Mein erster Artikel in 2014 hatte den Titel “The Amazon Economy – gnadenlos effizient”. Darin ging es um den gnadenlosen Wettbewerb im Onlinehandel und der Erkenntnis, dass nur die besten gewinnen können. Aufgrund der Skaleneffekte werden die “Besten” mit der Bereitschaft zu investieren auch immer besser, so dass mögliche Wettbewerber den Anschluss gar nicht mehr schaffen. Amazon ist gerade in so einer Führungsposition und macht noch nicht wirklich den Anschein langsamer werden zu wollen. Das bestehende Gefangenendilemma für Hersteller bestätigt das nur. Im Grunde genommen hilft da für alle Beteiligten nur genau zu überlegen mit welcher Strategie man den Markt erobern kann und will. In einem der letzten Artikel 2014 gehe ich nun auf ein weiteres Dilemma ein. Es ist scheinbar kaum noch möglich zu vernüftigen Kosten große E-Commerce Modelle aufzubauen. Was bedeutet vernünftig?
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Vernünftige E-Commerce-Modelle zu vernünftigen Konditionen ist der Anspruch der Netshops Commerce. Die premium E-Commerce-Agentur aus Hamburg richtet sich an Hersteller, Marken und Verlage und bietet von der Beratung über die Konzeption bis hin zur Umsetzung alles, was das Onlineshop-Herz begehrt.
Ich würde mich grundsätzlich mal an ganz klassischen Investitionsrechungen orientieren. Die BWLer unter euch kennen das folgenden Diagramm sicher noch sehr gut. Es sagt aus, dass in der Anfangsphase eines Produktes/Unternehmens etwas investiert werden muss und nach einer Zeit x übersteigen die Einnahmen die Ausgaben in einem Maße, dass die Anfangsinvestitionen mit einer ordentlichen Verzinsung zurückverdient werden können. Gemäß des Produktlebenszyklus Konzeptes scheiden aber auch erfolgreiche Produkte/Unternehmen irgendwann mal aus dem Markt aus. Wann das passiert, spielt für uns erst einmal keine Rolle. Wichtig ist nur, dass mehr Geld verdient als ausgegeben wird. Technisch bedeutet das, dass das Integral der Gewinnfunktion über der X-Achse deutlich größer sein muss, als das Integral der Gewinnfunktion unter der X-Achse.
Diese Funktion war für E-Commerce Unternehmen der ersten Stunde auch maßgeblich. Der Markt ist schnell genug gewachsen. Es gab ausreichend Umsatz zu verteilen. Das scheint sich verändert zu haben. Das bestätigen diverse Quellen. Zum einen habe ich vor einiger Zeit hier einen Beitrag über die Durchschnittsrenditen der führenden E-Commerce Unternehmen in Deutschland gemacht, die alle eher Richtung 0% tendieren. Zum anderen erlauben die diversen Börsengänge von E-Commerce Unternehmen 2014 auch einen Blick auf die Zahlen. Wachstum wird sich allerorts teuer erkauft. In der Regel sind Wachstumsziele immer noch gekoppelt an die erwarteten Skaleneffekte, die irgendwann doch dazu führen müssten, dass die Gewinnfunktion über die X-Achse steigt, aber das ist kaum beobachtbar. Lediglich bei sehr stark organisch gewachsenen Unternehmen wie ASOS, sind die Gewinne akzeptabel. Bei vielen anderen Unternehmen überhalb der 100 Mio. Euro Grenze stellen sich noch immer keine Skaleneffekte ein, weil der Wettbewerb um die Kunden zunehmend teurer wird, die Marge der verkauften Produkte kleiner und die Bestandskunden auch nicht mehr so treu sind wir früher. Vereinfacht könnte man das Diagramm für E-Commerce Unternehmen wie folgt anpassen: Die Gewinnfunktion erreicht auch bei hohen Umsatzniveaus nicht die X-Achse bzw. überschreitet diese, wenn überhaupt, nur leicht.
Nun könnte man diskutieren, dass wir in einem Zeit leben in der man der Marktdynamik folgen muss und Umsätze entsprechend “erkaufen” sollte, um nicht langfristig abgehängt zu werden. Ich erinnere mich noch gut an den Vortrag des Notebookbilliger.de Gründers Arnd von Wedemeyer auf der K5 Konferenz in München. Er sagte, dass er heute keinen Onlineshop für Elektronik mehr gründen würde, weil es zu teuer wäre auf ein auskömmliches Umsatzniveau zu kommen. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob er den folgenden Zusatz in dem Vortrag gemacht hat, oder ob das ein Ergebnis der vielen nachfolgenden Diskussionen war, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass schon zu der Zeit vermutet wurde, dass ein Euro Zielumsatz im Technikbereich nur mit mindestens einem Euro Investment zu erreichen wären. Um einen 500 Mio. Euro Shop aufzubauen, braucht es also ca. 500 Mio. Euro Kapital (all in). Diese Kennzahl scheppe ich seitdem mit mir rum und versuche sie in allen möglichen Situationen zu testen und in Gesprächen & Interviews zu hinterfragen. Sie wird tatsächlich bestätigt. Je nach Sortiment und Geschäftsmodell wagt kaum ein erfahrener E-Commerce Experte einer Range von mindestens 0,35€ (Home & Living) über 0,40-0,60€ (Fashion) bis 1€ (Technik) zu widersprechen. Jedes nur halbwegs ambitionierte E-Commerce Vorhaben (Zielumsatz größer 25 Mio.) braucht also mind. 10-25 Mio. Euro Kapital, je nach Sortiment. In der Abbildung kann man das auch schön nach Sortimenten differenzieren. Fashionumsatz ist zur Zeit günstiger zu haben als Technikumsatz – Amazon sei Dank.
Am stärksten überraschend für mich ist nicht, dass es teuer ist sich E-Commerce Umsatz zu erkaufen. Es gibt scheinbar bisher auch keine stabilen Sockelniveaus, von denen aus man entspannt Geld verdienen könnte und auf die teure Expansion verzichten kann. Otto, Zalando & Co. betrachte ich hier mal als Ausnahmen. 200 Mio. Euro Umsatzniveau eines Onlineshops bedeuten also keine Ertragssicherheit. Verdammt! Ein Rückschluss auf besonders attraktive Sortimente ist leider auch nicht möglich, weil Warengruppen mit kleinem Onlineanteil (z.B. Möbel) durch die Pioniere im E-Commerce erst teuer für Endkunden erschlossen werden müssen.Ob sich daraus Pioniererträge sichern lassen ist extrem ungewiss.
Mittlerweile kreide ich pauschal in allen mir vorliegenden Businessplänen genau dieses Verhältnis an, wenn dort noch euphorisch mit einem Investment von 5-10 Mio. für ein 50-100 Mio. Euro Umsatz geplant wird. Das ist totaler Quatsch. Es ist heute technisch nicht mehr möglich in angemessener Zeit mit so wenig Investment ein solches Umsatzniveau zu erreichen. Gegenbeispiele zu dieser These sind in den Kommentaren willkommen!
Dieses kleine Zahlenspiel zeigt eindringlich wie schwer sich klassische Konzerne mit dem Thema E-Commerce tun dürften. Der Markteinstieg ist teuer, das Renditeniveau überschaubar und man kann heute nicht voraussagen was in zwei Jahren gilt. Das Investment von Rewe im Bereich Onlinelebensmittel ist deshalb umso bemerkenswerter. Was die Zahlen aber auch zeigen: Ohne griffige Strategie macht ein Investment gar keinen Sinn. Es wird eher teurer, nicht billiger in allen Warengruppen, um Umsatzanteile zu gewinnen.
Spannend ist nun natürlich die Frage: Was sollte ein Unternehmen tun, das erst jetzt den Einstieg in den Onlinehandel plant? Folgt das Modehaus den gleichen Strategien wie ein Verlag? Muss man am Ende doch mit Amazon kooperieren? Abwarten ist doch keine Option, oder? In 2015 wird es diverse Beiträge bei kassenzone.de geben, die auf diese Fragen eine Antwort suchen. Bei den Digital Commerce Days in Hamburg werden das auch die zentralen Fragestellungen sein, zu denen sich die Händler und Hersteller äußern
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