Mädchenflohmarkt.de – Maria Spilka & Peter Ambrozy

56:15

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Die „preloved fashion“ online Idee ist schon fast so alt wie das Internet, aber so richtig zum fliegen gebracht wurde es erst in den letzten Jahren. Das hat verschiedenen Gründe über die ich mit den beiden Mädchenflohmarkt Gründern Maria und Peter rede. Wie groß kann preloved Fashion werden und wie gut kann man damit Geld verdienen? Vor vier Jahren war zu dem Thema bereits Karo Junker (ViteEnVogue) zu Gast, die mich so überzeugt hatte, dass sie im nachfolgenden Digital Commerce Day direkt den Preis für das beste Geschäftsmodell abgeräumt hatte. Peter und Maria geben einzigartige Einblicke in den Markt und das Potential und natürlich stelle ich auch die Frage, warum das ein Zalando oder Otto nicht einfach auch machen könnten.

Alexander Graf

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Gebrauchtmode bzw. „preloved fashion“ mit Maria Spilka und Peter Ambroy, Gründern von Mädchenflohmarkt

Ob nun „Gebrauchtmode“, „Secondhand“ oder „Preloved“ – alle diese Begriffe beschreiben eine Idee, die im Zuge der fortwährenden Debatte um Nachhaltigkeit und die Zukunftsfähigkeit des Kapitalismus neuen Aufwind erhält: dass Kleidung solange weitergereicht und getragen wird, bis sie tatsächlich auseinanderfällt. Das funktioniert mit Herren- zwar genauso wie mit Damenmode, doch wie der Name Mädchenflohmarkt bereits erahnen lässt, lag der Fokus der Gäste in dieser Folge zunächst auf Letzterer. Wie es dazu kam, welche Auswirkungen der Name auf Geschäft und Zielgruppe hat und wie Mädchenflohmarkt den großen Plattformen heute die Hand reicht, erklären Maria Spilka und Peter Ambrozy. Maria ist Wirtschaftswissenschaftlerin sowie Fashionista und daher ihre „eigene beste Kundin“, während Peter – etwas weniger modeaffin – das Führungsteam coacht und die Shareholder betreut. Gemeinsam mit Thorsten Lückemeier gründeten sie 2012 das Unternehmen Mädchenflohmarkt, das heute 160 Mitarbeiter zählt.

„Viele Modehändler wollen Teil der Lösung werden“

4:40

Alex: Bevor wir einsteigen, muss ich erzählen, welche Berührungspunkte ich bisher mit dem Thema preloved fashion hatte: Ich habe vor vier Jahren eine Podcastfolge mit Karo Junker aufgenommen, der damaligen Geschäftsführerin von Vite EnVogue. Sie hat übrigens auf dem DCD (damals, als es noch echte Konferenzen gab!) den Preis für das beste Geschäftsmodell gewonnen. Sie hat mir bestätigt, dass die Kreislaufwirtschaft ein Modell ist, das für alle Seiten Sinn ergibt. Deshalb startet ihr heute bei mir schon einmal auf einem sehr hohen Sympathielevel. Dabei hatte ich schon lange zuvor angefangen, mich damit zu beschäftigen: Als ich 2008 bei OTTO im Business Development tätig war, habe ich eine Bachelorarbeit zum Thema „Gebrauchtmodehandel“ betreut – so haben wir das damals genannt. Meine Meinung: Das ist ein ideales Feature für eine Plattform, die schon viele Kundendaten hat und über Präferenzen und Gewohnheiten Bescheid weiß. Bloß: Der Einkauf will ja immer neue Ware verkaufen… Ich wäre sowieso kein guter Produktmanager in dem Segment: Für mich besteht der Warenkreislauf darin, dass ich paarmal im Jahr Hosen und T-Shirts kaufe und sie trage, bis meine Frau sagt, sie haben zu viele Löcher und ich die entsorgen muss.

Und jetzt zu euch. Lasst uns mit eurem Geschäftsmodell anfangen: Du, Maria, hast 2012/13 einen Pitch veröffentlicht. Wie sah euer Markt damals aus und welche strategische Perspektive habt ihr verfolgt?

Maria: Als wir gestartet sind, gab es in Deutschland zwei große Player: eBay und Kleiderkreisel. Letzterer heißt heute „Vinted“. Damals hatte ich persönlich das Gefühl, keine gute Plattform für meine Fashionartikel zu finden, weder online noch auf Flohmärkten. Ich hatte ehrlicherweise keine Lust, meine Mode zwischen Autoreifen und Gartenzubehör zu verkaufen oder eben auch zu finden. Im Gegensatz zu deinem typischen männlichen Verhalten, Alex, war ich zum Teil klassisch weiblich unterwegs: Vieles in meinem Kleiderschrank war so gut wie neu, an manchen Sachen waren die Preisschilder noch dran und ich war der Meinung, dass sie tatsächlich noch Wert hatten. Und Kleiderkreisel war damals eher noch ein Forum, in dem neben dem Austausch eventuelle Tauschgeschäfte im Vordergrund standen.

Die Lösung, die wir uns daraufhin ausgedacht haben, bildet heute den Kern von Mädchenflohmarkt: unser Consumer-to-Consumer-Marktplatz (C2C), mit der Spezialisierung auf Frauenmode aus allen Preissegmenten. Wir wollten Mode für alle zugänglich und erschwinglich machen. Und als Ergänzung dessen haben wir den Concierge-Service. Der soll Kundinnen mit höherwertigen Artikeln helfen, die davor zurückschrecken, ihre Kleidung zu verkaufen, weil ihnen der Verkaufsprozess zu zeitaufwändig und zu arbeitsintensiv ist. Für die übernehmen den kompletten Verkaufsprozess.

10:30

Alex: Der Concierge-Service deckt dann also eher das Premiumsegment ab. Können wir einmal beide customer journeys durchsprechen? Im C2C-Bereich stelle ich mir das so vor:  Ich fotografiere meine Sachen, schreibe etwas dazu, stelle das online, lege einen Preis fest – wahrscheinlich schlagt ihr mir auch einen Preis vor – und dann warte ich wahrscheinlich wie bei eBay-Kleinanzeigen, bis sich jemand meldet und mich bittet, ihm die Sachen zuzuschicken. Das tue ich dann, und die Zahlungsabwicklung läuft über euch und ihr bekommt einen Teil vom Umsatz. Ist das so?

Maria: Ja.

Peter: Genau, wir übernehmen die Zahlungsabwicklung und du erhältst ein Paketlabel von uns. So kann der Käufer wissen, ob du das Paket schon abgeschickt hast und wann es ankommt, wie im klassischen E-Commerce.

Alex: Und was nehmt ihr dann quasi als Marge?

Peter: Die C2C-Provision beträgt 10 Prozent, so, wie du es von eBay auch kennst.

Alex: Kommen wir zu eurem Concierge-Service. Wird man dafür ausgewählt oder kann euch einfach jeder Sachen schicken?

Maria: Gerade in den Anfangszeiten von Mädchenflohmarkt kam es vor, dass Kundinnen uns einfach Sachen zugeschickt oder zumindest kurz angerufen und nachgefragt haben. Heutzutage wird man auf unserer Plattform direkt darauf hingewiesen, dass es diese beiden Optionen gibt. Wer Lust hat, den Concierge-Service zu nutzen, lädt sich einen vorfrankierten Versandschein herunter und klebt den auf das Paket mit den aussortierten Klamotten – das von der Größe her meist schon in Richtung Umzugskarton geht. Das kommt dann bei uns an und geht in die Abwicklung.

(Dieser Service spielt im Geschäftsmodell insofern eine übergeordnete Rolle, als dass Mädchenflohmarkt die ersten auf dem deutschen Markt waren, die ihn anboten. Das nahm vielen Kundinnen eine Arbeit ab, die sich ungern gegeben hätte: Sortieren, Fotografieren usw. „Dadurch erreichten wir eine Zielgruppe, die bis dato gar nicht verkaufte“, merkt Peter an und ergänzt, dass bislang auch kein Player diesen Service in vergleichbarer Ausprägung anbietet. So entwickelte sich der Concierge-Service zum Alleinstellungsmerkmal von Mädchenflohmarkt.

Übergeordnetes Ziel sei dabei, auf beiden Wegen das Inventar auf der Plattform stetig zu erweitern. Bei Mädchenflohmarkt korrelierten nämlich die Zahl der angebotenen Artikel statistisch zu 100 Prozent mit dem Umsatz, der sich heute im zweistelligen Millionenbereich bewegt. Ohne Inventar kein Wachstum.)

14:55

Alex: Eine Frage, um den Concierge-Service noch ein bisschen besser zu verstehen: Angenommen, meine Frau oder meine Mutter schickt euch so eine Umzugskiste voller Sachen. Wie viel Inhalt ist für euch relevant, wie viel schickt ihr zurück?

Peter: Das ist ein relativ stabiler Wert. Von der Ware, die wir erhalten, können wir derzeit saisonal zwischen 28 und 31 Prozent nicht prozessieren. Das liegt zum Beispiel daran, dass Kunden kleine Defekte übersehen haben oder Unterwäsche oder Bademode einschicken, die schon getragen wurde. Die prozessieren wir natürlich nicht, und auch keine Artikel unter fünf Euro.

Alex: Werdet ihr dann Eigentümer und damit Händler der Ware, die ihr erhaltet und einlagert, oder seid ihr eine Art kommissarischer Vermittler?

Peter: Wir sind eine kommissarische Zwischenstelle und verkaufen die Ware auf Kommissionsbasis. Die 430.000 Artikel, die wir derzeit lagern, kosten uns also nur Miete und Personalkosten, aber kein gebundenes Kapital.

Alex: Und wie viel von der Ware, die ihr vereinnahmt, wird am Ende des Tages verkauft? Nehmen wir mal die Warenkohorte aus dem Jahr 2019. Hängt davon noch etwas im Lager?

Peter: Über einen Zeitraum von ungefähr 18 Monaten erreichen wir eine Liquidität, also eine Abverkaufsquote von ungefähr 75 Prozent. Der Zeitraum ist aus zwei Gründen so lang: In den Frühjahrsmonaten schicken uns Kundinnen vor allem Winterware, und im Gegensatz zu Ankäufern nehmen wir diese Ware auch außerhalb der Saison an, weil wir sie lagern können. Das heißt, knapp neun Monate, bis es wieder Herbst/Winter wird, lagern wir die Ware erst einmal mit einer geringeren Liquidität. Natürlich gibt es auch Kundinnen, die professioneller denken und uns im Frühjahr auch Frühlingsmode schicken, und die verkauft sich dann auch recht schnell. Daraus ergibt sich dieser Liquiditätswert, der für einen Ankäufer vielleicht nicht ganz kompetitiv, aber in unserer Branche sehr, sehr hoch ist.

Alex: Das ist ja auch erstmal ganz cool. Und der Einnahmen-Split, wo liegt der?

Peter: Wir haben eine Provision von 40 Prozent und eine Mindestprovision für günstigere Artikel von 9,90 Euro.

Alex: Wie verdient ihr bei 9,90 Euro auch an dem zigsten weißen T-Shirt, das ihr abwickelt, noch Geld? Das muss ja schon bei der Beschreibung anfangen. Ihr müsst es auspacken, die Qualität begutachten, es fotografieren, online einstellen, verpacken und vielleicht gibt es sogar Retouren … Das klingt für mich alles mehr nach 49,00 Euro Mindestverkaufsgebühr. Könnt ihr da mal ein bisschen Licht ins Dunkel bringen?

Peter: Wir haben diesbezüglich eine klare Philosophie: Es ist für uns kein Kreativprozess, sondern ein klassischer industrieller Prozess, den wir abbilden. Da kommt Ware, und die wird maximal effizient durch alle unterschiedlichen Stufen durchgeschleust. Das heißt, einen Artikel zu prozessieren oder zu „produzieren“, wie wir es nennen, kostet uns keine 2,50 Euro.

Alex: Krass!

Peter: Warum ist das so? Weil wir jegliche Prozessschritte selbst entwickelt haben, jetzt nicht nur prozessual oder technisch, sondern auch softwareseitig. Das heißt, bei uns ist das maximal technologiebasiert. Der Mensch spielt eine große Rolle bei der Beschreibung der Artikel und auch bei der Fotografie. Alles andere macht eigentlich die Maschine.

20:00

Alex: Okay. Zu dem Prozess kommen wir gleich noch einmal ausführlicher. Vorher würde ich gerne kurz einen Blick auf eure Kunden werfen. Wie kommt ihr an eure Kunden und wie treu sind sie euch? Es gibt die Domain maedchenflohmarkt.de, auf der die 430.000 Artikel aus eurem aktuellen Lager gelistet sind, plus die Marktplatzartikel. Reicht dieser Longtail, um über Google genug Kunden zu bekommen, oder müsst ihr klassisches Performancemarketing machen?

Peter: Im Verhältnis zu anderen Playern, auch den größeren wie Vinted, wird relativ schnell ersichtlich, dass wir durch die Menge und die Vielfalt unserer Artikel einen starken kompetitiven Vorteil haben. Diesbezüglich muss man aber auch wissen, dass unsere Bestandskunden unser größtes Asset sind: Seit jeher kommen 80 Prozent unserer Umsätze über den Bestand.

Organisches Wachstum über Google ist der nächstbeste Kanal, den wir uns aufgebaut haben. Wir testen zwar auch Performancemarketingkanäle, haben aber nicht das gleiche Skalierungspotenzial wie die klassischen Händler. Wir haben dieselben Waren im Sortiment wie ein Zalando oder ein AboutYou, und natürlich stehen wir da in einem Bieterwettbewerb, wobei unsere Margen deutlich geringer ausfallen. Deshalb stellen andere Kanäle wie Social eine perfekte Ergänzung für uns dar. Da sind wir historisch groß – auf Facebook und Instagram haben wir eine riesengroße Reichweite. Dieses Zusammenspiel zwischen organischem Wachstum über Google und Social Media ist für uns die ideale Kombination.

Alex: Ich verstehe, dass ihr euch in diesen Bieterwettbewerb nicht hereintrauen solltet. Ihr habt eine sehr selektive Auswahl, und da kriegen Zalando, AboutYou und teilweise auch Amazon noch über teils viel größere Marken den Warenkorb noch eher profitabler als ihr …

Peter: Tatsächlich haben wir gegenüber allen anderen Plattformen in Sachen Marken einen großen Vorteil: Alles in allem führen wir mittlerweile über eine Million direkt verfügbare Artikel – circa 600.000 auf dem Marktplatz und eben die 400.000 Concierge-Artikel. Und das Spannende ist: Die verteilen sich auf nahezu 20.000 unterschiedliche Marken. Ich bin jetzt nicht ganz auf dem Stand, würde aber schätzen, dass Zalando und AboutYou circa 4.000 Marken listen. Bei uns finden Kundinnen auch Marken wie H&M und Zara und Co. Dadurch werden wir gefunden, beziehungsweise steuern uns viele auch genau wegen dieser Marken an.

(Somit kommen die Drei auf das Thema Kundenloyalität zu sprechen. Maria sieht die Hauptmotive loyaler Kundinnen einerseits in dem Vertrauen, um das sich das Mädchenflohmarkt-Team ab dem ersten Kontakt bemüht, und andererseits in den attraktiven Preisen. Diese gründen auf der Daumenregel „50 Prozent vom Neupreis“. Darüber hinaus arbeitet Mädchenflohmarkt stark mit transaktionalen E-Mails sowie daran, Käuferinnen auch als Verkäuferinnen zu aktivieren. Derzeit treten circa 20 Prozent der Mädchenflohmarkt-Kundinnen in beiden Rollen in Erscheinung.)

26:05

Alex: Für die meisten Händler ist das customer relationship management (CRM) immer noch ein Buch mit sieben Siegeln, auch wenn die Entwicklung in die richtige Richtung geht und immer mehr Unternehmen auf conversational commerce setzen, zum Beispiel über Facebook oder Messenger-Dienste. Wie macht ihr das? Wie viele E-Mails versendet ihr pro Tag und wie individuell sind die, oder nutzt ihr auch schon WhatsApp oder Signal?

Maria: Ich denke, in Sachen Kommunikationskanäle sind wir derzeit eher noch zurückhaltend unterwegs. Neben unserer Website haben wir zwei native Apps für Android und iOS, über die wir Push-Benachrichtigungen verschicken. Die helfen uns dabei, die Frauen und Mädels Schritt für Schritt durch die user journey zu führen. Das machen wir wirklich schon fast seit Anfang an, aber damals gab es keine guten Anbieter. Deshalb haben wir aus unserer Anfangszeit heraus sehr viel selber entwickelt.

Peter: Außerdem haben wir eine Art „humanes CRM“. Das klingt total wichtig, bedeutet aber nichts anderes, als dass Menschen ihre Modepräferenzen über unseren Feed selber konfigurieren, und so auch gleichzeitig mit anderen Nutzern interagieren. Jeder schneidet unsere Plattform auf seine Bedürfnisse zu und diese Interaktionen zwischen Nutzern sind auch nicht durch uns initiierte Kontaktpunkte, sondern wirklich bedarfsorientiert: Jemand möchte ein Produkt kaufen, hat eine Frage, will den Preis verhandeln, und schon greifen diese Mechanismen. Da gibt es von uns höchstens noch ergänzende, hilfreiche E-Mails dazu.

30:10

Alex: Im Kern ist euer Geschäftsmodell also sehr stabil und profitabel. Allerdings habe ich in den letzten Jahren auch gelernt, dass sich fast alle im second-hand-Bereich tätigen Unternehmen bei sehr starkem Wachstum mit der Gesamtprofitabilität schwertun. 2016 stieg Vorwerk als Investor bei euch ein … Wie ist das heute? Wachst ihr aus euch heraus, profitabel, oder benötigt ihr, solange das Wachstum noch anorganisch ist, externe Finanzierung?

Peter: Da muss man unterscheiden. Wenn du es klassischerweise auf eine Gewinn-und-Verlust- oder Deckungsbeitragsrechnung herunterbrichst, sind wir schon fast seit jeher DB3-profitabel. Das heißt, wir nehmen alle variablen Kosten inklusive der Marketingausgaben über das ein, was wir da tagtäglich verkaufen. Tatsächlich benötigen wir aber nach wie vor Wachstumskapital, weil wir natürlich auch unsere Entwickler und alle anderen Menschen bezahlen wollen, die bei uns im Unternehmen arbeiten. Und solange wir nicht entscheiden, EBIT-profitabel oder Cashflow-positiv zu sein, forcieren wir eben Wagniskapital.

Alex: Ihr habt die Domain maedchenflohmarkt.de gewählt. Die ist ja aus vielerlei Hinsicht sehr nischig. Zum einen sind es Mädchen, zum anderen hat „Flohmarkt“ eine bestimmte Konnotation. Sehe ich das richtig, begrenzt ihr eure eigene Zielgruppe mit diesem Brand?

Maria: Dieselbe Frage haben wir uns am Anfang auch gestellt. Aber wir konnten über die Jahre hinweg beobachten, dass das nicht stimmt, dass es dabei vor allem um Vorurteile geht, die zur Sprache kommen und deshalb sicher auch Herausforderungen darstellen. Wir haben unsere Gründe, warum wir auch neun Jahre später noch an unserem Namen festhalten. Zum einen glauben wir, dass „Mädchenflohmarkt“ eine selbsterklärende Kategoriebezeichnung ist. Es existierten schon Offline-Mädchenflohmärkte, bevor wir das Unternehmen gegründet haben. Jede Frau weiß, was ein Mädchenflohmarkt ist – ein Event, ein Happening, wir Mädels unter uns, vielleicht noch bei Musik und Cupcakes. Und das ist die Konnotation, die wir in die digitale Welt transportieren wollen.

Tatsächlich sind unsere Kundinnen im Schnitt Mitte 30, wobei die Verkäuferinnen immer ein bisschen älter sind als die Verkäuferinnen. Und mittlerweile richten wir uns auch schon an deutlich ältere Kundinnen, zum Beispiel mithilfe von Kooperationen, durch die wir durchaus auch die Damen 50+ als Kundinnen aktivieren wollen. Trotzdem ist die Story dahinter immer „Wir Mädels unter uns“, weil eben auch die 50-Jährige sich noch als Mädchen empfinden kann.

Und „Flohmarkt“ kann zwar günstig klingen, beschreibt aber auch sehr gut, worauf wir hinauswollen. Es gibt sehr, sehr viele Modelle, die den reinen Luxusmarkt adressieren. Wir fahren die Gegenstrategie. Wir haben beobachtet, dass die Kundinnen, die Verkäuferinnen vor allem, die Louis Vuitton konsumieren, eben auch Zara und H&M haben. Wir wollen die eine Plattform sein, wo sie die gesamte Bandbreite ihres Kleiderschranks verkaufen können. Wenn wir also über das preisliche Sortiment sprechen, dann bilden wir eigentlich den durchschnittlichen Kleiderschrank einer deutschen Frau ab.

(Immerhin zielt Mädchenflohmarkt damit auf eine Zielgruppe ab, die allein in Deutschland schätzungsweise 25 bis 30 Millionen Menschen umfasst. Und auch in sieben anderen Ländern ist Mädchenflohmarkt bereits unter dem vergleichsweise generischen Namen „Preloved“ aktiv. Allerdings räumt Peter ein, dass der Auslandsumsatz bislang noch keine große Rolle spielt und die Aktivitäten auf ausländischen Märkten deshalb eher einem minimum viable product gleichkommen. Alex pflichtet bei: „Einfach nur Inventar unter einer anderen Domain, vielleicht auch noch automatisch übersetzt, live zu stellen, reicht in einer sehr wettbewerbsintensiven Online-Welt nicht mehr aus“. Peter indes sieht vor allem in den Versandkosten einen großen Hinkelstein.)

41:10

Alex: Die Idee, die ich 2008 gemeinsam mit der Studentin in ihrer Bachelorarbeit erarbeitet habe, wird jetzt allmählich bei Zalando und AboutYou realisiert. Was passiert bei eurer Kooperation mit AboutYou genau?

Maria: Ende letzten Jahres hat AboutYou eine neue Kategorie eingeführt namens „Second Love“. Über die können Kunden jetzt erstmals auch Secondhand-Artikel kaufen. Dazu hat sich das Unternehmen einige Partner ins Boot geholt, die ihr Sortiment zur Verfügung stellen. Wir sind einer davon: Von den 370.000 Produkten in der Kategorie kommen circa 340.000 Produkte von unserem Concierge-Service. Da stellen wir also „nur“ unser Sortiment zur Verfügung.

Es gibt aber auch andere Kooperationsformen. Seit 2017 arbeiten wir zum Beispiel auch mit Breuninger zusammen, die ihren eigenen Kundinnen anbieten, unseren Concierge-Service zu nutzen und von den Verkaufserlösen einen Einkaufswertgutschein über diesen Wert zu erhalten, den sie wieder im Breuninger-Ökosystem nutzen können.

Peter: Für einen Händler ist das eine riesige Chance. Und damit meine ich nicht nur diese Form der Wertschöpfung. Das Datengame dahinter, das spielt hier ja eigentlich noch keiner richtig. Schließlich hat man mit jeder Zusendung die Möglichkeit, noch mehr über die eigenen Kunden zu erfahren.

46:10

Alex: Aber was heißt das für euch? Werdet ihr dann zu einem technischen Dienstleister, und weniger zur Plattform, auf der Endkunden kaufen? Die großen Plattformen wie Zalando können diesen Kreislaufansatz ja deutlich effizienter angehen als irgendwelche kleinen Plattformen, und könnten euch dann eben als Dienstleister oder Abwickler für die Reste nutzen, die sich nicht gut drehen. Ist das nicht die Gefahr, die daraus entsteht, oder ist das eher eine Chance?

Peter: Je nachdem, ob du das Glas halb voll oder halb leer siehst. Wir reden ja über second hand, und second hand ist eben noch in der Pike seiner Daseinsberechtigung. Die meisten können damit noch gar nicht so viel anfangen. Das heißt, jeder große Player hilft uns, Vertrauen aufzubauen und Zugang zu schaffen. Und zur Abwicklung: Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Händler jetzt beginnen könnte, diese Prozesse aufzubauen, vor allem nicht in Teilen. Wenn, dann übergibt er ihn komplett an einen Partner wie uns. Denn das ist ja das Besondere an dem, was wir tun: Wir übernehmen den schlimmsten Händlerprozess. Wir bekommen nämlich unqualifizierte Ware zugeschickt, die wir qualifizieren müssen.

Maria: Ich würde gerne noch etwas ergänzen: Wir sprechen gerade tatsächlich über große Player wie ein Zalando und ein AboutYou. Aber tatsächlich ist die Modeindustrie, vor allem online, wesentlich größer. Und wir beobachten, dass viele Modemarken und -händler heute Teil der Lösung werden wollen. Die Forderung an sie, in der Kreislaufwirtschaft zu denken, wird immer größer, und nicht jeder hat die Kapazitäten oder den Wunsch, diesen Prozess selber abzubilden. Das heißt also auch jenseits der großen Player gibt es viele Händler, die auf uns zukommen können.

(Ob er das Glas nun halb voll oder halb leer sieht, damit hadert Alex auch in den letzten Minuten der Folge noch ein wenig. Abschließend erläutern Maria und Peter, welcher Anteil des Mädchenflohmarkt-Geschäfts inzwischen mobil  (70%+) und über App (30%) abgewickelt wird und warum Desktop aber noch für die Konversion entscheidend ist. Zum Schluss geht es darum, wie gut das Alleinstellungsmerkmal Concierge gegen venture-capital-finanzierte Angriffe zu verteidigen ist.)

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