Farm-Tiger.de E-Commerce + Landwirtschaft

48:33

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Als mir Justus Timm vor ca. einem Jahr zum ersten Mal die Zusammenhänge im Handel von Landwirtschaftsprodukten erklärt hat, konnte ich kaum glauben, dass dort mehr Umsatz gemacht wird als mit Fashionartikeln in Deutschland. Trotzdem gibt es dort bisher kaum funktionierende und moderne E-Commerce Konzepte. Das will und wird Farm-Tiger ändern. Vom Düngemittel bis hin zur Pferdetränke erwartet Justus eine starke Veränderung im Bestellverhalten in den nächsten Jahren. Farm-Tiger setzt für dieses Vorhaben u.a. auf die Lösungen von Spryker Systems. Inhaltlich decken sich die Beobachtungen sehr gut mit den Erfahrungen des US Pendants Murdochs.com, die letzte Woche im Wimlex Podcast zu Gast waren.

Alexander Graf

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Landwirtschaftsprodukte online mit Justus Timm, Mitgründer und Geschäftsführer von Farm-Tiger

Ein Markt, der es in puncto Größe mit Fashion aufnimmt, aber online noch kaum vertreten ist? Ja, das gibt es noch! Der Handel mit Produkten für Landwirte ist noch eine weitestgehend stationäre Veranstaltung. Noch. Denn Landwirte sind nicht so behäbig wie ihr Ruf und suchen rege online nach Möglichkeiten, sich günstig Betriebsmittel liefern zu lassen. Und so tritt nun Farm-Tiger an, um das Produktsortiment von Raiffeisenhandel & Co. digital abzubilden. Wie das geht und was noch beim jungen Unternehmen (und Spryker-Kunden) geplant ist, ist in diesem Podcast mit Gründer Justus Timm zu erfahren.

„Man sollte den Landwirt nicht unterschätzen.“

3:00

Alex: Wieder mal ein Podcast, der mich auch privat interessiert: Langjährige Zuhörer wissen, warum! Erzähl mal bitte zuerst, wie der Markt mit Produkten für die Landwirtschaft überhaupt gestaltet ist: Über welche Umsatzdimensionen reden wir hier? Und woher bezieht denn ein Landwirt in Deutschland die Produkte, die er für seinen Betrieb benötigt?

Justus: Durch die Direktzahlungen an die Landwirte wird der Markt relativ gut erfasst. So wissen wir, dass die produktionsbedingten Ausgaben aller Landwirte in Deutschland gute 30 Milliarden Euro betragen. Da ist alles drin: Futtermittel, Landmaschinen, Dünger, Pflanzenschutzmittel, Saatgut sowie Produkte für die Tierhaltung – auf Letzteres konzentrieren wir uns am Anfang. Die Größe des Gesamtmarkts ist schon enorm. Der ist größer als Consumer Electronics zum Beispiel und spielt in einer Liga mit Mode. Da gibt es aber eben noch kein Zalando.

Alex: Welchen Umsatz macht so ein durchschnittlicher landwirtschaftlicher Betrieb? Und wieviel gibt er davon wieder für Betriebsmittel aus?

Justus: Derzeit kann ich ja nur von den Sortimentsbereichen sprechen, in denen wir schon stark sind – nämlich Betriebsmittel für die Tierhaltung. Das sind so Produkte wie Klauenscheren, Tränketechnik, Weidezaungerät. Da gibt ein Landwirt im Schnitt zwischen 8.000 und 12.000 Euro jährlich aus.

Alex: In Summe in Deutschland in diesem Segment ergibt das also einen Umsatz von…?

Justus: 1,6 Milliarden – nur für diesen kleinen Teil.

Alex: Und wo kauft der Landwirt derzeit diese Produkte?

Justus: Zu 95% kauft er stationär oder per Katalog ein. Das ist ja noch der klassischer Katalog, der mal vom Außendienst ausgeliefert wird.

Alex: Und unter „stationär“ stelle ich mir so die paar Läden für den landwirtschaftlichen Bedarf vor, die es bei uns auf dem Dorf gibt. Da kriegt man zum Beispiel Futtermittel (auch für Haustiere!) sowie Reitsattel, Rattenfallen usw. Und dann eben den örtlichen Raiffeisenhandel, wo man größer dimensioniert einkauft (Dünger und alles, was man in Tonnen holt).

Justus: Genau. Da gibt es die großen Genossenschaften wie Raiffeisen, Agravis oder BayWa – je nachdem, wo man sich in Deutschland befindet. Und der Landhandel ist ebenfalls stark vertreten. Und, genau wie du das sagst, führen Letztere auch andere Artikel wie Reitsattel oder sogar Fernseher. Dabei – das erzählen uns unsere Landwirte – geht das Agrarsortiment zurück. Viele dieser stationären Läden entwickeln sich eben immer mehr in Richtung Baumarkt, weil das mehr Frequenz bringt. Das sehen viele Landwirte aber kritisch.

7:30

Alex: Wenn ich an den klassischen Holsteiner Landwirt denke, den es bei mir in der Nachbarschaft gibt: Er kauft eher traditionell ein. Den findest du auf der NorLa (die örtliche Landwirtschaftsmesse). Wie kommt ihr an ihn ran? Oder: welches Problem löst ihr für ihn?

Justus: Wie weit ist der nächste Landhandel von dir entfernt?

Alex: Der nächste große Raiffeisenhandel ist rund 15 Kilometer weg. Es gab mal einen, der nur zwei Kilometer entfernt war, aber der wurde geschlossen. Da ist eine Konsolidierung im Gange. Und dann im Dorf gibt es den einen oder anderen Landhandel.

Justus: Und das ist ein Hauptgrund, warum der Landwirt zu uns kommt! Denn Landwirte haben nie Zeit. Im Sommer sind sie immer draußen, im Winter müssen sie im Büro nachsitzen. Zwar habe ich keinen Hintergrund in der Landwirtschaft, aber kann nach dem urteilen, was mir unsere Kunden und mein Mitgründer – Agraringenieur – erzählen.

Es ist also ein Problem, wenn man als Landwirt nicht das Glück hat, einen Landhandel direkt nebenan oder einen größeren Raiffeisen um die Ecke zu haben. Selbst wenn die Fahrt nur eine halbe Stunde dauert, muss man da häufig hin. So verliert man relativ viel Zeit für die Beschaffung der Betriebsmittel – also für eine Tätigkeit, die keinen Mehrwert bietet.

Alex: Der Landwirt ist also der geborene Home-Shopper?

Justus: Ja! Dass die meisten Produkte noch nicht online gekauft werden, liegt meines Erachtens eher an der Struktur des Marktes – und zum Teil am hohen Durchschnittsalter der Landwirte in Deutschland (55). Man sollte den Landwirt aber nicht unterschätzen. Wir sehen jetzt schon ein großes Suchvolumen online für die Produkte, die wir anbieten – und wir sind erst im zweiten Monat überhaupt online. Kundenakquisition ist kein Flaschenhals bei uns: CPCs sind günstig und Kunden vorhanden. Es ist also ein großer Umbruch im Kommen.

(Alex ruft die Seite Farm-Tiger.de auf und macht mit Justus einen Sortimentsdurchgang. Die dortigen Kategorien – „Rinderhaltung“, „Geflügelhaltung“, „Schädlingsbekämpfung“ – seien so wichtig gar nicht, antwortet Justus auf eine Frage, wie Landwirte denken: Die meisten Produkte würden direkt über die Suche gefunden, denn der Landwirt weiß meistens ziemlich genau, was er gerade haben will – inklusive Marke und genaue Anforderung.

Alex nimmt als Beispiel einen Kunststoffheuspender für 61,03€, der auf der Startseite ausgespielt wird: Ist das günstig? Kenne der Landwirt da überhaupt den Preis? Generell sei Farm-Tiger günstiger, antwortet Justus. Deshalb kämen viele Kunden über Vergleichsportale wie Google Shopping. Durch die Kostenstruktur bedingt könne die stationäre Konkurrenz selten günstiger sein.

Ob es denn einen Webshop von Raiffeisen oder BayWa gebe, will Alex wissen. Die gebe es schon, so Justus, aber wie stationär bekomme der Landwirt auch hier schnell den Eindruck, er sei beim Baumarktbetreiber gelandet: Gartenmöbel und Grillzubehör auf den Startseiten usw. Und den Kanalkonflikt mache die Produkte auf den Webshops der Genossenschaften teurer als bei Farm-Tiger, weil sich ein Raiffeisen online nicht stationär unterbieten will. Zudem machten es genossenschaftliche Strukturen mit viel Mitsprache schwierig, schnelle Entscheidungen zu treffen und neue Ideen online zu verproben.)

16:20

Alex: Ist es für euch schwierig, Lieferanten zu finden?

Justus: Zum Teil. Die gesamte Branche ist schon etwas konservativ. Viele Hersteller wollen mit dem Online-Geschäft nichts zu tun haben. Da kommen die klassischen Vorbehalte: „Die machen mir meine Marke kaputt!“ oder „Die verscherbeln die Produkte zu günstig!“ Wer da also keine Kontakte auf Geschäftsleiterebene hat, der hat es schwierig, Produkte online anzubieten.

Bei uns ist es zum Glück so, dass mein Mitgründer aus der Branche kommt und alle relevanten Lieferanten samt Kühen mit Namen kennt. So hat er einen sehr guten Zugang zu den Herstellern und das ist sicher einer unserer Vorteile.

Alex: Wie groß ist denn euer Sortiment heute?

Justus: Wir befinden uns ja ganz am Anfang. Unser Startsortiment umfasst rund 3.000 SKUs.

18:25

Alex: Wie macht ihr das denn logistisch? Viele eurer Sendungen werden 25 Kilo aufwärts wiegen, oder? Letztens mit Hornbach im Podcast habe ich gelernt, dass viele Produkte wie Streusalz oder Blumenerde eher zum Abholen geeignet sind, weil niedrigpreisg aber sperrig.

Justus: Aktuell bieten wir solche Artikel noch nicht an. In den kommenden Monaten werden wir aber auf rund 10.000 SKUs gehen – darunter solche, die wir „Cargo-Artikel“ nennen, die entweder vom Umfang oder vom Gewicht her über die Sperrgutgrenze fallen. Dafür braucht man dann andere logistische Prozesse: So etwas kann man ja nicht als Paket mit DHL versenden! Das sind so Weidehütten oder Eisenwaren, die auf Paletten kommen. Bei uns werden sie in ein kleines Lager kommen, von dem aus wie sie separat verschicken.

Alex: Seid ihr denn mit den vermutlich höheren Logistikkosten auch bei sperrigen Artikeln preislich kompetitiv? Ich denke mal: 50-200 Euro Bon plus hohe Verssandkosten für einen großen, schweren Artikel, den der Kunde dann vielleicht auch noch zurückschickt…

Justus: Was wir wissen: Der Kunde ist bereit, rund 50 Euro Versandkosten zu zahlen, weil das Produkt bei uns schon so viel günstiger ist. Klar ist: Bei einer hohen Retourenquote wäre es für uns trotzdem schwierig. Die unit economics in dem Bereich sind aber extrem spannend – und ich habe in meiner Karriere schon so einige E-Commerce-Kategorien gesehen! Bei uns sind die Warenkorbwerte hoch und die Marge auch; dabei ist die Retourenquote sehr gering (unter 5%). Das liegt daran, dass der Landwirt ja so genau weiß, was er braucht und die Produkte bereits sehr gut kennt. Retournieren tut er nur in seltenen Fällen – etwa Transportschäden oder fehlende Teile. Aber die Auswahlbestellung – „Ich kaufe mir die Weidehütte mal in grün und mal in rot; mal sehen, welche mir besser gefällt und dann schicke ich die andere zurück!“ – gibt er nicht ab.

(Ob man viel Beratung leisten – oder SEO-Content à la „Wie baue ich eine Weidehütte?“ produzieren – muss, fragt Alex. Bei bestimmten Produkten, antwortet Justus, merke man schon, dass der Landwirt doch Beratung braucht. 20% der Kunden riefen vor der Bestellung bei Farm-Tiger an, was Justus als Chance sieht: Amazon sei am Telefon notorisch schlecht – und näher an den Kunden komme man ja gar nicht ran. Da erfahre man mal, welche Tiere der Landwirt so hat, ob er seinen Stall gerade neu baut usw.)

24:00

Alex: Die Margen sind in Bereichen wie Consumer Electronics unter anderem deswegen so niedrig, weil es mittlerweile in Kategorien wie Kopfhörer & Co. so viele asiatische Marken gibt, die auf Amazon direkt nach Europa verkaufen. Wie ist es bei euren Produkten? Wird das alles hochmargig in Europa hergestellt?

Justus: Den Effekt gibt es zwar noch nicht. Einige Hersteller lassen aber natürlich in Asien produzieren. Es hängt ganz stark davon ab, ob beim Produkt die Marke ausschlaggebend ist. Eine teure Schermaschine für paar Hundert Euro? Da spielt für den Landwirt die Marke schon eine große Rolle. Weidepanel? Da ist die Marke eher irrelevant.

Alex: Der Landwirt ist ja auch Profianwender. Das habe ich auf der NorLa gesehen: Es gibt asiatische Hersteller, die in den hiesigen Markt für Hoftraktoren und Frontlader wollen. Allein so ein Frontlader kostet schnell mal 60-70.000 Euro und die Asiaten machen es schon für 25.000 Euro: Nur gekauft wird es nicht, weil man hierzulande keinen Service dafür bekommt. Niemand hat Bock, eine Ersatzhydraulikpumpe über AliExpress bestellen und selber einbauen zu müssen…

Justus: Es kommt einfach sehr stark aufs Produkt an. Bei einigen ist die Marke überhaupt nicht wichtig – was übrigens für uns später aus der Sicht einer Eigenmarkenstrategie sehr attraktiv ist. Wir haben auch Hersteller in Asien, von denen wir Produkte beziehen könnten. Nur ist es sehr kapitalbindend und daher nicht für die Startphase geeignet. Aber für die nächsten drei Jahre sind Eigenmarken ein relevantes Thema.

27:20

Alex: Woher kommen denn eure Kunden?

Justus: Derzeit kommen sie fast alle über product-listing-ads (PLA) zu uns – also: Google Shopping. Das funktioniert sehr gut: Da gibt es ein großes Suchvolumen auf verschiedenste Artikel. Wenn man einen guten Preis und noch dazu einen vertrauenserweckenden Shop hat, ist die conversion gut. Das ist derzeit unser stärkster Kanal. Und Mundpropaganda ist da bestimmt auch ein Faktor. Landwirte sind untereinander gut vernetzt. Machen sie gute Erfahrungen, erzählen sie das weiter.

In Zukunft sind wir sicher, dass auch Social-Media eine relevante Rolle spielen wird. Wissen wir doch, dass ungefähr die Hälfte der Landwirte auf Instagram, Facebook und anderen Plattformen wie sogar TikTok unterwegs ist. Aber erst einmal reicht uns Google-Ads aus.

Alex: Und wenn der Kunde zu euch kommt: Ist der Erstkauf denn auch profitabel?

Justus: Wenn der Warenkorb eine entsprechende Größe hat – und meistens reden wir hier von 150 Euro oder mehr –, dann ist der Kunde direkt rentabel. Die customer-acquisition costs sind ja relativ gering.

Alex: Ihr seid zwar nicht so lange am Markt, aber könnt ihr schon sagen, wie loyal so ein Kunde ist? Trefft ihr eine Annahme, wie oft er bei euch im Jahr bestellt?

Justus: Im E-Commerce ist es ja immer schwierig, richtige Kundentreue zu erzeugen. Wir glauben eher daran, dass Kunden der Angebotsmatrix treu bleiben. Wenn wir also weiterhin die besten im Markt sind, wird der Kunde immer wieder bei uns bestellen. Deshalb ist es langfristig unser Ziel, das größte Angebot zu haben. Neben dem kleinen Teilbereich Betriebsmittel für die Tierhaltung, auf die wir uns im ersten Schritt konzentrieren, wollen wir nach und nach auf Ersatzteile, Dünger, Futtermittel usw. expandieren. Am Ende soll der Kunde nicht an sechs verschiedenen Orten seine Beschaffungen machen müssen, sondern einen Ort haben, an dem er alles erledigt kriegt. Neben dieser Sortimentsgröße wird ein weiterer Vorteil von uns der Preis sein.

(Alex fragt, ob nicht bei einer gewissen Penetration in bestimmten Regionen eine Vertikalisierung der Logistik sinnvoll sein könnte – so etwa in Flaschenpost-Manier. Also eventuell die Farm-Tiger Lieferflotte? Darüber habe man nachgedacht, so Justus: Das sei für eine spätere Phase denkbar. Allerdings habe man nicht wie Flaschenpost dicht besiedelte 100.000-Plus-Städte zu beliefern, sondern einzelne Höfe, weshalb die Kostenstruktur anders ausfalle.)

34:00

Alex: Was habt ihr bislang erreicht und was sind denn eure nächsten Entwicklungsschritte?

Justus: Ende Q1 in diesem Jahr haben wir eine angel round gemacht und waren sehr schnell überzeichnet. Es hat uns ehrlich gesagt überrascht, wie gut das Thema angenommen wurde. Danach gingen wir ins Scoping und hatten schon in 12 Wochen einen Shop mit Spryker hochgezogen – mit Anbindungen zu einem PIM, zum ERP und zu einem BI-Tool. Wir sind also von Beginn an professionell und skalierbar aufgestellt, was uns angesichts unseres Ambitionsniveau wichtig war. Hätten wir nicht vor, in den kommenden Jahren mehrere Hundert Millionen Euro zu machen, würden wir nicht so vorgehen.

Jetzt sind wir seit zwei Monaten live und gewinnen jeden Tag Kunden. Der Plan sieht vor, erst einmal das Sortiment sehr schnell zu erweitern: In den nächsten Monaten werden wir auf 10.000 SKUs wachsen und in andere Bereiche wie Fahrzeugersatzteile vorstoßen. Ab Jahr Drei können wir dann über eine Weiterentwicklung zum Marktplatz nachdenken.

(Alex äußert die Ansicht, dass eine Entwicklung zum Marktplatz hin notwendig sein wird, weil der Long-Tail bei landwirtschaftlichen Produkten umfangreich ist und man das nicht alles selber gelistet bekommt. Justus sieht es grundsätzlich genauso. Man könne das aber erst später angehen, weil die meisten potenziellen Lieferanten noch nicht für die Endkundenlieferung ausgelegt sind. Alex sieht das sogar als Chance: Wenn sich bestehende Händler für die Endkundenlogistik mit sperriger Ware nicht interessieren, könne man dort vorpreschen – und zieht noch einmal die Parallele zu Flaschenpost. Erst einmal begnüge man sich mit dem äußerst interessant zu kalkulierenden direkten Handelsgeschäft, so Justus‘ Fazit. Wenn aber später der Wettbewerb im Markt zunehme, könne man sich Marktplatz weiterentwickeln und mit weniger Marge auskommen.)

38:30

Alex: Gibt es Netzwerkeffekte, die euer Geschäft gut internationalisierbar machen? Oder braucht man sehr viel lokale Kompetenz wie landesspezifische Sortimentskenntnisse und Lieferinfrastruktur?

Justus: Naja, Netzwerkeffekte braucht man hauptsächlich, um günstig Kunden zu akquirieren, oder?

Alex: Sie können auf vielen Ebenen eine Rolle spielen. Hat man ein Netzwerk an kleinen Lagern, die Regionen beliefern, kann man damit günstig Nachbarregionen im Ausland beliefern. Und beim Einkauf könnte es relevant sein, wenn Produkte europaweit bekannt sind und man mit einem höheren Einkaufsvolumen bessere Preise erzielen kann. Und das spannende am Markt ist ja, dass man günstig bei Google & Co. gucken kann, ob man über bezahlten Suchanzeigen Kunden akquiriert. Das geht in vielen anderen Segmenten nicht mehr. Und schließlich: Je größer ihr werdet, desto besser könnt ihr eure Kunden bedienen – besseres CRM, besseren Service usw.

Justus: Wenn du das alles unter „Netzwerkeffekte“ verstehst, dann hast du recht. Wir glauben jedenfalls, dass wir auf jeden Fall im Einkauf viele Skaleneffekte – wie ich die nennen würde – erzielen können. Wir kaufen bereits jetzt in ganz Europa über verschiedene Hersteller und Lieferanten ein – teilweise auch in Asien und Nordamerika. Wenn wir mehr Volumen haben, haben wir hier höhere Skaleneffekte.

Eine Internationalisierung ist auf jeden Fall möglich, weil besonders die osteuropäischen Länder im Strukturwandel hinterherhinken. Da gibt es noch viele kleine Betriebe – und diese sind unsere Kernzielgruppe. Wir glauben auch, dass wir eine internationale Expansion relativ schnell hinbekommen würden.

(Alex bittet Justus, einen Blick in die Glaskugel zu werfen: Wie schnell werde der Umsatz wachsen? Was, wenn die Genossenschaften ihr Cross-Channel-Handicap abschütteln? Letzteres sieht eher unwahrscheinlich aus: Justus geht noch ein bisschen mehr auf die „sehr komplexe Strukturen“ von Raiffeisen & Co. ein. Schneller als Farm-Tiger werden sie wohl nicht sein, glaubt er.)

43:05

Alex: Es gibt immer weniger Bauern. Die gleiche Menge an Kühen und Schweinen gehört also immer weniger Kunden. Ist das für euch vom Vorteil oder vom Nachteil?

Justus: Wir spezialisieren uns auf Bauern, die weniger als 1.000 Hektar haben. Darüber sind das andere Dimensionen und es wird ganz anders eingekauft. Das sind Betriebe mit vielen Mitarbeitern außerhalb des familiären Umfelds und können teilweise direkt beim Hersteller oder zumindest beim Großhändler einkaufen.

Später könnten wir auch für solche große Betriebe ein relevantes Angebot schaffen, weil wir B2B-Funktionalität anbieten können – vielleicht auch Software-Schnittstellen oder sogar Komplettlösungen für die Betriebsmittelbeschaffung. Das ist aber aktuell noch nicht der Fokus. Für uns reicht es am Anfang aus, sich auf die kleineren Landwirte mit höchstens paar Mitarbeitern zu konzentrieren. Das sind auch die allermeisten – über 85% der Landwirte in Deutschland.

(Zum Schuss fragt Alex, der sich beeindruckt zeigt, ob es schon in anderen Ländern Farm-Tiger-ähnliche Konzepte, gar Vorbilder gibt. Justus verneint. Digitale Player gebe es einige, aber sie sind alle sehr auf Nischen fokussiert. Die Ambition, alles anbieten zu können, sehe man nur bei sehr wenigen.

Alex gratuliert zur mutigen Gründung und hofft auf ein Update in zwei oder drei Jahren – vielleicht mit einem Farm-Tiger-Lieferfahrzeug im Hintergrund…)

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