In den letzten Tagen macht ein Interview des neuen REWE CEO die Runde, in dem er sehr klar darstellt, dass REWE wenig Chancen gegenüber Amazon hat. Die Aussagen darin und die Ergebnisse der REWE Onlinebemühungen finde ich sehr bedenklich. REWE hat, abgesehen von der Organisationsstruktur (inkl. Management), alles was es braucht, um in Zukunft die zentrale LEH Plattform in Deutschland zu sein. Ich kann auch nicht nachvollziehen, dass die Aussagen aus dem Interview nach Aufbruch klingen sollen. So wird es zumindest in einigen Medien zusammengefast. „REWE rechnet sich gute Chancen gegen Amazon aus.“ Aber der Reihe nach. Was wurde gesagt und wie steht es eigentlich um REWE Digital?

Im besagten Interview gibt es zwei Passagen, die für mich die Alarmglocken schrillen lassen:

Frage: Die Branche fürchtet seit langem, dass Amazon Fresh den Lebensmittellieferdienst massiv ausbaut.

Antwort: Wir nehmen das sehr ernst. Amazon wird alle Branchen in Frage stellen. Banken, Versicherungen, Buchhandel – es gibt keinen Bereich, den Amazon nicht angreift. Technologisch werden wir nie besser sein als Amazon, aber bei frischen Lebensmitteln haben wir deutlich mehr Erfahrung und Kompetenz. Wenn man sehr gut ist in seinem Bereich kann man dagegenhalten.

Frage: Welche digitalen Innovationen planen Sie?

Antwort: […] Solange wir nicht den gesamten Prozess im E-Commerce optimiert haben, bringt es nichts, ständig Neues auszuprobieren. Wir planen keine Revolution.

Hier sammelt der neue CEO Null von 10 möglichen Punkten im Bereich Digitalisierung. Die Probleme von Amazon bei der Skalierung des Sortiments sind offensichtlich und genau dort liegen diverse Möglichkeiten für bestehende Platzhirsche wie REWE und EDEKA. Mir ist zwar unklar warum die vielen REWE Digitalmitarbeiter nur so langsam voran kommen mit dem Aufbau von wettbewerbsfähigen Onlineangeboten, aber das liegt ja nicht an Amazon, sondern an den vielen Hürden die sich REWE selber auferlegt hat. Dazu kommt dann noch die Aussage vor allem Prozesse zu optimieren, in einem Bereich den man gerade erst aufgebaut hat. Das zeugt von enormer digitaler Planlosigkeit.

Souque (der neue CEO) sagt dann auch noch, dass man die Investitionen in 2018 auf 2 Mrd. erhöhen möchte. Das bedeutet leider nicht, dass es 2 Mrd. zusätzlich gibt, sondern dass die F&E Quote für ein 54 Mrd. Euro Unternehmen weiterhin erschreckend niedrig bleibt. Die regelmäßigen „Investitionen“ lagen auch vor dieser Aussage bei deutlich über 1 Mrd. Euro pro Jahr. Und das Geld wird u.a. auch für die Filialerneuerung, Mitarbeiterqualifikation und sonstigen Kram ausgegeben, der wirklich NULL Effekt auf die digitalen Themen bei REWE hat. Netto dürften da also nur 100-400 Millionen drinstecken, die REWE sich digital gönnt. Das sieht aus wie ein großer Betrag, ist aber viel zu wenig. Das zehnfache wäre im Fall von REWE angebracht, um auch nur die Hausaufgaben zu erledigen. Da muss man noch nicht mal risikobehaftete Investments tätigen.

Ich möchte an dieser Stelle gar nicht auf den Onlineshop selbst eingehen. Das Konzept dazu ist gefühlt vor fünf Jahren stehengeblieben (Dein Markt, Rezepte….) und die Inhalte (Red Bull Banner, Gurkenbilder…) zeigen sehr deutlich wo es bei REWE noch mangelt. Viel geeigneter für eine Analyse ist der führende LEH Blogger Peer Schader, der sich die Mängel von REWE in einem Beitrag vor 4 Wochen genauer angeschaut hat.

Während Kaufland mit kompetitiven Preisen punktet, zahlen Kunden, die dieselben Markenprodukte bei Rewe bestellen, oft üppige Aufschläge (auch im Vergleich zum Preis im Laden). Lieferung am selben Tag und im Ein-Stunden-Zeitfenster? Da lässt Rewe großzügig Bringmeister den Vortritt. Amazon Fresh punktet derweil nicht nur mit zeitnaher Auslieferung und riesigem Sortiment, sondern verbündet sich zudem mit lokalen Herstellern und Lieferanten, um sich zu differenzieren. […]

Weil es sonst kaum Argumente gibt, mit denen man sich von den zahlreichen Wettbewerbern abheben könnte, versucht Rewe wieder verstärkt, mit Ermäßigungen zu locken, die im Zweifel sogar wöchentlich verschleudert werden („Nach jedem eingelösten Gutschein erhalten Sie einen neuen Gutschein“), und verschenkt „Treue-Prämien“ für Oftbesteller („Prämien-Codes sammeln und tolle Geschenke sichern“). […]

Dass echte Innovationen aus Köln ausbleiben, mag auch daran liegen, dass aus dem kleinen agilen Team, das van Oosten am Anfang beschwor, inzwischen ein auf über 500 Mitarbeiter angewachsenes Digitalunternehmen mit vielen Baustellen geworden ist – ein kleiner Tanker, der an einem noch größeren Tanker hängt. […]

Tolle Analyse mit klarer Leseempfehlung. REWE steht gerade an der Schwelle vom leuchtenden Digitalisierungsführer zum führenden Beispiel für Digitalisierungsversagen zu werden. Und dafür werden sie aus den klassischen Medien auch noch bejubelt. „ohhh, 2 Mrd. Investment, super Sache, yeaaa..“. Das Gegenteil ist aber der Fall. REWE könnte an so vielen Stellen Vorreiter sein, aber anstatt lokale Erzeuger primär über die REWE Plattform anzubinden und analog zu Amazon Fresh an neue Kunden zu vermitteln, stehen noch immer die Filialen im Vordergrund. Und die Filiale dürfte abgesehen von einer Lagerhallenfunktion für viele Kunden in Zukunft kaum noch eine Rolle spielen. Da bringen auch  elektronische Preisschilder nix. Am meisten stört mich die Aussage, dass Amazon technisch nicht zu schlagen sein. Das ist selten dämlich, weil fast jede Wertschöpfung bei digitalen Modellen von Software ausgeht und natürlich muss REWE in seinem Bereich (LEH) technischer Vorreiter sein. Ansonsten könnten sie auch einfach anfangen die eigenen Produkte bei Amazon zu listen. Das würde immerhin die Kosten senken und damit auf die Prozessoptimierung einzahlen.

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