Eine Podcastfolge für das kleine Energieabitur. Ove Petersen hat auf seinem Bauernhof an der Nordseeküste eines der führenden Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien aufgebaut. Sein Unternehmen GP Joule baut & betreibt Wind/Solarparks, experimentiert mit Wasserstoffkreislaufsystem, optimiert die Wertschöpfung von Biogasanlagen und vieles mehr. Er weiß was in Deutschland in dem Bereich schiefgelaufen ist und was weiterhin schlecht läuft.
Energiewende mit Ove Petersen, Gründer und Geschäftsführer von GP Joule
Gelernter Landwirt Ove Petersen hat auf seinem Bauernhof an der Nordseeküste eines der führenden Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien aufgebaut: GP Joule. Die 2008 gegründete Firma errichtet und betreibt Wind- sowie Solarparks und experimentiert zudem mit Wasserstoffkreislaufsystemen sowie andere Technologien, um die Energiewende voranzutreiben. Was in Deutschland beim lange stockenden Ausbau der erneuerbaren Energien schiefgelaufen ist? Was läuft weiterhin schlecht? Was müsse sich ändern? In Minutentakt kommen in dieser Folge große Themen auf den Tisch, die Fachmann Ove mit so viel Präzision wie Passion seziert.
05:10 Was machen die über 500 zwischen schleswig-holsteinischem Reußenköge, Berlin, Augsburg, Paris und Dublin verteilten Mitarbeiter von GP Joule? Das sind überwiegend Ingenieure, Geologen und Betriebswirtschaftler, die Projekte planen und durchrechnen: Beim Bau fungiert GP Joule als Generalunternehmer, der die Gewerke beauftragt; für Wartung sind angestellte Techniker zuständig.
Wie ist die Nachfrage angesichts der derzeitigen Weltlage? Die Produkte von GP Joule seien schon länger stark nachgefragt worden, so Ove. GP Joule bedient vor allem Geschäftskunden, die größere Anlagen planen: etwa Firmen, die ihre eigenen Energiequellen für den Betrieb erschließen oder Landwirte, die ihre Äcker in Solarparks verwandeln wollen. Bei letzterem kommt der erste Punkt zur Sprache, an dem es in der deutschen Energiewende hapert: das Planungsrecht und seine komplizierten Genehmigungsverfahren…
12:05 Mit dem Beispiel eines Landwirts, der einen Solarpark errichten will, geht es weiter: Wo bekommt GP Joule Komponente her? (Heutzutage nur noch aus Asien.) Verpachtet der Landwirt die Fläche oder betreibt er sie selber? (Am liebsten übernimmt hier GP Joule als Pächter und kümmert sich um Planung, Genehmigung usw.) Wo wird man den Strom los? (Nicht überall gibt es genügend Netzanschlusskapazität.)
Eine Spezialität von GP Joule: Die Umwandlung von grünem Strom in Energie für die Industrie – etwa Wärme oder Wasserstoff. Auch schließe man direkte Stromverträge mit großen Abnehmern und sei damit bereits auch ein Energieversorger. Seit neuestem können auch Privatkunden Verträge mit GP Joule abschließen.
Am Beispiel einer Aluminiumhütte als Großverbraucher schildert Ove, welche Flexibilität die Versorgung von großen Anlagen mit erneuerbarer Energie erforderlich macht – und welche politischen Anreize gesetzt werden können, um Unternehmen zu einem Umdenken in diesem Sinne zu bewegen. Stichwörter: Grundlasten, schwankende Verfügbarkeit von Wind- und Solarkraft.
19:50 Was ist, wenn besagte Aluminiumhütte nicht nahe der Nordseeküste, sondern in Baden-Württemberg sitzt? Wie kommt der Strom von GP Joule dahin? Damit ist das nächste große Fass aufgemacht: die für den Ausbau der erneuerbaren Energie fehlenden Stromtrassen in Deutschland sowie die verqueren Effekte von Stromlieferverträge über so weite Strecken. Stichwörter: Redispatch-Kosten, Einspeisevergütung und Netzentgelte.
Ein weiteres großes Problem: Selbst wenn gerade ein Überangebot an Strom aus Windkraftanlagen im hohen Norden herrscht, wird im Süden Elektrizität aus örtlichen Gaskraftwerken geliefert. Ove sieht die Lösung so: Überschussstrom sollte möglichst vor Ort verwendet werden – etwa zur Herstellung und Komprimierung von Wasserstoff – anstatt darauf zu setzen, dass es unter Verlusten über Hunderte Kilometer hinweg transportiert oder gar erst gar nicht ins Netz eingespeist wird. Auch deswegen sei es so wichtig, dass Bayern und Baden-Württemberg endlich anfangen, eigene erneuerbare Energieressourcen aufzubauen. Übrigens – nächstes großes Thema – könne theoretisch bald das Gasnetz in Deutschland mit bis zu 15% Wasserstoff betrieben werden; längerfristig sei eine komplette Umstellung denkbar.
27:00 Thema Wasserstoff: Bei GP Joule habe man gemerkt, dass die Zahlungsbereitschaft für die teure neue Technologie am höchsten bei Schwerlastfahrzeugen ist. Denn die Umstellung auf Batterien gestaltet sich hier am schwierigsten. Bei Wasserstoff konzentriert sich die Firma also erst einmal auf LKWs, Busse, Züge und Schiffe.
In den Marschen Schleswig-Holsteins stehen Windräder, die immer wieder abgeschaltet werden müssen, wenn sie überschüssigen Strom produzieren. Diesen verwandelt GP Joule aber bereits heute in Elektrolyseuren zu Wasserstoff, der an regionale Nahverkehrsbetreiber und Spediteure verteilt wird; dabei fällt auch Abwärme für Fernwärmenetze an. So profitiert zum ersten Mal die Bevölkerung der Region, nicht bloß der Betreiber unmittelbar von den zahlreichen Windrädern. Das erhöhe die Akzeptanz der Anlagen. Und so wird ein weiteres gesamtgesellschaftliches Thema aufgemacht: die 10H-Regelung, Bürgerproteste und der schleppende Ausbau der Windkraft im Süden Deutschlands.
Generell plädiert Ove für eine gesamtenergetische Betrachtung: Anstatt in „Strom“ und „Gas“ müsse man in „Energie“ denken, die produziert, zwischengespeichert und dann in verschiedenen Formen geliefert werden kann – etwa direkt als Strom ins Netz, als Wasserstoff für Busse mit Brennzellen oder als zurückgewandelt in Strom für batteriebetriebene Autos.
36:20 Ist der Nord-Süd-Link im Stromnetz also eher ein Holzweg? Ove macht die Rechnung auf: Deutschland soll jedes Jahr rund 50 Gigawatt erneuerbarer Stromkapazität ausbauen; die geplanten Trassen werden eine Leistung von höchstens acht Gigawatt in den Süden transportieren können. Zudem kostet der Link 3-4.000 Euro pro KW, während Elektrolyseur für 800 Euro pro KW zu haben sind. Und die bestehende Gasleitung, in die Wasserstroff eingespeist werden könnte, hat eine Kapazität von 40 Gigawatt… „Es geht nicht um Entweder/Oder: Wir brauchen beides.“ Und – nochmals – im Süden müsse der Ausbau der Erneuerbaren endlich in Gang kommen!
39:45 Zu den Hochzeiten 2008 bis 2012 wurden jährlich rund 7 Gigawatt Solarkraft in Deutschland ausgebaut. Ab jetzt soll das dreifache davon installiert werden. Realistisch? Ja. Das gehe, so Ove, ganz gut: Die Module sind doppelt so stark wie damals und der Ausbau sei vergleichsweise unkompliziert. Was helfen würde: Wenn Produktionskapazitäten nach Europa zurückgeholt würden.
Überhaupt: Man müsse europäischer denken. Der Markt funktioniere auch längst länderübergreifend. So habe Frankreich dieses Frühjahr mehr Gas denn je zur Stromerzeugung verbraucht, weil dort die Atommeiler den Geist aufgeben… Nächstes großes Thema im Anschluss: Die EU-Taxonomie, die Gas und Nuklear als grüne Übergangsenergie definieren – für Ove „verkehrte Anzeichen!“
44:45 Zum Thema Anzeichen eine Gretchenfrage von Alex: Müsste nicht angesichts der im Norden installierten grünen Kapazität dort nicht der Strom günstiger sein als in Bayern? „Ja, das müsste so sein.“ Netzentgelte in Deutschland werden aber nicht pro Kilometer fällig, sondern für die eingespeiste Leistung – egal, wo oder wie der Strom produziert und abgenommen wird. Man müsse also das öffentliche Netz umgehen und Großkunden direkt versorgen, so Ove, wie GP Joule das bereits mache.
Das Potenzial für lokale Kreiswirtschaftsmodelle zeigt Ove am Wasserstoff auf: Den Strom dafür kaufe man über langfristige Verträge direkt vom Windkraftbetreiber ein und gebe den daraus gewonnenen Wasserstoff– ebenfalls auf Basis Langzeitverträge – an örtliche Abnehmer weiter. Ergebnis? Der Preis für Wasserstoff an der Tankstelle in Husum sei exakt der gleiche wie vor dem Ausbruch der Ukrainekrise. Ove appelliert erneut: „Wir müssen weg von dem Sektorgedanken!“ Schluss mit Gasmarkt vs. Strommarkt: lieber Energiemarkt. Zudem gebe es massives Potenzial, wenn man Industriebereiche zusammendenke – zum Beispiel: Abwärme, die gar nicht genutzt wird!
51:10 Allen – auch Privathaushalten – wird empfohlen, jeden Quadratmeter Dachfläche für Solar zu nutzen. Wie sinnvoll ist das aber, fragt Alex, wenn die Anlagen zum Teil exorbitant teuer geworden sind und im Winter wenig bringen…? Ove wägt ab: Billiger ist der Ausbau pro Kilowatt immer auf freier Fläche, aber als Selbstnutzer des Stroms spart man Netzausbaukosten. Eine Dachanlage ergibt also für Hausbesitzer oder selbstnutzende Firmen Sinn. Wer aber mit Solarparks Geld verdienen will, suche sich lieber ein Feld. Bei größeren Neubauten sollte man Dachanlagen allerdings grundsätzlich zur Auflage machen, fügt Ove hinzu: „Es lohnt sich im Endeffekt alles, weil alles CO2 spart.“ Das gelte selbst für an sich wenig effektive Miniwindkraftanlagen.
57:00 Neben Wasserstoff: Welche sinnvolle Speichermöglichkeiten gibt es für überschüssigen Strom? Zuallererst räumt Ove mit einem seiner Meinung nach weit verbreiteten Hype auf: Pumpspeicherkraftwerke sind nicht die Antwort auf alles! In der Energieumwandlung seien sie äußerst effizient. Sie aber nur bei Stromproduktionsspitzen zu befüllen, um sie dann und wann in Betrieb zu nehmen, wenn weder Solar- noch Windstrom komme, sei nicht wirtschaftlich. Sie müssten als Regelkraftwerke betrieben werden.
Wie können Privathaushalte Überschussstrom – etwa von Dachanlagen – am besten speichern? Schon die Batterie von einem Elektroauto ist eine Speichermöglichkeit! Sie sollte also tagsüber aufgeladen werden und könnte nachts wieder Energie ins Haus speisen. „Die günstigste Batterie ist immer noch die auf vier Rädern.“ Leider sei das Verfahren aber noch nicht zugelassen…
Langfristig müsste beim Ausbau der Elektromobilität mit knappen Ressourcen wie Lithiumbatterien das gesamte Stromnetz mitgedacht werden. Und fleißige Kassenzone-Hörer kennen bereits eine gute stationäre Speicheralternative im Anmarsch: Natrium-Ion-Batterien. Auch Teil der Rechnung: Wärmepumpen. Sie speichern sehr effektiv Energie – die man allerdings nicht mehr zurückverstromen kann.
1:03:00 Beim angestrebten Ausbauziel von jährlich 50 Gigawatt müsste jeder Unternehmer, der Fläche zur Verfügung hat, seine Möglichkeiten für Solar oder Wind prüfen, oder? „Absolut!“ antwortet Ove. Man könne nur hoffen, dass nicht wieder die Rolle rückwärts komme wie unter Wirtschaftsminister Altmeier…
Es gehe aber auch nicht nur um Erzeugung, sondern auch um Energieeinsparung. Sowohl Industrie als auch Privathaushalte seien hier gefragt. Auch problematisch: das fehlende Tempolimit und die Tatsache, dass der Flugverkehr so günstig ist. Hier sollte viel weniger Treibstoff verbrannt werden. Denn im Auto habe er einen Wirkungsgrad von nur 20% – gegenüber 100% im Heizkraftwerk!
Alex spielt ein Beispiel mit Ove durch: Ein Campingplatzbetreiber will eine Ladesäule für Elektroautos aufstellen. Wie sähe die Wirtschaftlichkeitsrechnung aus? Würde GP Joule so etwas bauen?
1:08:00 Nun möchte Alex mit Ove die Fehler der Vergangenheit aufarbeiten und in die Abgründe der derzeitigen Bürokratie blicken – etwa am Beispiel, was passiert, wenn man seine vorhandene Solaranlage weiterausbauen möchte. Oder: Wie sind die Kosten für die Abschaltung von einzelnen Windkraftanlagen bei mangelnder Netzkapazität geregelt? Auch Thema: Warum der Smart Meter immer noch nach 10 Jahren Zukunftsmusik ist und man Haushalten immer noch nicht billigere Tarife anbieten kann, wenn sie eher zu Ruhezeiten (nachts) Strom benutzen. Zudem müsste man der Industrie Anreize geben, dann zu produzieren, wenn viel Sonne und Wind verfügbar sei – und sei es am Wochenende! Auch hier: lieber lokale und regionale Kreislaufmodelle einrichten, als auf Transport, Import und Export von Strom zu setzen.
Ernüchterndes Fazit kurz vorm Herbst im Zeichen von Putins Gaskrieg: „Das Problem: Wir haben 10 Jahre auf der Bremse gestanden (…) Leider hat man die Zeit völlig verpennt und das fällt uns jetzt voll auf die Füße.“
1:15:45 Zum Schluss werden Fragen aus der Kassenzone-Community beantwortet.
Was hindert uns am schnellen Umstellen? Neben Bürokratie und verqueren Anreizen hemmen fehlende Rohstoffe sowie Facharbeiter den raschen Ausbau. Was (entgegen den Beteuerungen aus Bayern) nicht fehlt: landesweit geeignete Fläche. Zumal die Elektrifizierung insgesamt durch ihre Effizienz zu einem Rückgang der benötigten Gesamtenergiemenge führen werde.
Stichwort Fläche: Tank vs. Teller? Ergibt es überhaupt Sinn, Mais für Biokraftstoffe anzubauen? Überhaupt nicht! Auf derselben Fläche generieren Solarpaneele rund zwanzig Mal mehr Energie. Und in heißen Ländern mit großen Photovoltaikpotenzial, aber wenig Wasser, könnte man mit dieser Energie mehr Meereswasser entsalzen und verwüstete Äcker wieder fruchtbar machen.
Ganz generell, beteuert Ove gegen Ende, müsse man bei Energieproduktion und Klimaneutralität viel internationaler, ja globaler denken. Entsprechend geht es um unser Nachbarland Dänemark, das bereits in den Siebzigern von Öl- und Gasheizungen auf Fernwärme umgestiegen ist.
1:27:00 Letzte Fragen: Welche drei Dinge würde „Ove Habeck“ in der jetzigen Lage sofort tun? Und was hat GP Joule in den kommenden fünf Jahre vor?
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