localgourmet-300Seit ein paar Jahren beschäftige ich mich in meiner Freizeit mit der Aufzucht und dem Handel von Rindern. Dazu gehört auch der Verkauf unserer eigenen Rinder über Localgourmet.de, wobei ich hier gelernt haben, dass ein klassischer Onlineshop nicht sinnvoll funktioniert. Zu dem Thema bin ich eher zufällig gekommen, weil mein Schwiegervater einer der renommiertesten Rinderexperten in Deutschland ist. Man könnte meinen, dass die Konsumenten in Deutschland beim aktuellen Fleischkonsum (60kg/Person/Jahr) halbwegs Bescheid wissen, was sie kaufen müssen damit es gut schmeckt. Oder zumindest, dass sie eine Ahnung davon haben was das BIO Label in diesem Markt bedeutet und wie man mit seinem Konsumverhalten zur Reduzierung von Massentierhaltung beiträgt. In der Realität sind die meisten Verbraucher aber ziemlich ahnungslos. Das betrifft sogar die selbsternannten BBQ Könige, die bei jeder Gelegenheit den Grill anschmeißen. Die Gründe davon sind vielfältig und nicht zuletzt liegt es an den bestehenden Handelsstrukturen (Oligopole), unserer Preiserwartung (möglichst günstig), unserem Konsumverhalten (jetzt sofort) und irreführendem Marketing. Der letzte Punkt führt dazu, dass wir bei Labeln wie „Jungbullensteak“ oder „Roulade von französischer Färse“ an gute Qualität bzw. guten Geschmack denken. Beides ist falsch.

Darüber haben ich am letzten Wochenende einen Podcast mit meinem Schwiegervater aufgenommen. Wir reden über die Fleischqualität verschiedener Rinderrassen, über Haltungsarten, Ernährung der Rinder und natürlich über den Handel von Rindern. BIO lohnt sich für die meisten Produzenten in diesem sehr oligopolistischen Markt leider nicht und das liegt vor allem an unserem Kaufverhalten. Passionierte Fleischesser können nach dem Podcast auf jeden Fall deutlich qualifizierter einkaufen. Sie kennen den Unterschied zwischen Bullen- und Färsenfleisch und verstehen, warum sich nur ca. 10% des Fleisches eines Rind für den ganz normalen Grillabend eignen, außer man grillt vor allem Hackfleisch. Für mich neu war die Erkenntnis, dass das von Block House gestartete Rinderzuchtprogramm mit Uckermärker Rindern vielleicht gar nicht so gut für ein Steakrestaurant geeignet ist. Auf jeden Fall ein schönes Interview für einen Grillsonntag. In den nächsten Podcast Ausgaben geht es dann wieder um ganz klassische E-Commerce Themen. Viel Spass beim Hören & Grillen.

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Woher kommt gutes Steak? Was darf es kosten? Was muss man beachten? Und, ganz wichtig: Wo kann man das online bestellen? (Bei Localgourmet, natürlich!) Um all diese Fragen und mehr geht es mit dem Schwiegervater und Nachbarn von Alex, Peter Gravert. Der pensionierte Tierarzt hatte eine Nutztierpraxis, bis er 2013 ausschied und eine Tiergesundheitserhebung für die Landregierung durchführte. Seit sieben Jahren hält er mit einem Freund eine Mutterkuhherde und hilft nun einem anderen Freund als Vor-Ort-Mann und Vermittler im Tierhandel.

 

„Jungbullenfleisch? Verbraucherverarschung!“              

2:50

Alex: Fangen wir ganz am Anfang an: Was gibt es eigentlich für Rinderrassen?

Peter: Früher gab es mehr – also mindestens zwei – Nutzungsrassen, die Milch gaben und auch zum Schlachten geeignet waren. Heute hat man eigentlich nur eine Nutzungsrasse: Die überwiegende Zahl davon sind die gemeinhin bekannten Schwarz-Weißen – „Holstein Friesian“. Sie sind auf Milchproduktion gezüchtet und das Fleisch ist mehr oder weniger ein Abfallprodukt. Die männlichen Tiere geben ja keine Milch und werden daher als Verarbeitungsfleisch vermarktet.

Es gibt aber auch reine Fleischrinderrassen, die man bei uns in Schleswig-Holstein relativ selten sieht: Angus, Herford – meistens kommen sie aus Großbritannien. Sie laufen mit ihren Kälbchen zusammen auf der Weide: Das nennt man Mutterkuhhaltung. Sie werden gemästet – zum Ende hin generell im Stall.

Alex: Und gibt es auch nicht bekannte französische Rassen?

Peter: Ja: Limousin, Charolais, Aubrac. Sie und andere Rassen zum Mittelmeer hin – Beispiel Italien –sind auf eine übergroße Muskulatur gezüchtet. So sind sie eher geeignet für die dort traditionelle Zubereitung als Kochfleisch (Tafelspitz & Co.). Die britischen Rassen sind dabei eher die „Steak-Rassen“: Sie haben gut marmoriertes Fleisch mit einem gewissen Fettanteil. So sind sie saftig und eignen sich bestens zum Braten und Grillen.

Alex: Also, die bunt schwarz-weißen Kühe können nach vier Jahren als Milchvieh gar kein leckeres Steak werden. Würde man das als Verbraucher rausschmecken?

Peter: Das gibt es gar nicht. Wenn man aus dem Fleisch ein Steak machen wollte, das nicht zu zäh zu essen ist, müsste man es vier-bis-sechs Wochen reifen lassen. Heute wird aber geschlachtet und das Fleisch ist übermorgen im Laden. Kostet der Reifeprozess doch Geld, weil er Kapital bindet – und weil das Fleisch während dieser Zeit Flüssigkeit verliert, sprich: Weniger wird. Und zwar um 1% am Tag. Das macht doch keiner mit. So wird das Fleisch zu Hack oder Wurst verarbeitet.

6:30

Alex: Sind diese französischen Rassen denn so viel größer oder warum haben sie so viel Muskel?

Peter: Die sind einfach auf möglichst viel Muskel gezüchtet worden. Wenn man sie auf der Wiese sieht, haben die so eine große Keule, dass sie – um es auf gut Deutsch zu sagen – nicht mehr gerade runterkacken können. Die Muskulatur ragt hinten derartig rüber, dass der Kot dran runterläuft.

Alex: Der Mythos unter Kunden ist dabei: Wenn man so einen muskulösen Bullen sieht, ist es lecker!

Peter: Und das ist nicht so. Ich habe jahrelang bei so einem Dorfschlachter hier Fleischbeschau gemacht. Der hat die Woche rund 10 Stück Rind geschlachtet, aber sehr verschiedene Arten und Rassen. Das konnte man sehr gut sehen. Ich will so ein Limousin gar nicht schlecht reden, aber wenn man so einem Rind das Fell abzieht, sieht man, dass drunter kaum Fett ist.

Dabei gehört zu einem guten Steak das Reifen dazu: Das heißt mindestens drei Wochen bei rund zwei Grad plus bei konstanter Luftfeuchtigkeit hängen lassen, damit Enzyme das Fleisch zarter werde lassen. Und zum Reifen braucht man einen gewissen Fettanteil. Jahrzehnte lang wollte der Konsument möglichst mageres Fleisch. Aber so ein Fleisch kann kaum mehr als eine Woche reifen. Wenn es also in den Gourmet-Bereich geht, muss man die Rasse mitberücksichtigen.

Alex: So taugen diese genetisch auf mageren Muskel gezüchtete Rassen weniger für die heutigen Lieblingszwecke wie Grillen: Dafür sind die britischen Rassen besser geeignet. Es gibt ja auch immer wieder amerikanisches und argentinisches Rinderfleisch. Sind das auch andere Rassen?

Peter: Die argentinischen Herden sind überwiegend Angus oder Herford. Bei letzteren weiß ich zufällig, dass es davon fünf Millionen Mutterkühe weltweit gibt, was ja nicht umsonst so ist: Die Menschen wissen, was schmeckt – in anderen Ländern und auf anderen Kontinenten vielleicht mal einen Ticken besser. Teile dieses Bestands sind zwar gekreuzt, aber die prägende Rasse in Argentinien ist jedenfalls Angus, in USA und Australien Herford.

Alex: Gibt es noch andere Rassen, die man auf dem Schirm haben sollte. In Europa hören wir ja seit Jahren immer wieder von Wagyu-Rind und Kobe-Beef etwa.

Peter: Wagyus wurden Jahrhunderte lange isoliert in Japan gehalten und haben kein anderes Genmaterial. Lange wurde es als reines Arbeitstier angesehen, bis man merkte, dass es auch gutes Fleisch mit sehr hohem Fettanteil hat. Wenn er so ein Steak sieht, würde es dem deutschen Verbraucher wahrscheinlich schütteln: Da ist mindestens 40% Fett. Es soll einen besonderen Geschmack bringen und das Fleisch zart machen, weil es überall in der Muskulatur verteilt ist. Da ist zwar viel Hype gerade um das Thema Wagyu. Kreuzt man es aber mit anderen Rassen, verbessert es schon merklich die Fleischqualität. Soviel ist sicher.

Ich habe das probiert und es war gut. Dabei ist es auch ein Stück weit Geschmackssache: Wie bei Austern und Kaviar sind die einen verrückt danach. Andere sagen: „So ‘ne Brombeerkonfitüre, die nach Fisch schmeckt, kann ich mir schenken.“

12:15

Alex: Dann gibt es für mich noch zwei Fragenzeichen beim Thema Rasse: Was ist mit Wisent-Rinder und Wasserbüffel? Klingen irgendwie lecker.

Peter: Beides schmecken auch ganz gut. Da kamen bei „meinem Schlachter“ damals immer wieder Wisente von den Beständen der Stadt Kiel an. Relativ mager war das Fleisch, aber es schmeckte gut. Nach meinem Dafürhalten ist Wasserbüffel ziemlich zäh. Mein Stammitaliener sagt, ihm ist es nicht bekannt, ob die in Italien so richtig gegessen werden: Er wisse nur, dass man aus deren Milch Mozzarella macht.

(Alex stellt fest, dass sich die britischen Rassen weltweit in der Breite als Lieferanten für das feinste Fleisch durchgesetzt haben – allen anderweitigen Marketing-Anstrengungen zum Trotz. Jetzt geht es um die Haltung: Weidehaltung und Haltung im Stall sind die zwei Methoden. Häufig folgt letztere auf erstere, damit die Kühe mit Mais, Getreide, oder Kraftfutter zu Ende gemästet werden können. Dabei gehe die Trend zur vollständigen Weidehaltung über, da mit Gras als Futtermittel oft vergleichbare Ergebnisse zu erreichen sind – und andere Vorteile dazukommen. Große Maisfelder sind weder ökologisch vorteilhaft noch für Touristen attraktiv. Diese wollen grüne Wiesn und Rinder sehen.)

15:30

Alex: Mit Mais erreichen die Rinder schneller ihr Schlachtgewicht. Hat die Geschwindigkeit auf die Fleischqualität eine Auswirkung?

Peter: Sicher. Man sagt, um die gewollte Marmorierung im Gewebe zu erreichen, muss ein Rind mindestens zwei, eher zweieinhalb Jahre gehalten werden. Wenn man einen Bullen mit 18 Monaten schlachtet, kann der keine Marmorierung haben. Das wird aber als „Jungbullenfleisch“ in der Vermarktung auch noch als was Besonderes angepriesen: Das ist Verbraucherverarschung.  So ist 20 Monate eigentlich Minimum. Und nach hinten raus gibt es keine feste Grenze.

Alex: Bulle vs. Ochse: Warum schmeckt Ochse den meisten Leuten besser?

Peter: Also, das beste Fleisch kommt von der Färse – von der Kuh, die noch nicht Mutter geworden ist. Vom Hormonhaushalt kommt der Ochse – also: ein kastriertes männliches Rind – einer Färse schon ziemlich nah. So sagt man, man sollte Bullen sehr früh kastrieren, damit ihr Fleisch dem als Standard geltenden Färsenfleisch sehr ähnlich bleibt.

Allerdings kann man aus Bullenfleisch wunderbar Würstchen machen – nur keine Steaks. Es ist fettärmer und hat eine hohe Wasserbündigkeit, was für den Schlachter interessant ist, weil es günstig ist.

(Alex resümiert: Auch wenn die Rasse stimmt, ist Jungbullenfleisch am wenigsten geeignet für ein gutes Steak. Das leckerste Steak kommt im Schnitt von einer Angus- oder Herford-Färse, Weidehaltung, mindestens 20 Monate alt.)

19:30

Alex: Unsere WhatsApp-Gruppe will wissen: Was kostet das denn? Welchen Preis hat so ein Rind am Haken? Zu welchem Preis verkauft ein Bauer an einen Schlachter, ein Schlachter an den Handel oder direkt an Kunden, usw.?

Peter: Im Moment bekommt der Bauer für eine durchschnittliche Kuh rund drei Euro pro Kilo Schlachtgewicht. Und so eine Kuh wiegt dabei – gut gemästet – 350 bis 450 kg nach Schlachtung.

Alex: Was wiegt sie vor Schlachtung? Und was passiert mit dem Rest?

Peter: Sie wiegt rund das doppelte. Den Unterschied machen die Eingeweiden, und die kommen weg.

Alex: Diese rund 400 kg sind also diese Hälften am Haken, die man aus Fernsehreportagen kennt. Kommt das alles in den Handel?

Peter: Also, da kommt rund 250 kg reines Fleisch am Ende in den Handel. Der Rest ist Knochen, Fettabfall und ähnliches. Der Bauer bekommt aber das Schlachtgewicht bezahlt: Also rund 1200 Euro.

Alex: Was hat er dabei in so ein Rind an Geld reingesteckt?

Peter: Man kann bestimmt mit einem Euro pro Tag und pro Färse rechnen. Im Sommer auf der Weide vielleicht eher 70 Cent, aber im Stall 1,50 Euro.

Alex: Macht also bei 700 Tagen eine Investition von rund 700 Euro, dann nimmt der Bauer…

Peter: Moment: Das waren nur Futterkosten. Dazu kommen Tierarztrechnungen, Fixkosten wie Weidepacht usw.

Alex: So viel bleibt also gar nicht übrig für den klassischen Bauer. Gibt es denn da einen Unterschied, wenn man ein Bio-Zertifikat hat?

Peter: Die kriegen dann 30 bis 40 Cent mehr auf dem Kilopreis, also rund 100 Euro mehr pro Rind. Deshalb versuchen sie alle, das selbst zu vermarkten.

Alex: Kann ich verstehen: Die kriegen rund 10% mehr, dabei kostet Biofleisch im Handel oft das Doppelte. Da hat der Handel eine deutlich höhere Wertschöpfung – oder holt sich mehr Marge.

(Alex fragt nach der genauen Aufteilung des Fleisches: Wie viel Steak ist in den rund 250 kg reines Fleisch, dass in den Handel kommt? Sehr wenig. Peter geht auf die verschiedenen Aufteilungen ein: Was man alles beispielsweise aus der Keule schneiden kann und wie Schlachter den geringen Steak-Anteil durch andere Zuschnitte erhöhen können.)

26:30

Alex: Was ist eigentlich „dry aged“?

Peter: Das ist das Gegenteil von „wet aged“ – also Trocknen am Knochen, wie man immer schon gemacht hat. Irgendwann kam man darauf, dass es pfiffiger ist, das Fleisch einzuschweißen und nass reifen zu lassen. Da verliert man nämlich nicht so viel Gewicht. Beim Dry-Aging-Verfahren gibt es nämlich rund 15% Gewichts- und so auch Wertverlust. So haben vor allem die Südamerikaner das Fleisch eingeschweißt und im Kühlraum des Schiffes nachreifen lassen: Bei der Ankunft hier hat es gerade die richtige Konsistenz.

Aber beim Trockenreifen mit entsprechender Flüssigkeitsverlust konzentriert sich alles: Das Fleisch schmeckt dann logischerweise intensiver. Einige Leute, die den Rindfleischgeschmack nicht gewohnt sind, erschrecken sogar. Wir haben mal testweise sechs Wochen reifen lassen – geht wunderbar, kein Problem, schmeckt noch besser…

Alex: Ist dann noch konzentrierter…

Peter: Und noch teurer!

Alex: Wirkt sich so eine lange Reifung positiv auf alles aus, oder nur Steaks? Wird auch der Braten oder die Roulade dadurch besser?

Peter: Ja, schon, aber irgendwo ist eine Grenze. Ich habe mich mal beim Fleischinstitut in Kulmbach erkundigt und beschrieben, wie wir vorgehen, woraufhin sie mir gesagt haben: „Drei Wochen reifen lassen, viel besser wird es aber danach nicht mehr.“

Alex: Und macht da Bio einen Unterschied?

Peter: An der Stelle eigentlich nicht. Bei Bio ist ja eher die Geschichte der Tiere interessant: Der Konsument erhofft sich, dass die Tiere mehr Auslauf haben, mehr Platz, Stroh statt Beton usw. Das spielt fast eine größere Rolle als der Geschmack.

Alex: Zurück zum Geld: Der Bauer bekommt nicht so viel ab. Was bekommt der Schlachter für ein komplett zerlegtes Rind?

Peter: Das weiß ich nicht so genau. Der Schlachter, bei dem wir schlachten lassen, ist ein sogenannter Landschlachter – wovon es nicht mehr so viele gibt. In Schleswig-Holstein kann man die an einer Hand abzählen. Wir sind froh, dass es ihn noch gibt (und weil der jung ist und neu gebaut hat, wird es den glücklicherweise noch eine Weile lang geben…). So eine Lohnschlachtung, wie er das macht, passt in großen Betrieben nicht mehr rein: Wenn dort Tausende von Tieren geschlachtet werden, kann nicht der Bauer Meier ankommen und sagen: „Hört mal zu, ich hätte das Rind gern so und so zerlegt, dann sechs Wochen abgehangen.“

30:30

Alex: Letztens gab es einen großen Aufschrei, weil da mal wieder so 600g Nackensteak bei Aldi zu zwei Euro verschleudert wurden. Woher beziehen die großen Ketten ihr Fleisch?

Peter: Fangen wir mal unten an: Hackfleisch, das sind alte Kühe, die Milch gegeben haben und nun nicht mehr können. Das ist Hack im Supermarkt, im Fastfood-Burger, usw. Dann gehen wir in die Vermarktungskategorie „Deutsche Färse“: Im Großmarkt beispielsweise liegen davon Steaks aus. Das ist auch schon gut, meistens abgehangen. Die Ketten picken sich da die besten Tiere aus: Am Fließband laufen genug Viecher lang. Das Fleisch siehst du an der Frischetheke bei Edeka oder Rewe wieder. Aber da gibt es Tausende Klassen, Labels, usw. Das ist sehr unübersichtlich.

Alex: Was kann der klassische Konsument da schon machen, wenn er gutes Fleisch etwa zum Grillen haben will?

Peter: Das kann er bei Rewe, Edeka & Co. schon bekommen. Ganz persönlich: Wenn ich da hingehe, schnappe ich mir die Verkäuferin und frage, was sie da zum Grillen hat. Ist sie gut, weiß sie Antwort. Und die meisten Märkte haben auch einen Meister vor Ort. In einigen Supermärkten zerlegt er noch hinten im Kühlraum. Hauptsache: Man muss willens sein, die Leute ein bisschen unter Druck zu setzen und zu zeigen, dass man ein kritischer Kunde ist.

Alex: Geht das denn nicht noch besser beim Fleischer um die Ecke? Stimmt der Glaube, dass der kleine Schlachter im Viertel Zugang zu besserem Fleisch hat?

Peter: Selber schlachten tun die meisten Schlachtereien ja nicht mehr, da das zunehmend schwierig ist in Bezug auf Wässerung, Abfälle, usw. Aber sie lassen schlachten – unser „Landschlachter“ arbeitet für inhabergeführte Läden. So ein Ladenschlachter braucht selten mehr als ein Rind pro Woche. Eventuell wird der Schlachter, Metzger, Fleischer aber seine Landwirte haben, von denen er weiß, dass sie nicht nur Milchkühe, sondern auch paar besondere Fleischkühe halten. Dann besorgt er sich dort das Tier und lässt es schlachten – oder sagt zum Schlachtbetrieb: „Ich brauche mal wieder eine gute Färse.“ So geht das.

Alex: Zusammenfassung: Der Kunde muss wissen, was er will. Möglicherweise kann ihm der Supermarkt das schon geben, aber er muss nachfragen und nicht einfach das Steak kaufen, was gerade im Angebot ist…

Peter: … Ja, selber schuld.

35:00

Alex: Wie ist das mit guten Restaurants? Es gibt ja das Blockhouse in ganz Deutschland, dann die ganzen Läden, die mit argentinischem oder amerikanischem Rindfleisch werben. Und dann der Lieblingsitaliener. Fangen wir bei dem an: Wo bekommt dein Alfredo in Eckernförde sein Steak her?

Peter: Der kriegt es vom örtlichen Großmarkt.

Alex: Inwieweit kann er bestimmen, was er dort bekommt? Ist er groß genug, um sagen zu können: Ich will Herford, Färse, drei Wochen abgehangen.

Peter: Ich denke schon. Der macht das lange genug, der wird seine Ansprechpartner beim City-Markt oder Metro, oder wie die alle heißen, schon haben. Da kann er sagen: „Hör mal zu, ich brauche so und so viele Rumpsteaks wie letzte Woche, aber die von vor zwei Wochen waren besser, kannst du nicht mal…“ So läuft das.

Alex: Wie ist es bei Kettenrestaurants, zum Beispiel Blockhouse?

Peter: Ich weiß, dass die früher aus Südamerika eingekauft haben, und dann Angst bekommen haben: Da sind jetzt die Chinesen unterwegs und kaufen große Mengen auf. So sichert sich jetzt Blockhouse regional ab und hat einen Kooperationsvertrag mit Uckermärker Fleisch. Das ist eine gegen Ende der DDR-Zeit entstandene Kunstrasse aus Fleckvieh und Charolais, sehr großrahmige Rinder also. Die Rasse gibt es immer noch, hauptsächlich namensgetreu in der Uckermark.

(Alex merkt an, dass das vielleicht nicht die beste Steak-Rasse ist, wenn da Charolais mit von der Partie ist. Peter erklärt daraufhin die Größenordnung der Kooperation mit der System-Gastronomie und die Vereinheitlichung, die diese verlangt, damit Köche und Kunden wissen, was sie bekommen. Aus diesen Zwängen heraus – und nicht wegen der Qualität – werde eingekauft. Alex stellt fest: Der normale Kunde ist deswegen einem Restaurant gegenüber nicht so stark im Nachteil, wie man vermuten könnte. Er braucht nur Wissen und Zugang zu einer guten Quelle.)

40:20

Alex: Jetzt kommen neue Produzenten und Händler in den Markt. Viele Leute, die anders zu Geld gekommen sind, investieren: Die Fielemann-Familie macht hier in Schleswig-Holstein was mit Limousins zum Beispiel. Ist das was neues, oder haben sich vermögende Familien immer wieder an die Landwirtschaft versucht?

Peter: Grundsätzlich braucht man sich nur die Gutsgeschichten hier an der Ostküste durchzulesen, um zu wissen, dass es das schon immer gab: Reiche Kaufleute, dänische Minister, erfolgreiche Heerführer – alle haben sie sich in die Höfe eingekauft. Nichts Neues aus meiner Sicht. Und irgendwie scheint dieses gutshöfliche Leben einen gewissen Reiz auszuüben. Es geht den Menschen um eine gemischte Landwirtschaft, wo nicht nur Kühe, sondern auch Schweine und Pferde und sogar Fische aufgezogen werden.

Alex: Kann man deren Fleisch auch im Handel kaufen?

Peter: Sicher. Von solchen Produzenten kommt ja oft Wagyu-Fleisch. Das Problem ist, dabei die richtige Größe zu finden. Ab Hof verkaufen wird schon schwierig, wenn ich 500 Rinder habe: Die kann ich schlecht an der Haustür loswerden. Aber wer wiederum „nur“ 500 hat, ist für den Großhandel als Partner völlig uninteressant.

Alex: Und klar ist: Bei dem Euro am Tag pro Rind, den man in die Aufzucht investiert, will man mehr Marge und versucht, sich direkte Vertriebswege aufzubauen.

Peter: Was nicht so einfach ist. Ich berate ein paar solche Halter und den Königsweg haben wir noch nicht gefunden. Teilweise haben sie eigene Läden vom Vorgänger übernommen, aber das ist auch kein Zuckerschlecken.

(Alex erzählt von einem Produzenten, der gerade in München versucht, ein vertikalisiertes Fleischvertriebsmodell auf die Beine zu stellen. Er begrüßt das, weil der Konsument vor schwierigen Entscheidungen steht. Peter stimmt zu: Fleischkauf sei Vertrauenssache. Dann erzählt er ausführlich von seiner Herde.)

44:40

Alex: Was wir mit Localgourmet festgestellt haben: Der Vertrieb funktioniert vor allem vor Ort, wenn die Leute hierherkommen. Dann nehmen sie auch fünf oder zehn Kilos mit – niemand fährt wegen eines Steaks zu uns auf den Hof. Bleiben solche Kunden einem über die Jahre treu? Du hast ja jetzt seit sieben Jahren deine Herde und verkaufst seit fünf Jahren.

Peter: Die Fluktuation ist nicht so groß. Wir hatten früher Schafe: Einige kamen damals schon zu uns und sind seit 20 Jahren dabei. Aber man muss das immer wieder anstoßen. 20% der Kunden melden sich und sagen: „Ich brauche mal wieder was, wann schlachtet ihr?“ Bei 80% fragt man sich, ob die noch wollen, ob’s denen das letzte Mal geschmeckt hat. Die ruft man dann an, und die sagen: „Mensch, danke, dass Sie angerufen haben. Da wollten wir ja mal wieder was haben…“ Es ist merkwürdig: Man muss sie antippen, damit man sie als Kunde behält. Dann ist das gar kein Problem. Bloß, man will nicht immer wieder seinen Kram anbiedern. Aber so geht es nur aus meiner Sicht. Eine bessere Lösung habe ich noch nicht gefunden.

(Alex lädt Hörer ein, Kontakt aufzunehmen, wenn sie Ideen haben und schließt den Podcast ab mit einer kurzen Besprechung der großen Fleischmarken aus dem Ausland und darüber, welche Stücke vom Rind am besten für den Grill geeignet sind. Alex verrät ganz zum Schluss seine Präferenz: Hack.)

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