Knipex-Chef Ralf Putsch: Der Zangenmeister

01:02:48

Du bist damit einverstanden, dass ab jetzt Inhalte mithilfe eines Cookies von Podigee geladen werden.

Inhalt laden
PHNjcmlwdCBjbGFzcz0icG9kaWdlZS1wb2RjYXN0LXBsYXllciIgc3JjPSJodHRwczovL3BsYXllci5wb2RpZ2VlLWNkbi5uZXQvcG9kY2FzdC1wbGF5ZXIvamF2YXNjcmlwdHMvcG9kaWdlZS1wb2RjYXN0LXBsYXllci5qcyIgZGF0YS1jb25maWd1cmF0aW9uPSJwbGF5ZXJDb25maWd1cmF0aW9uIj48L3NjcmlwdD4=

In Vorbereitung auf den Podcast habe ich kurz bei meiner Werkbank vorbeigeschaut und ganz vorne im Regal lag natürlich eine Zange von Knipex – der Rohrzangenklassiker. Wie kann ein Unternehmen, was vor allem in Deutschland produziert, in so einem „Commodity“ Markt bestehen? Die Produkte müssten doch global standardisiert sein – sie sind nicht „smart“. Reicht da die gute Ingenieurskunst aus und wie verkauft man diese Werkzeuge? Darüber redet Ralf Putsch in Podcast. Ein MUSS für jeden Heimwerker.

Die KNIPEX-Gruppe ist mit ihrem Stammsitz in Wuppertal-Kronenberg zu Hause, wo seit 140 Jahren Zangen hergestellt werden. KNIPEX verbraucht rund 50 Tonnen Stahl am Tag – und stellt im Jahr über 15 Millionen Zangen her. Auch heute findet der Großteil der Dutzende Arbeitsschritte in den unternehmenseigenen Werken mit ihren über 1.000 Beschäftigten statt. Ein klassischer Made-in-Germany-Mittelständler also, wie er im Buche steht – mit einem Jahresumsatz von über 200 Millionen Euro. Ein Gespräch darüber, wie man in einer Nische selbst dann beständig wächst, wenn man sie jahrzehntelang mit beinahe unkaputtbaren Produkten befüllt…

02:55     Alex hat unter seiner Werkzeugbank einen geerbten „Alligator 250“ von KNIPEX, der dort so einige andere Werkzeuge überlebt hat. Ralf Putsch erkennt das 1973 auf den Markt gebrachte Modell sofort: „Eine Revolution damals!“ Dank ihrer Geometrie beißt sich die Zange nämlich von selbst am Werkstück fest, ohne dass der Anwender die Griffe zusammenpressen muss. Insofern ein schönes Beispiel für die innovative Kraft der Firma und den Anspruch, nicht bloß „irgendwelche Zangen“ zu produzieren.

Durch diese Produktüberlegenheit sowie einen Fokus auf Fertigungsqualität, Sortimentstiefe und Service gelinge es, im Wettbewerb zu bestehen – und die Produktion in Deutschland zu halten. Hatte es Alex doch gewundert, dass die Herstellung nicht längst nach Asien abgewandert ist.

08:55     Alex hat einen Nachbar, der Stromtechniker ist – und der auf einen ganzen Werkzeugkoffer der Marke KNIPEX im Wert von mehreren Tausend Euro setzt. Wie wichtig ist der B2B-Bereich für KNIPEX? Schließlich gebe es bei Profi-Anwendern wohl höhere Ansprüche – und eine höhere Zahlungsbereitschaft.

Ralf Putsch sieht in der Tat Handwerker als wichtigen Kundenstamm an. Allerdings seien die Werkzeuge von KNIPEX keineswegs so teuer, dass sich diese Privatmenschen nicht leisten könnten. Ambitionierte Heimwerker seien auch durchaus bereit, Geld für vernünftiges Werkzeug auszugeben – und stolz darauf, es zu besitzen (was die meisten beruflichen Handwerker übrigens nicht tun: Werkzeug bekommen sie von der Firma gestellt).

11:40     Wenn die Zangen von KNIPEX so lange halten, die Alex‘ Alligator, wie kann Wachstum stattfinden? Schließlich wären irgendwann alle in Frage kommenden Kunden mit sehr langlebigem Werkzeug ausgestattet, oder?

„Die Frage geht mir auch schon mal durch den Kopf,“ gibt Ralf Putsch unumwunden zu. Erklärungsansätze: 1. Profi-Handwerker haben einen höheren Verschleiß, weil ihre Zangen den ganzen Arbeitstag lang in Benutzung sind. 2. Auf großen Baustellen gibt es zudem eine gewisse Verlustquote. 3. Vieles Wachstum bei KNIPEX kommt dadurch, dass die Firma kontinuierlich ihre Marktanteile ausbaut.

16:25     Derzeit verkauft KNIPEX in rund 100 Ländern, stetig kommen neue dazu. Wo es nicht selbst präsent ist, schließt das Unternehmen Handelsverträge mit Vertretern. Auch in Deutschland kommt KNIPEX so in den Handel. In einigen Ländern funktioniert es aber besser mit eigenen Vertriebsmannschaften. Zudem brauchen größere Märkte eigene Lagerflächen. So gibt es in 30 Ländern Niederlassungen.

18:35     Der Fokus liegt immer zuerst der Fachhandel, um Industrie- und Handwerksbetriebe zu erreichen. Aber auch Baumärkte werden beliefert: Denn auch dort kaufen viele Gewerbekunden ein – und eben Privatkunden. In den letzten Jahren haben einige Baumarktketten, die lange auf Eigenmarken setzten, KNIPEX im Sortiment aufgenommen, weil die Kunden Interesse daran zeigten.

20:30     Wie ist das Markenbewusstsein in anderen Märkten – wie etwa die USA? Dort rechnete sich Werkzeug-Start-up Wiesemann 1893 letztes Jahr große Chancen aus, weil es so wenig starke Marken gebe. Letzteres sieht Ralf Putsch nicht so. Auch dort hätten viele Handwerke eine ausgeprägte Bindung zu einer Marke (zumal sie ihr Werkzeug ja selbst kaufen, besitzen und bei einem Firmenwechsel mitnehmen). Der Amerikaner seien aber schon ein durchaus „werkzeugaffines Volk“ und an Neuigkeiten interessiert. Das sehe man in den sozialen Medien dort, wo lebhaft über die Vorzüge verschiedener Modelle diskutiert wird. Doch ein spannender Markt, also!

25:55     Stichwort Social Media: Gibt es relevante Influencer in dem Bereich? Ja – und KNIPEX arbeite schon mit einigen davon zusammen. Bloß: Allein um gekauften Beifall darf es nicht gehen. Die Influencer sollten schon selber gute Erfahrungen mit KNIPEX-Werkzeugen gemacht haben, von denen sie berichten können. Alex hebt die Kooperation mit Miniaturwunderland als Beispiel dafür hervor.

30:00     China: Dort verkauft KNIPEX – und von dort kommt wohl einiges unlauterer Wettbewerb, oder? Plagiate und Nachbauten seien schon ein Thema, räumt Ralf Putsch ein, gegen das man aber eben nur angehen müsse. Innovationen lasse die Firma patentieren und sie nehme wo immer möglich auch andere Schutzrechte wahr. Das sei in China zwar nicht immer einfach, gehe aber schon.

Auch in Europa wehrt sich KNIPEX – zum Beispiel gegen die 9.900(!) letztens auf Online-Verkaufsstellen festgestellten Patentverletzungen in Bezug auf einen Schaltschrankschlüssel. „Das ist schon eine Plage!“ Denn sobald man einen Missetäter von Amazon hat sperren lassen, kommt der nächste nach – oder der erste kommt wieder unter einem anderen Namen. Dagegen unternahm der Tech-Gigant lange nichts. Erst kürzlich habe es Amazon hingekriegt, die Patentverletzung vom vornherein auszuschließen, sodass der Fluss an immer neuen Plagiaten versiegte.

Vollstrecken könne man Forderungen gegenüber chinesischen Firmen übrigens selten – auch nicht, wenn sie in Luxembourg einen europäischen Sitz haben. Hier müsse Europa seine Binnenmarktgesetzgebung nachrüsten.

35:25     KNIPEX ist aber nach wie vor auf Amazon vertreten – und pflegt seinen Auftritt dort, wo einige seiner Produkte fünftstellige Zahlen an Bewertungen haben, wie Alex erstaunt feststellt. „Gegen Amazon ist auch gar nichts zu sagen, das ist ein guter Kunde von uns,“ sagt Ralf Putsch. Und in Bezug auf die Plagiate tue sich ja was (wenn auch langsam).

Hat KNIPEX denn nicht Angst, irgendwann wie so manch ein Hersteller von Amazon um Werbegelder erpresst zu werden? Klar sei, dass man sich nicht zu abhängig machen dürfe. Man dürfe aber genauso wenig die Vorteile von Amazon als Handelspartner vergessen. Die Plattform mache Tausende verschiedene Produkte Millionen von Kunden zugänglich – ein gewichtiges Argument für einen Hersteller mit einer vierstelligen Anzahl an Zangen im Sortiment: „Das ist positiv zu sehen, wenn ein Händler sagt: ‚Ich stelle sie alle rein. Und du darfst sie alle beschreiben!‘.“

42:50     Ralf Putsch umreißt die KNIPEX-Wachstumsstrategie: 1. Ersatz/Verschleißgeschäft, 2. Produktinnovation und -neuerungen, 3. Marktanteile. Letztere könne man immer am besten in Ländern ausbauen, wo man noch nicht so stark vertreten ist: In anderen europäischen Märkten sowie Amerika und Asien gebe es noch Marktanteile zu gewinnen.

Dafür sei Marketing ein Schlüssel – und hier haben die Möglichkeiten der Online-Medien KNIPEX ganz neue Chancen eröffnet, „die wir dann auch nutzen“. Mit heute 1,8 Millionen Followern auf sozialen Medien kann man Produktneuheiten viel besser denn je zuvor einer interessierten Kundschaft vorstellen. Den Effekt von Social-Media merke man teilweise sogar bei alten Linien, die auf den Plattform unter Nutzern geteilt und so wieder Thema werden. Früher musste man Anwendern Produkte auf Messen zeigen. Jetzt könnten sich Millionen Menschen Videos davon online ansehen. Der Bekanntheitsgrad der Marke komme auch dem Fachhandel zugute, erklärt Ralf Putsch, weshalb Online-Vertrieb und -Marketing übrigens nicht als Angriff auf bestehende Partner zu verstehen sind.

48:40     Wäre KNIPEX jetzt durch seine Bekanntheit und den Kundenkontakt im Netz nicht bestens in der Lage, Direktvertrieb zum Endkonsumenten aufzubauen? Ralf Putsch schließt es nicht für immer aus, sieht aber derzeit keine Notwendigkeit – zumal in der Abwägung noch die Nachteile  (etwa: Endkundenlogistik) überwiegen. Die Beziehungen mit dem Handel stellten für KNIPEX „eine vernünftige Arbeitsteilung“ dar, an der man nicht rütteln müsse.

Wie ist es aber, wenn Händler – wie Amazon – zunehmend im Marktplatzmodell das Warenrisiko an die Händler zurückzuschieben versuchen? Derzeit ist KNIPEX im Vendor-Modell und davon noch nicht betroffen. Aber sicherlich würde eine Verschiebung der Funktionen die Gleichung wieder ändern, überlegt Ralf Putsch. Und als „nicht ganz unbedeutender“ Hersteller in seinem Segment stehe das Unternehmen keineswegs in einem vollkommen unausgeglichenes Machtverhältnis…

54:15    Gab es irgendwelche Produktflops? Innovationen, die vom Markt nicht angenommen wurden? „Da haben wir natürlich ein bisschen Bammel vor, weil wir einen Ruf zu verteidigen haben.“ Manchmal schlage eine Neuerung zwar nicht so gut ein, wie erhofft. Zum Glück verhalte sich das Problem aber eher anders herum: Wenn ein neues Werkzeug schnell beliebt wird, könne man es oft nicht schnell genug produzieren!

57:00    Wie sind die Marktaussichten für 2023? Kommt nach dem Heimwerker-Boom während der Corona-Zeit die rezessionsbedingte Flaute? Bei KNIPEX sind gewerblichen Abnehmer nach wie vor das wichtigste Kundensegment – und hier seien die Aussichten noch unklar. Für KNIPEX sei das wichtigste, keine Marktanteile zu verlieren (und sich von den Strapazen der zuletzt starken Wachstumsjahre zu erholen): „Wenn das ein bisschen nachlässt, ist es für uns nicht schlimm.“

Neue Beiträge per E-Mail abonnieren.

Deine Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuche es erneut.
Danke! Bestätige deine Anmeldung bitte in der Mail, die wir dir soeben geschickt haben.

Mehr zu Handel

Warum du keine Heizhandschuhe bei TEMU (und Amazon) kaufen solltestWarum du keine Heizhandschuhe bei TEMU (und Amazon) kaufen solltest

Warum du keine Heizhandschuhe bei TEMU (und Amazon) kaufen solltestWarum du keine Heizhandschuhe bei TEMU (und Amazon) kaufen solltest

Bäckerei Günther Geschäftsführer Bastian ReichartzBäckerei Günther Geschäftsführer Bastian Reichartz

Bäckerei Günther Geschäftsführer Bastian ReichartzBäckerei Günther Geschäftsführer Bastian Reichartz

Gordian von Schoening Vorstand und CTO HWAGordian von Schoening Vorstand und CTO HWA

Gordian von Schoening Vorstand und CTO HWAGordian von Schoening Vorstand und CTO HWA

Alle Beiträge zu Handel