Mister Spex CEO Mirko Caspar über Brillen online, den Markt heute und morgen

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Wie verkauft man eigentlich Brillen online? In der Gründungsgeschichte von Mister Spex hatte man sich das mal so vorgestellt wie bei Zalando, das fast zeitgleich an den Start gegangen ist. Zwischenzeitlich ist viel passiert, Mister Spex ist stark gewachsen, Fielmann aber noch nicht nervös geworden, oder doch? Darüber spreche ich mit dem Co-CEO Mirko Casper, der auch spannende Ausblicke in die Zukunft gibt. Ein bereits sieben Jahre alter Kassenzone Artikel gibt noch etwas mehr Futter rund um den Markt. Dort hieß es u.a.: Wie und wann der Durchbruch im Onlinebrillenhandel erfolgt ist noch offen. Vom Handel mit Kontaktlinsen und Markenbrillen alleine wird aber keiner der neuen Marktteilnehmer reich werden und mittel- bis langfristig werden Luxottica und Safilo sicher auch mit eigenen Direktvertriebskanälen in Deutschland aktiv sein. Wenn Amazon diese Produkte handeln kann, bleibt kaum Platz für alternative Händler.

Alexander Graf

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Brillen online mit Mirko Caspar, Co-CEO von Mister Spex

Wer eine Brille online gesucht oder gekauft hat, dem wird Mister Spex als größter Online-Händler für Brillen & Co. ein Begriff sein. Zumal das Unternehmen ungefähr gleichzeitig mit Zalando entstand und somit seit mittlerweile gut 12 Jahren am Markt ist. Warum das Wachstum bei Mister Spex nicht abreißt, obwohl es keineswegs an potenzieller Konkurrenz mangelt, und dennoch nicht so schnell so stark ausfiel, wie beim gleichaltrigen Zalando, bespricht er mit Co-CEO Mirko, der beinahe ein ganzes Jahrzehnt schon das Unternehmen mitgestaltet. Dabei geht es ebenfalls um die Rolle von stationären Konkurrenten wie Fielmann, die eher als Online-Muffel auftreten – ein Wettbewerb, bei dem Alex bereits vor sieben Jahren versuchte, den Ausgang vorherzusehen. Ja, der Update im Optikmarkt war dringend notwendig – und fällt dafür umso umfassender aus.

„Wir gehen unseren Wachstumsweg weiter und sehen keine Delle.“

4:40

Alex: Mister Spex begleitet mich, seitdem ich mich beruflich mit E-Commerce befasse. 2009 schon war ich auf einem Unternehmer-Event in Berlin und dein Co-CEO Graber hat zu einer Unternehmensführung eingeladen, die – meine ich, mich zu erinnern – in den Gebäuden war, in denen später Rocket war… Gibst du uns erst einmal zum Einstieg einen Umriss der Mister-Spex-Geschichte?

Mirko: Gern! 2007 hat Dirk Graber zusammen mit einem kleinen Team Mister Spex gegründet. 2008 gingen wir live und saßen damals tatsächlich in der Backfabrik. Und damals schon war unsere Idee – auch wenn sie anfangs noch nicht so klar ausformuliert war – die, dass die Leute Brillen mit Freude und Selbstbewusstsein tragen sollten. Dafür brauchen sie aber ein paar Sachen: einen guten Kaufprozess, genug Auswahl, Transparenz und Wissen darüber, was eigentlich eine gute Brille ausmacht. Da bot sich das Internet an. Viele haben gesagt: Das geht nicht. Wir haben gesagt: Das geht wohl!

Beim Start 2008 waren wir ein klassischer Online-Pure-Play. Was sich bald herausstellte: Es war wenig Suchvolumen da, weil die Leute nicht online nach Brillen suchten und auch nicht die genauen Brillenmodelle kannten. Wir brauchten also sehr viele Filter: Farbe, Form, Material… viel mehr jedenfalls, als etwa für eine Jeans. Weil die Leute auch so eine Brille in echt sehen wollen, haben wir als einer der ersten Händler augmented-reality-Funktionalität angeboten, womit Kunden über eine Webcam die Brillen anprobieren konnten. Natürlich wollen viele Käufer so eine Brille auf der Nase gehabt haben. Deshalb boten wir dann vier Gestelle ohne Gläser im home trial an, damit sich die Kunden zu Hause für das richtige Modell entscheiden können, bevor wir die Gläser reinsetzen. Das waren echte Innovationen am Markt – die übrigens alle kostenlos sind.

Dann stellten wir folgende Überlegung an: Wenn für viele Menschen der Kaufprozess mit einem Sehtest losgeht, sollten wir vielleicht einen solchen anbieten. Allerdings hatten wir damals kein Geld, um Hunderte Läden aufzumachen. Also gingen wir 2011 auf Optiker zu mit dem Angebot, ihnen den Zugang zu einer neuen Zielgruppe zu verschaffen, die wir durch Fernseh- und Online-Werbung dort zusammengetragen haben, wo sie nicht hinkamen. Einige sagten natürlich: „Nur über unsere Leiche!“ Andere sagten aber: „Okay, wir probieren das aus.“ Das klappte dann auch ganz gut. Schon 2012 hatten wir also 300 Partner-Optiker. Mittlerweile sind es über 500 – in DACH, den Niederlanden und Schweden. Das war ein sehr wichtiger Schritt.

Zudem: Was wir aus der umfassenden Marktforschung wussten, die wir damals gemacht haben: Zwei Drittel der Menschen haben keinen Spaß beim Brillenkauf – und tragen die Brillen nachher auch nur, wenn es sein muss. Also haben wir uns gefragt: Was brauchen die Leute denn, damit es Spaß macht? Es fängt damit an, dass die Kunden ein paar Schlüsselangaben kennen müssen – etwa die Pupillendistanz, die sich im Vergleich zur Sichtweite, Brillengröße usw. nie ändert. Auf dieser Basis können wir dann jedem Brillenträger online ein passendes Sortiment anbieten.

Um 2016 herum merkten wir allerdings, dass man trotz hoher Markenbekanntheit an eine Kundengruppe kaum rankam, sie sich dem Erstkauf im Netz nicht traut – und drei Jahre auf einen Zweitkauf wollten wir ja nicht warten! So entschlossen wir uns, an einigen hochfrequentierten Standorten stationär aufzumachen und dort einen möglichst integrierten Kaufprozess anzubieten. Überlegung: Markenbekanntheit haben wir, die Leute kommen dort sowieso vorbei; wir müssen nur darauf achten, dass sie mit einem Kundenkonto wieder rausgehen – dann sind sie bereit für den Kauf online.

Das war der Plan – und alles hat ausnahmsweise auch genauso funktioniert, wie es im Plan stand. Der erste Laden in Berlin war sofort proppevoll! Massig Bestellungen! Seitdem rollen wir die stationären Flächen aus, was allerdings etwas länger dauert. Wir mussten ja auch dafür Geld einsammeln. Mittlerweile haben wir aber 34 eigene Läden und sind sehr, sehr zufrieden.

(Alex fragt nach den üblichen Eckdaten: Umsatz 2019 139 Millionen Euro, Wachstum fast jedes Jahr zweistellig, seit 2018 schwarze Zahlen. Vor sieben Jahren hatte Alex für seinen Artikel „‚Brille: Online?‘ Über Fielmann, Mister Spx, Luxottica & Co.“ die Gesamtmarktgröße recherchiert: 5 Milliarden Euro Stand 2012. Und heute? Mirko schätzt sie derzeit auf 6 Milliarden.)

14:15

Alex: Im Gegensatz etwa zu Mode, als Zalando Ende der 2000er zum Angriff startete, war das Segment Optik & Brillen kaum filialisiert. Fielmann und Apollo sind die ersten, die unabhängige Optiker aufzukaufen angefangen haben. Als ich 2013 recherchierte, war noch 50% des Marktes in Deutschland unabhängig, weshalb Fielmann zum Beispiel nach wie vor in der Konsolidierung den größten Hebel sah – und nicht im Online-Geschäft. Außerdem war der Appetit darauf, das lokale Preisgefüge online transparent zu machen, kaum bis gar nicht vorhanden… Wo stehen wir heute?

Mirko: Die Struktur ist – vor allem verglichen mit anderen Branchen – noch sehr kleinteilig. Es gibt noch sehr viele traditionelle unabhängige Optiker – von rund 10.000 Verkaufsstellen im Markt in Deutschland hat Fielmann erst 600-700 und Apollo ein paar mehr. Der Rest ist entweder unabhängig oder in kleineren, lokalen oder regionalen Ketten eingeteilt. Private-Equity-Firmen kaufen sich auch immer wieder bei den kleinen Ketten ein, aber keiner hat daraus einen neuen bundesweiten Filialisten machen können. Europaweit sieht es übrigens ähnlich aus. Frankreich hat zwar mehr Filialkonzepte und SpecSavers ist in UK und den nordischen Ländern groß, aber es gibt keinen nationalen oder europaweiten Spieler, der für Optik steht. Da gibt es also nach wie vor eine große Lücke, in die wir jedes Jahr ein bisschen mehr reingehen.

(Zum Verständnis geht Alex mit Mirko die Unterteilung der Produkte in den Kategorien Sonnenbrillen, Einstärkebrillen und Gleitsichtbrillen – plus Kontaktlinsen. Sonnenbrille: modisches Zubehör, nicht verglast. Stärkebrille: Sehkorrektur für weite auf Basis von einem Wert. Gleitsichtbrille: Korrektur für Weite sowie Nähe. Kunden für Letztere kämen meistens ab 45.)

19:10

Alex: Wie sind denn die klassischen User-Journeys – angefangen vielleicht bei der Sonnenbrille. Was ist bei euch der USP? Finde ich sie etwa bei euch günstiger?

Mirko: Zunächst einmal haben wir die klassischen Vorteile des E-Commerce: Sortimentsgröße (5.000 Sonnenbrillen!), kostenloser Versand, gebührenfreier Telefon-Service. Und falls du ein Problem mit der Brille hast, kannst du ja zu uns in die Läden oder zu unseren Partner-Optikern gehen. Zudem bieten wir ein exzellentes Preis-Leistungsverhältnis. Klar: Gegebenenfalls findest du, wenn du speziell danach suchst, das eine oder andere Modell günstiger, als bei uns. Aber dann auch noch kostenloser Versand, die Möglichkeit, irgendwo damit hinzugehen…? Da wird es schon schwierig. Und nicht zu vergessen: Online-Anprobe! Du kannst dich abends aufs Sofa setzen und coole Sonnenbrillen virtuell durchprobieren. Da gibt es keinen anderen von Rang, wo das geht! Customer-Experience, also.

Alex: Und wie sieht es denn bei der Einwert-Korrekturbrille aus? Als ich vor paar Jahren eine neue Brille brauchte, war ich erst einmal beim Augenarzt und dann beim Optiker. Wie kommt ihr an so einen Kunden, der seine erste Brille kauft oder vielleicht eine Ersatzbrille mit aktualisierten Werten, ran?

Mirko: Die überwiegende Mehrzahl von solchen Kunden kommt online zu uns – und hat in den allermeisten Fällen seine Werte vom letzten Optiker-Besuch (oder von einem vorherigen Besuch bei uns). Der Kunde sucht sich dann zuerst ein Gestell – rund oder eckig, teurer oder günstiger. Dann gibt er uns seine Werte, wir verglasen die Brille und schicken sie ihm zu. Wenn der Kunde durch die Online-Anprobe noch nicht ausreichend Sicherheit hat, dass das wirklich die Brille für ihn ist, dann schicken wir ja die vier kostenlosen Modelle zur Anprobe zu Hause an. Er darf die dann zurückschicken (alles vorfrankiert) und sagen, welche er verglast haben möchte. Bei jeder fertigverglasten Brille, die wir schicken, ist noch ein Anpassgutschein dazu, womit man zu einem Partner-Optiker oder zu einer Filiale von uns gehen kann, wenn sie beispielsweise am Ohr falsch aufliegt.

(Auch hier gelte bei Mister Spex: attraktivstes Sortiment und ein deutlich preiswerteres Angebot, weil der Kunde nur den Rahmen zahlt. Nur die extra-dünnen Gläser kosteten extra. Über 90% der Gläser schliffe Mister Spex selbst in der Berliner Meisterwerkstatt ein. Und wer seine Werte noch nicht habe und schon auf der Webseite sei, könne dort einen Sehtest-Termin mit einem Partner-Optiker vereinbaren. Die Werte kämen dann direkt aufs Kundenkonto für einen späteren Kaufabschluss.

Daraufhin will Alex wissen, ob es wie im zahnärztlichen Bereich einen Trend dazu gibt, dass auf Basis von 3D Scans u. Ä. in Ländern mit günstigeren Produktionskosten produziert wird. Einige Wettbewerbe ließen zwar in China einschleifen, so Mirko, aber der Versand dauere dann sehr lange. Außerdem bekomme man es mit dem Zoll zu tun. Bei Mister Spex gebe es die gleichen Brillenmodelle und die gleichen Gläser wie bei Fielmann oder Apollo – und die Schleifqualität bei Mister Spex sei von der Stiftung Warentest geprüft und ebenfalls für gleichwertig befunden worden.

Die Customer-Journey für Gleitsichtbrillen sei – heißt es abschließend zu diesem Themenbereich – weitestgehend deckungsgleich zu der für einfache Korrekturbrillen. Nur gebe es ab einem bestimmten Wertebereich wegen des komplizierteren Feinschliffs bei Gleitsichtgläsern einen kostenlosen Kontrolltermin bei einem Partneroptiker. Bei Kontaktlinsen wisse der Kunde seine Werte und habe seine Lieblingsmarke. Er müsse sich nur noch entscheiden, ob er eine kleine Packung, eine große Packung oder gleich ein Abo möchte. Wegen guter Preise und schneller Lieferung sei Mister Spex auch in dieser Kategorie online führend.)

27:40

Alex: Kontaktlinsen sind Verbrauchsware und nicht beratungsintensiv, weil der Kunde ganz genau weiß, welche er haben möchte: perfekte Produkte für Amazon, also…

Mirko: Sicherlich stellen Plattformen in der Kategorie Kontaktlinsen eine potenzielle Bedrohung dar. Wir sehen allerdings nicht, dass wir hier Marktanteile an Plattformspieler verlieren. Das ist doch noch eine Kategorie, die irgendwie an einer anderen Einkaufsstätte stattfindet: „Wo gehe wofür hin?“ Kontaktlinsen werden dann doch eher bei Spezialanbietern gekauft, weil diese wirklich alle möglichen Kombination von Marke und Werten anbieten – und wenn doch mal was ist, kann ich dort anrufen. Aber keine Frage: Bei Kontaktlinsen ist der Preiswettbewerb am härtesten und strategisch arbeiten wir viel stärker an der Brille. Sie stellt ja auch die größte Kategorie für uns dar und dort wachsen wir am schnellsten.

30:50

Alex: Ich vermute, ihr setzt in Sachen Kundentreue darauf, dass der Korrekturbrillenkunde dann später eine verglaste Sonnenbrille oder eine Zweitbrille fürs Auto haben möchte und bei euch einen Wiederkauf tätigt. Wie oft kommt der zufriedene Mister-Spex-Kunde zurück?

Mirko: Haben wir sehr viele Mehrfachkäufer innerhalb eines Jahres? Ganz klar: nein. Zwar gibt es einen Trend zum häufigeren Brillenkauf und zur Zweit- oder Drittbrille. Das ist einfach so – unter anderem weil die Zahl der jüngeren Brillenträger dramatisch ansteigt und diese Zielgruppe mehr Lust auf Varianz hat. Aber eine radikale Wende zu häufigerem Shoppen verzeichnen wir noch nicht.

Wir haben allerdings eine stark ausgeprägte Kundenloyalität. Unser net-promoter score in den Kategorien Brille und Gleitsichtbrille lag eigentlich nie unter 70 – was einen wahnsinnig hohen Zufriedenheitswert für so eine komplexe Kategorie bedeutet. Durchschnittlich kauft der Kunde alle vier Jahre eine neue Brille – mit einer bei uns deutlich vernehmbaren Tendenz zu etwas kürzeren Abständen, zu Mehrfachkäufen, zu zusätzlichen verglasten Sonnenbrillen. Die Zahlen erhöhen sich jedes Jahr.

33:15

Alex: Wie sieht es mit den Warenkorbwerten aus? Und verdient ihr eigentlich beim Erstkauf mit einem Neukunden Geld?

Mirko: Der Durchschnittswarenkorb liegt bei über 100 Euro; im Premiumbereich oder bei der Gleichsichtsbrille sind es schnell 200 Euro. Gerade in der Kategorie luxury and independent eyewear, wo wir superspannende kleine Labels haben, liegt der Bon höher – auch bei den Gestellen von den Pradas, Guccis und Diors dieser Welt geht es schnell Richtung 300 Euro.

Kaufen wir so ein, dass wir beim ersten Kauf profitabel sind? Ja! Denn dadurch, dass man bei Brillen die Kaufzyklen konservativ mit drei bis vier Jahren veranschlagen muss, müssen wir first purchase break-even sein. Beim Verbrauchsgut Kontaktlinsen gehen wir mit den Kundenakquisitionskosten eher auf customer lifetime value. Dabei haben wir den Vorteil, dass wir gerade bei diesen Kosten etwas mehr als die Wettbewerber ausgeben können, weil wir alle Kategorien bedienen und eher die Kunden ansprechen, die Spaß an der Brille haben.

Was wir sehen: Zwei Drittel unserer Käufe werden von Bestandskunden getätigt.

(Alex interessiert die Vision von Private-Equity-Firmen, die im Segment Optiker investieren – sowohl, die Mirko vorher erwähnte, in kleinere Ketten sowie in Mister Spex selbst, das Alex‘ Information zufolge 2015 über 30 Millionen von Goldman & Sachs bekam. Mirko verneint nicht – unterscheidet aber zwischen dem growth investment von Goldman und den stark EBITDA-getriebenen Investitionen herkömmlicher PEs. Letztere reize nämlich die hohe Profitabilität der Branche. Mirko stellt ein Fragezeichen hinter die Perspektiven für weiteres Wachstum der kleinen Ketten. Bei Mister Spex sei die Vision nach vorne ganz klar: Die Branche sei profitabel aber fragmentiert und ihr fehle ein Angebot für Shopping-affine Brillenträger. Für einen digital getriebenen Omnichannel-Player mit Fashion-Ansatz wie Mister Spex seien die Aussichten daher vielversprechend. Wer sei denn da noch im Markt? „Lange nichts!“ beantwortet Mirko die eigene rhetorische Frage. Die traditionellen Ketten hätten Schwierigkeiten online so aufzutreten, dass sich Zalando-, AboutYou- oder Farfetch-Kunden angesprochen fühlten.)

38:00

Alex: Du glaubst also eher nicht, dass die nächste Generation – etwa Marc Fielmann – es schafft, die traditionellen Anbieter online wettbewerbsfähig zu machen? Etwa deswegen, weil die legacy-Masse einer 100%-Orientierung widerspricht – weil sie das klassische Dilemma aller erfolgreicher Stationäre haben, dass konsequente Online-Ausrichtung für die Filiale schlecht ist? Solange könnt ihr ja theoretisch Geld einsammeln, für euch passende Stores kaufen und in absehbare Zeit auf die 500 Millionen gehen…

Mirko: Ich sage es mal so: Wir haben selbst in der Corona-Zeit im Frühling jede Woche einen neuen Laden aufgemacht. Das ist überhaupt kein Problem für uns. Jetzt hat uns Covid zwar schon einen kleinen Dämpfer verpasst. Aber sobald sich die pandemische Situation lichtet, werden wir wieder schneller wachsen – auch durch Markenaufbau im Ausland. Also gehen wir unseren Wachstumsweg weiter und sehen keine Delle.

Natürlich schauen wir uns dabei an, was der Wettbewerb macht. Sind wir doch nicht naiv – Only the paranoid survive! Ich bin einer der Ersten, der wie ein HB-Männchen durch die Gegend springt, wenn Traffic-Zahlen von irgendjemandem irgendwo steigen. Aber: So ein Apollo ist seit zwei oder drei Jahren online – und wir haben null was davon gemerkt. Wirklich zero. Nichts, nada!

Ich meine: Du kennst dich mehr aus in der Breite und der Tiefe des Handels als ich – und kennst du auch nur eine traditionelle, eher konservative, eigenmarkenorientierte Handelskette, die es geschafft hat, sich sowohl in der Zielgruppe als auch im Angebot wirklich umzupositionieren (also nicht nur: irgendetwas online zu machen!)?

(Langjährige Kassenzone-Hörer können sich die Antwort denken: „Nein.“ Auch beim zweiten Nachdenken, um seine eigenen Vorurteile zu hinterfragen, sagt Alex: „Weltweit: nein.“

Alex fragt, ob große, dem Online-Geschäft mit Brillen begünstigende Entwicklungssprünge unmittelbar bevorstehen: Augentests für zu Hause? Brillen, die sich in der Sehstärke dem Träger anpassen? Mirko setzt generell eher auf den kumulierten Effekt von eher kleineren Verbesserungen im Kundenerlebnis. Allerdings habe man in der Corona-Krise einen Online-Sehtest für die Altersgruppe 18-40 mit Kurzsichtigkeit bis -3 rausgebracht – funktionsfähig und klinisch getestet. Für alle Bevölkerungsgruppen sei der Test zwar noch nicht reif, aber er gebe die Richtung vor. Zumal sich die Kameras und Sensorik von Smartphones rasant verbesserten.)

44:45

Alex: Wie hoch ist generell der Eigenmarkenanteil im Brillengeschäft – und bei euch spezifisch?

Mirko: Wir stehen für Markenvielfalt, weshalb wir in der Kategorie Brille rund 70% Fremdmarken und 30% Eigenmarke verkaufen. Gerade weil wir in dem Bereich Fashion bzw. „Was Besonderes“ unterwegs sind und viel mit Designern und Influencerinnen zusammenarbeiten, wächst unserer Private-Label-Anteil stetig. Wir haben allerdings nicht vor, wie der Rest der Branche zu werden: So ein Fielmann hat ja einen Eigenmarkenanteil von 80%-90% – und einen für meine Begriffe eher unterdurchschnittliches Einkaufserlebnis dazu. Die teuren Brillen sind bei denen im Laden abgeschlossen. Du musst dich auf einen Stuhl setzen und fragen, welche Brille du überhaupt anprobieren darfst. Es ist ja nicht so, dass du da mit deinen Freunden da reingehst und sagst: „Oh, lass mal die anprobieren, die ist cool!“ Bei Fielmann oder Apollo sagen sie dir: „Ja, hier ist die Brille von RayBan. Wir können dir aber auch diese Brille von unserem Private-Label anbieten…“

Alex: Lass ich gelten, aber langfristig bleibt Händlern nichts anderes übrig, als auf Eigenmarken zu setzen, damit sie die Marge im Griff halten…

Mirko: Da hast du Recht und das machen wir ja auch. Unsere 30% steigen und wir nehmen das Thema sehr ernst.

47:15

Alex: Du hast ja gerade Influencerinnen erwähnt. Im Gespräch mit Rob Peters von Teufel ging es letztens darum, dass die Kooperation mit Influencerinnen es der Lautsprechermarke ermöglicht hat, neue weibliche Zielgruppen auf die bislang eher männliche Produktkategorie anzusprechen. Gibt es so etwas wie „Brilleninfluencer“?

Mirko: „Brilleninfluencer“? Nein. Brillentragende Influencer? Ja – und davon auch immer mehr. Und hier sind wir die stärkste Marke im Optikbereich. Wir gehen sehr viele Kooperationen ein, bei denen Influencer gemeinsam mit uns Brillen entwerfen. Andere stellen einfach unsere Brillen ihren Followern vor. Unsere Social-Media-Aktivitäten sind also sehr umfangreich und funktionieren auch sehr gut: Product involvement ist ja vorhanden und dann ist es ganz gut, wenn es dir jemand zeigt, erklärt, Fragen dazu beantwortet.

(Alex fragt nach der Vision für die kommenden Jahre, worauf Mirko mit einer Detaillierung dessen antwortet, was genau mit der Firmenmotto „to inspire and  empower people to wear glasses with joy and confidence“ gemeint ist: optische Expertise mit Leichtigkeit, Freude und bestem Kundenerlebnis verbinden. Fokus: Europa mit seinem höchstprofitablem 30-Milliarden-Euro-Markt. Strategie: Personalisierung plus Sortiment plus Multichannel. Mister Spex verfüge schon über das größte Kundendatenpool der Branche, bringe viele spannende Neumarken an den Kunden – Handgemachtes aus Schweden oder Italien etwa – und baue weiter seine Filialen aus, während das Nutzererlebnis im Netz immer weiter optimiert werde. Das alles bringe kein Konkurrent so zusammen auf einer europäischen Ebene.)

53:10

Alex: In puncto Internationalisierung: Der deutsche Markt ist ja extrem groß und in Sachen Online-Anteil noch lange nicht ausgereizt. Lohnt es sich angesichts dessen überhaupt, etwa nach Dänemark zu gehen? Gibt es Skaleneffekte?

Mirko: Klar. Haben wir doch bereits eine auf Nutzerfreundlichkeit durchoptimierte Seite, ein effizientes Lager und eine tolle Werkstatt hier in Berlin – nicht allzu weit von Dänemark entfernt! – und auch unsere Kampagnen (etwa Mail- und Empfehlungsstrecken) liegen bereits vor. All das stecken wir dann einfach in den neuen Markt rein: Da müssen wir nichts neuentwickeln. So gibt es kein Land, wo wir nicht mit einem positiven Deckungsbeitrag sehr schnell wachsen.

Allerdings setzen wir – im Vergleich zum E-Commerce von vor etwa sieben oder acht Jahren – verstärkt auf Markenaufbau. Denn in so einem Land wie Dänemark (wo wir noch nicht sind) oder Norwegen (wo wir bereits vertreten sind), sind wir meistens der erste große Online-Player und es gibt noch nicht viel organischen Traffic. „Einfach Google einschalten und warten“ reicht also nicht: Man muss also die upper-funnel‑Kanäle vom Beginn an mit reinnehmen.

55:45

Alex: Wenn hier im Podcast in den kommenden Monaten mal ein Vertreter der Fielmann-Familie sitzen sollte – etwa der Marc persönlich, wer weiß? –, welche Frage sollte ich ihm stellen?

Mirko: (auffällig langes Schweigen)

Alex: „Wie erklärst du dem Kunden, dass es in verschiedenen Filialen verschiedene Preise gibt?“

Mirko: Wahnsinnig gute Frage. Stell sie mal – und bleib da dran!

(Vielleicht höre ja jemand aus der Fielmann-Gruppe zu, angelt Alex, bevor er mit Mirko noch einmal das ganze Potenzial des europäischen Marktes – und den anhaltend hohen Personalbedarf von Mister Spex – Revue passieren lässt. Zumal sich die Zahl der Brillenträger zwischen 20 und 30 im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt habe, so Mirko, weil wir alle viel zu viel Zeit drinnen vor unseren elektronischen Geräten verbringen!)

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