Jens Wasel ist für mich die erste Wahl, wenn es um Informationen rund um das Amazon Ökosystem geht. Er ist einer der größten Marktplatzhändler in Europa und hat somit sehr viele Datenpunkte, um qualifiziert über Amazon, eBay und Co. zu reden. Schon vor vier Jahren haben wir uns im Rahmen der K5 Konferenz intensiv unterhalten welche langfristigen Chancen Händler wie er haben und sein Erfolg gibt ihm Recht. Mit ca. 50 Mio. Umsatz und einem klaren Plan wie er die 100 Mio. Euro erreichen will muss man ihm zuhören. Die Dinge die er sagt, geben „Hobby Händlern“ die schnell reich werden wollen mit Amazon allerdings wenig Hoffnung. Gemessen an den kürzlich veröffentlichten Quartalszahlen, muss sich Amazon wirklich noch keine Sorgen machen. Nix da mit Peak Amazon als (bisher).

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Marktplatzhandel mit Jens Wasel, Gründer und Geschäftsführer von KW Commerce

Mit KW Commerce ist Jens Wasel einer der größten Amazon-Marketplace-Händlern weltweit. Dieser Podcast entstand in Zusammenhang mit einem Streitgespräch zwischen Alex und Sven Schmitt von OMR über die Frage, ob der Seattler Riese schon seinen Höhepunkt überschritten habe. Alex‘ These in Kürze: Amazon tue längst nicht mehr genug – weder für Hersteller noch Händler noch Kunden. Da er mit Jens schon vor vier Jahren über Amazon gesprochen hatte (als Kassenzone-Folgen noch teilweise in unter 15 Minuten über die Bühne gingen!) – und da dessen Erfolg auf der Plattform anhält – wollte Alex seine Perspektive zum Stand und zu den Aussichten von Amazon einholen. Auch Thema: Wer hat heutzutage auf der Plattform überhaupt noch eine Chance? Und was ist mit anderen Marktplätzen?

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„Ob Amazon dann noch die unangefochtene Nummer Eins ist, wird uns egal sein können“

2:50

Alex: Bevor wir gleich in die Details einsteigen, erzähl den Hörern bitte erst einmal, wer du eigentlich bist und was du eigentlich machst!

Jens: Ich bin Geschäftsführer von KW Commerce, ein Unternehmen, dass ich 2012 zusammen mit Max Kronberg gegründet habe. Wir sind ein marketplace pure player, was heißt, dass wir unsere Produkte wirklich ausschließlich auf Marktplätzen wie Amazon, eBay und Otto anbieten. Unser Ansatz ist stark international: Nicht nur Europa, sondern auch USA, Kanada, Mexico, Japan und Indien sind wichtige Märkte für uns.

Wir arbeiten mit drei Eigenmarken: kwmobile, kalibri und Navaris. 2012 starteten wir mit Smartphone-Zubehör, erweiterten uns aber 2016 mit Navaris in die Bereiche Home & Living sowie Sport & Leisure. Wir schauen uns an, was auf Marktplätzen nachgefragt wird und überlegen uns, wie wir die vorhandenen Produkte verbessern können.

Derzeit beschäftigen wir über alle Standorte 270 Mitarbeiter und bedienen über 6 Millionen Kunden pro Jahr.

Alex: Damals im Podcast – es muss rund Nummer 70 gewesen sein – stellte ich dir die Frage: Wie wird man Amazons größter Händler? Das war auf der K5 Konferenz, die ja noch in München stattfand…

Jens: Jetzt ist sie nach Berlin gekommen, wo wir auch sitzen. Es hat sich seitdem auch bei uns sehr viel verändert. Damals waren wir fast ausschließlich im fulfilment-by-merchant-Model (FBM) unterwegs: An einem Montag gingen einmal bei uns 35.000 Sendungen über die Theke. In der Zwischenzeit sind wir eher zu FBA (fulfilment by Amazon) übergegangen. Diese Nutzung der Amazon-Logistik hat unseren betrieblichen Alltag stark geändert: Wir sind operativ von B2C – also Päckchen direkt an den Konsumenten – zu B2B gewechselt. Das heißt: Stückgut, Paletten, ganze LKWs zu Amazon.

Darüber hinaus haben wir viel in Asien investiert, wo wir drei Standorte haben. Zwei davon sind im chinesischen Dongguan, wo wir vor einem Monat ein eigenes Lager mit knapp 4.000 Quadratmetern eröffnet haben. Dort sitzen auch 85 von unseren Mitarbeitern. In Hong Kong haben wir im März dieses Jahres einen zusätzlichen Standort mit 10 Mitarbeiter für Einkauf und Qualität aufgemacht.

Auch in Deutschland sind wir gewachsen. Wir sind mit unserem Lager in Berlin von 7.000 citynahen Quadratmetern in Charlottenburg nach Großbeeren auf 13.000 Quadratmeter Lagerfläche gezogen, um für weiteres Wachstum in Zukunft gerüstet zu sein.

7:30

Alex: Erst einmal würde ich gern deine Ansicht zu Amazon im Allgemeinen hören. Du kennst wahrscheinlich schon den Beitrag von meinem E-Commerce-Buch-Co-Autor Holger Schneider auf Etailment: „Amazon und die Grenzen des Long-Tail“. Argument: Amazon erstickt an der eigenen Größe. Die schaffen es nicht mehr, die schiere Anzahl der gelisteten Produkte in einer Weise aufzubereiten, dass es für den normalen Nutzer Spaß macht. In jeder Kategorie gibt es ein mittlerweile kaum noch filterbares Überangebot, worunter zunehmend Fake-Produkte auftauchen. Aus seiner Sicht führt das zu einem schlechten Kundenerlebnis – und dadurch zu Angriffsmöglichkeiten für Wettbewerber.

Jens: Holger hat in gewisser Weise schon recht. Es gibt eine regelrechte Seller- und Artikel-Flut auf Amazon, sodass man sich schon die Frage stellen kann, ob noch mehr Produkte, noch mehr Long-Tail den Kunden wirklich was bringt. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass sich Amazon der Probleme bewusst ist. Und wie bei allen großen Unternehmen brauchen sie dann Zeit, diese Probleme zu lösen.

So hörte man diese Woche, dass nach Jahren der Gerüchte das Vine-Programm jetzt endlich auch auf Seller ausgedehnt wird. Das ist ein Mittel, das grassierende Problem der gefälschten Produktrezensionen anzugehen. Die ultimative Lösung ist das zwar noch nicht. Das muss sehr viel mehr getan werden. Aber Amazon ist dran.

Wir als Unternehmer sind häufig im Beta-Programm und haben einen regen Austausch mit Amazon –das ist übrigens das, was eBay ein bisschen verlernt hat. Bei Amazon gab es früher wenig Ansprechpartner. Jetzt haben wir Kontakt zu Leuten in Seattle, zu Marketing und Logistik – und können viel Input geben. Wir merken, dass vieles, was wir vor anderthalb Jahren angesprochen haben, jetzt auch kommt. Es dauert eben. Und wo du recht hast: Wenn Amazon zu lange braucht, dann kommen andere.

Bei uns gibt es jedenfalls das langfristige Ziel, der weltweit führende Marktplatzhändler zu werden – und ganz bewusst nicht „der größte Amazon-Händler“. Das heißt: Wie fokussieren uns auf Marktplätze. Und wenn ein anderer Marktplatz kommt, der besser ist, sind wir auch da mit dabei.

(Bevor es thematisch weitergeht, bittet Alex, Jens das Sortiment und die Platzierung von KW Commerce in Detail zu beschreiben. Wie kommen sie auf neue Produktideen, wie sourcen sie diese Produkte und wie bringen sie sie an die Endkunden?

Jens umfasst das mittlerweile über Handyzubehör hinausgehende Sortiment mit dem Begriff „everyday life products“. Der Ansatz sei ausgesprochen nachfragegetrieben: Was suchen Kunden auf Marktplätze? Was schreiben sie über bestehende Produkte in Rezensionen? Auf der Basis entwickele KW Commerce dann mit Lieferanten – vorwiegend in China – neue Produkte. Am Beispiel eines Retro-Plattenspielers lässt sich Alex dieses Produktsourcing genauer schildern. Schon ab 1.000 Stück könne KW produzieren lassen, was es der Firma erlaube, in der wettbewerbsärmeren Nische zu arbeiten. „Die schwarze Powerbank brauchen wir nicht zu machen – die macht ja Amazon. Wir würden, wenn überhaupt, die weiße machen.“ Zudem geht Jens die Logistikkette ab Werk zum Kunden – mal über das eigene Lager, mal über Amazon-Fulfilment-Center – Schritt für Schritt durch.)

18:25

Alex: Ihr könnt also relativ effizient auf Marktplätzen arbitrieren, sprich: Euch genügt es, 1.000 Plattenspieler für 50 Euro zu verkaufen, wo ein anderer sie für 80 Euro anbieten oder gleich eine viel größere Menge loswerden müsste.

Jens: So kann man es verstehen. Wobei wir natürlich den Plattenspieler erst einmal für 60 Euro reinstellen würden – mit dem Wissen im Hinterkopf, dass wir den auch zu 55 oder notfalls 50 Euro noch gewinnbringend verkaufen können. Wir haben immer genug Marge auf den Produkten. Intern stellen wir uns so auf, dass wir perspektivisch eine Umsatzrendite von 10,x% schaffen, wo normale E-Commerce-Unternehmen eher 3,x% anstreben. Wir haben in der Vergangenheit schon bewiesen, dass das möglich ist.  

Alex: Seid ihr eigenfinanziert?

Jens: Ja, wir sind bislang organisch gewachsen – sind aber 2019 auf Wachstumskurs gewesen und werden vermutlich 45% erreicht haben. Das geht natürlich nicht mehr, wenn man nicht mal die eine oder andere Bank mit an Bord nimmt, um Ware vorzufinanzieren. Das war früher bei dem kleinen Zubehörsortiment anders.

Alex: Wieviel Umsatz macht ihr?

Jens: Für 2019 werden es rund 55 Millionen Euro gewesen sein: Für 2021 peilen wir die 100-Millionen-Marke an.

20:45

Alex: Wenn ich so darüber nachdenke, was ihr alles operativ aufgebaut habt, um 1.000 Plattenspieler in den Markt drücken zu können, kommen mir die Ratschläge in Facebook-Marktplatz-Gruppen reichlich verwegen vor: „Du möchtest auch bei Amazon erfolgreich werden? Such dir einfach ein Nischenprodukt ohne viel Wettbewerb und importiere es mal!“

Jens: Da war die letzten Jahre viel Hype. Ich sehe das so: Es wird in Zukunft immer schwerer sein, in diesem Mittelfeld „5 bis 75 Mitarbeiter“ zu überleben. Was immer gehen wird: Einzelkämpfer, die es ohne Fixkosten aus dem Wohnzimmer machen; da wird man immer paar Produkte profitabel absetzen können. Wer aber dann versucht, zu wachsen… Da sind wir sehr froh, dass wir schon 2012 angefangen haben! Damals war es einfach eine gute Zeit, über die Marktplätze zu skalieren. Heute würde ich es definitiv nicht mehr machen.

Alex: Und was bewahrt euch eigentlich davor, dass deine asiatischen Hersteller auf die Idee kommen, dass sie dich gar nicht brauchen und ihre Produkte selber bei Amazon oder Alibaba listen können?

Jens: Das haben auch schon viele unserer chinesischen Lieferanten gemacht. Sie kommen aber zu uns zurück, weil sie merken, dass ihr Geschäft die Produktion ist. Themen wie Lieferkette, Umsatzsteuer, Marketing (Rezensionen, Search-Ads, Retargeting) beherrschen sie alles nicht. Auch Kundenservice ist ein Thema: Mit GoogleTranslate geht es doch nicht. Man braucht englisch-, italienisch- oder spanischsprechende Leute.

Da haben wir nicht umsonst fast 300 Leute beschäftigt, um diese ganzen Zahnräder ineinandergreifen zu lassen. Ein Fall ist mir bekannt, wo es schiefgegangen ist für einen chinesischen Hersteller, der einen siebenstelligen Warenwert bei Amazon hatte, dessen Seller-Account aber wegen Mehrwertsteuerunstimmigkeiten geschlossen wurde. Wir haben uns als Spezialisten, die das gut können, positioniert.

(Alex stellt ein Gedankenspiel an. Angenommen, KW Commerce schafft es, der weltgrößte Marktplatzhändler zu werden: Wie sehen die 1.000 Mitarbeiter, die es dann beschäftigt, aus? Ausgehend vom Jetztzustand, so Jens, würde die BI- und Datenanalyseabteilung groß sein; IT insgesamt hätte schon 70 bis 80 Stellen. Händler mit eigener Plattform brauchten hier natürlich mehr. KW sei keine tech-company, so Jens, sondern eine tech-enabled company. Einkauf, Qualitätskontrolle, und Lager würden einen wesentlichen Prozentsatz der Stellenverteilung ausmachen: Hier würden die Standorte in Asien wohl mit 300 Mitarbeitern zu Buche schlagen. Der Rest würde sich über Abteilungen wie HR, Marketing oder Produktmanagement verteilen.)

27:50

Alex : Bei der Infrastruktur, die ihr aufgebaut habt, müsste es für Dritte – Hersteller, aber auch Influencer – attraktiv sein, euch als eine Art Service-Unit zu benutzen. Angenommen, ich wäre ein supererfolgreicher Podcaster und alle würden mich immer fragen, was ich für ein Mikrofon benutze, um meine Folgen aufzunehmen: Könnte ich zu dir kommen und aus den Podcasts bei euch ins Amazon-Account verlinken? Wäre das ein Deal für euch?

Jens: In der Zukunft könnte so etwas relevant werden. Mit einem Konzept, das wir intern „KW Marketplace“ nennen, haben wir schon Kooperationen mit Bosch und ZF getestet, in denen wir deren Produkte bei uns platziert haben. Bei solchen Herstellern ist die Rechtsabteilung schnell mal vier Monate dabei, die AGBs von Amazon zu prüfen, um zum Ergebnis zu kommen, dass sie geändert werden müssen – aber Amazon wird sie auch für große Marken gar nicht ändern. Ob das ein Erfolgsmodell ist, weiß ich einfach noch nicht. Ich glaube eher, dass wir mit kleineren… du sagst: Podcastern…

Alex: Ich bin Microinfluencer – und Mikro-Influencer!

Jens: … oder Instagrammern Cases finden werden. Wenn die Shopping-Funktion auf Instagram besser wird, zum Beispiel, könnte das gut funktionieren.

(Alex stellt die Frage, was der Wert einer Amazon-Marke eigentlich ist: Suche er nach „Kopfhörern“, so bekomme er als erstes Ergebnis eine Marke, von der er nie was gehört hat, und als zweites einen gesponsorten Eintrag von einer anderen no-name-brand. Erst danach kommt Bose – gefolgt von weiteren sich eher beliebig anhörenden Namen ohne jeglichen Wiedererkennungswert.

Das seien tatsächlich keine Marken, so Jens. Er sei der Meinung, dass Marken auf Amazon – auch KW – zunehmend durch Rezensionen ersetzt werden. Im Segment everyday life products sei Marke einfach nicht relevant. Der Amazon-Algorithmus bringe den Käufer schon zum richtigen Produkt: Da entschieden dann die Rezensionen.

Alex hält dagegen, dass Amazon völlig die Kontrolle über Neulistungen sowie Rezensionen verloren habe – und nennt als Beispiel Powerbanks, die nicht mal 1% der in der Produktbeschreibung genannten Leistung bringen.

Das Thema der Fakebeschreibungen und -rezensionen sei in E-Commerce-Kreisen zwar bekannt, so Jens, aber der durchschnittliche Amazon-Kunde wisse meistens nicht einmal, ob er bei Amazon selber oder bei einem Seller kaufe. Er vertraue noch auf Rezensionen. Erst im Schadensfall merke er was – und solche Fälle seien entgegen der landläufigen Wahrnehmung sehr selten – noch. Man sei aber jetzt am Scheideweg.)

34:55

Alex: Ich sehe vieles bei Amazon kritischer als du. Onliner – und nicht zuletzt Amazon selber – haben die Kundenerwartungen so massiv erhöht, dass man sich keine Fehler mehr leisten darf. Aber wir nehmen diesen Podcast zwei Tage verspätet auf, weil Amazon – oder DPD in diesem Fall – das Mikro, vor dem du sitzt, zu spät geliefert hat. Vor 10 Jahren wäre drei Tage Lieferzeit sensationell gewesen. Jetzt nicht mehr. Amazon scheitert an den eigenen Ansprüchen – und ich bin skeptisch geworden, ob Es trotz erheblichen Investments die seit Jahren bekannten Probleme noch in den Griff kriegt. Vielleicht ist die Produktvielfalt zu groß oder die technischen Systeme sind nicht mehr dazu fähig.

Jens: Spulen wir kurz zurück: Du hast ja gesagt, Amazon habe zu spät geliefert, um dich dann auf DPD zu korrigieren. Nicht Amazon hat hier zu spät geliefert – und das Problem mit den Paketdiensten hat Amazon früh erkannt, weswegen es jetzt eigene Dienstleistungen ausbaut (Stichwort: Amazon Logistics). Denn sie wollen den Leuten Geschwindigkeit zur Verfügung stellen und ihr Lieferversprechen einhalten.

Ich habe da meine eigene Statistik, die ich mit Trackingnummern zusammenstelle und in der Weihnachtszeit wird die Pünktlichkeit tendenziell schwächer. Insgesamt kann aber festhalten, dass die Lieferzeit zu rund 96% eingehalten wird. Das ist ein ganz guter Wert!

38:45

Alex: Wie relevant sind denn andere Marktplätze für dich? Ist Alibaba für euch als deutsche Firma wichtig, um Kunden in Deutschland anzusprechen?

Jens: Asiatische Marktplätze sind noch nicht relevant. Wir haben mal AliExpress ausprobiert, um den russischen Markt zu erschließen, was leider nicht so gut geklappt hat. Auf Wish waren auch kurz: Das hat für uns hinten und vorne nicht funktioniert!

Alex: Warum?

Jens: Das kann ich dir nicht sagen. Wir hatten 400 Produkte gelistet und fast keine Verkäufe erzielt – auch nicht, als wir die Produkte auf 1€ runtergesetzt hatten! Dann wurden unsere Listings aber gesperrt. Operativ war es dann immer ein Akt, sie wieder freischalten zu lassen.

Alex: Also auch für Profis ist es schwer, auf neuen Marktplätzen ein Geschäft aufzubauen…?

Jens: Was heißt „schwer“? Wir gehen hart nach betriebswirtschaftlichen Werten. Wenn also andere Themen vielversprechender sind, machen wir eher die. Konkret: Wenn Amazon einen neuen Marktplatz – wie letztens Indien – aufmacht, gehen wir erstmal mit Amazon nach Indien. Oder Otto: Das haben wir dieses Jahr angebunden und sind sehr zufrieden mit der Entwicklung. Da gibt es zwar viele Themen – etwa mit der technischen Infrastruktur – die angegangen werden müssen. Langfristig könnte Otto aber ein relevanter Player werden.

(Alex sieht sich KW-Produkte in der Otto-Umgebung an: Mit der Sucheingabe „Handyhülle“ komme KW schon an erster Stelle. Jens sagt, er freue sich darauf, seine Impulse auch bei Otto hineingeben zu können.)

41:45

Alex: Und was ist mit eBay? Alle regelmäßigen Hörer wissen, dass ich der größte eBay-Fan aller Zeiten bin…

Jens: eBay war ja unser erster Marktplatz und natürlich hängt so ein bisschen das Herz dran. Aber leider haben sie vieles in den letzten Jahren verschlafen – Rezensionen sind nicht nur Jahre, sondern gefühlt Jahrzehnte zu spät gekommen und trotz Fulfilment-Versuch gibt es immer noch kein ebenbürtiges Prime-Programm. Als USP von eBay kann man zwar aufführen, dass sie die Ware nicht selber verkaufen. Man kann aber auch sagen: Nur weil Amazon auch an den Endkunden verkauft, weiß es, was der Endkunde will… Jedenfalls ist eBay ist über die letzten Jahre nicht mehr so stark gewachsen. In einzelnen Ländern ist das Wachstum gar völlig zum Erliegen gekommen.

Alex: Jetzt nur für Deutschland: Amazon zu eBay. Ist das für euch ein Verhältnis von 10:1? 5:5? 6:4?

Jens: Ich schätze mal 7:1. Mit Tendenz dazu, dass die Lücke größer wird. Und wenn es für uns mit Otto so weiter geht, könnte es schon Q1 2020 eBay überholen.

(Alex spricht Jens auf den im Sommer 2019 von ihm interviewten Ralf Dümmel an, dessen Firma DS Produkte er als „ein KW Commerce der 80er“ zusammenfasst: DS entwickelt im Schnitt ein neues Produkt pro Tag, worunter naturgemäß nicht nur Renner, sondern auch viele Penner sind. Soweit von diesem Tempo entfernt sei KW bei der Marke Navartis für Home & Living nicht, so Jens: Mit der Smartphone-Zubehör-Marke seien es aber 200 neue Produkte pro Woche. Allerdings sei der Produktlebenszyklus von einer Handyhülle reichlich kurz.)

47:00

Alex: Auf Wish gibt es bei Powerbanks mal Produktangaben, die so absurd sind, dass man sofort sieht: Das ist technisch gar nicht möglich! Das ist ein absolutes Fake-Produkt! Trotzdem spricht das Kunden an, was eBay und Amazon merken. Im Kampf um den Kunden senken sie also ihre Qualitätsstandards.

Jens: Und das ist zu kurz gedacht. Bei Wish mag es ein paar Mal Wiederkäufe geben, aber irgendwann sagt sich der Kunde: „Hier bin ich schon ein paarmal auf die Nase gefallen. Das mache ich nicht mehr!“ Aber bei Amazon – das merkt man als Händler – steigen die Qualitätsanforderungen sogar. Beispiel Powerbanks und Batterien: Ab Januar braucht man neue Zertifikate, weil es neue EU-Regularien dazu gibt. Wish mag so etwas egal sein. Lädt man aber auf Amazon nicht das Zertifikat hoch, ist das Produkt sofort deaktiviert. Für den, der nicht ein ausgeklügeltes Qualitätsmanagement hat, wird es in den kommenden Jahren nur noch schwieriger werden.

Alex: Aber wie will Amazon die ganzen gefälschten Zertifikate kontrollieren? Denn ein großer Teil der Prüfung kann wohl nicht automatisiert werden, oder? Und mit einem Marktplatz mit Hundert Millionen Produkten bietet man hier einfach eine große Angriffsfläche. Hundertausende Mitarbeiter kann man nicht einstellen, um Zertifikate wirklich eingängig zu prüfen.

Jens: Aber vieles ist eben doch automatisierbar. Oder man lässt es von vornherein gar nicht zu, dass Seller ohne die passenden Dokumente überhaupt gelistet werden. Im Moment ist Amazon natürlich stark im Self-Service-Modus unterwegs: Du meldest Produkte an und sie gehen live. Diese Systeme werden aber in Zukunft anders werden – vor allem bei Hochrisikoprodukten wie eben die Powerbanks. Da wird ein starker Bereinigungsprozess stattfinden.

(Alex fragt, was Jens von regulatorischen Eingriffen hält. Wenn Marktplätze gesetzlich für ihre Angebote haften, hilft das, die Warenqualität und das Umsatzsteuermoral zu verbessern – oder macht es das Leben für kleinere Herausforderer nur unnötig schwierig? Jens findet Gesetzgebung per se hilfreich, aber auf die Umsetzung komme es an. Dass etwa die neue europaweite Marktplatzhaftung für die Ausweisung der Mehrwertsteuer mit Papierformularen implementiert wurde, sei nicht gerade der allersmarteste Weg gewesen. Er wünsche sich, dass die Politik auf Händler wie KW zugehe und sich in der Branche umhöre.)

54:00

Alex: Wenn wir uns wieder in vier Jahren zur dritten Ausgabe dieses Podcasts treffen: Was ist KW Commerce dann?

Jens: Umsatzseitig werden wir uns wahrscheinlich Richtung 200 Millionen bewegen – das ist aber nicht das Wichtigste. Mein Hauptthema wird sein: Was für eine Kultur entwickelst du? Ich bin seit paar Jahren daran, dass es den Leuten wirklich Spaß macht, bei uns zu arbeiten. Wir wollen Ziele setzen – und dann Gas geben, um sie zu erreichen. Ob Amazon da noch die unangefochtene Nummer Eins ist, weiß ich zwar nicht. Ich gehe noch davon aus. Aber mit der flexiblen Kultur und mit den Leuten, die wir aufbauen, wird uns das egal sein können.

(Alex enthüllt, dass er mittlerweile seine Gäste bei der nachträglichen Betitelung der Folgen zurate holt. Wünscht sich Jens ein „OMR.com-artiger“ Titel à la „Dieser Typ verdient 10 Millionen im Jahr auf Amazon mit dem Verkauf von Handyzubehör!“? Oder „So bleibt man Amazons größter Händler“ in Anlehnung auf den ersten Podcast mit Alex? Jens möchte im Titel die Zielsetzung „weltweit größter Marktplatzhändler“ untergebracht wissen.)

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