich zu 2013 und dank der vielen neuen Erfahrungen mit Spryker, gehen mir die Themen 2015 sicherlich nicht aus. Am meisten freue ich mich im nächsten Jahr darauf noch operativer aktiv zu werden. Treue Leser von Kassenzone müssten schon fast den Eindruck bekommen haben, dass ich vorrangig in einem Elfenbeinturm aktiv bin und mich zunehmend von den operativen Herausforderungen entferne. Dem ist nicht so. Ich versuche nur, meine Eindrücke aus dem Tagesgeschäft zu abstrahieren und Muster zu erkennen – wie beim “Gefangenendilemma” von Amazon. Es wird zunehmend schwieriger, klare Lösungswege zu benennen und es ist (für mich) mühselig, über “Rettungsmaßnahmen” für den stationären Handel zu diskutieren. Da reden “Experten” von Omnichannelstrategien, die sich dutzendfach als fehlerhaft erwiesen haben. Es gibt aber leider niemanden, der wirklich sagen kann was morgen funktioniert. E-Commerce Experte zu sein ist schon fast ein Widerspruch in sich. Dazu passt der hervorragende Artikel von Paul Graham “How to be an Expert in a changing world.

When experts are wrong, it‘s often because they‘re experts on an earlier version of the world

Wer meine Meinung zur Entwicklung des E-Commerce wissen will, der sollte noch mal meinen ersten Beitrag im Jahr 2014 lesen.The Amazon Economy – gnadenlos effizient” Die darin gezeigten Dynamiken gelten für 2015 umso mehr. Ich kann es nicht mehr hören, wenn der Status Quo verbogen wird und hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit des stationären Handels gesagt wird: “Auf das gemeinsame Shoppingerlebnis, einen Besuch in der Stadt, die Chance zur Anprobe und zur haptischen Wahrnehmung werden die meisten Kunden nicht verzichten.” Solche Ansichten vernebeln den Blick auf das Wesentliche und angefeuert werden sie von vermeintlichen E-Commerce Erfolgsgeschichten einiger Händler mit stationärer DNA. Wenn die stationären Dinosaurier Nordstrom und Neiman Marcus es schaffen im E-Commerce erfolgreich zu sein, dann können es andere doch auch, oder?

The goal has been to make sure Neiman’s assortment online and in-stores were in sync, so they didn’t become two brands in a shopper’s mind, and to have a solid handle on inventory across the company. That way a customer, whether in a store, or on a phone or on a computer, can buy any item in any part of Neiman’s business, reducing the risking of leaving empty-handed or abandoning an online shopping cart. Neiman is no laggard in the world of e-commerce. On the contrary: it gets 25% of its nearly $5 billion in annual revenue from direct sales.

Und so geht es immer weiter mit der Rettungsargumentation, anstatt grundsätzlich über neue Modelle zu diskutieren. Im Blog von Mike Dawson (Lebensmittelzeitung) findet sich eine beachtliche Meinungssammlung über stationäre Geschäftsmodelle. Leider finden sich auch solche Aussagen darunter:

The ‚physical retailers‘ should understand that Bricks & Mortar can be great. Omnichannel is the name of the game, and it is absolutely necessary for those physical retailers to use their locations wisely – they simply have to be more fun and more engaging so that people want to go there. Does a supermarket really need to display 17 brands of toilet paper?

Genau. Hübscher machen, besser darstellen, mehr Emotionen usw. Dann kommen die Leute schon wieder. Für mich bündelt sich diese Diskussion aktuell in der “Click & Collect” Vision vieler Anbieter. Online einkaufen, offline abholen……wtf. Das ist ungefähr so wie das Versprechen Luftreifen auf Kutschen würden dabei helfen, das Automobil von der Straße zu verdrängen. Es ist irreführend und falsch. Na klar laufen bessere Läden besser. Das ist nicht neu. Das war schon immer so. Deshalb ist Schlecker aus dem Markt ausgeschieden und die Drogerie Müller wächst. Ein besserer Laden halt. Hat aber rein gar nichts mit den Herausforderungen durch E-Commerce zu tun. Wenn die Logistikbranche erst einmal aufwacht und die noch gefühlt 1000 Probleme bei der Zustellung beseitigt, dann verirrt sich kaum noch ein Kunde in die Innenstadt, um den Bademantel vor dem Kauf anzuschauen – egal wie schön der Laden ist.

Ich wünsche mir für 2015, dass die Diskussion um neue Handelsmodelle viel progressiver geführt wird und nicht so sehr auf vergehende Handelsmodelle Rücksicht genommen wird. Mag schon sein, dass es schade ist wenn der Kiosk nebenan schließen muss, aber spannender als die finale Click & Collect Farce für den Kiosk Besitzer ist doch die Frage nach dem “Was dann?”. Thomas Ramge hat in der aktuellen BrandEins versucht, hinter die Erfolgsgeheimnisse erfolgreicher digitaler Geschäftsmodelle zu schauen und kommt in seinem Artikel zu dem folgenden Fazit:

Im Kern unterscheiden sich die Erfolgsfaktoren von digitalen Unternehmen nicht von jenden der Fugger-Bank. Der Standard Oil Company, Siemens, AEG, Ford, Beiersdorf, Aldi, IBM oder Nike. Der Unterschiede besteht alleine in der Geschwindigkeit, mit der digitale Unternehmen entstehen und groß werden. Sie müssen in wenigen Jahren Entwicklungsschritte durchlaufen, für die Familienunternehmen früher mehrere Generationen Zeit hatten. Das ist der Fluch der neuen Zeit. Und die große Chance.

Das deckt sich auch mit meinen Beobachtungen. Alles geht viel schneller. Es bleibt kaum Zeit zu planen. Man muss tun, handeln unter Risiko, investieren ohne Absicherung, vorausgehen, Kritiker ignorieren, usw… Die Herausforderung 2015 liegt vielleicht gar nicht in der Strategiefindung, sondern darin, Tempo aufzunehmen. Für große Unternehmen mit entsprechenden Legacy Strukturen ist das kaum möglich, weshalb die neuen Beraterinkubatoren geschäftlich durchaus erfolgreich sein könnten 2015.

Vollgas oder nix. Das wird die Kassenzone Direktive für 2015. Vielen Dank für eure Treue und das viele Feedback 2014 und Guten Rutsch!


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