Nachdem ich nun eine Stunde lang mit den beiden Bankenexperten Jochen Siegert und André Bajorat (Paymentandbanking.com) zu dieser Frage gesprochen habe weiß ich: Von den Banken oder Versicherungen kommt zu wenig, um einen Paypal Herausforderer zu bauen und das auch noch viel zu langsam, um beim Thema digital überhaupt mittelfristig eine Rolle spielen zu können. Das ist schade, weil im Gegensatz zu vielen anderen Branchen sehr spannende Assets (Kundendaten, Kundenzugang, Kontodaten usw.) vorhanden sind, mit denen man hervorragend digitale Geschäftsmodelle aufbauen könnte. Aber viel mehr als eine neue „digitale EC-Karte“ kommt bisher nicht dabei rum.
Warum das so ist und was noch so alles im Markt passiert, bespreche ich im Figo Hauptquartier in Hamburg. Über Figo selbst sprechen wir nicht, aber das müssen wir an anderer Stelle mal nachholen. Das Interview ist auch im Blog von Jochen und André erschienen, die den wohl führenden deutschen Fintech Podcast unter http://paymentandbanking.com/ anbieten. Ich bin gar nicht mit der Erwartungshaltung in das Interview gegangen, dass wir tolle neue Modelle von Banken aufdecken, aber die Sicht der beiden Experten hat mir dann schon gezeigt wie viel echtes Potential gerade im Markt verschenkt wird, obwohl noch sehr viel Handlungsspielraum wäre. Viel Spass beim Interview! Ich freue mich derweil darüber, dass ich mein Kontoauszugverfahren von „ausdrucken“ zu „PDF abspeichern“ upgraden konnte. Sehr fortschrittlich.
Die Kassenzone Interviews sind verfügbar bei:
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Ausgabe des Fintech-Podcasts Payment And Banking mit André Bajorat und Jochen Siegert
Jochen ist seit 17 Jahren im Bereich Zahlungsverkehr tätig: Unter anderem war er beim größten MasterCard-Herausgeber angestellt und war Mitarbeiter Nr. 11 bei PayPal Europe. Nach Stationen bei vielen Start-ups ist er gerade beim B2B-Zahlungssoftware-Anbieter TracksPay.
André ist ebenfalls seit zwei Jahrzehnten in der Branche. Lange Zeit war er im Online-Banking für die Sparkassen-Finanzgruppe tätig und war auch Geschäftsführer von Giropay. Seit 2009 ist er im Start-up-Bereich aktiv und seit 2012 bei Figo.
„Banken haben wahrscheinlich noch zwei-drei Jahre, was sinnvolles zu bauen“
4:45
Alex: André, kannst du uns kurz erklären, was Figo ist und welches Problem ihr löst?
André: Wir verstehen uns als Banking-Service-Provider. Wir sind eine Infrastruktur, die zwischen den existierenden Bankensystemen obendrauf stattfindet. Ein bisschen kann man das mit Sofortüberweisung vergleichen, wobei der Dienstleister SOFORT-Überweisung zwar die Verbindungen in den ganzen Bankenwelt hat, aber darauf nur ein einzelnes Produkt aufgebaut hat. Wir haben die Infrastruktur der Banken auf der einen Seite angebunden und bieten dann die Möglichkeit, diese Infrastruktur zu nutzen. Das ist für den Zahlungsverkehr relevant, weil man mit den Bankdaten eine ganze Menge machen kann: offene Posten abgleichen, beispielsweise, und Bonitäten feststellen. Man kann aber auch einfach nur eine Überweisung ausführen.
Alex: Und die Kunden sind Händler, andere Banken…?
André: Ja, die Deutsche Bank, zum Beispiel, die ihren Endkunden die Möglichkeit bietet, auf alle eigene Bank- und PayPal-Konten zuzugreifen, um im Frontend die gesammelten Finanzdaten zu bekommen. Es wird aber auch von Auxmoney im Rahmen eines Kreditantrages verwendet: Kunden geben ihre Daten ein und ein Realtime-Scoring wird erzeugt. Auch gibt es Dienste wie FinReach und Fino für den Online-Kontowechsel, die unsere Infrastruktur benutzen, um auf die Stammdaten eines Kunden zuzugreifen und deren Transfer zum neuen Konto zu gewährleisten.
Alex: Also: Es geht um einen Kreditantrag bei Auxmoney und ich bin ein Kunde von der Volksbank, zum Beispiel. Muss ich dann ein Konto bei euch aufmachen?
André: Nein. Du benutzt dann deine bestehenden Online-Banking-Zugangsdaten sozusagen als Schlüssel zu uns. Du verbindest dein Konto zu Auxmoney – ähnlich wie‘s Connecten auf Facebook – und das ermöglicht den Zugriff auf dein Konto. Ohne diese Autorisierung kann da niemand ran: Du sagst also mit diesem Schritt, dass du möchtest, dass der andere darauf zugreift. Anstatt aber deine Kontodaten als PDF abzuschicken oder irgendwo hochzuladen und zu warten, richtest du einen sofortigen Zugriff ein.
Alex: Und dann kann Auxmoney sofort lesen, was auf meinem Konto passiert ist und mich danach scoren, ohne dass ich die Auszüge abschicken muss?
André: Richtig. Zudem bereiten wir die Daten kategorisiert auf, bieten so eine Art Gegenüberstellung an, was der Kunde so an Einnahmen und Ausgaben hat. Das macht uns zu einer Standardschnittstelle. Egal welche Banken oder Kreditkarten im Spiel sind, gibt es eine API – uns – um auf alle (wie wir sie nennen:) Financial Sources zugreifen zu können.
8:30
Jochen: Um hier ein bisschen Kontext reinzubringen: SOFORT-Überweisung macht mehr oder weniger das Gleiche. Sie gehen auch ins Online-Banking, tätigen eine Überweisung, schauen dabei aber, ob genug Geld da ist, bevor sie dem Händler eine Zahlungsgarantie aussprechen. So kann man sich vorstellen: Man ist ein Online-Händler, möchte Rechnungskauf anbieten, ist aber nicht mit der Datenqualität bestehender Auskunfteien zufrieden, weil diese sehr historisch sind. So kann man Figo als alternative Datenquelle heranziehen.
André: Realtime Scoring, eben, weil es wenig so aussagekräftige Daten gibt wie die aus dem Online-Banking.
Alex: Naja, bei mir sind’s wohl eher die Amazon-Daten…
André: … die aber übers Konto beglichen werden.
Alex: Noch ist das der Fall.
(Alex, André und Jochen überlegen die Themen: Alex schlägt vor, zunächst über Zahlungsabwicklung im E-Commerce zu sprechen – wo drückt der Schuh? Was wird kommen – und sich dann FinTechs vorzuknöpfen, vor allem im B2B-Bereich.)
10:45
Jochen: Alex, wie siehst du – vor allem aus Spryker-Sicht – die Payment-Integration und wie wichtig ist sie im gesamten Prozess? Als Händler habe ich mir schließlich für teures Marketinggeld den Kunden geholt, alles optimiert – um ihn möglicherweise auf der blöden Zahlungsseite doch noch zu verlieren… Ist das derzeit gut gelöst?
Alex: Es hängt von der Sicht ab: Ob Kunde, Hersteller oder Händler, oder auch Anbieter eines Zahlungsverfahren. Bisher galt die Devise: Je mehr Optionen ich dem Kunden im Checkout-Prozess anbiete und je friktionsloser ich ihn gestalte, desto besser. Das ist so ein klassischer E-Commerce-Konferenz-Gemeinplatz.
Jochen: Früher hielt ich mich über BeWin bezüglich Zahlungsverfahren auf dem aktuellsten Stand, weil dort immer alles eingebunden war, was es so gab. Und es wurden immer mehr. Denn es galt die Regel: Je mehr, desto höher der Umsatz.
Alex: Richtig. Wenn man die über alle Marktstudien hinweg irgendwo anvisierte Conversion-Rates alle zusammenaddiert, kommt man auf eine Quote mehr als 100%! Die Realität sieht aber anders aus.
Der Händler versucht seine Kosten niedrigzuhalten, fragt sich: Gehe ich mit einem PSP wie PayOne oder Adyen und versuche möglichst viel in einer Infrastruktur zu lösen? Da muss ich am Ende was abgeben, zwischen 1,3 und 2%. Oder soll ich versuchen, das zu minimieren, und den Kunden mit Zahlungsarten kommen, die für mich billig sind? Deswegen gab es so eine SOFORT-Überweisungsschwemme in den letzten Jahren, weil das anscheinend die günstigste Zahlungsart ist.
Der Kunde will seinerseits möglichst wenig damit zu tun haben. Ihm ist am liebsten, er klickt auf Kaufen und der Rest passiert automatisch. Deswegen ist Amazon so ein Idealszenario: Ich klicke auf Bestellen. Der Rattenschwanz – Adresse, Payment-Daten – ist alles schon gelöst. In der Alexa/Echo-Welt (wann immer die auch kommen mag) weicht diese One-Click-Bestellung einem Kommando: Ich möchte folgendes Produkt zu einem guten Preis. Am Ende des Tages wird es von meinem Konto – oder sogar direkt von meinem Amazon-Guthaben – abgebucht. Bei mir ist letzteres der Fall: Da sind viele Transaktionen in meinem Bankkonto nicht mehr ersichtlich, weil ich sehr viel über Amazon- und PayPal-Guthaben löse. Durch Erstattungen nach Retouren beziehungsweise nach privatem Abverkauf von überflüssigen Dingen kommt bei diesen Guthaben nämlich einiges zusammen.
Die Shops, die sehr friktionslose Einbindungen haben – auch, wenn ich noch Nutzerdaten eingeben muss – sind schon weit vor. Einseitige Formate beispielsweise, die auch mobil funktionieren, bescheren Händlern logischerweise höhere Conversion-Raten. Dabei wird aber ein Shop, der Amazon-Checkout anbietet, umso höhere Quoten erzielen, auch wenn er sonst noch so hässlich aussieht. Oder PayPal-Express, da geht es noch besser! Ich stelle mich hier immer auf die Seite des Nutzers und frage mich: Wie kann ein Anbieter um die Dateneingabe herumkommen?
16:00
André: Also sollte das Bezahlen gar keine richtige Handlung mehr sein?
Alex: Heute hat man immer diesen Punkt, an dem man sich für ein Produkt entschieden hat und überlegt: PayPal, Lastschrift oder Rechnung? Das Schrecklichste ist ja dabei Vorabüberweisung – da muss man die ganzen Kontodaten herauskopieren… In Zukunft wird man viele Produkten mieten können oder öfter in Raten zahlen. Es wird smarte Angebote geben wie: „Kauf diese Kamera, zahle nur ein Drittel und benutze sie drei Monate lang. Danach kannst du die zurückschicken oder kaufen.“ Das ist aus meiner Sicht Handel. Mit allem anderen – also, wo es nur darum geht, dass der Kunde ein Produkt bekommt und ein Fixpreis zahlen soll – braucht der Kunde nicht mehr allzu viel zu tun haben. Je friktionsloser, desto besser. Die besten Anbieter werden sich da durchsetzen.
(André überlegt, ob das nicht auch eine Chance für Banken darstellt, wenn sie ihren Kunden es ermöglichen, über ein einfaches Interface zwischen vielen Zahlungsoptionen zu wählen. Alex bejaht, hebt aber die bisherige Trägheit der etablierten Banken in Sachen Ökosystem-Entwicklung hervor. Zudem seien Prozesse dort schon immer sehr kompliziert gewesen: Allein der Aufwand, Kontoauszüge auf elektronisch umzustellen… Jochen erklärt, dass Klarna so einen Dienst heute schon anbietet. Klarna prüft Bonität, veranlasst Zahlungen sofort und Kunden wählen ihr Zahlungsverfahren dann erst im Nachgang. Eigentlich müssten das Banken machen, könnten es aber noch nicht.)
22:20
Alex: Ein Bankkonto könnte so viel machen. Warum kommt denn aus eure Sicht seit Jahren von den Banken nichts, was relevant ist?
André: Man hat es immer wieder versucht. Giropay und Paydirekt waren Versuche, aber aus der Zahlungsverkehrswelt. Da wurde nicht aus Sicht der E-Commerce-Sphäre geguckt. Es wurde nicht durch die User-Brille darauf geguckt. Das ist einer der Gründe, warum man mit den Projekten keinen Erfolg hatte. So kommen die Banken mit Argumenten wie „Da gibt es eine Garantie“ oder „Das ist gehostet in Deutschland“, lösen aber keine Probleme. Man hat das Thema E-Commerce auf der Bankenseite verschlafen und hat jetzt keine Möglichkeit, zu den ganz großen Playern wie PayPal aufzuschließen.
Jochen: Das ist zu einem großen Teil auch ein Knowhow-Thema. Als ich mich damals bei PayPal beworben habe, brauchte ich 18 Interviews, um durchzukommen. Durchschnitt war: sechs. Dabei bin ich kein Loser! Es ging darum, dass ich mit meinem Banking-Background etwas mitbrachte, das PayPal explizit nicht wollte. Das Unternehmen kam ja aus dem Handel. Das war ein eBay-Company mit eBay-Leuten.
(Jochen teilt weitere Erinnerungen aus der PayPal-Zeit und betont, wie wichtig die Entwicklung aus Händler- und Kunden-, statt aus Banken- und Prozesssicht gewesen ist. Dabei hätten die Geldinstitute nichts gelernt und würden heute noch dieselben Leute, die den Anfang verschliefen, daran setzen, jetzt aufzuholen.)
26:30
Alex: Fehlte vielleicht auch der Leidensdruck, weil das Geld letzten Endes bislang immer aus dem E-Commerce aufs Girokonto kam? Jetzt aber fangen User an, Geld bei Plattformen wie Amazon, Uber, PayPal zu horten: Bringt das ein Dringlichkeitsgefühl?
André: Ein sense of urgency ist nun da. Banken konnten mit E-Commerce gut leben, solange die Menschen bei PayPal oder Amazon Kreditkarten hinterlegten: Da konnte man dort über den Zahlungsverkehr verdienen. Jetzt hat aber die Interchange-Regulierung zu einer deutlichen Reduktion der Erlöse geführt. Zudem ziehen Amazon, PayPal & Co. zunehmend per Lastschrift ein. Da bleibt nichts bei den Banken hängen. Das hat zu der Erkenntnis geführt, dass man als Bank beim Thema Zahlungsverkehr im E-Commerce komplett verloren hat und nur noch als Abwickler benutzt wird.
Deswegen wurde Paydirekt gegründet. Und der Ansatz, über alle Kanäle präsent sein zu wollen, ist richtig. Nur ist es schlecht umgesetzt.
(Alex und André besprechen, was einzelne Banken ausrichten können: Mit guten Kontobedingungen punkten. Aber Angebote im Zahlungsverkehr gingen nur im Verbund. Und Konsortien brächten qua Natur selten Bahnbrechendes hervor.)
30:00
Jochen: Hinzu kommt: Was passiert, wenn Leute – wie du, Alex – ihr Geld als Guthaben bei Amazon oder PayPal behalten? Oder wenn vieles dort gepoolt wird und dann als Sammelbetrag aufs Konto zurücküberwiesen wird? Da sehen Banken nicht mehr alle Umsätze einzeln und verlieren Relevantes für die Überprüfung der Bonität bei Firmenkunden. Dieses Pooling bei PayPal ist ein Problem.
Alex: Nicht für PayPal! Eher für die Banken.
André: Die nicht mehr wissen, was bei ihren Firmenkunden – also Händlern – passiert. Und dann stellen wir uns mal vor, dass ein PayPal oder ein Amazon plötzlich anfängt, Unternehmenskredite herauszugeben. Da sind wir dann bei einem Thema, das dich umtreibt Alex: Die Plattform-Ökonomie, die Amazonisierung…
(Alex erklärt seine Sicht zu den aus dem Zahlungsverkehr zu gewinnenden Daten. Dabei sei es vor allem wichtig, auf Vielbesteller zu achten. Die drei tauschen sich dazu aus, was ein Vielbesteller ist und ob sie zu dieser Kategorie gehören…)
34:15
Alex: Vielbesteller agieren anders. Sie sind schon im Ökosystem Amazon oder eBay/PayPal, und da zeigt sich, dass die Auswahl zwischen Lastschrift, Rechnung und anderen Verfahren gar keine so große Rolle spielt. Man ist drin, hat seine Daten hinterlegt. Das macht es für neue Plattformen extrem schwer, Vielbesteller zu gewinnen. Mit einem Preisersparnis von 0,3% kann man da nicht überzeugen. Wenigbesteller sind da nicht so festgelegt, da hat man eine Chance. Aber was nicht in diesen bestehenden Ökosysteme angebunden wird, rechne ich wenige Erfolgsaussichten zu.
André: Das sieht man wahrscheinlich auch daran, dass sich die von Amazon eingebundenen Zahlungsarten seit 10 Jahren nicht geändert haben.
(Die drei überlegen kurz, wie sie überhaupt auf Amazon zahlen.)
36:30
Alex: Das andere Thema ist die Device-Perspektive. Amazon, Apple & Co. versuchen ja immer, einen exklusiven Kundenzugang aufzubauen, in dem andere nicht mehr vorkommen. Nun: Wenn man sich überlegt, mit welchen Gegenständen und Geräten man am elektronischen Zahlungsverkehr teilnimmt, kommen auch Kreditkarten vor dem Bildschirm oder EC-Karten bei REWE vor.
André: Und bald wandert das alles ins Telefon…
Alex: Ja, den Wettbewerb Smartphone vs. Karte gibt es schon. Allerdings bahnt sich auch schon das Thema Smartphone vs. Voice an.
André: Aber die Karte ist nur das Trigger-Medium für Identität.
Alex: Aber auf einer Karte kann ich auch anderes laden. Sowohl mit einer Karte als auch mit einem Smartphone kann ich beispielsweise genug Informationen mit mir tragen, damit es als Zugangsberechtigung fungiert – und mir eine Tür aufmacht. Apple, Google, und (über die App) Amazon kontrollieren Smartphones und waren schlau genug, solche Sachen darauf anzubieten. Aber Kartenanbieter hätten da auch schlauer sein können…
André: Und deswegen ist das Thema durch. Smartphones haben gewonnen.
(Alex und André debattieren darüber, ob es noch Touchpoints gibt – also Übergänge von der analogen in die digitale Welt –, bei denen das Fell noch nicht verteilt ist, oder ob Handys überall auf dem Siegesmarsch sind. André ist der Meinung, sogar sein Auto sei schon Apple anheimgefallen. Jetzt werde Voice aber einiges aufmische, so Alex.)
40:00
André: Glaubst du denn, dass Voice den Banken und Paymentanbietern noch eine Chance gibt Amazon & Co. gegenüber?
Alex: Aus der Asset-Perspektive heraus – also: viel Geld auf unseren Konten, oder ein funktionierendes stationäres Netzwerk von 100 Filialen – ist es sehr schwierig, digitale Dienstleistungen neu zu denken. Da muss man sich 100% in den Nutzer hineinversetzen. Hat man Glück, können einige dieser bestehenden Assets dabei helfen, neue Märkte zu erschließen: Filialen, Konten, Transaktionsdaten.
Das trifft nicht nur auf Banken, sondern auf alle Unternehmensformen in der digitalen Welt. Alle denken: „Ich habe beispielsweise meine 1000 LKWs draußen am Rumfahren und mein Logistiknetzwerk, wie kann ich das alles besser digitalisieren?“ Aber wenn das kein konkretes Problem für den Kunden löst, dann hat meine nur eine sehr kleine Chance.
Mit Spryker haben wir gerade mit vielen Banken und Versicherungen zu tun, die über Plattformen nachdenken, die Transaktionsdaten sammeln und versicherungsnahe Dienstleistungen anbieten könnten. Das ergibt erst einmal viel Sinn. Aber da müssen wir permanent hinterfragen, ob sich das für den Kunden lohnt – ob es doch nur ein Klon von eBay werden soll, weil sich das Unternehmen denkt: „Es wäre cool, so einen Klon von eBay zu haben.“ Schlauer wäre es, sich zu überlegen, was noch in diesem Markt fehlt. Es fehlen ja ganz viele Sachen noch.
Daher ist es, glaube ich, für eine Deutsche Bank oder eine ComDirect nicht zielführend, mit anderen Banken zusammenzuarbeiten. Sie sollten den Blick eher auf andere Segmente ausweiten und sich Gedanken machen, was man da sinnvoll bauen könnte: Denkbare Partner sind Handelsunternehmen, Automobilhersteller… Dabei will aber jeder seine Assets verteidigen: Sei es Guthaben auf Konten – obwohl mir schleierhaft ist, wie man damit Geld verdienen soll! – oder was anderes.
Da überlegen sie sich auch, wie sie mit Plattform wie Google oder Amazon konkurrieren sollen. Das weißt du ja von eBay, Jochen: Es gibt da Mega-Themen, die gelöst werden müssen.
André: Werden dabei nicht die Einstiegsbarrieren immer größer? Eben weil Google, Amazon, Microsoft als Plattformen schon einiges kontrollieren.
Alex: Ja, wobei die Barrieren nicht in den Devices bestehen: Diese ändern sich sehr schnell. Es hapert an den Kompetenzen, die man braucht, um in dieser Welt erfolgreich zu sein…
André: Widerspruch! Ich glaube, die Barrieren steigen schon. Früher konnte man sich als Bank in der eigenen Filiale überlegen: Wen lassen wir rein? Auch auf eigenen Webseiten konnte man das machen. Aber dann kam der App-Store, und plötzlich musste man bestimmte Regeln erfüllen, um überhaupt reinzukommen. Und jetzt kommt Voice…
Alex: Das sehe ich deshalb anders: Wenn ich mir überlege, wer es überhaupt in den App-Store oder die Alexa-Umgebung schafft, sind das oft Leute, die nicht aus dem Markt kommen. Sie sind erst seit sechs Monaten mit etwas externem Kapital dabei – und die können es schon. Aber diese Kompetenz, die diese Leute haben, fehlt den Banken. Das ist viel relevanter: Heute werden Unternehmen um das Thema Code und Daten herumgebaut. Das Produkt, die Filiale: austauschbar! Ich sage ja immer: Zalando verkauft nicht bessere Hosen. Sie verkaufen Hosen besser. Der Erfolg basiert nicht darauf, dass sie 50 schlaue Einkäufer haben, die ein besseres Gefühl für Farbe und Stoffe haben.
Heute sind also Portale da – und Kundenbedürfnisse sind ebenfalls vorhanden. Aber den Banken fehlen die Fähigkeiten. Ihr zwei baut euch auch was auf – außerhalb der Banken. Niemand kann sagen, welcher Service morgen von den Kunden verlangt wird. Daher müssten Banken vieles heute ausprobieren. Aber versuche das mal im Konsortium mit 300 anderen Banken… Es fehlt oben die Fertigkeit, Technisches überhaupt zu verstehen – und dann muss das Ding auch noch durch unzählige Führungsebenen, bis es gebaut worden ist!
45:15
André: Meiner Auffassung nach trennt sich auch gerade „Banking“ von „der Bank“. Genauso wie sich im E-Commerce Einkauf ein Stück weit vom Handel getrennt hat. Der Kunde wird sich halt den Platz aussuchen, wo das beste Banking-Experience zu haben ist.
Alex: Ich bestelle ja schätzungsweise 70% meiner Sachen bei Amazon. Es ist so eine Art ERP. Da häufen sich bei mir auch die meisten Transaktionsdaten. Wenn ich da reingucke, dann weiß ich so ungefähr welche Produkte ich zu Hause habe, und welche ich schon zurückgeschickt habe! Das steht ja nirgendswo anders. Aber eigentlich könnte mir die Bank so eine Art Mini-Warenwirtschaftssystem für Zuhause anbieten…
(André findet die Idee gut. Alex weist darauf hin, dass, würden sie das vor Banken pitchen, würde es nicht schnell genug gebaut werden. Dort sei die echte Einstiegshürde für Banken. Plattformen böten bisher ungeahnte Reichweite und Erfolgsperspektiven, wenn man schnell dabei sei. Schwierig sei aber auch die dauerhafte Monetarisierung. Daraufhin erklärt Alex, wie unzureichend Management-Strukturen seien, die nicht IT als Kernbereich ankern.)
48:10
Alex: Dabei haben Banken eine Chance: Heute loggt sich noch jeder in sein Konto ein, wie hässlich die Interface auch sein mag. Das Potenzial ist noch da. Banken haben wahrscheinlich noch zwei-drei Jahre Zeit, um was sinnvolles zu bauen. Aber was kommt raus? Irgendwie ‘ne App! War mal vor fünf Jahren relevant… Ein Lernen findet nicht statt.
Jochen: Der Clou ist dabei: Wir reden darüber, dass sich Banken Plattformen anpassen müssen. Aber früher mussten sich die Leute mir, der Bank, anpassen.
(Jochen malt dann den Teufel an die Wand: Als Bank kommt man mit klassischen Banking-Produkten wie Kontoführung, Kredite und Zahlungsverkehr eben nicht in die Welt eines Amazons, Googles oder Zalandos herein. Alex spricht Banken Mut zu: Die Plattformen seien nicht unbesiegbar. Sie hätten ihre heutige Stellung eben durch gute Produkte eingenommen. Aber ein Umdenken zum Nutzerfokus statt Besitzbewahrung sei unabdingbar.)