Fachverlag 3.0 – OMR Chef Philipp Westermeyer

51:25

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Vor knapp fünf Jahren habe ich mit Philipp Westermeyer bereits eine Folge im Kassenzone Podcast aufgenommen. „Damals“ standen die Vorzeichen auf größer, höher, weiter rund um das OMR Festival. Das hat sich durch Corona radikal gewandelt und die OMR werden noch digitaler. Wie Philipp und sein Team das Festival „digital“ umgesetzt haben und welche Rolle Podcasts in Zukunft für sie spielen, lernt ihr in der Folge „Fachverlag 3.0“. Alle Veranstalter großer Messen und Festivals hatten es in den letzten 18 Monaten enorm schwer und nur wenigen ist es gelungen die physische Reichweite online zu ersetzen. Spätestens Mitte 2020 war der Markt übersättigt mit Webinaren und während wir mit der Spryker EXCITE in 2020 noch Top Innovator waren mit der ersten hybriden E-Commerce Konferenz, müssen wir 2021 noch ordentlich was drauflegen, um die Leute an die Bildschirme zu locken. Zur Konferenz vor Ort wollen allerdings, wenn es die Bestimmungen zulassen, mehr Menschen kommen als wir Platz haben. Das sind doch erst einmal gute Nachrichten für ein mögliches OMR Festival 2022.

Fachverlag 3.0 mit Philip Westermeyer, Gründer von OMR

Fünf Jahre ist es her, dass Alex mit Philipp eruierte, inwieweit es sich bei OMR eigentlich um ein Fachverlag handelte – also, um einen „Fachverlag 2.0“ ohne Print-Ausgabe aber mit Digitalkompetenz. Seitdem ist eine Menge passiert: 150 Mitarbeiter sorgen mittlerweile jeden Tag dafür, dass es auf der zur Medienmarke gewordenen Plattform brummt. Und in der Zwischenzeit wuchs die jährliche OMR-Konferenz in Hamburg zu einem Mega-Event heran, um dann der Pandemie zum Opfer zu fallen. In diesem Podcast will Alex herausfinden, ob und wie Corona sonst das Geschäftsmodell von OMR verändert hat und was Philipp in der nächsten Zeit vorhat. Und nicht zuletzt geht es um die Rolle des Mediums, das Alex und Philipp verbindet: Ja, es geht um den Podcast selbst.

„Content ist nur die Hälfte. Die andere Hälfte ist, wie es dargereicht wird.“

6:00           

Alex: So, Philipp, hier Versuch Nummer Zwei. Du warst nämlich vor paar Tagen bei mir auf dem Bauernhof zur Aufnahme und wir waren bei Minute 35 angekommen, als auf meinem Aufnahmegerät (Zoom H6 Handyrecorder) die Anzeige einfror… Ist dir so etwas schon einmal bei einer Podcast-Aufnahme passiert?

Philipp: Das ist nicht mir selber, sondern einem Audioproduzenten passiert, der nicht so genau wusste, woran es lag – Ich glaube, es hat sich nachher herausgestellt, dass das Mikro kaputt war. Denn ich lebe ja mehr oder weniger von Podcasts, weswegen ich immer jemanden dabei habe, der sich um die Technik kümmert.

Alex: Mir ist es mit dir zum zweiten Mal passiert. Zum ersten Mal war das mit dem Chef von Bol.com. Da musste ich zurück nach Amsterdam… Allerdings war das zweite Gespräch auch deutlich besser! Hoffen wir, dass das hier der Fall ist. Und wenn der Zoom-Kundenservice zuhört: Gern bei mir melden!

Jetzt sitzen wir bei dir in der Lagerstraße in Hamburg. Ich bin leicht verspätet, weil ich erst beim Ankommen mit dem Roller gemerkt habe, dass Tier hier um euer OMR-Hauptquartier bzw. um das ganze Schanzenviertel herum eine Sperrzone errichtet hat! Ehrlich gesagt hätte ich bei OMR schon Rollerparkplätze erwartet…

Philipp: Da bin ich selbst überrascht! Letztens habe ich hier noch einen abstellen können. Vielleicht sind es mittlerweile zu viele geworden. Oder sie kommen nachts abhanden…?

Alex: Wenn das Support-Team von Tier zuhört: Gern bei Philip melden!

Zum eigentlichen Thema: Beim ersten Gespräch vor bald fünf Jahren haben wir uns darüber unterhalten, wie OMR entstanden ist, wie euer Geschäftsmodell funktioniert und welche Erlösquellen ihr habt; eure Messe war damals auch schon groß. Es war übrigens auch der erste Podcast, von dem es eine Transkription gab! Das ist über 200 Folgen her…

Heute wollen wir ein kleines Update machen. Geschäftlich sind wir mittlerweile miteinander verbunden, weil Spryker in diversen Feldern wie bei der Messe ein OMR-Partner ist. Die fiel nun letztes Jahr aus…

Philipp: Und da hatten wir Glück im Unglück! Denn bei der Internet World in München standen ja die Laster vor der Tür, als sie absagen mussten. Da hat man alle Kosten ausgelöst und beinahe keinen Umsatz. Wir sagten in März 2020 ab und das Festival hätte in Mai sein sollen. Da haben wir immer noch etwa 2 Millionen Euro verloren und uns ist zudem rund die Hälfte des Umsatzes entgangen, mit dem wir für 2020 gerechnet hatten. Das war ein harter Einschnitt.

Mit Rückblick bin ich aber gar nicht so traurig: Wir haben uns gut retten können! Zudem sind viele von unseren Kunden von Corona gar nicht so stark betroffen – beziehungsweise: ganz im Gegenteil. Google, Salesforce, Adobe, Facebook: Das sind alles keine Corona-Verlierer! Und wir haben uns in der Zeit anderen Lösungen gewidmet – etwa unserer Software-Bewertungs-Plattform OMR Reviews. Sie ist mittlerweile als Asset (wenn noch nicht ganz als Umsatz) ein verlorenes Event-Jahr wert. Oder auch zwei: 2021 konnten wir ja auch nicht.

Ein Grund dafür – und das ist vielleicht etwas überraschend: Wir unterstützen die Stadt Hamburg beim Betrieb des Impfzentrums hier nebenan in den Messehallen. Das ist vermutlich das europaweit größte einzelne Impfzentrum und wir betreiben das als Dienstleister. Ich glaube, man hat uns deswegen angefragt, weil wir die Messehallen von früheren OMR-Festivals bereits sehr gut kannten und Personal auftreiben konnten: Für das Impfzentrum haben wir temporär fast 800 Leute eingestellt.

11:30

Alex: Reden wir über das Kerngeschäftsmodell. Nehmen wir uns als Spryker: Wir sind ein Vendor, der letztens eine Finanzierungsrunde gemacht hat und sich jetzt für Geld Reichweite einkaufen möchte. Da suchen wir natürlich Veranstalter – von Messen, Seminaren usw. – und gucken global. Unser Eindruck: Die klassischen Messe-Veranstalter haben bislang damit ihr Geld verdient, dass man bei ihnen gegen Gebühr einen Stand bucht; vielleicht verkaufen sie einem noch den einen oder anderen Werbeplatz dazu (Plakat in der Halle, Sponsoring). Sie haben sich enorm schwer getan, während der Corona-Zeit dieses Geschäftsmodell zu übertragen. Bei uns war es also so: Wir hatten Geld und waren bereit, es auszugeben; nur gab es keine gute Leistung, die wir einkaufen konnten.

Die meisten haben nämlich Hauruck versucht, das offline Event in allen Facetten ins Digitale zu übertragen. Da gab es Tools, damit sich die Leute online vernetzen konnten – was aber letztendlich nur Facebook nachmacht. Sie haben – Das muss man ihnen lassen – vieles ausprobiert. Aber so richtig einen Erfolg habe ich da nicht gesehen. So sind wir auf den Gedanken gekommen, dass wir es selber machen müssen, etwa mit dem Spryker OnAir Live-Format.

Wie hast du das erlebt?

Philipp: Ich sehe das genauso. Natürlich ist man angesichts der ungebrochenen Zahlungs- bzw. Werbungsbereitschaft unter den Kunden erst einmal zu versuchen, das, was man offline geplant hatte, mit irgendwelchen Tools als Online-Variante zu veranstalten – mit dem Bonus, dass sich noch mehr Leute einschalten können! In einzelnen Fällen mag das sogar auch funktioniert haben. Nur in der Summe ist das eine viel zu deutliche Eins-zu-eins-Digitalisierung.

Wir haben das anders herum gemacht: Wir haben das Festival in einzelne Bestandteile zerschlagen! Das hat auch super funktioniert. So Fachseminare à 90 Minuten, die sonst auf dem Festival stattfinden, kann man bestens online anbieten. Und die Vorträge auf der großen Bühne haben wir vorher als Podcasts angelegt. Denn für mich heißt „digital“ auch 24/7 und immer erreichbar.

Zudem hat unsere Software-Review-Plattform hat eigentlich das gemacht, was vorher unsere Messe gemacht hat, nämlich: Menschen, die etwas über Software – wie etwa Spryker – wissen wollen, kommen zu uns. Sie laufen aber nicht zum Spryker-Stand und fragen Mitarbeiter aus, sondern gucken – wann auch immer sie Lust haben – bei uns nach und informieren sich: Was gibt es noch neben Spryker? Wie sind die Bewertungen? Und ihr bei Spryker könnt das natürlich kommentieren – Tag und Nacht!

So wurde für uns klar: Das ist die Zukunft der Messe in der richtig digitalen Welt. Allerdings dauert es natürlich länger, daraus ein wirklich umsatzstarkes Geschäft zu machen. Denn für einen Stand zahlt so ein Spryker dann sechsstellige Beträge. Ich kann aber nicht zu dir kommen und sagen: „Guck mal, ich habe so eine neue Plattform. Ich hätte gern um die 150.000 Euro von dir, dass du dein Profil dort ausschmücken darfst…“ Da würdet ihr sagen – beziehungsweise: Da habt ihr gesagt: „Philipp, du musst deine Erwartungen zurückschrauben.“ Haben wir auch getan. Die Preisstruktur ist anders – mit viel mehr wiederkehrenden Einnahmen als Einmalzahlungen. Ich glaube, das ist ein sehr digitaler, sehr guter Weg.

(Alex erinnert sich: 400 Quadratmeter auf dem DMEXCO 2018 kosteten mit Aufbau, Personal und Verpflegung fast eine halbe Million Euro.)

16:55

Alex: Was heißt das eigentlich für zukünftige DMEXCOs und OMRs. Werden sie wieder in dieser Form mit Standaufbau und Besuchern stattfinden?

Philipp: Ja, ich glaube schon. Sie werden eine Möglichkeit sein, sich zu differenzieren und was anderes zu machen. Es wird auch eine größere Rolle spielen, dass man sich neue Produkte in Echt angucken kann – also nicht unbedingt Software, aber Autos usw. Messe wird also weiter dableiben. Auch übrigens um Leute zu treffen, was nach wie vor ein großes Bedürfnis ist. Das ist weder in digitalen Masterclasses noch Podcasts noch auf irgendwelchen Plattformen abbildbar. Diese Relevanz der Messe spüren wir auch an Nachfragen an uns.

Generell wird das Stichwort „hybrid“ sein – wobei ich noch gar nicht weiß, was das am Ende eigentlich sein wird. Entweder man ist nämlich auf dem Event drauf oder man ist es nicht. Das ist wie mit schwanger. Man ist es, oder man ist es nicht. Deswegen ist „hybrid“ für meine Verhältnisse das, was wir zum Glück schon vor der Corona-Zeit machten: Man ist eine Medienmarke, die ganzjährig da ist. Wenn man dann auch wieder in Zukunft wegen einer Pandemie ein Jahr kein Event abhalten kann, hat man die Struktur angelegt, auch noch da zu sein – und zwar per se jeden Tag: mit einem Artikel, einem Podcast, einer Studie, einem exklusiven Zoom-Call für 10 Menschen…

(Bei Spryker plane man wieder Vor-Ort-Events, stimmt Alex ein, aber jeder wird per Livestream dabei sein können: So Spryker-Excite im Oktober, wo alle Vorträge auch so abgehalten werden, dass sie noch als Videoinhalte verwertet werden können. Bei OMR habe man immer die Vorträge auf YouTube hochgeladen – und habe sich sehr geärgert, als Netflix dort einen Vortrag vom Cambridge-Analytica-Gründer gefunden hat und ohne Rücksprache in einer Doku zu Datenmissbrauch verwendet habe…)

20:35

Alex: Der Podcast-Hype ist spätestens vor drei Jahren im Mainstream angekommen. Da haben viele Verlage und Firmen gemerkt, dass sie jetzt Audio-Inhalte aufbereiten müssen. Vielen brachen nämlich die Erlösströme aus dem klassischen Anzeigengeschäft weg. Denn Werbetreibende merkten, dass sie besser mit Podcasts ihre Kunden erreichen. Dabei ist meiner Meinung nach relativ wenig davon gelungen. Denn sie sind nicht organisch gewachsen, wie es bei OMR war, sondern sie mussten gemacht werden, um Anzeigen zu verkaufen oder Aufmerksamkeit zu erzeugen. Gibt es trotzdem irgendwelche Beispiele für gute Corporate-Podcasts oder Initiativen von Verlagen?

Philipp: Natürlich doch! Trade Republic zum Beispiel, mit denen wir gemeinsam werktäglich einen zehnminütigen Podcast über die Börse und spannende Entwicklungen produzieren. Damit sind sie jeden Tag bei Tausenden von Menschen im Kopf ein Begriff. Es ist also eine super Lösung, um sich als trading app von der Konkurrenz abzuheben. Wir hatten nämlich damals die Idee für so einen Podcast und haben uns mit ihnen zusammengetan.

Sonst gibt es ja auch das, was so ein Vodafone oder die Deutsche Post gemeinsam mit uns macht. Sie erreichen zwar keine 40.000-50.000 Leute wie Trade Republic aktuell, aber immerhin 6.000-7.000. Und da muss man sich schon fragen, was es früher in der echten Welt gekostet hätte, 7.000 Menschen auf einmal zu erreichen. Da darf man nur nicht sagen: „Naja, das ist nicht in den Charts…“

(Thema Charts: Alex fragt, ob Top-Gäste in den OMR-Podcasts die Abrufzahlen spürbar noch oben trieben. Philip sei überrascht: Auch sehr prominente englischsprachige Gäste entfalteten nicht dieselbe Sogwirkung im OMR-Podcast, wie sie es auf der Bühne beim OMR-Festival getan hätten.)

24:15

Alex: Wie viele Leute erreicht ihr an der Spitze mit einer OMR-Podcastfolge? Mein Highlight bislang ist übrigens Dieter Bohlen: Ich bin ein Fan und habe alle Hörbücher! Auch Günther Jauch fand ich sehr interessant.

Philipp: Der Reichweitenhighlight schlechthin? Knossi! Da ist es uns gelungen, jemanden zu finden, der in unserer Community schon groß war – und selbe eine riesige Gefolgschaft hat, in der er den Podcast auch verbreitet hat. Bis heute hat der rund 120.000 Hörer gefunden. Auch der Tobias Lütke lief gut: Den hört man ja so selten auf Deutsch, obwohl der Deutsche ist.

Alex: Scott Galloway?

Philipp: Die Folge leidet unter das gleiche Problem wie Ashton Kutcher: Ist auf Englisch. Es sind immer noch gute Zahlen, aber nichts Herausragendes. Zudem: Wenn du Scott Galloway hören willst, gibt es von ihm keinen Mangel an Podcasts! Der ist ja auch jeden Tag in drei eigenen Formaten unterwegs. Deswegen ist er für uns als Podcast nicht so wertvoll, wie er es schon einmal für uns auf der Bühne war. Da ist für uns Kağan Sümer, der Gründer von Gorillas, besser!

(Alex fragt nach dem Vorgehen bei Einladungen. Bei Kassenzone verfolge er keinen „Redaktionsplan“. Wer eingeladen sei, komme meistens auch – Allerdings manchmal erst nach zwei oder drei Jahren! Philipp sagt, er arbeite eine Art Hitliste ab, auf der Stars der früheren Generation wie Uli Hoeneß, Reinhold Würth und Erich Sixt oder stehen, die sonst in keinen Podcasts zu hören sind. Das gebe dann einmaligen Content!)

28:50

Alex: Gibt es so etwas wie OMR in anderen Ländern? Der Vergleich mit How I built this wird oft gezogen, aber ich finde die Art der Gesprächsführung da etwas amerikanisch-oberflächlich…

Philipp: Eins zu eins gibt es so etwas wie OMR meines Wissens in keinem anderen Land. Meine Inspiration dafür habe ich damals auch nicht in Business-Podcasts gefunden, sondern eher im Sport-Bereich. Ich war Vater von zwei Zwillingen und musste sie nachts rumschieben: Da wollte ich mich nicht langweilen und habe da so einen Bill Simmons gehört. Der spricht nicht nur über Sport, sondern auch mal ganz persönlich. Diese Herangehensweise habe ich dann auf meinen Themenbereich, digital business, adaptiert. „How I built this“ und die Podcasts von Scott Galloway sind toll, aber eben nicht meine Inspiration für OMR.

Alex: Wie lange planst du im Voraus? Wie viele der kommenden Gäste kennst du schon?

Philipp: Das hat sich bei uns über die Jahre extrem professionalisiert. Anfangs war das von der Hand in den Mund! Da habe ich viele Freunde eingeladen – und war ja zum Glück ein Kind der Szene. Da kannte ich also genug Leute wie dich und viele andere. Mittlerweile haben wir aber ein Team und haben eine Gäste-Pipeline von drei, teilweise vier Wochen; wir haben zwei Folge pro Woche und acht bis neun sind im Voraus geplant. Dann ist es nicht weiter schlimm, wenn eine mal wegbricht. Zudem haben wir Stammgäste und spontane Möglichkeiten. Wenn alle Stricke reißen, kann ich ja bei Tarek, Lea oder Sven anrufen – bei Pip mittlerweile oder sogar bei dir.

31:50

Alex: Die meisten Entscheider darüber, welche Software gekauft wird, sind mittlerweile Millenials. Die informieren sich digital, weshalb die Möglichkeit, eine Kaufentscheidung auf einer Messe zu erzwingen, schwindet. Es gewinnen diejenigen, die die Information, die gesucht wird, ordnet und bereitstellen. International sind das Portale wie G2.com.

Deswegen find ich eure Plattform super. Wir bekommen auch jede Woche einen Bericht, welche Unternehmen dort bei uns auf dem Profil war – und welche bei Wettbewerbern waren. Daraus kann man Anzeichen von buying intent gewinnen, sprich: Wissen, welche Unternehmen gerade auf der Suche nach Software sind. Der heilige Gral, also!

Philipp: Das ist übrigens auch alles legal erhoben – reverse IP look-up nennt man das. Wir erkennen also die Firma, aber nicht die Person.

Alex: Verglichen mit einer Messe wäre es also so, als ob man wissen könnte, wer an welchem Tag in der Halle unterwegs war. Das ist schonmal besser als in der Offline-Welt, weil man zwar weiß, wer aufs Gelände gekommen ist, aber nicht wer wann in welcher Halle war. Spannend wird es für uns dann, wenn wir es damit vergleichen, was bei uns auf eigenen Website passiert: Da müssen wir ordentlich aufrüsten.

Wie läuft die Plattform bei euch? Wie entwickeln sich die Umsätze – und müsste man das nicht irgendwann ausgründen?

Philipp: Das ist eine Frage, die ich – die wir – uns immer wieder stellen. Denn das läuft tatsächlich gut an. Mit den Reviews werden wir schon in diesem zweiten Jahr ordentlich siebenstellige Umsätze erzielen – natürlich von der OMR-Marke und den Kontakten gestützt. Derzeit investieren wir die Erträge wieder in die 25-30 Leute, die derzeit daran arbeiten: Inhalte und die Generierung von Bewertungen sind ein großes Thema; der Vertrieb auch.

OMR ist ein Hobby gewesen, das gewachsen ist, weil ich einfach gern Podcasts gemacht habe. Dann habe ich mal ein Seminar gemacht und daraus wurde dann eine Reihe von Seminaren und daraus eine Konferenz, die zum Festival wurde… Ist halt mal so geworden. Es hat Spaß gemacht und war immer einträglich.

Jetzt haben wir aber mit OMR-Reviews so ein richtiges Venture-Business. Das kann man schon ausbauen und es kann ein anderer equity value entstehen, als bei einem Seminaranbieter oder Veranstalter. Deshalb überlegen wir schon, ob es nicht einen Sinn ergibt, das auszugründen und dafür Geld aufzunehmen. Wir stellen uns auch die Frage, was mit Internationalisierung ist. Endgültig kann ich es dir noch nicht sagen. Was ich aber weiß: Ich bin glücklich, dass wir das angefangen haben!

(Alex macht Philipp Mut – auch in dem, was die Internationalisierung angeht. Denn Software sei ja nun einmal international. Philipp sieht hier eine Medaille mit zwei Seiten: Einerseits helfe es, Bewertungen von Menschen in Europa zu haben und nicht nur aus USA; andererseits weiß man ja, wie es etwa Xing angesichts LinkedIn ergangen ist. Aber vielleicht seien Software-Bewertungen kein winner-takes-all-Markt. Es lohne sich auf jeden Fall, den Versuch zu machen.)

38:10            

Alex: Zum Ende hin ein Thema, das vielleicht etwas langweilig erscheinen kann: Das OMR-Blog. Bei Kassenzone lade ich eigentlich nur noch Transkriptionen der Podcasts hoch – und das mit meistens etwas langweiligen Titeln. Heute etwa: „Mädchenflohmarkt.de – Maria Spilka & Peter Ambrozy“. Bei dir würde das wahrscheinlich heißen „Wie diese beiden Gründer einen 500-Millionen-Markt stürmen!“

Aber Scherz beiseite: Ich lese euch extrem gern – etwa letztens den Artikel zu Reebok.

Philipp: Genau: Die Firma steht zu Verkauf. Wir fragten, was man tun müsste, wenn man sie kaufen würde.

Alex: Mega-starker Content! Solche längere Analysen habe ich früher auch oft bei Kassenzone geschrieben. Ich habe aber das Gefühl, dass die aktuelle Phase unserer Aufmerksamkeitsökonomie bedeutet, dass alle wenig Zeit haben – Dieser erfolgreiche Trade-Republic-Podcast ist ja auch ein 10-Minuten-Ding!

Philipp: Ich glaube, es wird beides geben. Wir wollen jedenfalls weiterhin solche signature articles wie den zu Reebok machen. Dazu wollen wir auch demnächst Leute holen, die richtig gute lange, tiefgründige Analyse-Artikel schreiben können, wie man sie sonst nicht kriegt. Aber das muss ja nicht jeden Tag sein.

Was wir täglich brauchen: Kaffeepause-Themen, wichtige und witzige Einsichten. Das ist oft so etwas wie: Ein Fußballspieler fällt bei einem wichtigen Spiel hin und alle im Netz springen darauf auf. Wir wollen dann zeigen, wie Marketeers das Thema ausschlachten.

(Philipp geht etwas näher auf die Aufstellung der OMR-Mannschaft und ihrer Rollen ein. Er führt einige der neuen Formate auf wie OMR Rap über Hip-Hop und Marketing oder die jährlich OMR Original-Dokumentationsreihe – Dieses Jahr: Die Gründer von Jung von Matt. Das Original-Format sei übrigens sechsstellig teuer, bestätigt Philipp auf Nachfrage, aber die unmittelbare Refinanzierung sei zweitrangig. Es gehe darum, dass die Leute zu OMR fänden: Content-Marketing, also. Es sei der flywheel-Plattformgedanke: Erst einmal Angebot schaffen.)

43:00

Alex: Herstellern stelle ich immer die Frage: Was ist, wenn Amazon anfängt, das zu machen, was ihr macht? Bei dir trifft das nicht zu. Aber wer wäre ein großer internationaler Konkurrent, der euch euren Markt streitig machen könnte? Da denke ich etwa an den Web Summit. Könnten auch sie das machen, was ihr macht.

Philipp: Vermutlich schon. Aber heute brauchst du eine Community, um zu einer Medienmarke zu werden. Ich weiß nicht, ob sie in Deutschland so eine bauen könnte: Sie könnten es versuchen, aber allein die Sprache wäre da eine Herausforderung. Das sieht man auch bei „Top Model“: Die Sendung funktioniert nur, weil es eine „Top Model“-Community gibt – Mädels, die das abends zusammengucken. Ohne so eine Verankerung wird es schwierig.

Wir mit OMR sind Teil der Online-Marketing-Community. Ich bin ein Teil davon, du ja irgendwie auch. Deswegen bis du erfolgreich als content producer: Du bist Teil dieser Szene. Das lässt sich international nicht so replizieren.

44:45

Alex: Schließen wir mit einer Frage von Podcaster zu Podcaster. Du bist ja ein Experte. Reine Aufmerksamkeitslehre à la Instagram: Man muss die Leute innerhalb von zwei Sekunden kriegen! Ihr macht aber mal sehr lange Folgen. Müssen wir eigentlich anfangen, aus unseren Podcasts die Kernaussagen rauszuschneiden und als kurze Audio-Datei auf LinkedIn hochladen? Das wäre ja aufwendig: Dann müsste jemand im Schnitt sitzen…

Philipp: Wir sehen, dass erfolgreiche Podcasts fast schon zu Medienfirmen werden. Bei OMR haben ja angefangen, Fußball MML zu produzieren – und vor kurzem eine eigene GmbH dafür gegründet. Tägliches Format, Merchandise, Events, Fernsehauftritte, Social-Media-Accounts: Es gibt so viel drum herum. Auch du bist mit Kassenzone auf LinkedIn und Twitter mit deiner Community im Austausch – und promotest den Podcast wohl mehr, als du selber merkst. Denn Content ist nur die Hälfte. Die andere Hälfte ist, wie es dargereicht wird.

(Alex wähnt eine andere, Instagram-geschulte Generation am Werk: Elias Vides, Pamela Reif. Ihm falle eine solche Content-Vermarktung schwer. Auch Philipp sieht sich bei Instagram nicht als „Native“. Sein Auge für passenden Insta-Inhalte werde aber immer besser: So etwa, als er beim Besuch bei Alex diesen in seiner nächstgelegenen Paketstation fotografiert habe…)

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