In den vielen Jahresrückblicken und Zukunftsprognosen ist der Handel mal wieder nicht gut weggekommen. Niemand geht mehr in die Innenstadt – alle schauen auf Amazon. Ich bleibe bei meiner “Prognose” zum Handel 2025 (Welcher Handel?) und glaube, dass wir in einer Plattformökonomie einen Markt einiger hochspezialisierter Händler + den Platformen sehen werden. Die mittelmäßigen Händler verschwinden, in der Innenstadt und online. Umso spannender bleibt deshalb für mich die Frage, ob es die bisher spezialisierten (Offline) Händler schaffen den Shift in die Plattformökonomie zu meistern. Beim Duftspezialist Douglas scheint es bereits schwer zu sein, bei Drogeriekönig Rossmann wird aller Voraussicht nach der Shift erst eingeleitet, wenn es schon zu spät ist. Dabei wäre für diese beiden Unternehmen der Shift (noch) sehr einfach zu handhaben. Dafür müsste man aber aber auf liebgewonnene Strukturen (Flächen) und Konzepte (IT = Cost Center) verzichten und das ist mit dem bestehenden Management bzw. Gesellschafterstruktur nicht möglich.

Aus diesem Grund habe ich mich sehr gefreut, dass mit Fressnapf nun ein weiteres Unternehmen das Ziel ausgerufen hat eine Plattform zu werden. Mit dem Progamm “Challenge 2025” möchte Torsten Toeller sein Unternehmen zur Plattform machen, schreibt die LZ:

Ein wesentlicher Eckpfeiler ist dabei eine Plattform-Strategie: „Im Jahr 2025 verstehen wir uns als der Marktplatz rund ums Tier“, skizziert Toeller das Modell. „Wir verbinden auf einzigartige Weise Produkte, Services, Informationen und Tierhalter mit ihren Tieren“, so der Gründer des Fachhändlers. Dies gelte für die Läden ebenso wie für das digitale Geschäft. Dem Vernehmen nach kann sich der Marktführer im stationären Tierbedarfshandel dabei auch vorstellen, im Rahmen des Marktplatz-Modells mit Dritten zu kooperieren. Dies gilt zum Beispiel für Service-Angebote, aber auch für den Verkauf von Artikeln.

Oha, bei Fressnapf scheint es noch eher um eine Plattform aus dem Web 2.0 Zeitalter zu gehen – Community und so. Das ist natürlich grober Unfug wie die vielen gescheiterten Community Ansätze zeigen, aber es bleibt etwas Hoffnung mit dem Hinweis auf das Drittgeschäft. Kleiner Reminder: Darum geht es in der Plattformökonomie. Spezialisten wie Fressnapf sind grundsätzlich in der Lage für ihre Kategorie den Kundenzugang zu kontrollieren und können diesen dann im Rahmen von Servicegeschäften weiterverkaufen. Das eigene Handelsgeschäft wird dann aus Ertragssicht zunehmend irrelevant. Plattformökonomie bedeudet den Zugang zum Kunden zu verkaufen. Diese Sicht ist aus Sicht stationärer Händler radikal, aber so funktioniert nunmal der Markt. Fressnapf hängt aber scheinbar noch in einer Zeit fest, die in vielen Branchen schon längst vorbei ist. Im Kampf um die stationäre Marktführerschaft werde noch immer Filialen en masse geöffnet (Euronics geht – Fressnapf kommt). Und genau aus dieser Perspektive heraus schaut Fressnapf auf den Onlinehandel – als weiterer Kanal im Multichannel Mix. (siehe LZ).

 „Wir müssen und werden online schneller ausbauen“, gibt Fressnapf-Inhaber Torsten Toeller die Zielrichung vor. Der Händler habe zu lange separat auf die Profitabilität des Online-Kanals geschaut, der bestenfalls eine schwarze Null schreibe. Entscheidend, so Toeller, sei allerdings die Sicht auf den Kunden: Cross-Channel-Nutzer, die beide Kanäle nutzen, kaufen pro Jahr durchschnittlich doppelt so häufig bei Fressnapf ein wie stationäre Kunden. Wer online bei Fressnapf shoppt, kommt zudem häufiger in die Märkte – und kauft mehr Markenprodukte, wie die Daten der Krefelder zeigen.

Bevor ich im Detail auf die Situation von Fressnapf eingehe, lohnt ein Blick auf den Gesamtmarkt, der immer recht ansehnlich in den Börsenunterlagen von Zooplus erklärt wird. Zooplus sieht sich selbst als die Nr. 2 im Heimtiermarkt, hinter Fressnapf und geht von einem schnell wachsenden Onlineanteil in diesem Markt aus. Über den Zeitraum kann man sicher diskutieren, aber das wird sicherlich in den nächsten 5-10 Jahren so eintreten, falls dieser Markt analog zu vielen anderen Märkten funktioniert.

In diesem (Online) Markt wächst Zooplus, aber viel stärker als Fressnapf, dass mit vergleichsweise sehr niedrigen Onlineanteilen auskommen muss und seine Prozesse und Systeme noch 100% auf Filialgeschäfte ausgerichtet hat.

Die Strategie von Zooplus muss in einem separaten Beitrag diskutiert werden. Sie fokussieren darauf sehr schlank und effizient zu wachsen – eine Strategie die in 2018 nicht von der Börse belohnt wurde (-20%) und die bisher auch nur sehr überschaubare Renditen generiert.

Diese Zahlen hat sich Nils Seebach vor eine Jahr schon angeschaut und ist ob der Konkurrenz zu Amazon eher skeptisch, aber lest gerne selbst nach! Nun muss man sich mal versuchen in die Lage von Fressnapf zu versetzen, einer fantastischen Wachstumsstory bis Fressnapf anfangen musste seine Systeme für die Onlinewelt vorzubereiten. Vor der Konsolidierung der Fressnapf Holding in die Allegro Invest SE hat das Unternehmen sehr schöne Renditen produziert. Danke Northdata an dieser Stelle für die schöne Aufbereitung der Bundesanzeiger Daten! Nach der Konsolidierung ist nicht mehr 100%ig nachvollziehbar wie das Geschäft von Fressnapf läuft, aber die Gewinne wachsen seit ein paar Jahren nicht mehr mit de Umsatz mit.

Die Umsatzrendite schrumpft also, weshalb der aktuelle Elan in Richtung Plattformstrategie durchaus nachvollziehbar erscheint. Torsten Toeller hat bei mir zu diesem Thema 2015 bereits einen bleibenden Eindruck hinterlassen, als er bei einem Vortrag auf dem ECR Tag vor knapp 1.000 Teilnehmern die folgende Aussage (Gedächtnisprotokoll) gemacht hat.

Die Einführung von Hybris im Zusammenspiel mit SAP hat das Unternehmen nahe an den Abgrund geführt.

Die Aussage in der Runde fand ich schon recht krass, weil es eben genau dieser Torsten Toeller war, der die fressnapf IT in den 20 Jahren zuvor auf kleiner Flamme geführt (Fokus Filiale) hat und die mit aller Gewalt herbeigeführten SAP Projekte nicht dazu dienen können digital nach vorne zu kommen, sondern eher die überholten internen (IT) Strukturen elektrifizieren. Und auch das geht oft schief, wie easyjet auch gerade erfahren musste (73 Millionen Abschreibung durch SAP Hybris Projekt). Aber durch diesen Prozess gehen gerade viele Unternehmen und die Frage ist dann eher was sie daraus lernen. Torsten Toeller sagt auf jeden Fall Dinge, die ich nur sehr schwer nachvollziehen kann – nachzulesen im Interview mit dem IFH:

Mit unseren Partnern gehen wir sehr bewusst auf diese Reise. Denn wir erkennen den wechselseitigen Mehrwert zwischen stationärem Handel und online. Du kannst heute (noch) keine so individuelle, nahe und direkte Beratung online umsetzen, wie das im persönlichen Gespräch möglich ist. In unseren Läden finden Emotionen rund um deine Liebe zum Tier statt – das wird online nicht funktionieren. Aber online kannst du als Kunde besser vergleichen, dich besser informieren, dir rund um  die Uhr, 24/7 deinen Input holen oder eben auch bestellen.

Dazu passend auch ein Interview von 2017:

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Das klingt für mich eher nach dem Gegenteil einer konsequenten Plattformstrategie. Das ist nichts Halbes und nichts Ganzen. Nach dem Interview dürften bei Zooplus die Korken geknallt haben. Und auch SAP kann sich freuen, weil sie nun noch mehr Software implementieren können, um die bestehenden SAP Lösungen in einem Multichannel Kontext überhaupt bedienbar zu machen:

Bisher arbeiteten die Fachbereiche in erster Linie mit Excel-Listen, um verkaufsfördernde Maßnahmen wie etwa Handzettel für die Märkte, Online-Kampagnen oder kundenspezifische Kampagnen lokal zu planen und zu steuern. „Künftig werden wir diese Prozesse global harmonisieren“, erläutert Cranz, der künftig sämtliche Promotions aller Landesgesellschaften zusammenführt.

Vom manuell geplanten Handzettel zur Plattform klingt für mich eher nach Challenge 2050, wenn weiterhin die Neueröffnung von Flächen im Fokus steht. Auf jeden Fall darf man nun schon zur 1.500sten Filiale gratulieren, aber das dürfte 2025 viel zu wenig sein, um den dann schon starken Onlinekanal ordentlich zu bedienen. Wenn man den Marktzahlen glauben schenken darf, dann wächst das Segment vor allem Online. Offline bleiben dann nur noch Verdrängungsstrategien, die zunehmend teurer werden.

Was bleibt: Man muss Torsten Toeller großen Respekt dafür zollen, so ein Unternehmen mit knapp 2 Mrd. Umsatz und hunderten Mio. kumulierten Gewinnen in den letzten 25 Jahren aufgebaut zu haben. Das haben nur wenige in dieser Form geschafft. Der Shift in Richtung online wurde vor spätestens fünf Jahren verschlafen und vermutlich fährt der Onlinezug nun komplett ohne Fressnapf ab, die 2025 vielleicht mit 2.000 Filialen dastehen und dann den Wettbewerb von Zooplus und Amazon erst so richtig spüren. Wie schon im Rossmann Artikel kann man die Situation aus grundsätzlich zwei sehr verschiedenen Richtungen betrachten.

A: Fressnapf bleibt stationär relevant und Online ist “nur” ein Kanal: Das dürfte die Sicht der Fressnapf Geschäftsführung sein. In diesem Fall kann man ihnen nur vorwerfen, dass die IT Projekte zu langsam und inkonsequent durchgeführt werden, von personellen Querelen mal abgesehen. Dann müssten sie in der Lage sein in 2019/2020 deutlich mehr Profit zu generieren. Warten wir mal die Finanzdaten ab. Für 2017 sind Ende Januar 2019 die Zahlen im BA verfügbar.

B: Futtermittelkunden kaufen in Zukunft vor allem online ein: In diesem Fall werden die Filialen zeitnah zur Last und die die IT Projekte dürften schon heute als gescheitert gelten, weil sie eben auf diese Zukunft nicht vorbereiten und das “virtuelle” Warenregal in diesem Case keine Rolle mehr spielt.

Meine Sicht dürfte dabei klar sein. Für mich steht B fest. Es darf aus meiner Sicht nur noch über das Wann gestritten werden und nicht mehr über das Ob. In diesem Fall ist Fressnapf auf einem guten Weg (Amazon/Zooplus-) Futter zu werden.

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