Wiesemann 1893 – Werkzeuge reloaded

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Wie kann man in der Plattformökonomie eine neue Werkzeugmarke aufbauen. Manuel von Wiesemann 1893 zeigt wie es geht, indem er die Schwächen des Wettbewerber ausnutzt (Handelsabhängigkeit) und konsequent auf „best quality for money“ im Direktvertriebsmodus setzt. Aber ist die Kundenfrequenz beim Kauf von Schraubendrehern ausreichend? Und was macht der Wettbewerb aus Asien. Auch bei dieser Folge gab es einige „Aha“ Momente für mich, insbesondere die Struktur des US Marktes in diesem Bereich ist faszinierend. Bis ich meinen Nachbarn (Elektriker) überredet bekomme seine Lieblingswerkzeuge zu wechseln, wird es aber noch etwas dauern. Ein sehr schönes Beispiel wie man die bestehenden Elemente der Plattformökonomie nutzen kann, um Marktanteile von strukturell unterlegenen Unternehmen zu übernehmen.

Alexander Graf

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Werkzeuge online mit Manuel Siskowski, Gründer und Geschäftsführer von Wiesemann 1893

„It’s not about tools. It’s about friendship, adventure and dedication“. So lautet das Motto für die neue Generation von Machern, an die sich die Marke Wiesemann nach ihrem Relaunch im Jahr 2017 richtet. Alles begann Ende des 19. Jahrhunderts mit drei Brüdern aus der Hansestadt Breckerfeld, die auch heute noch Geschäftssitz von Wiesemann 1893 ist. Im Vorfeld der Folge freute sich der begeisterte Handwerker Alex natürlich wie Bolle über die Spaltaxt und das Schraubendreher-Set, die ihm Geschäftsführer Manuel Siskowski zukommen ließ und die beide im unternehmenseigenen „Wiesengrün“ erstrahlen. Wie so ein Relaunch in der Plattformökonomie funktioniert und welche Leistungen dafür in Sachen Markenführung, Beschaffung und Kundenbetreuung erbracht werden müssen, erklärt Manuel in dieser Folge.

„Amazon ist heute immer noch der günstigste Kundenakquisitionskanal.“

2:40

Alex: Ihr sagt, ihr wollt die digital führende Werkzeugmarke werden. Lass uns also direkt mit dem Werkzeugmarkt einsteigen: Wie setzt er sich in Deutschland und Europa zusammen – und welche sind die wichtigsten Kanäle?

Manuel: Wir unterscheiden vier Teilmärkte: Der erste ist der klassische Produktionsverbindungshandel (PVH) mit Anbietern wie Würth und Hoffmann, die an die Industrie und Profianwender liefern. Der zweite ist der Fachhandel, also „der Werkzeughändler im Ort“. Dann gibt es noch den Do-It-Yourself-Markt (DIY-Markt), das heißt alles rund um die Baumärkte und den übrigen Einzelhandel. Dazu muss man ehrlicherweise auch die Discounter zählen, denn was die am Ende des Tages bei den Konsumenten absetzen, ist gar nicht so wenig. Und dann gibt es eben den ganzen Online-Bereich, der wiederum noch ein bisschen verästelter ist. Hier ist der größte Kanal Amazon.

Alex: Über welchen Umsatz reden im Hinblick auf den Werkzeugmarkt?

Manuel: Da will ich mich jetzt nicht festlegen, denn das variiert schon je nachdem, was man zu „Baumarkt“ zählt. In Deutschland ist das sicher noch ein einstelliger Milliardenmarkt, aber in unserem Geschäft macht Deutschland auch ungefähr nur 30 Prozent des Umsatzes aus. Europa ist für uns relevanter, und die USA sind auch extrem spannend – Da rollen wir gerade aus – sowie langfristig auch die asiatischen Märkte.

Alex: Wie viele dominante Marken gibt es in diesem Bereich? Oder ist dieser Markt eher regional geprägt?

Manuel: Er ist zuallererst regional geprägt, aber es gibt schon ein paar globale Champions. Durch die frühere Dominanz des Fachhandels hat sich für fast jedes Produkt eine eigene A-Marke herausgebildet. Für Zangen war das beispielsweise Knipex, bei Hämmern, glaube ich, Picard. Und diese teure A-Marke wurde im Fachhandel immer durch eine günstiger positionierte und breiter gefächerte Eigenmarke ergänzt. Das hat uns gerade am Anfang sehr in die Karten gespielt, weil wir online eine viel breitere Palette abbilden konnten als ein einzelner Spezialist.

6:35

Alex: Dann reden wir mal mehr über eure Marke. Was finde ich unter der Marke „Wiesemann 1893“ – außer der Axt und den Schraubendrehern, die du mir im Vorfeld zugeschickt hast – noch?

Manuel: Angefangen haben wir mit dem klassischen Mechanikerwerkzeug wie Schraubendrehern, Schraubenschlüsseln, Ratschenschlüsseln, Knarren … Also mit allem, was man eigentlich auch in den entsprechenden Gängen im Baumarkt findet. Die Jahre 2017/18 haben wir gebraucht, um das Sortiment und unsere Markenstrategie aufzubauen. Seitdem haben wir das Sortiment eigentlich nur basierend auf Warenkorbdaten weiterentwickelt. So haben wir zum Beispiel gesehen, dass alle Fäustel- und Vorschlaghämmer immer zusammen mit Äxten gekauft werden. In der klassischen Einzelhandelswelt passt das eigentlich gar nicht zusammen – da steht das eine dort und das andere im Gang am anderen Ende des Baumarktes – und im Fachhandel sind das gleich zwei verschiedene Geschäfte, außer vielleicht auf dem Land. Dieses datengetriebene Vorgehen hat uns also gezeigt, dass wir die Marke sortimentstechnisch ganz anders konzeptionieren müssen, als das im klassischen Fachhandel der Fall gewesen wäre.

Alex: Ist „Wiesemann 1893“ eigentlich eine echte Marke? Und falls ja, warum habt ihr euch für eine Marke mit Historie entschieden? Oder ist das Teil der Story?

Manuel: Nein, nein, das ist keine erfundene Folklore. In Remscheid, in diesem klassischen „Werkzeugcluster“, gab es Ende des 19. Jahrhunderts drei Brüder Wiesemann. Die waren damals mit der Zeit gegangen und hatten eine kleine Werkzeugfabrik gegründet. Über die nächsten Generationen ist die Marke so ein bisschen vor sich hingedümpelt, bis wir irgendwann die Möglichkeit erhalten haben, sie zu relaunchen. Zu dem Zeitpunkt liefen über das private label Wiesemann noch Reste des Exportgeschäfts. Wir hatten aber von Vornherein festgelegt, dass wir einen sehr exklusiven Vertrieb machen wollen, um die komplette Vertriebs- und Preiskontrolle zu haben. Also haben wir alles Verbliebene eingestellt und die Marke unter „Wiesemann 1893“ als digitales pure play neu aufgezogen.

Recht ungewöhnlich war damals, dass wir uns direkt dafür entschieden haben, komplett ohne Händler und Distributoren zu arbeiten. Das ist ja eigentlich Standard in diesem Markt, und deshalb wäre dafür auch schon eine gute Infrastruktur vorhanden gewesen. Diesen Direct-to-Consumer-Vertrieb gab es so also noch nicht. Heute arbeiten wir zu siebt in unseren Kernkompetenzen E-Commerce und Branding. Der Betrieb selbst ist zum größten Teil outgesourct. Unser Umsatz liegt noch im einstelligen Millionenbereich, aber wir arbeiten natürlich daran, dass sich das schnellstmöglich ändert.

Alex: Und ihr verkauft nur direkt und über Amazon?

Manuel: Genau, aber auch dort nur selbst.

Alex: Ihr zahlt also die 10 oder 20 Prozent an Gebühren und habt sonst keine klassische Handelsmarge, die ihr abführen müsstet. Dann bleibt bei euch ja genauso viel hängen, wenn nicht sogar mehr, als zum Beispiel bei OBI für eine Fiskars-Axt. Solange ihr in der Produktion ähnliche Skaleneffekte habt, natürlich!

Manuel: Zum Teil fehlen uns die noch, gerade wenn wir neu launchen. Bei einigen Produkten aber mittlerweile auch nicht mehr. Unser Ziel ist es, auf jeder Transaktion profitabel zu sein, aber wir sind auch durchaus bereit, mit einer schwarzen Null zu leben, bevor wir die Produktions- und Einkaufsskaleneffekte angehen.

(Preislich siedelt Wiesemann 1893 seine Produkte derzeit im Mittelfeld zwischen A-Marken und Discountern an: „Die Fiskars-Axt im OBI ist ungefähr 20 bis 30 Prozent teurer als unsere“, erläutert Manuel. Vor allem in Produktbereichen, in denen die A-Marken eher unbekannt sind, kann Wiesemann auf der Grundlage besserer Rankings zum Teil aber auch A-Marken-Preise verlangen. Durch diese und dank der höheren Marge wird das Unternehmen laut Manuel langfristig in der Lage sein, mehr zu verdienen als die A-Marken von heute im mehrstufigen Vertriebsmodell.)

14:00

Alex: Du antwortest jetzt natürlich immer mit dieser Markenbrille auf der Nase und erwähnst den deutschen Produktionsstandort, die deutsche Markengeschichte und die deutsche Qualität, die vermittelt werden soll. Der Qualitätshandwerker, der redet indes ja weniger über die Marke, sondern eher über die Qualität: Wie viel Drehmoment hält der Schraubenschlüssel aus? Wie oft kann man mit dieser Spaltaxt auf ein genormtes Stück Fichtenholz schlagen, bis man sie nachschärfen muss?

Woher kommen eure Werkzeuge und wie leicht lässt sich diese Qualitätsstufe erreichen? Ihr habt doch keine kleine Werkstatt irgendwo, in der ihr eure Werkzeuge fertigt und ausprobiert, oder?

Manuel: Genau. Wir lassen unsere Produkte zu 100 Prozent extern fertigen. Die Hauptproduktionsländer sind China, Taiwan, aber auch Deutschland und Indien zum Teil. Das richtet sich immer sehr, sehr stark danach, wo wir unsere Qualität aktuell zum besten Preis kaufen können. Alles, was hoch automatisiert produzierbar ist, kann man relativ gut in Europa sourcen. Dann primär in Deutschland, ehrlicherweise. Und je stärker der Fokus auf der Fertigung liegt, umso weiter geht man in Richtung Osten.

Taiwan, zum Beispiel, war nach Japan das erste asiatische Land, das ziemlich früh auf den Zug aufgesprungen ist. Und jetzt ist es einfach die erste Anlaufsstelle, wenn man eine höhere Qualitätsstufe haben möchte.

Alex: Und woher kommt so eine Axt?

Manuel: Die kommt aus Indien.

Alex: Warum aus Indien, warum nicht aus Deutschland? Das ist doch eigentlich ein triviales Gerät: Fiberglasgriff und Stahlkopf. Oder?

Manuel: Total. Aber sobald ein Schmiedeprozess vorgesehen ist, ist eine Herstellung in Deutschland überhaupt nicht mehr kompetitiv. Einerseits wegen der Energiekosten, aber auch wegen der Umweltauflagen. Gerade Schmiedeprozesse sind extrem energieintensiv und man findet in Deutschland aus guten Gründen kaum noch Schmieden. Würden wir die Axt hier fertigen lassen, würden sich die Produktionskosten wahrscheinlich auf unseren Brutto-Verkaufspreis belaufen.

Alex: Ah, okay! Du sagst also, man könnte sie hier herstellen, aber die Kosten wären höher und die Qualität nicht besser.

Manuel: Ich wüsste jetzt nicht, welchen Vorteil das hätte. Da stellt sich meines Erachtens eher die Frage, wie gut die Prozesse, wie gut das Qualitätsmanagement ist. Und eine zweite Überlegung wäre auch: Brauche ich diese Wertschöpfung – einen simplen Schmiedeprozess und vielleicht einen Spritzguss – in Deutschland? Oder soll die Wertschöpfung, die wir hier abbilden wollen, hochwertiger sein, mit komplexeren Tätigkeiten?

18:30

Alex: Aber was würde denn ein objektiver Fiskars-Manager sagen, wenn ich zu ihm gehen würde, ihn auf den Preisunterschied hinweisen und fragen würde, warum es so etwas nicht von denen gibt?

Manuel: Der würde sagen: „Das gibt es von uns, und zwar bei Lidl“.

Alex: Heißt das dort auch „Fiskars“?

Manuel: Ja. Es ist aber eine andere Linie mit einer anderen Farbe, nämlich Schwarz. Die bekommt man bei Lidl Online.

Alex: Oh, das finde ich aber gefährlich!

Manuel: Also, das ist jetzt kein Bonusprodukt oder so. Die gibt‘s ganz normal im Lidl-Onlineshop. Natürlich sieht auch Fiskars, was für hochlukrative und interessante Vertriebswege es über den Discounter gibt, und gerade Lidl öffnet sich ja auch mehr und mehr für Marken.

22:15

Alex: Kommen wir zu euren Vertriebswegen: Du hast vorhin erwähnt, dass ihr Warenkorbanalysen durchgeführt habt. Wie handhabt ihr die Warenkorbdaten? Gebt ihr die auch an Amazon weiter?

Manuel: Sowohl als auch. Natürlich können wir in unserem Shop noch einmal mehr Daten sammeln. Auf der anderen Seite sind die Amazon-Daten in diesem Brand-Analytics-Bereich für uns schon sehr wertvoll. Aus diesem Grund kann ich auch nicht verstehen, warum es heute noch Marktforschungsunternehmen gibt, wenn man über ein Seller-Konto die kompletten Warenkorbdaten seiner Kunden einsehen kann. Das ist das eine, mittlerweile. Wir nutzen aber auch Affiliate-Daten, sodass wir die Einkaufsmuster relativ gut nachvollziehen können.

Alex: Der Gründer von Kavaj hat in einem Podcast mal gesagt, für ihn sei eigentlich jeder Kauf im eigenen Online-Shop negativ, weil das dazu führt, dass ein Kauf weniger über Amazon abgewickelt wird und Amazon möglicherweise das Signal erhält, es gäbe eine andere Marke, die noch mehr verkaufen kann. Wenn man heute eine Marke über Amazon aufbaut, denkt man sich dann immer noch: Eigener Online-Shop schön und gut, da habe ich vielleicht nochmal 20 Prozent mehr Marge, aber eigentlich will ich eher die Daten haben, und die Kunden sind ja bei Amazon, deswegen konzentriere ich mich auf mein Geschäft dort?

Manuel: Ich kann den Weg total nachvollziehen und sehe das auch gerade zu Beginn des Kundenzyklus so. Amazon ist heute immer noch der günstigste Kundenakquisitionskanal. Viel wichtiger ist aber – und da sind wir heute ein bisschen weiter als noch vor zwei, drei Jahren: Was ist das end game? Das kann ja nicht sein, dauerhaft nur Verkäufe auf Amazon zu haben. Unser Ziel ist es, langfristig 50 Prozent über eigene Kanäle und 50 Prozent auf Amazon abzuwickeln.

Alex: Welche Schritte geht ihr dafür? Wie bindet ihr Kunden an euch?

Manuel: Eine Option ist für uns der 3D-Druck von einzigartigem Zubehör. Eine andere, die wir aber auch für weitaus massentauglicher halten, sind Verbrauchsmaterialien wie Trennscheiben. Die verbrauchen sich selbst, und wenn der Kunde einmal mit der Qualität zufrieden war, dann bleibt er auch dabei. Aber beides setzt voraus, dass man ein breites Spektrum an Produkten anbietet. Nur so hat man am Ende die Kundenbeziehung selber in der Hand.

Alex: Das stimmt. Und im nächsten Schritt braucht ihr einen Kundenservice, der immer zur Stelle ist.

Manuel: Kundenservice machen wir ganz pragmatisch, so, wie man es auch von anderen Endkonsumentenmarken gewohnt ist: Ist etwas kaputt, wird es sofort ausgetauscht. Der Kunde muss nichts zurückschicken. Einerseits haben wir dadurch geringere Prozesskosten, andererseits sehen wir, dass Kunden das in diesem Werkzeugbereich nicht gewohnt sind. Das ist so eine Art no-questions-asked policy und wird von den Kunden sehr, sehr honoriert. Das sieht man auch in den Rezensionen.

(Alex ist immer noch skeptisch, wie treu die Kunden einer Wiesemann-Serie sein könnten, und zieht den Vergleich zu in-ear-Kopfhörern, für die regelmäßig andere Marken aus China als Marktführer in Erscheinung treten. Sollte es einer solchen Marke nicht möglich sein, mit einem sehr aggressiven Preis, einem befriedigenden Produkt und vielleicht ein paar Fake-Bewertungen „den Kanal dicht zu machen“? Manuel hält dagegen: Chinesische Werkzeugmarken sind entweder richtig gut in der Fertigung, dafür aber sehr spezialisiert, oder beherrschen ihr Sourcing richtig gut, können die Marke in Europa aber nicht stabil aufbauen und durchsetzen.)

38:50

Alex: Welche Marktplätze außerhalb von Amazon Deutschland sind für euch noch wichtig?

Manuel: In einer Reihenfolge wären das: Amazon in Frankreich und Italien, fast gleichauf mit dem Vereinigten Königreich, kurz dahinter Spanien. Das ist ganz spannend: Die vier machen fast 50 Prozent aus, weil unsere Marke in diesen Ländern, vielleicht auch wegen des deutschen Images, relativ gut funktioniert und es keine so starken heimischen Marken gibt. In Frankreich gibt es zwar so etwas wie ein Facom, im Vereinigten Königreich gibt es Stanley, aber das war’s dann auch jeweils. Da gibt es nicht noch den Wettbewerber und eine zusätzliche Hammermarke. Deshalb ist es in diesen Ländern sogar teilweise ein bisschen einfacher für uns.

Wir haben auch alle anderen europäischen Länder ausprobiert, also Schweden, die Niederlande, Polen. Mit den ersten beiden sind wir ganz zufrieden, in Polen haben wir gegen Allegro keine Chance.

Alex: Bisher.

Manuel: Bisher, von dem was wir sehen. Und Anfang des Jahres haben wir die USA gelauncht –

Alex: Seid ihr noch auf Allegro?

Manuel: Nein. Das ist eine Frage des Fokus: Wir haben ursprünglich mal gesagt, wir gehen in jedem Land auf die größte Plattform. Das wäre in Polen Allegro, aber Polen ist für uns kein Kernmarkt.

Alex: Phillipe de Chanville, der Gründer von ManoMano, hat letztes Jahr bei mir im Podcast erzählt, dass die in Frankreich schon mehr Umsatz mit Werkzeugen & Co. machen als Amazon das in Frankreich tut.

Manuel: ManoMano finden wir superspannend, aber was wir davon bisher gesehen haben, erscheint uns noch nicht so lukrativ. Da ist es für uns aktuell viel interessanter, in verschiedene Märkte zu gehen und unsere Sortimente dort auszuprobieren und zu entwickeln, statt jetzt noch die restlichen 50 Prozent vom addressable market online zu erobern. Das heißt: In Deutschland würden wir jetzt nicht noch auf ManoMano oder Otto gehen.

Alex: Und meine Lieblingsplattform aus den 90er Jahren, eBay?

Manuel: Uninteressant – und für einen professionellen Markenauftritt völlig irrelevant. Das ist in unserem Segment ja alles eh nur drop-shipping über Amazon – und deswegen günstiger direkt bei Amazon oder bei uns im Shop.

(Alex schüttel ungläubig den Kopf – und probiert es selber mit einer kleinen Suche aus. Tatsächlich: Oft teurer bei eBay! Deswegen sei das so uninteressant, so Manuel. Stattdessen konzentriere er sich jetzt zum Beispiel voll auf die USA.)

43:50

Alex: Warum genau wollt ihr in die USA? In meinem Denken sind die auch ein mustertypisches DIY-Land mit sehr starken eigenen Marken…

Manuel: Ja, sollte man meinen. Amazon USA ist zwei- bis dreimal größer als in Europa, das Preisniveau in diesen Kategorien ist in den USA deutlich höher und dort sind die China-Marken mit sehr, sehr schlechten Inhalten wirklich sehr dominant.

Alex: Wenn ich bei Amazon USA nach „screwdriver set“ suche, werden mir wirklich zuerst viele asiatische Marken angezeigt und erst irgendwo weit unten als erste heimische Marke „Milwaukee“. Crazy! Ich hätte wirklich gedacht, die USA hätten da ihre eigenen Spezialisten, sozusagen die US-amerikanischen Wiesemann, Wera und Knipex.

Manuel: Überhaupt nicht, und das ist das Spannende! Wir starten jetzt mit unserem besten Produkt mit 3.500 Rezensionen in den USA. Dafür liegen aus dem Vereinigten Königreich auch schon Bewertungen auf Englisch vor, und so beginnen wir mit dem kompletten trust level aus Europa.

Ein großes Problem ist es in den USA, alle geltenden Steuerpflichten zu erfüllen. Die Steuern werden dort auf Staatenebene gehandhabt. Das wäre in etwa so, als würde Niedersachsen eine andere Umsatzsteuer veranschlagen als Hessen, und zum Teil unterscheidet sich das sogar noch einmal auf County Level. Aber das ist eben eine Kompetenz, die man sich aufbauen muss.

Alex: Ja, das verstehe ich. Ist ja witzig, so wenige heimische Marken!

Manuel: Alle A-Brands in den USA stehen vor dem gleichen Konflikt wie die A-Marken in Deutschland: Keiner getraut sich, direkt an den Endkunden zu gehen, weil sie so immer in direkte Konkurrenz zu ihren Bestandskunden treten, als zum PVH, zum Fachhandel oder eben zum Baumarkt.

Zwar gibt es in Deutschland einige Marken wie Bosch, die diesen Schritt jetzt mit exklusiven Serien zum ersten Mal gehen, aber bisher sind eben alle sehr verhalten. Und das ist mehr als verständlich; es ist einfach ein Dilemma. Im Endeffekt muss man seine eigenen Kunden kannibalisieren. Das ist auch der einzige Grund, warum es dieses Zeitfenster für unsere Marke gab. Wenn alle Marken mit perfekten Produktdaten, aber mehr Budget und einem bekannteren Namen zur gleichen Zeit an den Start gegangen wären wie wir, wären wir nicht so weit gekommen.

(Zum Thema Marketing-Maßnahmen-Priorisierung: Auch die bei klassischen Herstellern so beliebten Fachmessen wie die Internationale Eisenwarenmesse im Frühjahr in Köln sind laut Manuel nur bedingt fürs Wiesemann-Geschäft geeignet, insbesondere weil dem Digitalen dort nach wie vor wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.)

51:20

Alex: Ein weiterer Werbekanal, der bei euch auf der Hand läge, wäre ja Influencermarketing. Es gibt doch Handwerkerblogs und auch YouTuber, die irgendwelche Sachen basteln. Habt ihr damit Erfahrungen gesammelt, denen eure Werkzeuge zur Verfügung zu stellen?

Manuel: Das haben wir alles durchprobiert, von YouTube über Facebook bis hin zu influencer giveaways – irgendetwas mit Codes, über Affiliate-Geschäfte. Es funktioniert nicht, vor allem nicht auf der Transaktionsebene, auf die wir uns gerade konzentrieren. Wir nehmen an, dass unsere Produkte einfach zu sehr aus einem Bedarf heraus gekauft werden und weniger durch Inspiration. Du kaufst dir nicht den dritten oder vierten Hammer, nur weil jemand einen in eine Kamera hält und du morgen 20 Prozent darauf erhältst.

Alex: Angenommen, morgen käme ein Investor zu euch und drücke euch 10 Millionen Euro in die Hand, mit denen ihr euer Wachstum beschleunigen könntet. Was würdet ihr damit anstellen?

Manuel: Das ist eine sehr gute Frage! Wir wachsen zwar gerade mit 80 bis 100 Prozent, aber wenn wir in naher Zukunft in ganz andere Dimensionen vordringen wollen, müssen wir noch ein bisschen was oben drauflegen. Dabei ist so ein klassischer Finanzinvestor oder auch dieses Thrasio-Game, das derzeit stattfindet, eigentlich gar nicht so interessant für uns.

Ideal wäre es, wenn wir ab morgen mit einem Strategen zusammenarbeiten könnten, der 20.000 Produkte in Eigenmarke zu marktbesten Einkaufskonditionen mitbringt und an den wir uns auf der Sourcing-Seite dranhängen würden, sodass wir dann produktseitig viel schneller in die Breite gehen könnten. Zum Beispiel sind wir in den USA noch nicht im Geschäft, was Sägen oder Elektrikerwerkzeug angeht.

(Zum Abschluss fasst Alex das Gespräch noch einmal zusammen, zeigt sich begeistert davon, wie weit oben Wiesemann auch bei generischen Suchen rankt – und bestätigt die Übereinstimmung der eBay-Kritik mit Ansichten, die in anderen Podcast-Folgen geäußert worden sind…)

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