In den letzten Tagen war Groupon in der Techszene das Thema schlechthin. 2 Millarden $ Umsatz, 6 Millarden $ Übernahmeangebot von Google, weltweites Wachstum, Gelddruckmaschine….. usw. Das führte zu ausreichend Aufmerksamkeit und damit zu vielen klugen Analysen und Kommentaren in diversen Medien. Mich hat vor allem die Frage beschäftigt, ob es richtig war die 6 Mrd. Summe von Google abzulehnen und ggf. auf Mehrerlöse im Rahmen eines IPOs zu spekulieren? Ich möchte gerne nachvollziehen können, was der Groupon CEO noch vorhat und eine kleine Einschätzung geben, ob diese von mir vermuteten Vorhaben realistisch sind. Wie immer in letzter Zeit muss da ein Phasenkonzept herhalten. Das Geschäftsmodell hat sich aus meiner Sicht in den letzten Monaten verändert. Es hat immer weniger etwas mit dem Verkauf von lokalen Schnäppchen zu tun, sondern mit der Herausforderung langfristig eine Rolle im Bereich Offline-Online Commerce zu spielen.
Phase 1 – 50% Rabatte in deiner Stadt
Vor ein paar Monaten war Groupon nicht viel mehr als ein digitales Gutscheinbuch. Die Herausforderungen lagen insbesondere in der Lösung des Henne-Ei-Problems in jeder Stadt und in der Skalierung/Internationalisierung des Geschäftsmodells. Wenn man das Henne-Ei Problem (ausreichend Deals vs. ausreichend Kunden) löst, kann man von einem fast automatischen Wachstum ausgehen. Wenn es die Händler gut finden, dann lassen sich sehr leicht neue Händler akquirieren und der Social Graph tut seine Arbeit von alleine auf der Kundenseite. Für die US Städte hat Groupon Phase 1 sehr schön gemeistert. Die Internationalisierung wurde ihnen von cleveren Investoren abgenommen. Der Ankauf von citydeal & Co. war & ist zwar kapitalintensiv, allerdings ist eine eigenständige Internationalisierung mE auch nicht viel billiger. Insofern haben die Samwers, Hommels & Co. hier schöne Zuarbeit geleistet. Das hat allerdings dazu geführt, dass das Geschäftsmodell sehr schnell in Phase 2 eingetreten ist.
Phase 2 – 50% Rabatte auf deine Lieblingsdeals
Sehr viel Nachfrage auf Händlerseite, Millionen Kunden aber nur ein Deal pro Tag und Stadt. Das führt automatisch zu Überlegungen wie man dieses Potential besser ausschöpfen kann. Ich habe mich dazu im Rahmen der Personalisierungsvorhaben auch schon eher kritisch geäußert. Die Fragestellungen in Phase 2 sind offensichtlich:
- Wie kann man den Traffic besser monetarisieren?
- Wie kann man die bestehende kundenseitige Nachfrage besser abschöpfen?
- Wie kann man das bestehende händlerseitige Angebot besser integrieren?
Die Lösungen sind bereits auf Groupon implementiert. Die Personalisierung (bisher Fokus auf US Plattform) führt zu mehr Deals und einer wahrscheinlich besseren Zusammenführung von Nachfrage & Angebot. Die Online Deals führen zu einer wesentlich besseren Ausschöpfung des Plattform Traffics. Diese Deals werden nach meiner Beobachtung regelmäßig 5-stellig verkauft. Während nun die Probleme aufgrund zu hoher Nachfrage (Kunden & Anbieter) gelöst wird, verliert die Plattform allerdings zunehmend an Reiz. Die Gutscheinqualität wird nicht besser und der Impulsfaktor lässt nach. Ggf. schätze ich das falsch ein, allerings würde ich fast darauf wetten, dass dieser Effekt beweisbar ist. Dafür bräuchte man nur die Groupon Transaktionsdaten für ordentliche Kohortenanalysen. Irgendwann verlieren Massage- und Restaurantgutscheine ihren Reiz und das Wachstum geht momentan etwas zu schnell, um andere Anbieter gut auf der Plattform zu verankern. Solange das Wachstum allerdings so stark steigt wie momentan, werden sich die Groupon Macher nicht mit diesem Problem auseinandersetzen müssen. Ggf. sehen sie das Problem aber auch nicht:
ANDREW MASON: I think part of what makes Groupon really fun for consumers is this element of discovery, finding new things, being surprised every morning what the deal is. And we try to remain surprising and we try to do things, whether it’s the deal you’re getting or whether it’s the way we’re writing about the deal or whether it’s the brand and the culture of the company, that’s constantly surprising people, because that’s kind of the spice of life.
Phase 3 – Kurzfristplanung: Groupon als Plattform
Nach dem die Probleme der Phase 2 auf den ersten Blick gelöst sind, macht sich Groupon nun auf den Weg sein Geschäftsmodell zu erweitern und die seine Funktion auf die Bereitstsellung der Plattform für lokale Aktionen zu reduzieren. Die Händler können so direkt mit den Kunden in Kontakt treten. Währen die Margen bei diesem Modell im ersten Schritt auf 10% sinken, sinken die Kosten für die Betreuung der Aktionen auf ein Minimum. Zumindest lässt sich das auf dem Papier schön aufzeigen. Die Qualität der Aktionen wird allein schon durch die steigende Anzahl weiter sinken. Der Impulskaufeffekt wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch geringer. Aber aufgrund der boomenden Nutzerzahlen fällt das wohl gar nicht so auf. Wenn man sich isoliert die Anzahl der Kunden, Aktionen und Umsätze anschaut, wird man fast nur steigende Graphen beobachten. Für den nachhaltigen Erfolg dieses Schrittes muss Groupon allerdings die Aktionsqualität aufrecht erhalten und vermeiden zu einem einfachen Marktplatz zu verkommen. Die Idee finde ich ingesamt schon sehr gut, mir fehlen allerdings die Mechanismen die den Spass an der Plattform/am Kauf erhalten. Die Skalierungsmechanismen wie bei Facebook und Google gelten bei Groupon (leider) nicht.
Ansonsten passiert Groupon das Gleiche wie eBay. Wachstums, Wachstum, Wachstum bei der jede Veränderung isoliert betrachtet anfänglich zur Wertsteigerung des Unternehmens beiträgt. Der Nutzen für den Einzelkunden bleibt am Ende aber auf der Strecke. Eine interessante Analyse zu diesem Thema findet sich heute übrigens auch bei avc.com.
Phase 3 führt also zu sinkenden Margen auf Aktionsebene und teilweise zum Verlust des Plattform USPs aus Kundensicht.
Phase 4 – Langfristplanung: Shoppingempfehlungen in deinem Umfeld die Google Wette
Nehmen wir mal an, dass ich alter Pessimist nicht Recht behalte und Groupon es schafft die Skalierung ordentlich zu bewerkstelligen. Dann stellt sich nun die Frage wie der Groupon CEO das Google Angebot ablehnen konnte. Ich glaube es basiert weniger auf der Skalierungsphantasie von Phase3 und dem Streit um die Bewertung auf Basis der aktuellen Umsatzzahlen. Ich vermute eher, dass Andrew Mason auf ein viel größeres Wachstum durch lokale Händler hofft. Er will für lokale Händler das werden, was Google AdWords für Online Händler ist.
ANDREW MASON: No, because they don’t know how to make it work. They don’t know how to make non-Internet advertising work. They kind of do it because they feel like they have to. But 99 out of 100 businesses that put an ad in the paper end up feeling disappointed about it. They can’t measure the returns, and to the degree they can they feel like it was a disappointment. So what Groupon does is — it’s for the first time local businesses get performance-based marketing. They only pay when these customers walk in the door. We get them in the door and then it’s up to them to give them an amazing experience.
Der Markt ist gigantisch – ein Vielfaches vom AdWords Markt. Es klingt ja auch verlockend: Groupon könnte den Groupon Nutzern GPS-basiert in Echtzeit das Pizza Rabatt Angebot eines lokalen Händlers in der Nähe aufs Handy bringen, oder Horden shoppingwütiger Damen die sich in der Holstenstraße in Kiel (disclosure: ich wohne hier) befinden in den nächsten H&M locken. Viele Nutzer hat Groupon schon und diverse Massagepraxen und Restaurants auch schon. Dann müsste es doch klappen, oder?
Bleiben wir mal beim Vergleich mit Google AdWords. Was hat Google in diesem Markt so erfolgreich gemacht? Sie sind durch gute Suchtechnologie quasi zur #1 Einstiegsseite des Internets geworden und verteidigen diese Position sehr erfolgreich. Heißt: Groupon müsste für lokale Kunden die #1 Einstiegsseite für Shopping werden. Da werden Facebook, Google, Qype, Nokia & Co. allerdings noch mitreden wollen. Das ist nur schaffbar, wenn Groupon mit bestimmten USPs aufwarten kann die die anderen Anbieter nicht haben. Bisher war das der Überraschungseffekt in den Aktionen und die unterhaltsamen Beschreibungen á la Woot. An der Erosion dieser USPs wird mE sehr erfolgreich gearbeitet und mit der Ablehung des Google Angebotes haben sie nun einen starken Wettbewerber sicher.
Fazit
Erst einmal gebührt Andrew Mason Respekt vor der Entscheidung eine 6 Milliarden $ Offerte abzulehnen. Das war sicherlich nicht einfach, insbesondere mit einigen Exit getriebenen VCs im Hintergrund. Allerdings ging es hierbei auch nicht ums Überleben. Groupon ist gut finanziert und sehr profitabel aufgestellt. Und wenn der Gründer erst einmal einen Porsche fährt, lässt es sich deutlich entspannter entscheiden.
Es gibt für Google gute Gründe sein Portfolio mit Groupon zu ergänzen, eben weil beide Unternehmen so verschieden aufgestellt sind. Technology Company vs. People Company. Aus meiner Sicht hätte es sich auch für Groupon angeboten sich an Google zu binden und seine Position zu verstärken. Die ehrgeizigen Pläne, die ich zugegebenermaßen nur vermuten kann, sind beim zu erwartenden Wettbewerbsdruck schwierig erfüllbar. Das Transparenzdilemma schlägt zu :-). Möglicherweise reicht das Momentum aber noch bis zu einem IPO. In diesem Fall hätte Mason alles richtig gemacht.