Eine für mich sehr wichtige Erkenntnis in 2014 ist, dass in der Amazon Economy sogar die meisten Hersteller in eine schwierige Situation gelangen können. Das ist alles andere als intuitiv verständlich. Im Kassenzone Duktus wird es schwer für alle Zwischenhändler und ohnehin schwierig für alle Onlinehändler, die mit Amazon konkurrieren, aber bei einem Hersteller mit wahrnehmbarer Marke und halbwegs innovativen Produkten würde man eine starke Position vermuten. Wer auch sonst sollte in einer zunehmend wettbewerbsintensiveren Handelswelt gewinnen? Und einen Gewinner muss es doch geben, oder?
Der Groschen gefallen ist bei mir in einem der DCDnet Treffen, dass ich in Frankfurt moderiert habe. Diese Treffen haben wir recht spontan bei unserem ersten Digital Commerce Day im April ins Leben gerufen und mit diversen Schwerpunktthemen befüttert, mit dem Ziel 5-10 gleichgesinnte Händler/Hersteller an einen Tisch zu bringen und ihre Erfahrungen teilen zu lassen. Ich habe 3x zum Thema „Amazon Strategie“ eingeladen und bin auf ungeahnte Resonanz gestoßen. Anfangs ging es eher darum aus Herstellersicht zu beleuchten, wie & ob man selektive Vertriebsstrategien verfolgen kann, um den Wettbewerb in der Amazon Buy Box etwas sinnvoller zu gestalten. Das war allerdings in den Gesprächen nur ein Randthema, weil recht schnell klar war, dass Amazon an sich für die Hersteller zum Problempartner wird. Warum?
Amazon war lange Zeit ein traumhafter Handelspartner für viele Hersteller. Amazon hat ohne große Diskussion die geforderten Preise gezahlt, schier unbegrenzte Lagerkapazitäten vorgehalten und ist recht großzügig beim Thema Retoure gewesen. In vielen Fällen hat da ein Pauschalrabatt unter 3% ausgereicht, um alle Retouren Themen zu bezahlen. Obendrauf gab es noch ein paar kostenlose Features im Amazon Newsletter.
Schon in der Vergangenheit sind natürlich auch Fälle in der Szene diskutiert worden, bei denen Amazon die Preisschraube stark angezogen hatte, als es einer der wichtigsten Handelspartner der betroffenen Hersteller geworden ist. Daran ist nichts auszusetzen, weil auch Hersteller dafür sorgen müssen nicht zu stark abhängig zu werden.
Was nun passiert, ist allerdings auch für hartgesottene Fälle schwer zu verdauen. Zwar sind die Amazon Markenshops für einige Hersteller seit kurzem kostenfrei, aber das liegt wohl auch nur daran, dass diese Shops aus Kundensicht absolut sinnfrei sind. Ich habe in den letzten Wochen, und insbesondere bei den oben genannten Terminen, kaum einen Hersteller getroffen, der nicht fassungslos vom letzten Jahresgespräch berichtet hat. Freundlichkeit erwartet ja schon gar keiner mehr, aber was Amazon seinen „Partnern“ mittlerweile für einfachste E-Commerce Inhalte abverlangt ist abenteuerlich. Um den A+ Content hat sich seit einiger Zeit eine richtige Industrie entwickelt. Richtig, Amazon lässt sich von seinen Herstellern dafür bezahlen, dass sie mehr als nur den Standard Produkttext einstellen dürfen.
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Ein Händler ist Amazon damit schon lange nicht mehr. Es agiert auch im Zusammenspiel mit seinen Herstellern wie ein Marktplatz. Man bekommt was man zahlt. Wer nichts zahlt, der bekommt auch nichts. Und erstaunlich daran ist, dass das sogar Milliarden Euro Umsatz Unternehmen betrifft, die sich in ihren Leistungspaketen bei Amazon sogar Mitarbeiter leisten, die bei Amazon arbeiten und vom Hersteller bezahlt werden. Die kleineren Bitsteller-Hersteller können davon nur träumen und müssen hoffen von Amazon in den Marketingaktionen in Zukunft noch bedacht zu werden. Es könnte aber auch noch schlechter laufen, wie man bei einigen Herstellern gerade beobachten kann.
Bei einigen Metabo Produkten finden sich zum Beispiel Banner mit der Aufschrift „Ähnliche Produkte mit besseren Kundenbewertungen“ (von anderen Herstellern). Dieser Banner führt beim u.g. Beispiel der Metabo Kappsäge zu den Konkurrenten Makita und Bosch, deren Produkte sowohl preislich anders aufgestellt sind und in der Bewertungsqualität (Bewertungsanzahl * Bewertungshöhe) sogar schlechter sind als das Metabo Produkt. Mit Kundenorientierung hat das wenig zu tun. Ein anderer Hersteller sagte mir im Gespräch vor kurzem: „Wenn du mal den schlechtesten Kundenservice der Welt erleben willst, dann liste doch mal Produkte bei Amazon.“
Peter Höschl hat sich vor kurzem die Wachstumsprognosen im deutschen E-Commerce genauer angesehen und dabei die Dominanz von Amazon untermauert. Das sind keine guten Nachrichten für Hersteller (und Händler). Es gibt allerdings auch Lichtblicke, wie die von Herstellern, die komplett innerhalb von Amazon entstanden sind und die bereits heute als Marken wahrnehmbar werden. Ein Beispiel dafür ist der Hersteller von hochwertigen Smartphone und Tablet Hüllen Kavaj. Der Gründer Jörg Kundrath hat bei Amazon gearbeitet und sich mit Kavaj selbständig gemacht. Beachtenswert dabei ist, dass es wahrscheinlich kaum einen wettbewerbsintensiveren Bereich bei Amazon gibt wie diesen, und er es trotzdem von Null geschafft hat für viele seiner Produkte in den Amazon Ergebnislisten ganz oben zu stehen. Wie er das gemacht hat und was er in Zukunft tun muss, um sich zu verteidigen wird er beim DCD 2015 in Hamburg erzählen.
Es würde mich nicht wundern, wenn Amazon demnächst Kappsägen unter einer eigenen Marke anbietet. Was sollte sie davon abhalten? Die Position der eignen Marke in den Amazon Ergebnissen ist in vielen Kategorien schon wichtiger als die gute Positionierung beim stationären Händler. Darüber sollten sich die betroffenen Händler und Hersteller Gedanken machen – und bei den nächsten DCDnet Treffen davon berichten.
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