Aus meiner Sicht ist die Zukunft der Innenstadt negativ korreliert mit dem Kursziel von Amazon und dank Bloomberg gibt es dazu nun auch wunderschöne Daten. Bevor wir uns diese Daten aber anschauen, möchte ihr gerne die folgenden Milchmädchenrechnung in den Raum stellen. In Deutschland werden im B2C Umfeld bereits heute 50 Mrd. Euro Umsatz online gemacht. Ca. 400 Mrd. werden noch im offline Handel gemacht. In anderen Handelssektoren, wie z.B. dem B2B Handel, ist die online Quote noch geringer (1-5%), wobei die Sektoren deutlich größer sein können und je nach Betrachtungsweise auch über 1.000 Mrd. Euro Umsatz erklären. Nach allem was ich bisher am Markt sehe, und die Zahlen dazu aus den USA folgen gleich, wird sich in den nächsten drei bis fünf Jahren ein beträchtlicher Teil der bestehenden Handelsstruktur aus dem Markt verabschieden. Zu einfacheren Rechnung nehmen wir mal an, dass das z.B. 100 Mrd. B2C offline Umsatz betrifft bis 2022 und 100 Mrd. B2B Umsatz. Ein Teil dieses Umsatzes werden sich andere stationäre Händler einverleiben, aber ein Großteil dieses Umsatzes wird in Zukunft online gemacht. Und dort wartet Amazon nur darauf. In 2016 gingen in Deutschland ca. 20 Mrd. Euro Umsatz an Amazon. Dafür muss Amazon noch nicht mal mutig sein, oder irgendwelche Device Wetten eingehen. Der Amazon Umsatz wird sich aus meiner Sicht so oder so in den nächsten Jahren vervielfachen. Da der Außenumsatz von Amazon eng mit dem Börsenkurs von Amazon verbunden ist, dürften da noch eine Menge gehen. Soweit zur Milchmädchenrechnung. Wie schlimm steht es nun wirklich um den stationären Handel?
Wie ich im besagten Bloomberg Artikel gelernt habe, gibt es für die aktuelle Situation des stationären B2C Handel in den USA den passenden Begriff „Retail Apocalypse„:
The retail apocalypse refers to the closing of a large number of American retail stores beginning in 2016. Over 4,000 physical stores are affected as American consumers shift their purchasing habits due to various factors, including the rise of e-commerce. Major department stores such as J.C. Penney and Macy’s have announced hundreds of store closures, and well-known apparel brands such as J. Crew and Ralph Lauren are unprofitable. Of the 1,200 shopping malls across the US, 50% are expected to close by 2023. The retail apocalypse phenomenon is related to the middle-class squeeze, in which consumers experience a decrease in income while costs increase for education, healthcare, and housing.
Der Artikel bereitet mit sehr prägnanten Abbildungen das Dilemma des US Retails auf. Zu viele Flächen, mit Schulden beladen und trotz glänzender Konsumaussichten steht nun eine Schließung nach der anderen bevor.
In the U.S., retailers announced more than 3,000 store openings in the first three quarters of this year. But chains also said 6,800 would close. And this comes when there’s sky-high consumer confidence, unemployment is historically low and the U.S. economy keeps growing. Those are normally all ingredients for a retail boom, yet more chains are filing for bankruptcy and rated distressed than during the financial crisis. That’s caused an increase in the number of delinquent loan payments by malls and shopping centers.
Nicht alle Daten aus den Abbildungen des Artikels lassen sich auf den deutschen Markt übertragen, aber die grundlegenden Ableitungen gelten auch für unsere Innenstädte. Vor diesem Hintergrund kann sich ja jeder selbst überlegen in welche Aktien er nach vorne investiert. Der Einbruch des stationären Handels hat übrigens laut Bloomberg nur sekundär mit Amazon zu tun. Primär sind es die Versäumnisse des Handels selbst, mit dem Überangebot an Flächen und vielen weiteren Fehlern. Absoluter Lesetipp.
Update: Das Video zur Denk- und Arbeitsweise vom Amazon Gründer Jeff Bezos habe ich gerade gefunden. Das passt zwar nur 50% zum Thema, aber den einen oder anderen Leser wird es sicher interessieren.