Vor sechs Jahren war der My-Boo Gründer Max bereits Gast im Kassenzone Podcast und hatte mich sehr erstaunt mit seiner Geschichte über die Herstellung von Bambusfahrrädern. Mittlerweile hat er sein Business deutlich weiterentwickelt und kann auf eine reichhaltige Lernkurve blicken, die er mit uns im Podcast teilt. Wir sprechen über Absatzzahlen, die Kooperationsbereitschaft von Fahrradhändler, neue Kategorien wie Lastenfahrräder und vieles mehr. Fahrradfans kommen so sicherlich auf ihre Kosten und ich freue mich sehr über diese Kieler Erfolgsgeschichte. Der Trend Richtung Fahrrad dürfte My-Boo in den nächsten Jahren Auftrieb verleihen, der Einbruch bei den Kreuzfahrern, ein wichtiger B2B Absatzkanal für My-Boo muss in 2020 aber erst einmal verkraftet werden.
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„Dein handgefertigtes Unikat aus Ghana und Kiel“: Das ist das Versprechen vom Bambusfahrradhersteller myBoo – und nicht erst seit gestern. Denn bereits im Herbst 2014 war Gründer Maximilian Schay mit dem originellen Fahrradkonzept bei Alex zu Gast. Ein Schluss aus dem damaligen Gespräch: So ein Produkt ist dringend auf stationären Handelskonzepte angewiesen. Darüber, wie nun auch andere Kanäle in den Fokus rücken, sowie über den Ausbau des Geschäfts in den letzten sechs Jahren und die Entwicklung von neuen Produktkategorien spricht Alex in dieser Folge mit Maximilian – der mittlerweile bei der Eröffnung seiner neuen Werkstatt mit prominenten Besuchern wie dem Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer rechnen kann.
„Wir wussten vor drei Jahren nicht, dass wir bald Fahrräder an Hotels mieten würden!“
3:00
Alex: Willkommen in meinem Heimatdorf Lindau! Es ist sechs Jahre her, dass wir uns zum Podcast gegenübersaßen. Für Hörer, die seitdem neu dazugekommen sind, sag bitte mal, wer du bist und was du machst.
Maximilian: Schön, hier zu sein. Ich hatte eine sehr kurze Anfahrt! Ich bin ja einer von zwei Gründern, die 2012 in Kiel myBoo gegründet haben – damals noch im Studium. Seitdem produzieren wir geneinsam mit einem sozialen Projekt in Ghana Fahrräder mit Rahmen aus Bambus. Diese Fahrräder vertreiben wir in DACH sowie neuerdings im benachbarten europäischen Ausland. Das tun wir sowohl über Fahrradhändler als auch mittlerweile im Direkt vertrieb.
Alex: 2014 hatte ich euch in so einer kleinen Innovationslabor in Kiel kenngelernt. Nach wie vor sind Bambusfahrräder vergleichsweise selten auf deutschen Fahrradwegen. Vor kurzem habe ich einen Podcast mit Marcus Diekmann und Thorsten Rose von Rose Bikes aufgenommen, aber sie sind vermutlich in einem etwas anderen Marktsegment unterwegs. Reden wir erstmal über das Konzept Bambusfahrrad.
Maximilian: Die Idee ist dadurch entstanden, dass ein Schulkumpel von mir damals 2012 ein freiwilliges soziales Jahr in Ghana verbrachte – und dort ein Bambusfahrrad auf der Straße gesehen hat, das sich ein Einheimischer aus dem dort überall wachsenden Material gebaut hatte. Ich und Jonas, ein BWL-Kommilitone an der Uni hier in Kiel, waren auf der Suche nach einer spannenden Gründungsidee. Schon als Jugendlicher hatte ich nämlich einen kleinen eBay-Shop gehabt und hatte vor, zu gründen. Wir beide wollten aber – ich sage es mal so auf das Risiko hin, mich in der Digitalszene unbeliebt zu machen – ein handfestes, ein „richtiges“ Produkt entwickeln.
So haben wir uns erstmal ein halbes Jahr genommen, um zu recherchieren, was Bambus überhaupt kann. Wir fanden heraus: Die ersten Fahrräder aus Bambus gab es schon vor 100 Jahren, sie setzten sich aber nicht durch. Das Konzept passte aber gut in den Trends, die sich damals schon abzeichneten: Fahrräder insgesamt werden ja in den letzten Jahren wieder populärer und die ersten eBikes kamen schon damals auf; Herkunft und Produktionsbedingungen werden ja auch immer mehr thematisiert; und Nachhaltigkeit wird zunehmend wichtig. Diese Chancen ergriffen wir und testeten das Produkt aus, als wir noch nicht davon leben mussten. Anderthalb Jahre später gingen wir damit auf den Markt.
Alex: Wo steht ihr heute?
Maximilian: Wir haben 40 Mitarbeiter in Deutschland und 40 Rahmenbauer in Ghana. In Deutschland sind 30 von unseren Mitarbeiter im Kerngeschäft und die anderen 10 in den drei Einzelhandelsgeschäften tätig, die wir in Schleswig-Holstein entwickelt haben.
7:00
Alex: Jetzt wollen sich – wie letztens beim Eröffnungsfest für eure neue Werkstatt – Schleswig-Holsteins Ministerpräsident und der Kieler Oberbürgermeister im Licht der Bambusfahrräder sonnen! Aber wer sind eigentlich eure Käufer? Sind das alles so Öko-Laden-Leute? Und wer kann sich das leisten: Seid ihr mit Standardrädern preislich wettbewerbsfähig?
Maximilian: Wir bauen mittlerweile alles von City- und Trekking-Rädern über Mountainbikes bis zu Spezial-E-Bikes. Diese breite Modellpalette haben wir nicht deswegen entwickelt, weil sie für uns spannend ist, sondern weil wir Kundewünsche umsetzen. Preislich geht es ab 1.490 Euro los, aber der Durchschnittspreis für ein normales Fahrrad liegt eher um 2.500 Euro; bei E-Bikes – die mittlerweile rund 50% der Käufe ausmachen – liegen wir eher bei 4.000 Euro.
Der klassische Kunde bei uns ist Vielfahrer, zwischen 35 und 55 Jahre alt. Es handelt sich nicht – wie man vielleicht im ersten Moment annehmen würde – um ein Hipster-Produkt, dass der 22-jährige Student fährt oder um ein Statussymbol, das man sich ins Wohnzimmer stellt. Uns kaufen Leute, die viel Wert auf ein qualitativ gutes Fahrrad legen und eine besondere Beziehung dazu, weil sie es in der Regel jeden Tag nutzen.
Neben dem Endkundengeschäft haben wir vor zwei Jahren angefangen, ein B2B-Konzept aufzubauen. Wir arbeiten sehr viel mit der Touristik-Branche zusammen und haben AIDA als großen Kunden gewinnen können: Sie setzen unsere Fahrräder auf ihren Schiffen ein. Das sind dann gleich paar Hundert Stück – also eine richtig relevante Menge für uns. Zudem haben wir ein Mietkonzept für Hotels auf den Markt gebracht. Wir sind also in mehreren Hotels im DACH mit Hunderten Rädern vertreten. Die Hotels mieten sie bei uns mit einem Full-Service-Paket – meistens inklusive Versicherung und Vor-Ort-Reparatur durch Partner von uns. Die Hotels vermieten die Räder wiederum an ihre Gäste und können einen Rabatt anbieten, falls die Gäste die Räder kaufen wollen.
(Alex bittet Maximilian im Vergleich mit einem üblichen Fahrrad – etwa von Rose – die Unterschiede eines Bambusrahmens zu beleuchten. Die Komponenten seien meistens die gleichen, setzt er an, weil es zu den Marktstandards wie Shimano wenig Alternativen gebe. Der Preisunterschied von einigen Hundert Euros komme durch die aufwendigere Produktion des Rahmens zustande: 80 Stunden Handarbeit in Ghana plus Montage in Deutschland. Letztere sei die Ausnahme in der Branche – und erlaube es myBoo, einen hohen Grad der Individualisierung anzubieten.
Bambus sei vorrangig deswegen noch nicht so weit verbreitet, so Maximilian auf Nachfrage von Alex, weil man den Kunden erstmal überzeugen müsse, dass es sich um eine ernsthafte Alternative für ein Fahrrad ist. Den Preisunterschied müsse man auch überwinden. Technische Nachteile anderen Werkstoffen gegenüber gebe es allerdings keine – aber technische Vorteile auch nicht. Man müsse daher über die besondere soziale Produktion argumentieren. „Kauf dieses Rad, weil es besonders leicht ist!“ könne man ja nicht behaupten.)
13:30
Alex: Damals wurde in den Kommentaren unter dem Beitrag die Frage gestellt, warum wir nicht über eure Wettbewerber gesprochen haben. Mir war gar nicht klar, dass auch andere mit Bambus anfertigen! Ist das eine Kategorie?
Maximilian: Damals gab es ein paar andere Unternehmen, die mehr oder minder parallel mit uns gestartet sind. Sie sind aber alle vom Markt verschwunden. Es gibt also jetzt tatsächlich meinem Kenntnisstand zufolge kein anderes Unternehmen in Europa, das Bambusfahrräder herstellt und in relevanten Stückzahlen verkauft. Es gibt viele, die das mal probieren, weil sie das irgendwo im Urlaub sehen und sich dann einen Rahmen mitbringen, eine Webseite aufmachen und sich „Bambusfahrradhersteller“ nennen. Das habe ich geschätzt 20 Mal gesehen. Sie sind aber nach einem Jahr wieder weg.
Was es schon gibt, sind Hersteller die einigermaßen erfolgreich mit Holzrahmen arbeiten – in Holland paar zum Beispiel. Auch Workshops, in denen die Teilnehmer eigene Bambusfahrräder bauen können, sind ein Erfolgsmodell in einigen Großstädten.
Alex: Und gibt es eine Überschneidungsfläche mit Mietradanbietern wie Swapfiets? Das Ökologische ist ja auch im Sharing-Economy stark verankert. Könntet ihr von der Produktionskapazitäten theoretisch so einen Anbieter ausstatten? Würden die Fahrräder grundsätzlich da funktionieren?
Maximilian: Prinzipiell schon, aber ich glaube vom Einstiegspreis liegen wir in einem Bereich, in dem wir für Sharing-Anbieter noch nicht interessant sind. Langfristig könnte das aber möglich sein: Es wäre eben ein anderes Geschäftsmodell. Unser Produktionsprozess ist noch nicht am Ende dessen, was wir an Effizienz hinbekommen könnten. Die 80 Stunden Handarbeit am Rahmen sind aktuell noch ein großer Kostenfaktor, weil wir faire Löhne zahlen wollen. Damit sind wir aber um das Zwanzigfache teurer als ein Rahmen, der in Asien für Rose oder Swapfiets hergestellt wird. Auf lange Sicht könnten wir Handarbeit aber reduzieren und für so ein Modell attraktiv werden.
(Alex fragt nach anderen Spezialfertigungen wie Lastenfahrräder – „Noch nicht, aber kommt im nächsten Jahr“. Speziale Maßanfertigung auf Kundenwusch sei jetzt schon möglich. Danach geht Alex kurz tief in die Nische für besondere Lastenfahrräder, die myBoo noch nicht bedient.)
18:45
Alex: Wie seid ihr finanziell ausgestattet – und seid ihr profitabel?
Maximilian: Angefangen haben wir mit meinem eigenem Geld, das ich aus der eBay-Shop-Zeit hatte. Da hatte ich PC-Spiele privat gekauft und dann weiterverkauft: Daraus hatte ich paar Tausend Euro, die reingeflossen sind. Wir hatten auch von Beginn an einen Business-Angel, den wir über private Kontakte kannten. Der hat in den ersten Jahren knappe 100.000 Euro bei uns investiert und ist weiterhin Gesellschafter. Danach haben wir keine weiteren Kapitalgeber aufgenommen. Wir haben uns entschieden, organisch zu wachsen – und waren auch ab Jahr Zwei profitabel (erst einmal auf Kosten unserer eigenen Gehälter…).
Wir haben einen relativ hohen Warenstand, den wir entsprechend vorfinanzieren müssen. Das machen wir mit klassischen Bankenkrediten und dank unserem Business-Angel: Damit finanzieren wir Bestände in einem siebenstelligen Wert. Insgesamt wollen wir langsamer, dafür organisch wachsen – und haben nicht vor, zu verkaufen.
Alex: Hört man nicht oft heutzutage! Lass uns zum Schwerpunkt eines jeden Kassenzone-Podcasts kommen: Zur Vertriebslogik! Wie verkauft ihr denn eure Fahrräder? Anfangs setztet ihr auf den Fachhandel…
Maximilian: Und verkaufen weiterhin über 150 Fachhändler in DACH, Belgien, Holland und seit letzten Jahr auch UK. Der starke Fokus liegt aber mittlerweile auf Direktvertrieb, was sich aufteilt in Kunden, die zu uns nach Kiel fahren und – und das sind fast schon mehr – Kunden, die vollständig online kaufen. Dafür benutzen sie keinen klassischen Shop, sondern einen Konfigurator auf unserer Website. Wir sind so aufgestellt, dass wir binnen Minuten auf solche Konfigurationsanfragen reagieren – egal zu welcher Uhrzeit. Da bekommt der Kunde auch schnell jemanden von uns am Telefon oder über E-Mail, der ihn dann abschließend berät und vielleicht die eine oder andere Sache an der Konfiguration ändert. Dann verschickt er das Angebot und gibt Informationen zu Themen wie Leasing und Finanzierung.
Wir haben uns beim Direktvertrieb den Maßstab gesetzt, genauso gut zu sein wie der Fahrradhändler vor Ort. So versenden wir für eine Pauschale von 99 Euro ein konfiguriertes Fahrrad zu unseren Kunden deutschlandweit nach Hause. Dieses können sie 10 Tage testen und es behalten, wenn es ihnen gefällt – oder zurückschicken, falls nicht.
Alex: Ist ja wie mit den Matratzen! Wie viele Räder kommen denn zurück? Und müssen sie geschreddert werden?
Maximilian: Ich schätze: Um die 30% werden retourniert. Aber nein, die müssen wir nicht schreddern! Dafür ist nämlich das Mietkonzept ganz spannend. Vielen Verleihern – wie Hotels – ist die genaue Konfiguration ja nicht so unheimlich wichtig.
22:55
Alex: Wie ist das Verhältnis zwischen B2C und B2B?
Maximilian: Zusammengefasst als Touristik macht B2B bei uns vielleicht 40%-50% des Umsatzes aus. Die AIDI nimmt ja Tausend Räder im Jahr. Die anderen 50% sind ja Endkunden, die über den Handel oder direkt bei uns kaufen.
Alex: Wird das auch so bleiben? Meine Einschätzung: Ihr seid doch sehr hochpreisig für Einzelkunden, aber mit eurer Story nicht uninteressant im Bereich Touristik. Ein Hotel, das sich differenzieren möchte, schmückt sich doch wohl gern mit einer Geschichte wie eurer…
Maximilian: Bis vor zwei Jahren hatten wir an Hotels überhaupt nichts verkauft. Wir dachten, individuelle Konfiguration sei für uns der perfekte Markt. Aber dann haben wir gemerkt, dass Hotels auf der Suche nach Differenzierungsmerkmalen sind und ihren Kunden spannende Geschichten erzählen wollen. Allerdings haben sie kein Interesse daran, ein Fahrrad zu kaufen. Sie wollen mieten. Und ohne Versicherung und Service machen sie es nicht. Darum kümmern sich jetzt sechs Leute bei uns um unsere Kunden im Gastgewerbe. Es dauerte also eine Weile, bis wir hier den Einstieg gefunden haben. Jetzt glaube ich, dass der Anteil an unserem Geschäft in den kommenden Jahren stark ansteigen wird.
(Maximilian und Alex vertiefen die Details des Rund-um-Sorglos-Paket für Hotels. Dann fragt Alex was wäre, wenn er mit seinem myBoo zum Fahrradhändler um die Ecke hingehe und ihn bitte, eine Bremsscheibe auszutauschen? Das sei völlig unproblematisch, so Maximilian, da sämtliche Komponenten Standard seien und die könne jeder Händler reparieren. Nur der Bambusrahmen sei anders, aber an ihm seien ja auch keine Verschleißteile.)
27:30
Alex: Und wie sieht es aus mit Influencern? Wenn Pamela Reif mit dem Bambusfahrrad zum Termin kommen sollte…
Maximilian: Wir haben Kooperationen im letzten Jahr getestet. Ich weiß nicht, ob man ihn schon einen „Influencer“ nennen kann, aber mit Jörg Pilawa haben wir zum Beispiel was gemacht. Damit ging das vor anderthalb Jahren los. Dann haben wir mit der größten Nachhaltigkeitsinfluencerin in Deutschland Luisa Dellert kooperiert. Ihr folgen rund 380.000 Menschen auf Instagram. Das war recht erfolgreich.
Zwar haben wir keine sechsstellige Budgets dafür, aber im Kleinen hat es schon gut funktioniert. Es war auch direkt profitabel: Wir haben also weniger investiert, als wir direkt an Marge durch den Verkauf eingenommen haben. Da sind langfristige und Branding-Effekte auch noch gar nicht drin. Deswegen wird das für uns für dieses Jahr Thema sein. Allerdings ist Pamela Reif um eine Größenordnung zu groß für uns…
(Alex gibt preis: Pamela Reif habe er für einen Podcast angefragt und die Antwort bekommen, Kassenzone sei für sie „nicht relevant“. Danach geht es um die Angst vor Diebstahl, die insofern unbegründet sei, so Maximilian, als die Räder den Missetätern viel zu auffällig seien. Thema Auffälligkeit: Alex will wissen, ob man die Rahmen auch anders lackiert bekomme. Antwort: Ja. Firmenkunde American Spirit habe zum Beispiel seine Bestellung von 20 Rädern für den Hauptsitz gleich in Markenfarben ausführen lassen.)
30:40
Alex: Ihr seid erfolgreich als Premiummarke am Markt etabliert. Was kommt jetzt? Blicken wir auf die kommenden drei bis vier Jahren: Wachst ihr da auf 10.000 Fahrräder pro Jahr – oder wachst ihr eher linear? Ist die Produktionskapazität in Ghana ein Nadelöhr?
Maximilian: Die Produktionsfähigkeit ist gar nicht das Problem. Das würden wir schnell aufgebaut bekommen. Es handelt sich ja um Handarbeit und Menschen die dort bei uns arbeiten wollen, gibt es genug. Im Zweifelsfall könnten wir da, wenn wir einen Riesenauftrag bekommen würden, innerhalb sechs Monate die Produktion verdoppeln. Aber wir sind in den letzten Jahren um rund 50% gewachsen und werden das in den kommenden Jahren vermutlich weiterhin so tun. Das ist ja auch schon von der Stückzahlen her eine Herausforderungen!
Alex: Und mit so einem Mietkonzept für Hotels habt ihr ja auch eine höhere Kapitalbindung, weil ihr vermutlich erst ab der zwölften Monat den Deckungsbeitrag zusammenhabt… Ist das ein Hemmschuh oder stoßt ihr bei der Kieler Sparkasse auf Verständnis, wenn ihr da expandieren wollt?
Maximilian: Es war immer einen Vorteil, unseren Business-Angel im Hintergrund zu haben, der bei Gesprächen mit Banken mit dabei ist und sagt: „Wenn ihr das nicht macht, dann übernehme ich das alles!“ Trotzdem ist es so, dass wir schon im klassischen Geschäft viel Kapitalbindung haben und – wie du sagst – im Hotelbereich viel mehr. Wenn das stark wächst, liegt da richtig viel Geld von uns gebunden. Das will finanziert werden – aus Renditen oder über Banken. Da sind viele Gespräche notwendig und es muss alles immer wieder begründet und verhandelt werden. Tun sich die Banken bei uns oft schwer, weil wir dynamisch sind und wachsen. Wir wussten vor drei Jahren ja auch nicht, dass wir bald Fahrräder an Hotels mieten würden! Aber am Ende hat es immer noch funktioniert, dass sie trotzdem finanzieren.
(Alex stellt mit einem Verweis auf seinen Podcast mit dem Ollo-Bike-Gründer die Frage nach Kinderfahrrädern. Auch hier denkt Maximilian über Mietkonzepte nach, weil man bei myBoo nicht davon ausgeht, dass Eltern mehrere Tausend Euro für ein Fahrrad für ein zehnjähriges Kind auszugeben bereit sind.)
35:00
Alex: Wie oft bist du in Ghana?
Maximilian: Ich bin ein- bis zweimal im Jahr da; als Firma sind wir rund viermal im Jahr vor Ort.
Alex: Und seid ihr der größte Arbeitgeber im Ort, wo ihr dort seid?
Maximilian: Würde ich schon sagen. Wobei wir nicht direkt Arbeitgeber sind, sondern mit einem Partnerprojekt arbeiten, das ausschließlich für uns die Rahmen produziert. Wir sind rechtlich unabhängig voneinander, aber schon sehr eng miteinander verwoben. Das ist ein kleines Dorf im Landesinneren, zwei Stunden von der nächsten großen Stadt entfernt: Und da gibt es keine großen Arbeitgeber. Es ist sehr landwirtschaftlich geprägt – viele Selbstversorger. Im Dorf findet man dann ein paar kleine Verkaufsstände, einzelne Taxifahrer und dann einzelne größere Betriebe wie Kakaoplantagen. Wegen des Mangels an durchgängiger Stromversorgung sind wir aktuell noch sehr auf Handarbeit angewiesen: Derzeit würde eine andere Produktion stillstehen, wenn die Solaranlage auf dem Dach ausfällt…
(Alex fragt, ob Kunden und Händler im Umgang mit Bambus geschult werden müssen. Abgesehen von paar kleinen Malheurs – zu fest geklemmt in der Werkstatt – passiere nichts Verrücktes, so Maximilian.)
37:00
Alex: Kann sich eigentlich ein beliebiger Fahrradhändler bei euch melden und anfangen, myBoo zu listen?
Maximilian: Grundsätzlich kann sich jeder Fahrradhändler bei uns melden und je nach Abnahmemenge staffeln wir den Rabatt. Hat ein Händler einen Kunden vor ihm, der ein myBoo haben will, kann er auch ein einzelnes Fahrrad bei uns bestellen: Nur der wird nicht so viel Geld daran verdienen. In Deutschland haben wir derzeit rund 110 Händler mit knapp 40 weiteren in Österreich und der Schweiz. Weitere 10 bis 20 sind drum herum gestreut.
Alex: Und hat Amazon schon bei euch angeklopft?
Maximilian: Ja, wir haben mit ihnen gesprochen und haben auch ein hochwertiges Zubehörsegment da platziert. Das sind so Sachen wie Fahrradgriffe aus Birkenrinde, Schlösser aus Hanffasern, Wandhalterungen aus Holz… Sie funktionieren nicht nur bei Bambusfahrrädern und sind daher für die breitere Kundschaft auf Amazon genau richtig. Unsere Fahrräder listen wir da allerdings nicht. Ich denke nicht, dass dort aktuell nach „Bambusfahrrädern“ groß gesucht wird. Vielleicht ändert sich das irgendwann, aber ich glaube trotzdem nicht, dass das der Weg für uns sein wird. Mit dem Service-Gedanken, dass wir jeden Kunden noch einmal telefonisch oder per Mail beraten, hängt das nicht zusammen.
39:00
Alex: Letzte Frage: Stichwort „everywhere commerce“. Man kann heutzutage in allem SIM-Karten einbauen und ich könnte mir vorstellen, dass es für euch interessant wäre, zu wissen, wo eure Fahrräder sind und etwa anhand der Drehungen im Tretlager vorhersagen zu können, wann sie gewartet werden müssen – vor allem diejenigen im Mietgeschäft. Unternehmt ihr was in dieser Richtung?
Maximilian: Im Fahrrad generell sind GPS-Services ein Thema und natürlich möchten auch wir wissen, wo vor allem unsere Mietfahrräder stecken. Wir haben das mal als Upgrade angeboten, aber kundenseitig wurde das Thema bisher nicht angenommen. So steht das für uns noch nicht im Fokus. Derzeit passen Aufwand und Ertrag nicht so sehr. Langfristig kann das aber spannend werden.
(Daraufhin lässt sich Alex die interne Aufteilung der Arbeit zwischen Maximilian und seinem Mitgründer schildern und stellt zum Schluss eine andere Kassenzone-Dauerfrage: Bekomme myBoo am Standort Kiel die Mitarbeiter, die es braucht?)