Whisky.de ist ein faszinierendes Onlinehandelsmodell im deutschsprachigen Raum. Mit unfassbar guter Arbeit im Bereich Onlinecontent/Video und viel Liebe zum Detail hat es das kleine Team aus Bayern geschafft zur führenden Whisky Plattform in Deutschland zu werden. Bekannt ist das Portal vielen Marktteilnehmern durch die populären Verkostungsvideos von Horst Lüning, aber es gehört natürlich noch viel mehr dazu achtstellige Onlineumsätze zu erzielen. Sein Sohn Ben führt das Unternehmen und blickt sehr frohlockend in die Zukunft. Mittlerweile macht er auch mit bei den Verkostungsvideos und hat dort sehr treue Zuschauer, die allerdings mit dem Kassenzone Video nicht wirklich warm geworden sind. Um Whisky.de gibt es einige spannende Geschichten, die u.a. auch schon von der OMR beschrieben worden sind.
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Geschlechterklischées sind so allgegenwärtig, dass man sie oft kaum bemerkt. Wohl deshalb gehen viele davon aus, dass Whisky.de vom gemütlich aussehenden Videoverkoster Horst Lüning gegründet wurde. Allerdings war es seine Frau Theresia, die 1993 den Stein ins Rollen brachte. Geführt wird das mittlerweile unter den führenden Spirituosenhändlern Deutschlands rangierende Unternehmen von seinem Sohn Ben, der in diesem Podcast Alex Rede und Antwort steht. Dieser sieht einmal mehr, wie Händler auch in der Plattformökonomie gut überleben können, solange sie eine Nische haben, die sie gut zu bespielen wissen. Der Schlüssel bei Whisky.de: Weniger ausgeklügeltes Marketing, mehr Content und Produkt.
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„Ich weiß nur: Es funktioniert – und deswegen machen wir es.“
5:40
Alex: Dein Vater dürfte mit seinen Verkostungsvideos auf YouTube vielen Zuhörern bekannt sein – und allein dank dem Domain-Name werden viele auf euch aufmerksam geworden sein oder bei euch bestellt haben. Aber euer Geschäftsmodell erschöpft sich ja nicht darin, ein YouTube-Blog zu führen und eine gute URL zu haben…
Ben: Wir sind ein reiner E-Commerce-Händler für Premium-Whisky. Ab 20 Euro pro Flasche fängt unser Sortiment an und wir sind auf Privatkäufer ausgerichtet, nicht Großhandel. Wir bieten eine große Auswahl an – Mittlerweile liegen wir wohl bei 2.000 SKUs – und unser Alleinstellungsmerkmal heißt: „Bei uns kriegt ihr alles über Whisky!“ Kein Gin, kein Korn, kein Rum – nur Whisky, aber dafür die volle Palette. In unserer Nische sind wir mit unseren 24 Millionen Euro an Umsatz zwar sehr groß. Wir beschränken uns aber auf Deutschland.
Alex: Hießt ihr schon immer Whisky.de?
Ben: Darunter sind wir nicht gestartet, nein. Es fing unter „The Whisky Store“ an. 1993 bin ich nämlich eingeschult worden und meine Mutter überlegte, halbtags irgendwo an der Kasse anzufangen oder sich selbstständig zu machen. Sie dachte an Olivenöl – oder eben Schottland-Whisky, weil sie da auf Reise gewesen war und gesehen hatte, dass Scotch in alten Empire-Ländern das Getränk war, während hier alle Korn und Wodka tranken. Da war also eine Lücke.
1994 ging es allerdings schon ins Internet. Das waren damals Modem-Zeiten: Man lud sich von unserer Webseite die Preisliste runter und schickte uns dann einen Fax oder einen Brief – oder rief an –, um zu bestellen. Wir sind die Jahre immer kräftig gewachsen, bis irgendwann mein Vater, der damals IT-Outsourcing-Manager war, merkte: „Oh, meine Frau verdient genauso viel Geld wie ich! Anstatt durch die Republik zu reisen, könnte ich von zu Hause aus bei ihr mitarbeiten…“ So ließ er sich zu so etwas wie Marketingfachwirt umschulen und hat den Katalog aufgebaut. 2001 zogen wir vom ausgebauten Keller unseres Eigenheims in eine neugebaute Halle. Danach sind wir richtig groß geworden. Vom 11. September, der gleich danach kam, haben wir uns nicht kleinkriegen lassen. Und mit der Globalisierung sind wir dann weiter gewachsen. Zudem änderte sich die Wahrnehmung von Whisky hier in Deutschland, wovon wir profitiert haben – und, um etwas Eigenlob zu wagen, wozu wir unseren Beitrag geleistet haben.
(Die Marketingphilosophie lasse sich, so Ben, vom stationären Geschäft ableiten, dass Lünings die ersten Jahre betrieben: Das lief damals meistens so, dass die Kunden etwas wissen wollten, bevor sie etwas kauften. Um diese Beratung über Distanz aufrechtzuerhalten, fing Horst Lüning an, Inhalte zum Sortiment zu produzieren: Bilder, Texte – und dann 2007 Videos, wozu ihn Ben damals brachte. Horst fing mit einem Verkostungsvideo vom 16-Jahre-gealterten Lagavulin an – mit dem Format also, das bis heute am Beliebtesten ist.)
12:55
Alex: Hattet ihr denn damals schon den Domain Whisky.de?
Ben: Nein: Whisky24.de. Ich glaube, wir konnten Whisky.de erst 2010 kaufen. Und Whisky.com erwarben wir dann 2014.
Alex: Hatte das einen ähnlichen strategischen Hintergrund wie Whisky.de?
Ben: Whisky.com war für mich der Einstieg. Wir hatten lange gesund expandiert – ohne Schulden zu machen verdienten wir ordentliches Geld. Dann war aber die Idee von meinem Vater, stärker zu wachsen. Mit Online-Werbung auf Whisky.de hatten wir gute Einnahmen und wir dachten daran, das auf Whisky.com größer aufzuziehen: englischsprechende Menschen gibt es schließlich viel mehr und es war keine zentrale Anlaufstelle für Whisky im Netz zu finden. So wollten wir mit viel Content und Videos Whisky.com analog zu Whisky.de ausbauen und darüber Werbung verkaufen. Wenn ich ehrlich bin: Das hat nicht so gut geklappt. Wir haben das Online-Werbegeschäft etwas verschätzt.
Alex: Ihr verkauft also nicht?
Ben: Nein, wir bieten Augen an.
Alex: Aber ihr habt drei Millionen Dollar für den Domain bezahlt, oder? So kann man es jedenfalls bei OMR lesen. Das ist einer der teuersten jemals verkauften Domains…
Ben: Und wir überlegen mittlerweile, auch international ins Geschäft einzusteigen.
(Ben teilt Erkenntnisse aus der Analytik zum .com-Domain: Von anfangs 40.000 auf 250.000 Sitzungen im Monat. Allerdings reiche das für die Monetarisierung nicht. Ihm sei übrigens schleierhaft, wie große Verlage auf ihre TKPs von 70 Euro kämen. Mit 7 Euro würde er sich schon zufrieden geben. „Nur Listenpreise!“ enthüllt Alex. Warum sie denn nicht schon international verkauften? Das hätten sie bereits eine Zeit lang probiert, antwortet Ben, aber das sei brandweinsteuerrechtlich kompliziert. Sie eruierten geraden, wie es gesetzeskonform gehen könnte. Viele, die heute ins Ausland verkauften, begingen nämlich – wissend oder unwissend – Steuerbetrug.)
17:45
Alex: Warum sind Gin, Rum & Co. für euch so weit weg? Gibt es doch sicherlich viele Whisky-Trinker, die sich für Hochwertiges bei anderen Getränken interessieren.
Ben: Da bin ich offen gesprochen immer hin und her gerissen. Es gibt zwei Überlegungen: Branding einerseits und Performance-Marketing andererseits. Die Adresse Whisky.de ist ein Kernstück unserer Marke, weil das einfach sehr einprägsam ist: „Worum ging es nochmal? Ach ja, Whisky! Da muss ich nur noch .de dahinter setzen…“ Die Marke ist also nicht generisch und stellt das Produkt im Vordergrund, was uns wiederum leider einen klaren Rahmen absteckt.
(Auf Alex‘ Bitte hin rückt Ben eine kurze Unterrichtsstunde zum Getränk Whisky heraus. Es sei im Grunde genommen ein in einem Eichenfass gelagerter Malzbrand, der sich in Scotch, Bourbon und andere. unterteilt. Unterscheidungen gebe es vor allem in den Qualitätsstufen – blended oder single malt – sowie im Geschmack: Wie viel Torf, wie viel Süße? Diese Unterschiede würden durch Getreidezusammensetzung und vor allem durch die Fässer, die für die Lagerung benutzt werden, sowie deren Länge entstehen. Im Premiumsegment gehe es vor allem um Single-Malt-Whiskys aus Schottland, weil hier die Geschichte und Expertise vorhanden seien. Fassreifungen von 20 Jahren seien gang und gebe. Allein die Nachfrageplanung so viele Jahre in die Zukunft sei kompliziert. Mit solchen Scotches mache Whisky.de 85%-90% seines Umsatzes. Danach rangieren Irish Whiskey (mit E, wohlgemerkt) sowie amerikanisches Bourbon und japanische Erzeugnisse.)
25:00
Alex: Es geht also mit 20 Euro bei euch los – und hört wahrscheinlich bei paar Tausend auf. Schmeckst du den Unterschied? Oder geht es gar nicht darum?
Ben: Es gibt 2000-Euro-Whiskys, die sich in der Qualität nicht allzu viel von einem 18-Jahre-alten Glenfiddich unterscheiden. Sie sind aber meistens 45-Jahre-plus und, obwohl die Lagerung all die Jahre nicht teuer ist, verdienen die Brennereien ohne Ende an der Wertsteigerung. Da hat einer in den 70ern nach vorne gedacht! Geschmacklich merkt man zwischen einzelnen Jahrgängen nicht so den Unterschied – aber sehr wohl den zwischen einen 18-Jährigen und einem 45-Jährigen.
Alex: Da lerne ich wieder etwas über Edelgeister – genau wie im Podcast über Korn damals. Wie hoch ist denn der Anteil von Whisky am deutschen Spirituosenmarkt? Damals, als ihr anfingt, gab es in einem Edeka vermutlich gerade mal einen Bourbon: Heute haben die Märkte alle ganze Schließschränke voll.
Ben: Ich muss zugeben: In die Marktforschung schaue ich selten rein! So kann ich zum Einzelhandel wenig sagen. Zudem bin ich eigentlich ein Wirtschaftslaie. Ich weiß nur, was ich tun muss, damit unser Geschäft funktioniert!
Alex: Es geht also um Wachstum und Ertrag?
Ben: Die Real-Leute, die gerade versuchen, in den Markt reinzukommen, sind mir zwar nicht egal. Ich habe aber schlichtweg keine Ahnung, wieviel sie verkaufen.
Alex: Anders herum gefragt: Wenn du nach Schottland zu einer Distillery fährst, bist du dann der Großabnehmer im deutschen Markt?
Ben: Auf jeden Fall. Und die Leute dort oben betreiben auch ihr Marketing und haben verstanden, dass es nicht mehr nur über Werbung in Zeitschriften geht. So haben sie auch ihre Social-Media-Teams sitzen und schauen sich im Netz um. Wir sind im SEO-Bereich sehr stark, weil einfach so viele Leute über Google zu uns kommen. Und da sehe ich zu, dass ich a) mit meinen Bildern, b) mit meinen Videos und c) mit meinen Texten oben bin.
28:30
Alex: Guter Einstieg für die klassischen Kassenzone-Fragen: Wo kommen die Kunden her? Sind sie beim Erstkauf schon profitabel? Und wie oft kommen sie wieder? Ich glaube, du hast irgendwo im Interview gesagt, dass 25% der Neukunden über YouTube zu euch finden…
Ben: Die Zahl habe ich noch nie gehört! Eine Attribution-Analyse, die ich gemacht habe, zeigt: Performance-Marketing ist mies. Leute, die direkt von YouTube kommen und direkt eine Flasche Whisky kaufen? Verschwindend geringe Zahlen. Was wir aber merken: Nachdem wie ein Video gemacht haben, kommt trotzdem so eine kleine Verkaufsspitze. Und YouTube ist längst nicht die Ende der Geschichte. Wir haben bei WhatsApp angefangen – genau wie du es machst. Da machen wir Live-Tastings. Du kaufst ein Set ein und dann machen wir eine Stunde Video, in dem ich die Brennerei vorstelle. Dreimal brechen wir ab und verkosten zwischendurch – und die Zuschauer können Fragen stellen. Wir sehen, dass, wenn wir so eine Verkostung anbieten, die Leute die Sets vorher bei uns einkaufen und die Videos immer besser laufen. Das kann ich alles schwer in Zahlen fassen. Es läuft nicht nach dem Motto: „Stelle ich den Whisky nur im Video vor, verkaufe ich 50% mehr.“ Das hängt ja vom Whisky ab. Ich weiß nur: Es funktioniert – und deswegen machen wir es.
Alex: Lohnt sich für euch Performance-Marketing? Bietet ihr bei Google auch auf „glenfiddich 18 jahre“?
Ben: Wenig. Die Frage ist: Wie definierst du „sich lohnen“? 10% von meinem Gewinn abgeben? Ist das vorteilhaft oder nicht?
(Daraufhin gibt Alex Ben eine Schnelleinführung in die betriebswirtschaftliche Kalkulation hinter SEA – und hängt ihn beim Begriff DB1 ab. Ben sagt, die Frage stelle sich ohnehin kaum: Anzeigen schalte man bei Google, um ganz oben zu sein. Whisky.de komme aber organisch eigentlich immer an erster Stelle. Alex weist daraufhin, dass organische Ergebnisse immer weiter nach unten gedrängt werden. Ben schiebt nach, er habe es ohnehin aufgegeben, weil er Google AdWords allein von der Bedienfreundlichkeit hasse. Die Zeit könne er besser mit der Erstellung von eigenen Inhalten verbringen.)
34:25
Alex: Wie groß ist euer Team und worum kümmern sie sich?
Ben: Wir haben ca. 20 Mitarbeiter, wovon sechs im Verkauf sind, drei-vier im Einkauf, zwei in IT und vier-fünf mit mir im Marketing arbeiten.
Alex: Was ist das Aufgabenfeld von „Verkauf“ bei euch?
Ben: Mit Kunden telefonieren, Reklamationen bearbeiten, usw.
Alex: Und habt ihr auch B2B-Geschäft?
Ben: Nein, wir verkaufen nur an Endkunden – und haben auch noch einen guten alten Kundenstamm, der noch über den Whisky.de-Katalog bestellt! Wir sind zur Zeit das einzige Kataloganbieter für Whisky in Deutschland: Uns kannst du anrufen und dann bestellen.
(Alex überlegt sich, ob Whisky.de nicht vielleicht der erfolgreichste Content-Marketing-Case sei, der ihm je begegnet ist. Ben beteuert die Philosophie, die er eingangs umriss: Es werde erst gekauft, wenn alles gesagt worden sei. Es sei deswegen wichtig, alles zu schreiben. So schaue man nicht, ob sich einzelne Maßnahmen lohnen. Es gehe darum, dem Kunden die Informationen anzubieten, die er haben will. So gingen Überlegungen bei Whisky.de eher darum, ob man auf neuen Kanälen wie Instagram vertreten sein muss, als darum, ob man irgendwo Geld ausgeben soll, um Kunden zu akquirieren.)
38:10
Alex: Ist Whisky als Produkt von einem Preiswettbewerb betroffen? Und wie sind eure Margen pro Flasche?
Ben: Es gibt es ein Spektrum. Flaschen, die bei Supermärkten in den Regalen stehen, sind preisumkämpft. Bei speziellen Sachen (besondere Jahrgänge usw.) teilen wir uns den Markt mit rund 15 anderen Händlern – und da sind Margen noch dahinter. Insgesamt sind die Margen gar nicht so hoch. Jedenfalls nicht so hoch, dass es sich etwa rentieren würde, Fernseh- oder Kinowerbung zu schalten.
Alex: Habt ihr einige Produkte exklusiv in Deutschland?
Ben: Damit haben wir letztes Jahr zum 25-jährigen Jubiläum angefangen. Da haben einige Brennereien Sonderabfüllungen gemacht und es hat gut funktioniert. Insofern ist es ein Thema, das uns in Zukunft stärker beschäftigen wird. Zumal wird viel Feedback bekommen und unsere Kunden in der Regel sehr gut kennen. So wissen wir, was sie haben wollen, und können damit auf die Lieferanten zugehen.
Alex: Ergibt es denn Sinn, über Eigenmarken nachzudenken? Oder wäre es zu aufwendig beziehungsweise aus Lieferantenbeziehungssicht gefährlich, einen Whisky.de-Whisky zu produzieren?
Ben: Eigenmarken hat es immer gegeben. Wenn man sich die Historie vom Whisky-Geschäft anschaut: 1824 wurde das Brennen in den Highlands legalisiert. Vorher war es eher hemdsärmelig – und ab 1850 fingen Marken an, sich aufzubauen. Sie mischten allerdings, um auf Kundengeschmäcker einzugehen. Damals waren Qualitätsmerkmale wie single malt – sprich: von einer einzigen Brennerei wie Glenfiddich – unwesentlich. Die Leute wollten die Mischungen – blended – haben, deren Namen wurden mit dem britischen Empire weltweit groß. In den 1980ern und 1990ern brach das alles zusammen, als die Brennereien anfingen, single malt herauszustellen. Lediglich einige bekannte Blends wie Dewers, Johnny Walker, und Chivas Regal haben das gut überlebt.
(Ob es nicht Sinn ergeben würde, eine eigene Brennerei aufzumachen, fragt Alex. Komme darauf an, wie lange man zu warten bereit sei, antwortet Ben lachend. Daraufhin geht es um Kundentreue: Es gebe einen Club mit Rabatten und Vorkaufsrechten, erklärt Ben, was als Kundenbindungsmaßnahme gut funktioniere. Darüber hinaus gehe es darum, die Kunden gut zu beraten. Die Wiederkaufsrate sei stark – ein guter Kunde komme ja bis zu zehnmal im Jahr wieder –, aber Neukundengeschäft bleibe wichtig.)
46:20
Alex: Gibt es die Gefahr, dass eine Brennerei auf Masse machen will, die Schleusen öffnet und plötzlich alles bei Amazon und eBay für 10 Euro weniger zu finden ist?
Ben: Es gibt Brennereien, die einen soliden Vertrieb haben – und solche, die einen schlechten Job machen. Und behandelt uns eine Marke schlecht, dann müssen auch wir sie nicht unbedingt stark anpreisen. Würde alles Exklusive bei Real für sehr wenig Geld stehen (was allerdings noch nicht vorgekommen ist), würden wir sie nicht in Kanäle wie den Newsletter reinnehmen.
Alex: Zum Thema Werbekanäle: Gibt es neben Google, YouTube und WhatsApp wichtige Kanäle für euch?
Ben: E-Mail ist ein großes Thema. Und meiner Meinung nach wird Direkt total unterschätzt.
Alex: Echt? Whisky.de type-ins?
Ben: Ja. Oder Bookmarks. Es hat sich zwar der Glaube verbreitet, es gehe alles nur noch über Facebook, YouTube & Co. und alles sei nur noch Social-Media. Das stimmt aber nicht. Es gibt noch das Internet mit ganz vielen Webseiten! Die Leute surfen noch viel im Browser.
Alex: Zum Thema Desktop: Von der Konversionsoptimierung und Usability her sieht euer Shop – Ich will hier niemanden angreifen, aber… Er sieht ziemlich alt aus. Wie man einen Online-Shop vor zehn Jahren gemacht hat. Funktioniert das heute wirklich noch so? Bleiben Kunden bei eurem Content hängen? Landen sie über Kategorieseiten bei euch und kaufen? Bei Zalando & Co. klatscht man die Produkte einfach nach vorne…
Ben: Nehmen wir mal Zalando. Für manche mögen Schuhe ein Hobby sein. Für mich sind das Gebrauchsgegenstände. Oder Autos: Auch nur Gebrauchsgegenstand, aber für andere ein Hobby. Für unsere Kunden ist Whisky ein Hobby. Das heißt: Sie haben Freizeit, sie schauen erstmal, sie stöbern und lesen sich durch. Und an der Stelle schon möchte ich sie bei mir haben. Wenn sie dann länger da waren und im YouTube-Kanal unterwegs waren oder einen Artikel über mich lasen – und dann sehen Sie „Oh, da oben rechts ist ein Shop!“ Warum sollen sie dann noch anderswo hingehen?
Alex: Aber misst du denn deine conversion rate?
Ben: Ich vertraue Google überhaupt nicht mehr! Und obwohl ich mir die conversion rate schon noch anschaue, kümmere ich mich eher um bounce rate, Verweildauer und Zeit pro Sitzung.
(Alex plaudert aus dem Nähkästchen: Auch hier bei Kassenzone messe er Konsumzeit pro Monat. Je länger sich Menschen mit Kassenzone beschäftigten, desto wahrscheinlicher sei es, dass sie Alex irgendwann anriefen. Ben unterstreicht seinen Ansatz mit der Bemerkung, YouTube-Analytics zeige ganz vorne nicht mehr die Aufrufe, sondern die Wiedergabezeit als Schlüsselmetrik.
Auf Alex‘ Geständnis hin, dass sein YouTube-Kanal eigentlich nur „Resteverwertung“ aus dem Podcast sei und er selten reingucke, will Ben mehr über Audio erfahren. Schließlich sei die Videoproduktion sehr zeit- und geldaufwändig. Ben habe nur Sorge, viele Inhalte wie Label, Farbe usw. doch sehr visuell. Alex sagt, er könne sich „Degustierpodcasts“ absolut vorstellen.)
54:35
Alex: Ihr habt so treue Kunden und so viel Content: Liegt es doch nicht auf der Hand, so eine Whisky-App anzubieten? So nach dem Motto: „Das und das hast du gekauft: Hier ist deine Sammlung. Das und das würde gut dazu passen.“
Ben: Große Frage: Was bietet diese App für einen Mehrwert? Das haben wir schon im Team diskutiert, aber mir ist nicht klar geworden, warum wir das machen würden. Die App müsste viel benutzt werden – und dann müsste sie ein Spiel sein. Ich kann mir leider nichts anderes vorstellen, was man auf einer Whisky-App tun könnte.
Alex: Wer Whisky trinkt und eine Idee hat, der soll sich also bei dir melden?
Ben: Unbedingt!
55:50
Alex: Wo steht ihr denn in zehn Jahren? Seid ihr bis dahin groß international aufgestellt?
Ben: Ich will es hoffen!
Alex: Eigene Brennerei? Wer für drei Millionen Dollar einen Domain kaufen kann, kann auch die Mittel für eine eigene Distillery berappen…
Ben: Ich habe mittlerweile sehr viele Videos in Brennereien gedreht und kenne mich damit aus: Was muss man einkaufen, was muss man schroten mit welcher Mühle usw. Nur habe ich das Gefühl, dass es hinter Whisky-Machen noch eine ganze Menge steckt. Gibt es doch nicht umsonst einen fünfjährigen Destillationsstudiengang an der Universität Edinburgh! Ich habe zum Beispiel noch nie eine Brennblase eingestellt…
(Alex merkt an, dass Jeff Bezos schließlich auf keinen Einzelhandelsstudiengang brauchte, um dorthin zu gelangen, wo er jetzt steht, bevor es um die Aussichten im Geschäft geht: Convenience werde ein Faktor werden, sagt Ben. Er glaube, es werde Chatbots geben, die einen zum richtigen Whisky lotsen. Am Ende fachsimpeln die beiden über Entwicklungen bei YouTube und Instagram: Auf Letzterem dürfe man aber leider keinen Alkohol verkaufen, bedauert Ben.)