Haferdrink reloaded – Katia Pott von Bluefarm

49:10

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In der vorletzten Folge mit Florian Heinemann haben wir uns sehr kritisch mit dem Börsengang des Haferdrink Anbieters Oatly auseinandergesetzt. Das hat zu einigen spannenden Rückmeldungen geführt, u.a. von den Bluefarm Gründern, die ein Geschäftsmodell rund um das Thema Haferdrinks gefunden haben, das dem von Oatly aus meiner Sicht überlegen ist. Warum, wieso, weshalb, erfahrt ihr im Podcast.

Alexander Graf

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Hafergetränke online mit Katia Pott, Mitgründerin von Blue Farm

Letztens debütierte das Thema Hafermilch bei Kassenzone, als Alex und Florian anlässlich des Börsengangs von Oatly dessen Geschäftsmodell unter die Lupe nahmen – und das eine oder andere Manko entdeckten. Niedrige Margen, angreifbare Markenpositionierung und abflachende Investitionen und Forschung und Entwicklung ließen den schwedischen Produzenten von Hafermilch nämlich in keinem guten Licht erscheinen. Das überraschte: Denn beim allgemein gestiegenen Gesundheits- und Klimabewusstsein sowie dem eigentlich günstigen Rohstoff Hafer hatten die beiden etwas anderes erwartet. Zeit also, sich in diesem Segment umzuschauen: Katia von Blue Farm erklärt Alex den Markt für pflanzliche Ersatzprodukte aus ihrer Sicht – und stößt mit ihrem Geschäftsmodell bei ihm auf deutlich mehr Begeisterung als der schwedische Branchenprimus.

„Der Markt ist so stark am Wachsen, dass er Raum lässt für diverse Player.“

2:55

Alex: Erzähl doch mal den Hörern, wer du bist – und was du genau machst.

Katia: Ich mit 32 Jahre alt und BWLerin. Meine berufliche Laufbahn nahm in der Digitalberatung ihren Anfang. Dann wechselte ich die Seiten und war bei den Unternehmen tätig – etwa bei Amorelie im Bereich business development, den ich später auch leitete. Von dort aus bin ich zum corporate venture Kollex (dahinter steht unter anderem CocaCola) und habe eine B2B-Bestellplattform für Gastronomie und Lieferanten aufgebaut. Zuletzt war ich dort COO und habe sämtliche Bereiche geleitet.

Im Sommer letzten Jahres habe ich dann zusammen mit Philipp von Have Blue Farm gegründet. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, pflanzliche Milch neu zu denken – sowohl im Produkt als auch im Vertrieb. Was die wenigsten Leuten nämlich wissen: Pflanzliche Milche sind immer ein Konzentrat (Hafer, Mandel, Soja), das mit rund 90% Wasser angereichert wird. Das heißt: Es wird völlig unnötig ganz gewöhnliches Leitungswasser verpackt und transportiert. Da haben wir gedacht: „Das können wir besser!“ Daraufhin haben wir das erste enzymatisch behandelte Haferpulver entwickelt. Damit kannst du zu Hause dein Hafergetränk zusammenmischen – alles aus 100% organischem Hafer; ohne zusätzliche Bindemittel, mit viel weniger Verpackungsmüll am Ende und weniger Emissionen beim Transport. Wir sind damit die erste direct-to-consumer Marke für vegane Milch und versenden unseren Kunden Pulver für bis zu acht Liter per Warenpost in den Briefkasten.

(Alex fragt nach zum Verständnis: Soja-, Mandel- und Hafermilch werden also nicht „gepresst“, wie man sich das wohl vorstellt, sondern grundsätzlich immer aus Konzentrat gewonnen. Ja, antwortet Katia, weswegen ja immer „vor dem Verzehr kräftig schütteln“ auf den Verpackungen stehe.)

6:00

Alex: Du hast dir unseren Podcast mit der Kritik am Geschäftsmodell von Oatly angehört. Sehen wir das aus deiner Sicht richtig?

Katia: Klar ist: Bei so einer extrem hohen Bewertung ist man gut beraten, das, was auf dem Papier steht, zu hinterfragen. Allerdings: Wenn man in der Branche pflanzliche Milch unterwegs ist, weiß man, was für ein Riesenpotenzial in diesem Markt steckt. Zudem hat Oatly eine wahnsinnige Erfolgsgeschichte hinter sich und hat den Hafermilchmarkt geprägt. Nicht umsonst ist Hafermilch mittlerweile die Nummer Eins in Deutschland – früher war Soja der vegane Milchersatz erster Wahl. Dazu hat Oatly mit Sicherheit einen großen Beitrag geleistet.

Die Kostenstruktur, über die ihr euch länger unterhalten habt, ist dabei ein echtes Thema. Was man aber bedenken muss: Im Vergleich zu herkömmlicher Milch handelt es sich nach wie vor um einen Nischenmarkt, in dem noch sehr viel Kundenbewusstsein geschaffen und Reichweite aufgebaut werden muss. Das ist meines Erachtens schon deswegen notwendig, weil pflanzliche Ernährung einer der größten Hebel gegen den Klimawandel darstellt.

Alex: Unsere wesentliche Kritik war folgende: Obwohl Oatly bereits im neunstelligen Umsatzbereich unterwegs ist, hat sich de Rohmarge gar nicht so stark verbessert. Sie sind da noch bei unter 30% in der Herstellung – und da sie über den Einzelhandel verkaufen, bleibt kaum etwas hängen. Gleichzeitig steigen andere Unternehmen in diesen Markt ein und Oatly besitzt keine 5.000 Patente für eine bestimmte Technologie: Das, was sie machen, kann auch ein Danone oder eine Nestle. Viele der Lebensmittelkonzerne fangen jetzt auch mit Haferdrinks & Co. an. Wir taten uns schwer, da den Wettbewerbsvorteil bei Oatly zu sehen. Da mag das Marktpotenzial so groß sein: Sie sitzen in der Handelsfalle.

Katia: Bei Hafermilch handelt es sich um ein vergleichsweise neues Produkt, das auf den Markt kommt. Das heißt, dass die dahinterliegenden Produktionsprozesse andere sind, dass der F&E-Ansatz ein völlig anderer ist, als in der klassischen Molkerei. Da müssen völlig neue Produktionsstätten aufgebaut werden, was Oatly in den letzten Jahren massiv getan hat. Ich glaube, dieser Aufwand spiegelt sich in der Bilanz.

Alex: Wie haben Investoren denn euer Geschäftsmodell bewertet? Haben Sie angesichts einer wahrscheinlichen Verzigfachung im Absatz von pflanzlichen Milchersatzprodukten bei euch die Bude eingerannt…?

Katia: So ganz lief das nicht ab, nein. Aber unser Produkt ist eben derzeit das einzige enzymatische Haferdrinkpulver auf dem Markt. Dahinter liegt Entwicklungsarbeit und Produktionsinfrastruktur, die nicht sofort kopierbar ist. Allerdings gilt auch in unserem Fall wie überall im Bereich Lebensmittel: Schlussendlich geht es nicht in erster Linie um Produkt und Innovation, sondern um Marke und Vermarktung. Das hat Oatly sehr gut verstanden. Die aggressive Platzierung im Einzelhandel und in der Gastronomie ist gelungen und trägt zu ihrem starken Wachstum bei.

(Trotzdem stimmt Katia Alex‘ Einwand zu: Die Bewertung ist sehr, sehr ambitioniert. Daraufhin rezensiert Alex den etwas undurchsichtigen Stand des Wissens um die immer wieder propagierten gesundheitlichen Vorteile von Hafermilch. Letztendlich handele es sich bei Hafermilch um ein verarbeitetes Getränk auf Getreidebasis, das eher mit Bier als mit Milch vergleichbar sei. Dazu komme die Eiweiß- und Kalziumhaltigkeit von Milch. Katia erinnert daran, dass einige Konsumenten allein schon wegen einer Laktoseintoleranz auf Milchersatzprodukte angewiesen sind. Viele andere mehr täten das als Beitrag zur Nachhaltigkeit. Unbestreitbar sei: Hafermilch verursache rund 80% weniger Landnutzung und Ressourcenverbrauch als Milch. Für Kinder, die für den Knochenaufbau Kalzium brauchen, sei sie aber aus gesundheitlichen Gründen nicht gut geeignet. So hätten sowohl Hafermilch als auch Milch ihre Berechtigung. Alex und Katia sind sich einig: Ein Erwachsener, der sich nur einen Schuss Milch im Kaffee haben möchte, tut sich nichts Schlechtes – und der Umwelt was Gutes – wenn er hier auf Hafermilch zurückgreife.)

16:10

Alex: Lass uns jetzt mal bei Blue Farm ins Detail gehen: Wie lange gibt es euch schon? Was sind eure Eckdaten? Wo kriegt ihr euren Hafer her? Wie produziert ihr?

Katia: Wie gesagt sind wir letztes Jahr erst gestartet. Die erste Aufgabe war es, die Nachfrage zu verstehen: So haben wir einen Test gemacht mit einem dummy, um zu gucken, wie Kunden auf das Konzept Pulver reagieren. Danach haben wir unsere eigene Rezeptur entwickelt, Produzenten gefunden und sind dann im Januar an den Markt gegangen. Wir vertreiben zu 99% über unseren eignen Online-Shop direkt an Endkunden. Eignet sich doch unser Produkt bestens für den Versand. Darüber hinaus vertreiben wir kleine Mengen über rund 20 Unverpacktläden, um Offline-Touchpoints zu schaffen.

Derzeit sind wir acht Mitarbeiter im Team und haben einen starken Fokus auf Marketing und Lebensmitteltechnologie. Wie ich vorhin meinte: Es ist in diesem Bereich eben ein brand and marketing game, weil man durch Patente sein Produkt langfristig kaum schützen kann. Dennoch setzen wir stark auf Produktinnovation.

Unser Produzent sitzt in Deutschland. Bei den Produktvarianten haben wir eine mit normalem und eine mit biologisch angebautem Hafer. Das Getreide bekommen wir aus unterschiedlichen innereuropäischen Quellen her. Perspektivisch wollen wir unseren Hafer auch vollständig hier in Deutschland beziehen und sind derzeit in Kontakt mit vielen Bauern. Die Produktion ist komplett in Süddeutschland. Das Pulver kommt dann verpackt zu uns nach Berlin ins Lager und wir arbeiten für den Versand mit einer Behindertenwerkstatt zusammen.

(Alex bezieht sich auf den Werbespruch von der Website: „So einen frischen Haferdrink hattest du noch nie!“ Ob man den Unterschied zum Getränk aus dem Tetrapak merke? In der blinden Verkostung, so Katia, sagten die Probanden aus, Blue Farm schmecke frischer. Schließlich könne man auf viele Zusätze wie Konservierungsmittel verzichten und das Wasser sei nicht abgestanden, wenn man seine Hafermilch frisch anrühre. Deswegen tränken viele Kunden die Hafermilch von Blue Farm mitunter pur – nicht nur im Kaffee oder auf Müsli.)

21:20

Alex: Das Gute bei eurem Produkt – und das habe ich schon beim Martin von Waterdrop bewundert: Es ist trocken und hält wahrscheinlich ewig! Zudem ist das im Versand völlig unproblematisch: Man muss ja keine Kühlkette einhalten und es geht nicht kaputt. Kann man wohl als Maxibrief rausschicken.

Katia: Genau so ist es. Viele Kunden wählen allerdings bei der Erstbestellung den Starter Kit mit Dosierlöffel und Flasche zum Anschütteln. Das versenden wir als Paket. Aber, ja, die Packung für acht Liter passt in einen Briefumschlag und in jeden Briefkasten. Diese Versandart mögen sehr viele Kunden, weil man dafür nicht zu Hause sein muss. Andere lassen sich allerdings viele Packungen auf einmal schicken – für insgesamt 50 Liter – als Paket. Bei der Variante sind die Versandkosten günstig.

Alex: Oatly hat auch noch eine Barista-Version für den Einsatz in Cafés. Ist das wirklich so anders?

Katia: Da ist eine sehr lange Liste an Zusatzstoffen drin. Da muss jeder für sich entscheiden, inwieweit er so etwas zu sich nehmen möchte. Der Unterschied ist, dass sich die Barista-Version besser schäumen lässt. Wir werden in den kommenden Monaten auch ein Produkt mit vergleichbaren Eigenschaften auf den Markt bringen, wollen aber weiterhin wirklich nur auf rein natürlicher Basis ohne allzu Zusatzstoffe arbeiten. Da liegt für uns die Herausforderung in der Produktentwicklung.

(Alex fragt, warum es überhaupt eine Nicht-Bio-Produktvariante gibt. Ursprüngliches Ziel sei es gewesen, antwortet Katia, vom Anfang an vollständig biologisch zu sein. Es war aber mit den angefragten Produzenten und Lieferanten nicht zu machen.)

24:45

Alex: Woher kommen denn eure Kunden? Und habt ihr genug, um schon für 2022 Haferfelder zu verpachten?

Katia: Wir sind positiv überrascht, wie schnell so viele Kunden zu uns gefunden haben. So mussten wir beim Produzenten nachbestellen. Was uns hilft: Kunden kennen pflanzliche Milch aus dem Handel. Zwar kann man sie online bestellen, aber sie ist eher ein Produkt aus dem Supermarkt. Dazu ist sie gegenüber Milch noch eine Nische – was für uns online vom Vorteil ist, weil wir dementsprechend sehr gezielt mit performance marketing vorgehen können.

Das ist also einer der größten Kundenakquisitionskanäle für uns. Dazu kommen die organischen Aktivitäten, die wir haben. Wir posten zum Beispiel extrem viel auf Instagram und Facebook. Darüber hinaus ist unsere Webseite sehr umfangreich: Allein seit Beginn des Jahres haben wir über 50 Bloigartikel veröffentlicht. Wir setzen ebenfalls auf CRM – also die Reaktivierung von Kunden zum Beispiel, oder die Abo-Funktion (Nachschub alle zwei Wochen oder jeden Monat).

Sonst tasten wir uns gerade an Influencer-Marketing heran. Da sehe ich großes Potenzial für uns. Da das Produkt erklärungsbedürftig ist, funktioniert es natürlich sehr gut, wenn jemand etwa zeigt, wie die Milch richtig angemischt wird.

Alex: Und könnt ihr – trotz des frühen Stadiums – schon was dazu sagen, wie treu die Kunden sind? Wisst ihr zum Beispiel schon etwas zu den ersten Kohorten? Die ersten acht Liter hat man wohl schnell genug weggetrunken…

Katia: Ja, die Deutschen trinken laut Forschung 60-70 Liter Milch pro Jahr. Wir haben aber Kunden, die so viel im Monat bestellen – Familien natürlich. Wenn alle in einem Haushalt (Kinder ausgenommen) einen halben bis einen ganzen Liter am Tag trinken, geht das schnell. Am anderen Ende der Skala haben wir den Berater, der unter der Woche kaum zu Hause ist und es schätzt, dass das Milchpulver nicht schlecht wird. Ihm reicht ein Vier-Liter-Beutel aber für einen ganzen Monat.

Zu den Kohorten: Wir haben die Daten über die Kunden aus dem Januar. Grundsätzlich entwickeln sie sich sehr nachhaltig. Die Kunden sind vom Produkt und Geschmack überzeugt – und kommen zurück, um nochmal zu bestellen. Wiederkäufer sind natürlich für unser Geschäftsmodell sehr gut. Derzeit sieht es gut aus („Klopf auf Holz!“).

(Auf die Frage, wie Blue Farm finanziert ist, antwortet Katia wie folgt: Anfangs sei die Firma rein inhaberfinanziert; im Herbst letzten Jahres nahmen sie Investoren mit ins Boot. Die Aufstellung sei relativ international, da man in Deutschland Vorbehalte habe, wenn eine Idee noch nicht umgesetzt sei. Internationale Investoren seien da offener. Demnächst werde die Firma eine größere Finanzierungsrunde drehen, um Kapital für Marketingausgaben und Lagerfläche aufzunehmen. Profitabilität sei bereits für die kommenden ein-bis-zwei Jahre vorgesehen.)

29:35

Alex: Man kann in so einem Markt wie Lebensmittel selten rein organisch wachsen. Oft wird aber eine Fremdfinanzierung von ökologisch und sozial bewussten Kunden als Verrat an der Sache gedeutet, wie man aus diversen Äußerungen von Oatly-Kunden heraushören konnte. Ist das nicht eine Gefahr auch für euer Markenimage? Sprich: Wenn ihr Investoren mitreinnehmt, die vielleicht auch noch in Fleischprodukten aktiv sind…

Katia: Da kommt es darauf an, wie transparent man als Marke mit dem Thema umgeht. Oatly hatte zum Beispiel eine Kampagne unter dem Titel „Show us your numbers“, in der sie die Milchprodukteindustrie anprangerte. Da hallte es ihnen hämisch wieder entgegen: „Show us your investors!

Aber – wie du sagst – ist es natürlich ein Trugschluss zu denken, dass man nur organisch wachsen darf, weil man auf Nachhaltigkeit aus ist. Ganz im Gegenteil: Wenn man wirklich was erreichen will, muss man global und groß denken. Das geht nur mit einer gewissen Starthilfe. Deshalb sind wir sehr transparent in unserer Kommunikation. Denn die Community ist bereit, einem den einen oder anderen kleinen Fehler zu verzeihen, solange man sichtbar um Ehrlichkeit bemüht ist.

Alex: Und was wäre, wenn der Lebensmitteleinzelhandel in Form von Rewe, Edeka & Co. bei euch anklopfen würde? So nach dem Motto: Super Idee, nimmt auch wenig Platz im Regal weg…

Katia: LEH ist für uns definitiv ein Thema, weil deren Strukturen in Deutschland unfassbar gut sind. Wenn du ein Produkt oder eine Marke hierzulande großmachen willst, kommst du um sie nicht drum herum. Im Herzen werden wir aber immer eine D2C-Marke bleiben.

Tatsächlich haben die ersten Supermärkte bei uns an der Tür geklopft – und wir haben einen Test gemacht mit einem Edeka-Markt aus Saarbrücken. Was wir festgestellt haben: Bei uns ist die Optimierung ja bislang ins Direktkundengeschäft geflossen – Webseitentexte usw. Unsere Verpackung ist aber noch nicht für den Handel optimiert. Da wollen wir im Herbst das Thema angehen und definieren, was das richtige Produkt für den Handel ist (also: in Bezug auf Größe und Verpackung, nicht Inhaltstoffe).

(Der Weg über Unverpacktläden sei Blue Farm auf Kundenanregungen hin gegangen. Einige Kunden fragten sogar, ob sie selbst aus dem Lager in Berlin abholen dürften, um Transportemissionen zu sparen… Auch sonst sei das Direktkundengeschäft bei allen Plänen, auch im Handel erhältlich zu sein, ein strategischer Differenzierungsfaktor etwa zu einem Oatly. Nach dem Motto „Hafermilch digital neu“ sei der Shop der Grundstein für Service – etwa Messenger-Commerce, Abo-Abbestellung per SMS bei Abwesenheit usw.)

35:30

Alex: Nehmen wir einen Vier-Liter-Beutel von euch, der 8,79 € kostet – also rund 7,40 € netto…

Katia: Nein: 8,21 €, weil wir nur 7% Mehrwertsteuer bezahlen. Zum Glück, denn es gab auch eine lange Diskussion, ob der ermäßigte Satz auch für pflanzliche Milch gelten sollte, zumal in Pulverform.

Alex: … Als Edeka-Händler möchte ich es im Laden jedenfalls nicht teurer verkaufen, als ihr das auf der Webseite tut. Wenn ich also zu 8,20 € verkaufe, darf ich – um noch eine ordentlich Handelsmarge einzufahren – euch kaum mehr als 4-5 Euro geben. Wenn ich euch also eine Palette des Pulvers abnehme, macht ihr das zu dem Kurs?

Katia: Wenn wir in die Abnahmemenge von LEH reinkommen, sprechen wir über eine ordentliche Skalierung – und über eine entsprechende Senkung unserer Produktionskosten. Dann ist das für uns abbildbar. Momentan wäre es zwar möglich, aber für uns kein Gewinngeschäft.

Alex: Gerade das fand ich bei Oatly so interessant: Die Skalierung in der Produktion hat nicht zu einer verbesserten Rohmarge geführt. Woran liegt das? Hat Oatly Probleme, Hafer zu guten Preisen zu beziehen? Oder ist der Produktionsprozess mit dem Hinzufügen von Vitaminen & Co. so teuer? Sonst ist Hafer ja eine sehr dankbare Pflanze, die auch mit schlechteren Böden zurechtkommt. So teuer kann das doch gar nicht sein!

Katia: Grundsätzlich ist Hafer kein extrem teurer Rohstoff. Auch das, was zugesetzt wird, ist kein Kostentreiber. Es liegt tatsächlich an den Produktionsprozessen. Oatly hat – wie gesagt – extrem viel in Produktionsanlagen investiert. Das wird auf die Kosten umgelegt. Dann kommt das Thema Logistik: Sie sind dabei, in ihren jeweiligen Märkten Produktionskapazität aufzubauen, um die Transportkosten zu senken – etwa in USA, wo sie derzeit eine zweite Produktionsstätte bauen. Coronabedingt hat das wohl länger gedauert.

Bei uns ist die Produktion auch Thema. Am Anfang ist man ja ganz am Ende der Nahrungskette beim Produzenten: Man kriegt zwar durchaus Slots, aber die Maschinen sind bei weitem nicht so ausgelastet, wie sie ausgelastet sein könnten. Deshalb ist auch unheimlich viel Luft nach oben in Sachen Marge. So haben wir vom Produzenten als schriftliches Angebot vorliegen, dass sich die Marge verbessern würde, wenn wir mehr Volumen abnehmen würde. Bei Oatly kann ich mir das also nur durch Investitionen und Unkosten erklären.

(Alex – der sich mit der Verfütterung von Hafer an Rinder und Pferde auskennt – erfragt Details zu den verschiedenen Schritten in der Verarbeitung von Hafer zum Hafermilchpulver. Dabei wird herausarbeitet, dass sich die Produktionsvorgänge fürs Pulver von denjenigen für fertige Getränke wie die von Oatly deutlich unterscheiden.)

41:10

Alex: Nehmen wir mal an, Oatly begreift, dass auch sie Pulver herstellen könnten. Dann benutzen sie ihre Marke, um „Oatly für Zuhause“ an die Kunden zu bringen. Sie könnten von den Produzenten wahrscheinlich aus dem Stand die tausendfache Menge abnehmen. Ist das nicht eine reale Gefahr?

Katia: Definitiv. Wettbewerb belebt allerdings bekanntermaßen das Geschäft. Und es handelt sich hier um ein neuartiges Produkt, das Konsumenten noch nicht kennen. Die meisten haben eher was von getrocknetem Milchpulver gehört – aber im Unterschied dazu ist Hafermilchpulver ja die frischere Variante. Insofern kann es uns nur helfen, wenn mehr Firmen in den Markt gehen und beim Schritt consumer education mitanpacken. Angst davor, dass Nachahmer unserem Geschäftsmodell die Luft nehmen, haben wir also nicht. Zumal der Markt einfach so stark am Wachsen ist, dass er Raum lässt für diverse Player. Schon heute gibt es im Supermarkt von der Eigenmarke bis hin zu Oatly viele unterschiedliche pflanzliche Milchprodukte.

Alex: Eine weitere Frage: Pulver für Getränke ist definitiv smart. Aber ob die Kunden das tatsächlich so bequem finden, wie aus dem Tetrapak, muss sich noch zeigen.

Katia: Es hängt davon ab, wie der Kunde convenience definiert. Manche werden es bestimmt mehr convenient finden, eine Tetrapak aufzumachen. Andere wiederum werden das mit der Lieferung nach Hause in den Briefkasten als besonders bequem empfinden – sowie die Möglichkeit, die Milch immer dann frisch anzumischen, wenn man sie gerade braucht.

(Alex erwähnt hier noch einmal Waterdrop – die Brausetablette für Wasser mit Geschmack – als guten Vergleich für das Geschäftsmodell von Blue Farm: Nicht gerade günstig und wohl für eine andere Zielgruppe gedacht, als für die Kunden, die einfach mal im Supermarkt eine Kiste Apfelschorle mitnehmen wollen.)

44:35

Alex: Würde es sich für euch lohnen, auch mit anderen Pflanzen zu arbeiten? Könntet ihr zum Beispiel auch ein Sojapulver anbieten?

Katia: Es gibt auf jeden Fall die Möglichkeit, das Konzept auf andere Pflanzenarten auszudehnen. Wir haben uns deswegen zunächst für Hafer entschieden, weil es sich um eine regionale Anbaupflanze handelt. Das ist aus Nachhaltigkeitssicht wichtig. Zudem ist Hafer geschmacklich sehr neutral.

Wenn wir zukünftig andere Kategorien anstreben, dann nur unter der Maßgabe, dass die Umfänge auf nachhaltige Weise beziehen können. Mandeln zum Beispiel kommen hauptsächlich aus kalifornischem Anbau. Sie gibt es aber vereinzelt in Spanien, Italien und Griechenland. Da würden wir auf einen gewissen regionalen Aspekt achten. Denn es würde nicht unseren Werten entsprechen, Soja aus sonst wo zu importieren, um es hier zu verarbeiten.

(Alex beantwortet dann seine eigene Anschlussfrage, ob man auch mit anderen Getreidearten wie Gerste oder Weizen Pulver machen könnte: „Das wäre ja Bier!“ Hanfmilch gebe es mittlerweile und es werde bestimmt zu einigen Überraschungen kommen, sagt Katia abschließend, woraus man sonst noch Milche herstellen könnte. Alex zeigt sich vom Produkt und vom Geschäftsmodell rundum beeindruckt.)

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