Wie bleibt man als Händler in einer Welt voller Amazon & Co. noch relevant? Christian Grau (GF Sport Tiedje) ist das gelungen. Mit deutlich über 100 Mio. Umsatz und stetigem Wachstum schafft er es in seiner Nische besser und relevanter zu sein als alle Wettbewerber und verkauft mittlerweile u.a. einen LKW voller Kettlergeräte pro Tag, stattet Stars und Hotel mit Fitnessanalagen aus und produziert auch selber preisgekrönte Geräte aus seiner Zentrale in Schleswig heraus. Eine beeindruckende Händlergeschichte direkt aus der Nähe der Kassenzonezentrale. Unbedingt hören und auf jeden Fall braucht ihr danach einen WaterRower! Im Podcast erhaltet ihr dazu auch einen kleinen Gutscheincode.

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Sport und Heimfitness mit Christian Grau, Inhaber und CEO von Sport Tiedje

Ein klassischer deutscher Hidden Champion, Sport Tiedje aus Schleswig ist der mit Abstand größte Hersteller von Fitness-Geräten in Europa. In diesem Podcast aus der dortigen Firmenzentrale erzählt Christian über die Anfänge und Entwicklung der Unternehmensgruppe und erklärt, warum der stationäre Handel auch in Zukunft von großer Bedeutung sein wird. Alex hört zu, stellt Fragen – und rutscht auf seiner ergonomischen Sitzgelegenheit so lange rum, bis er Muskeln merkt, von denen er wohl noch nicht wusste, dass er sie hatte…

„Wir wollen keinen Kleiderständer verkaufen.“

2:45

Alex: Während meines Urlaubs habe ich mich mit Rudergeräten für zu Hause beschäftigt – und wenn man online sucht, kommt man schnell an Wasserwiederstandsgeräte. Die einzige Marke, die man als Konsument in diesem Segment zum Kauf findet, ist Water Rower. Und in 90% aller Anlaufversuche, so ein Gerät zu kaufen, landet man bei euch. Da habe ich mir gedacht: Europas Nummer Eins für Heimfitness bei mir in der Nähe in Schleswig? Wie kam es denn dazu?

Christian: Wir haben den klassischen Weg von Tante-Emma-Laden für Sportartikel bis zum Spezialisten hinter uns. Gegründet wurden wir 1984 von Ulrich Tiedje, ein ehemaliger Bundesliga-Tischtennisspieler, der dann eine Einzelhandelslehre machte. Der Stammladen ist in der Schleswiger Innenstadt und ich bin seit 1996 an Bord. Ich hätte eigentlich Informatiker werden sollen, habe aber vor meinem Studium gejobbt und habe mich dann in die Sportbranche verliebt. (Ich bin ja auch vom Haus aus Basketballer.)

Als Informatiker kommt man irgendwann auf die Idee, eine Webseite zu bauen. Das habe ich 1999 gemacht und sie hatte dann schnell Erfolg. Wir haben in der damals sehr einfachen Internet-Welt schnell in einigen Bereichen die vorderen Plätze belegt: Inline-Skates, Adidas-Sportschuhen und Kettler. Es gab da noch kein Google: Man hat standardmäßig mit T-Online gesucht. Und wenn man damals mit T-Online nach Kettler gesucht hat, belegten wir die ersten 177 Plätze. So war der Kunde zwangsläufig bei uns (ob er darüber immer glücklich war, ist eine andere Frage…).

Alex: Und wart ihr bei der Gründung in einer Verbundgruppe wie Intersport?

Christian: Nein, wir sind immer eigenständig gewesen. Damals waren wir Tischtennis-Spezialist und hatten Sport 2000 als Kooperationspartner. Der Claim war „Alles rund um den Sport“. Aber wir hatten bloß 200-300 Quadratmeter und so ein Laden wie Karstadt Sport in Hamburg – mit dem gleichen Werbespruch – hat 10.000. So merkten wir schnell, dass der nicht wirklich passte. Skiausrüstung, Bergsteiger-Ausrüstung… Das konnten wir so nicht bieten.

Wir stellten früh fest: Es geht um Größe, Volumen und Spezialisierung. Im Internet war am Anfang die Idee, uns lediglich online darzustellen. Wir haben aber schnell gesehen, dass wir damit Erfolg hatten. Dann gab es den Boom bei Inlineskates und Kickboards in den späten Neunzigern, von dem wir profitierten. Retouren waren aber ein Problem. So entschieden wir uns bewusst für das Segment Heimfitnessgeräte: Wer so eine Kraftstation von mehreren Hundert Kilo zu Hause erst einmal aufgebaut hat, überlegt sich nämlich selten, ob er sie eigentlich lieber in Blau hätte!

Und was wir uns damals nicht vorstellen konnten: Dass Amazon statt nur Büchern auch mal Kraftstationen verschickt. Von Buch zu T-Shirt ist es ja ein kleiner Schritt: Das passt im gleichen Karton, das war klar. So dachten wir: Wir gehen in eine Nische und machen sie richtig gut. Der Erfolg setzte erstaunlich schnell ein: Vier Wochen, nachdem wir 1999 damit online gingen, kam die erste Bestellung aus China.

(Alex will wissen, ab wann klar war, dass das Lager und nicht die Ladenfläche entscheidend sein würden. Innerhalb von wenigen Monaten, antwortet Christian, brauchten sie das erste externe Lager von 1.500 Quadratmetern. Nach und nach verabschiedete sich Sport Tiedje von Segmenten wie Trainingsschuhe, um sich auf Heimfitnessgeräte zu fokussieren. 2001 war Online schon deutlich größer als das stationäre Geschäft und die jetzige Firma wurde vom Laden entkoppelt: Ab 2003 mietete sie sich eine 3.000-Meter-Halle im Gewerbegebiet und eröffnete ein eigenes stationäres Geschäft dazu, damit Kunden die Geräte vor dem Kauf ausprobieren konnten.)

10:00

Alex: Woher kam den die hohe Nachfrage nach Heimfitnessgeräten? Und wie kam sie zu euch?

Christian: Wir hatten von Anfang an eine recht prominente Stellung in unserer Branche. Abgesehen von einem Marktbegleiter, der einen Tick vor uns war, gab es da noch wenige, die das Thema vorantrieben. Und Heimfitness ist ein Makrotrend: Die Leute werden immer älter und ziehen in die Großstädte. Dazu steigt die Eigenverantwortung, weil die Leute wissen, sie werden länger arbeiten müssen und ihre Krankenkasse wird nicht unbedingt für sie aufkommen. So muss man einfach fit und aktiv alt werden. Und sich mit 65 in den Liegestuhl setzen? Das möchte keiner mehr. Viel eher möchte man die Enkelkinder in die Luft werfen und fünfmal die Woche ins Fitness-Studio gehen.

Alex: Ich habe vor anderthalb Jahren einen Podcast mit René Köhler zu fahrrad.de gemacht. Das ist ein Sommergeschäft, also gründeten sie fitness.de, um das im Winter auszugleichen. Habt ihr die gemerkt?

Christian: Klar. Ich kenne René gut – und das Modell war in dem Moment interessant. Was aus meiner Sicht fehlte, war die Fokussierung. Er hat mit fahrrad.de einen super Laden aufgebaut. Auch wir haben mit E-Bikes angefangen und waren schnell gut unterwegs, aber man verliert dabei seine Kernkompetenz. Da hatten wir auf einmal Leute, die einen neuen Schlauch brauchten oder etwas anderes am Rad, und da wäre unser Fokus verloren gegangen.

(Alex möchte wissen, was es in Zahlen heißt, in diesem Segment europaweit Nummer Eins zu sein. Christian gibt Zahlen: 78 Läden, wovon 58 eigene und 20 Flächen bei Karstadt Sport, sowie 25 Online-Shops in acht europäischen Ländern; knapp 800 Mitarbeiter; eigene Fertigung in China und Taiwan; 2017 121 Millionen Umsatz. Tendenz bei allen Indikatoren steigend. In den meisten internationalen Märkten heißt Sport Tiedje Fitshop, in UK Powerhouse Fitness.)

16:00

Alex: Sind deine stationären Standorte auch vom spürbaren Rückgang der Laufkundschaft betroffen?

Christian: Der Footfall in den Innenstädten nimmt ab. Als Kassenzone-Zuhörer kenne ich ja auch das Gespräch mit Knud Hansen in Kiel: 10% minus.

Alex: 15% letztes Jahr!

Christian: Unsere Geschäfte sitzen meistens in 1B-Lagen: Hauptzubringerstraße zur Innenstadt mit einer guten Sichtbarkeit und einer prominenten Adresse. In Berlin ist das Alexanderplatz und Kurfürstendamm, in Hamburg entsprechend Stresemannstraße. Sonst sind wir in den Innenstädten selber bei Karstadt Sport eingestiegen, weil uns sonst der letzte der drei Großen weggefallen wäre: Sportscheck hat keine Großgeräte mehr und SportArena (Kaufhof-Gruppe) wurde aufgelöst. Für uns ist aber wichtig, dass Fitness-Geräte sichtbar sind und wir die Möglichkeit haben, mit vielen Kunden ins Gespräch zu kommen. Für uns ist es einfach ein weiterer Kanal, wo die Kunden sind.

Alex: Wie ist es mit Fitness-Studios? Sie wollen wohl nicht, dass sich ihre Kunden Geräte zu Hause anschaffen. Oder würde es einen Sinn haben, eigene Studios als Kanal zu betreiben? Ihr werdet in eurer 35-jährige Historie bestimmt mal darüber nachgedacht haben…

Christian: Genau aus dieser Sicht hatte ich selber mal zwei Studios nebenbei laufen, um es auszuprobieren – eins in Flensburg, eins in Rendsburg, Cardio- und Vibrationstraining für Damen, also eine spezielle Nische. Status ist, dass wir Eigenmarken haben, die im Studiobereich aktiv sind. Und dann sind wir der größte Heimkunde vom weltgrößten Fitnessgerät-Hersteller LifeFitness. So kannst du in den meisten Fällen Geräte, die du im Studio nutzt, bei uns für zu Hause kaufen. Und das kommt auch recht häufig vor.

(Aber ein McTiedje könne man wohl nicht erwarten, scherzt Alex und leistet sich einen kleinen Exkurs zur Motivation, ins Fitnessstudio zu gehen.)

20:30

Alex: Bei euch ist wohl Online der treibende Kanal, oder?

Christian: Nein. Es ist ein wichtiger Kanal, um mit dem Kunden in Kontakt zu kommen. Aber sobald wir einen Markt mit Filialen erschlossen haben, kommt ein hoher Anteil unseres Umsatzes aus dem stationären Geschäft. Es ist anders als wie bei einer Kaffeemaschine! Bei einem Fitnessgerät ist es wichtig, es ausprobiert zu haben. Wir wollen keinen Kleiderständer verkaufen! Denn: Wer kennt es denn nicht, das alte Heimfitnessgerät, das bei Oma im Keller zum Wintermäntel-Aufhängen benutzt wird? Wir leben davon, dass unsere Kunden auch wirklich einen Trainingserfolg haben. Wenn du bei uns kaufst und zufrieden bist und deine Bekannten dich dann fragen, wie du abgenommen hast, sagst du: „Ich habe dieses Gerät bei Tiedje gekauft…“ So investieren wir in die Beratung, um sicher zu sein, dass das Gerät passt.

Alex: Schön, dass das so ist. Aber ist es nicht eine klassische Einmalbeschaffung? Habt ihr nicht das Matratzen-Problem? Seid ihr denn nicht darauf angewiesen, dass die Leute zurückkommen? Ich meine, es ist ein teurer Prozess, die Leute zu begeistern und dann ihnen womöglich ein Fremdgerät mit dünner Marge einmalig zu verkaufen… Oder kommen sie wieder, weil sie anfangen, ein komplettes Heimstudio aufzubauen.

Christian: Das Großgerät ist meist eine einmalige Anschaffung, die aber später ergänzt wird. Häufig kommt der Impuls mit der Weihnachtsgans: Du fasst einen Neujahrsvorsatz und kaufst einen Crosstrainer. Diese Dynamik merken wir dann übers Jahr immer mal wieder, weil du mit dem Crosstrainer fitter wirst – und dann merkst, dass du was für die seitliche Bauchmuskulatur oder den unteren Rücken tun musst.

Wie du vermutest: Die Kundenerstakquise ist sehr teuer. Über Google AdWords einen Crosstrainer-Kunden einzukaufen, ergibt keinen Sinn – weder auf den Kauf noch auf den Kunden gerechnet. Wir sprechen von CPOs im Bereich 180 Euro vor anderthalb Jahren, die mittlerweile bei 220-230 Euro liegen dürften. Das gibt die Marge überhaupt nicht her.

(Warenkorbwerte bewegen sich um die 600 Euro. So versuche Sport Tiedje über Mundpropaganda zufriedener Kunden, andere in der Nachbarschaft zu akquirieren, sagt Christian, woraufhin Alex erzählt, nach der straßensperrenden Lieferung seines Sportsgeräts genieße Tiedje bei seinen Nachbarn keinen so ausgezeichneten Leumund…)

25:50

Alex: Du sagst, ihr konntet euch damals nicht vorstellen, dass Amazon eines Tages auch Großgeräte verschicken würde. Und viele Kunden haben eh dort ein Konto. Wie gefährlich ist euch Amazon geworden?

Christian: Rund 70% oder 80% unserer Kunden gewinnen wir online. Bei Amazon haben wir zwar ein Account, aber da läuft so gut wie nichts.

Alex: Bei euren Eigenmarken habt ihr doch die volle Distributionshoheit. Ist es denn nicht sinnvoll, mit so kleinen Mitnahmeartikeln wie eine Kettel-Bell die Kunden auf Amazon anzufüttern, auf dass sie nachher bei euch was Größeres bestellen?

Christian: Innerhalb Deutschland als Heimmarkt haben wir uns bewusst gegen Amazon entschieden, weil es die Margen einfach kaum zulassen. Bei Fitnessgroßgeräten sind die Schnitte zu schlecht – auch bei selbsthergestellten Sachen, denn wir müssen wettbewerbsfähig bleiben. Zudem ist uns wichtig, die Kontrolle über unsere Produkte zu haben.

(Als Gedankenspiel macht Alex „Graf Sport“ auf und fragt nach Hausnummern für Einkaufskonditionen und Margen. Einkaufspreise, so Christian, seien derzeit so, dass sie Alex beim Verkauf nicht würde decken können. Sport Tiedje kaufe beispielsweise bei Kettler einen Lastzug am Tag: Kleinere Händler bekämen deutlich schlechtere Konditionen.

Daraufhin echauffiert sich Christian über die Billigmentalität von Kunden, die in einem 100.000-Euro-Mercedes beim Laden vorfahren und – 1.000-Euro-iPhone in der Hand – dann nicht mehr als 100 Euro für ihre Gesundheit ausgeben möchten. Die Wahrnehmung, was für Design und Material für einen Heimtrainer draufgehen, sei noch nicht vorhanden.

Kleine Margen, hohe Versandkosten wegen Gewicht und Sperrigkeit, aufwendig in der Beratung: kein Wunder, resümiert Christian, dass der Bereich bislang für andere Online-Händler uninteressant geblieben ist.)

30:30

Alex: Gibt es denn viele Produktinnovationen, die die Kundenberatung noch komplizierter machen? Ich denke an Mensch-Maschine, Bluetooth-Verbindungen und Apps – Bionic-Chips sogar…

Christian: Im Bereich der Trainings-Apps und Displays gibt es einiges an Innovationen. Die künftige Generation von Laufbändern bei unserer Eigenmarke werden beispielsweise von 10-Zoll- Richtung 15-Zoll-Displays gehen. Dann gibt es die ganzen Auswertungsmöglichkeiten: Kommunikation mit deiner Fitness-App, damit du die Daten von deinem Training und von deinem Lauf zu Hause vereinen kannst. Hier passiert gerade eine ganze Menge. Dann gibt es allgemeine Trends der Geräteweiterentwicklung.

(Es stellt sich raus, das Alex vor dem Gespräch einen neuartigen Lamellenlaufband ausprobiert habt, von dem er sich schwer begeistert zeigt.)

Alex: Im Vorfeld unseres Gespräches hast du mir gesagt, dass ihr auch relativ viele B2B-Geschäftsbeziehungen haben. Kaufen denn Hotels, die einen Fitnessraum ausstatten wollen, bei euch? Kommen sogar neue Fitness-Studios zu euch?

Christian: Grob aufgegliedert kommt 85% von unserem Umsatz von klassischen Heimkunden und 10% von B2B. Darunter sind Firmen, Fitnessstudios, Kreuzfahrtschiffe, sowie 150 Botschaften in aller Welt. Dann gibt es 5% Umsatz vom Segment VIP: Das ist eine gehobene, anspruchsvolle Kundschaft, die aber eine sehr hohe Zahlungsbereitschaft hat. Soll ich ein paar Namen nennen?

Alex: Von mir aus! Kassenzone ist ja die BILD-Zeitung des Commerce…

Christian: Wir haben: Tom Cruise, Michelle Pfeiffer, Hugh Jackman. Dann haben wir noch Eminem, George W. Bush…

Alex: Aber wie kommen sie denn zu euch? Und kann man sich das denn wirklich wie auf MTV vorstellen: abgefahrener Raum mit zehn superteuren Geräten…?

Christian: Zu uns kommen sie über Mundpropaganda. Die Künstler haben gemeinsame Agenten und Fitness-Trainer und dann heißt es: „Wenn du nach Europa kommst, dann lass dir von Sport Tiedje die Geräte liefern.“

Alex: Wie? Wenn sie nach Europa kommen, lassen sie sich ein temporäres Fitness-Studio aufbauen?

Christian: Naja, wenn der Dalai Lama nach Hamburg kommt, kann er nicht im normalen Fitness-Studio trainieren. Der kann auch nicht morgens durch den Hamburger Stadtpark laufen. Nein, der braucht Geräte nur für sich und in seinem Hotelsuite.

(Christian geht auf die Entstehung solche VIP-Geschäftsbeziehungen und die besonderen Anforderungen dieses Geschäftsfelds näher ein.)

36:30

Alex: Wie ist denn bei euch das Verhältnis ‚teuer und kompliziert akquirierte Einmalkunden‘ zu ‚intensiven Wiederkehrern‘?

Christian: Ich würde sagen: Bei Großgeräten sind 30% der Kunden solche, die regelmäßig kaufen und dazukaufen. Und wenn du bei uns Nahrungsergänzungsmittelkunde bist, dann kaufst du bei uns natürlich in regelmäßigen Abständen von vier bis sechs Wochen ein. Laufkunden holen sich eine Lauf-Uhr, dann relativ schnell eine Gewichtsweste…

Alex: Wie wichtig ist denn das ganze Thema Technologie und Marketing für euch? Ihr habt ja wenig Verticals – also nur paar Eigenmarken, keine eigenen Studios und Trainer. So muss Handelskompetenz für euch sehr wichtig sein. Da müsst ihr bestimmt Großvolumina bestellen, gute Wartungsverträge dazu verkaufen, Beratung anbieten.

Christian: Wir leben davon, dass wir alles, was wir machen, besonders ordentlich machen. Das betrifft die Art, wie wir Geräte verkaufen, wie wir im Kundenservice agieren, wie wir ausliefern. So haben wir beispielsweise 75 eigene Techniker, die mit GPS ausgestatteten Transporter in Europa unterwegs sind: sie liefern Geräte aus, warten und installieren sie.

Alex: Fest angestellt bei euch? Und machen nichts anderes?

Christian: Genau: sie sind rund um die Uhr für Fitness unterwegs.

(Alex erfragt genau Details des Modells und rechnet im Kopf nach, wie die Kosten- und Einnahmenstruktur aussehen könnte. Christian unterstreicht die Bedeutung dieses Service für den Qualitätsanspruch. Dazu zählte auch eigene Trainer, die Firmenkooperationen anstoßen und betreuen.)

40:15

Alex: Welche Firmen in Deutschland lassen denn ihre Schreibtische von euch mit Laufbändern ergänzen? Wo kann ich denn auf dem Rudergerät meine beruflichen Telefonate abhalten?

Christian: Quer durchs Land! In diesem Zusammenhang darf ich allerdings keine Firmennamen nennen. Was ich sagen kann: Selbst die alteingesessenen DAX-Dinosaurier haben durchaus sehr innovative Konzepte. Gut, ich verrate paar Namen: Siemens, Telekom. Dort gibt es spannende Konzepte.

Alex: Und da sitzt man wie hier gerade? Ich merke nämlich, ich kriege nur hiervon schon Muskelkater! Da gibt es denn Rudergeräte in den Gängen und Golfbahnen durch die Flure…?

Christian: Ja, auch bei klassischen Unternehmen. Selbst die Schleswiger Stadtwerke haben hier gleich um die Ecke einen tollen Raum für ihre Mitarbeiter.

Alex: Ist das gerade deswegen im Trend, weil wir uns mittlerweile in einem Arbeitnehmermarkt bewegen, in dem gewisse Ansprüche gestellt werden?

Christian: Ja, es geht ganz klar nach oben, weil sich Arbeitnehmer die Stellen aussuchen können und so ist der Arbeitgeber umso engagierter dabei, seine Belegschaft gesund und motiviert zu halten.

42:20

Alex: Und zum Thema Technologie: Ihr habt vom Warenwirtschaftssystem bis zum Shop alles selber gebaut, oder? Nun: Schleswig ist nicht bekannt als Schwarmstandort, wo jährlich Hunderte von IT-Absolventen anklopfen. Wie sieht euer Team denn aus?

Christian: Von unseren knapp 700 Mitarbeitern sind an die 400 bei uns in Deutschland tätig. In der Zentrale sind das 150 und davon zählte der IT-Bereich 20 Personen. Alle gängigen Anwendung sind bei uns selbst programmiert – mit einem entsprechenden Vorteil und einem Nachteil. Vorteil: Du kannst alles anpassen. Wenn der Kollege sich den Knopf in Grün wünscht, können wir das gegen Blau und Gelb testen und die beste Lösung umsetzen. Nachteil: Die Wunschliste endet nie!

Alex: Wie tief geht denn die technische Integration? Habt ihr eigene Scanner zum Picken in den Lägern?

Christian: Ja. Scan-Programm, Warenwirtschaft, Versandsteuerung: Alles im Hause.

Alex: Und wie sieht es bei Marketing aus? Wie findet ihr Kunden? Heute reicht s ja nicht mehr, die ersten 177 Plätze bei T-Online zu belegen…

Christian: Wir versuchen natürlich, in erster Linie organisch möglichst gut dazustehen. Das geht primär über guten Content – und schnelles Reagieren, wenn Google mal wieder so eine neue Update rausbringt. Dann CPC: Wir geben recht viel Geld für Kampagnen aus. Da ist eine sehr granulare Steuerung wichtig und wie beachten unseren return on ad spends sehr genau. Denn aufgrund der dünnen Margen und des regen Wettbewerbs sind viele Begriffe einfach zu teuer.

(Alex will wissen, wie das Marketing-Team aufgestellt ist. Die Hälfte seien Tiedje-Originale, die andere Hälfte habe man wegen ihrer Expertise dazu geholt. Danach wendet Alex den Blick in Richtung Zukunft: Da geht es um neue Modelle. Tiedje habe die Kompetenz, Testsiegergeräte zu entwickeln. Zwei der Eigenmarken – CardioStrong und Taurus – seien unter Konsumenten so bekannt wie Kettler und LifeFitness.

Es folgt ein interessanter Exkurs zu den Anforderungen an den Laufbändern, die in Fitness-Studios eingesetzt werden – und zum entsprechenden Preis. Daraus ergibt sich eine kurze Kalkulation der Investitionskosten und Mitgliedsbeiträge bei Fitness-Studios.)

48:50

Alex: Wie geht ihr denn ran, wenn ihr jetzt in neue Märkte wachst: Kauft ihr euch ein oder geht das organisch?

Christian: Wir agieren in dem Kontext sehr datengetrieben. Wir gucken uns an: Wo haben wir Zugriffe? Wo haben wir unsere Umsätze und wie gliedern sie sich dort auf? Dann gucken wir uns das lokale Wettbewerbsumfeld an: Wie groß ist der Markt an sich, gibt es stationäre aufgestellte Konkurrenten? Wenn stationäre vieles passiert, hat man weniger Online-Umsätze.

Im Normalfall starten wir dann in einem für uns ganz neues Land mit einem Standort in der Hauptstadt. Aktuell steht für uns etwa Frankreich auf dem Schirm und Paris ist sehr interessant: 10 Millionen Einwohner im Ballungsgebiet. Danach wird die Webseite stetig verbessert – mit Native-Speakern übrigens. Das heißt: Wir haben hier in Schleswig Leute aus Italien, Schweden, Finnland und so weiter, die mit den Kunden in ihrer Muttersprache interagieren.

Alex: Wie findet ihr die? Ich frage deshalb, weil andere Unternehmen genau da Probleme haben: „Ach, wissen Sie, Herr Graf: Hier in Idar-Oberstein gibt es keine Finnen!“ Wie kommen denn eure finnischen Call-Center-Arbeiter zu euch?

Christian: Die Finnen haben zufälligerweise hier oben schon gewohnt, aber andere Mitarbeiter sind tatsächlich aus ganz Europa zu uns gezogen – einer aus Italien, einer aus Polen. Wenn man ein internationales Team hat, fühlen sie sich auch hier in der Einöde…

Alex: Naja, ganz so klein und abgeschieden ist Schleswig nicht!

Christian: … in der Provinz wohl.

51:20

Alex: Und kauft ihr auch im Ausland dazu? So einen darbenden Versender oder eine stationäre Kette…?

Christian: Wir agieren da opportunitätsgetrieben. In Holland zum Beispiel haben wir zugekauft. Nachdem wir dort unseren eigenen Laden aufgemacht hatten, hat sich uns der ehemalige Marktführer angeboten. Und in UK haben wir bei der Nummer Zwei zugegriffen, bevor wir da selber greenfield angetreten sind. Auch mit Integration war das günstiger. Im neuen Markt Frankreich haben wir uns erst einmal angeguckt, welche Akteure vorhanden sind, wie sie zu uns passen – und uns dann doch entschieden, alles von Null aufzubauen.

Alex: Wie ist die Aufteilung bei euch zwischen vertikalem Geschäft mit eigenen Marken und reinem Handel? Ich meine, ihr seht im Vergleich zu anderen Händlern extrem gesund aus. Das würde ich auf den margenträchtigeren Vertrieb von Eigenmarken zurückführen.

Christian: Es hängt zwar vom Marktsegment ab, aber tatsächlich machen wir den überwiegenden Teil unseres Umsatzes mit Handelsgeschäft – und wachsen mit vielen der Handelsmarken überproportional.

(Alex zeigt sich überrascht und fragt abschließend, worauf sich Christian 2019 am meisten freut. Zunächst etwas ratlos führt Christian dann neue Märkte und evolutionäre Verbesserungen – sowie neue Geräte – auf. Bei letzteren bleiben die Gesprächspartner dann wieder hängen, bis Alex den Podcast – immer noch begeistert vom Lamellenlaufband – zu Ende moderiert.)

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