moebelIm Februar 2013 habe ich eine kleine Analyse zum Thema „Möbelhandel Online 2013“ verfasst und hier auf Kassenzone vorgestellt. Mit ca. 3.000 Abrufen bei Slideshare und noch mal ca. 5.000 Downloads direkt von unserer Seite hat sie auf jeden Fall ausreichend Aufmerksamkeit bekommen. Ich hatte mit dieser Analyse zwei Ziele verfolgt. Ich wollte a) alle gängigen Aktivitäten im Bereich des Möbelhandels zusammenfassen und auch für mich strukturieren und b) über die Analyse Zugang zu verschiedenen Leuten aus dem Möbelhandel bekommen. Beides hat mE sehr gut funktioniert. Eine der Kernvermutungen war und ist, dass der Möbelhandel vor einem massiven Umbruch steht und die Möbelbranche deshalb eine besondere Beachtung verdient, oder um es mit den Worten von Oliver Samwer zu sagen:

there are only 3 areas in ecommerce to build billion dollar business: amazon, zappos and furniture. the only thing is that the time for the blitzkrieg must be chosen wisely, so each country tells me with blood when it is time. i am ready – anytime!“

So richtig scheint der „Blitzkrieg“ bei den Möbeln noch nicht zu funktionieren, wenn man sich die Home24.de Zahlen anschaut und ich glaube nun auch besser zu verstehen, warum das so ist. Bevor ich nun meine Learnings aus den letzten Monaten zusammenfasse, stelle ich noch einmal kurz die wichtigsten Thesen aus dem Analysepapier vor:

Für einige Handelsmodelle ist die Zeit wahrscheinlich abgelaufen

  • Möbel werden verstärkt online gekauft, wenn man den Branchenanalysen glaubt
  • E-Commerce ist ein eigenständiges Geschäftsmodell und damit kaum lukrativ für „alte“ Marktteilnehmer
  • Showrooming spielt für Möbel keine große Rolle
  • Wenn schon online gehen, dann nur um Kunden in den Laden zu holen
  • Home24 ist eine Wette von der (noch) niemand weiß, ob sie aufgeht
  • IKEA ist kein Online-Vorbild
  • E-Commerce ist teuer

Das waren grob die Themen, mit denen ich ca. 20 Gespräche bei Herstellern, Verbänden und Händlern geführt habe. Die Analyse ist bewusst offen formuliert gewesen, so dass sich alle Interessengruppen den für sie relevanten Teil frei auslegen konnten. Wahrscheinlich habe ich in den Gesprächen genauso viel gelernt wie meine Gesprächspartner, allerdings bin ich nun doch etwas pessimistischer bezüglich der Zukunftsaussichten dieser Sparte als vorher.

Nicht der E-Commerce ist die Gefahr, sondern die Branchenstruktur

Grundsätzlich herrscht Einigkeit darüber, dass Menschen zukünftig verstärkt online Möbel kaufen bzw. sich online eine Meinung über die zu kaufenden Produkte bilden. Uneinigkeit besteht eher beim Tempo dieser Veränderung im Kundenkaufverhalten. Während die Verbände naturgemäß noch Hoffnung für den kleinen 1.000 m² Laden in einer Mittelstadt haben, welcher bereits in der 4. Generation geführt wird, sehen die Hersteller bzw. andere Brancheninsider das schon deutlich kritischer. Eine massive Marktbereinigung ist nur noch eine Frage der Zeit. Wen es wann betrifft, versuche ich weiter unten im Beitrag zu beschreiben. Für mich in dieser Form neu war, dass die Struktur der Branche sehr innovationsfeindlich wirkt. Jede einzelne Interessengruppe will zwar, allerdings kann sie nicht. Die folgende Abbildung zeigt warum:

Branchenstruktur

Alle Interessengruppen wollen für sich nur das Beste und verhindern so erfolgreich viele E-Commerce Aktivitäten. Die Verbände müssen und wollen ihre Händler im E-Commerce unterstützen und bieten zentrale/dezentrale Shopsysteme an. Diese werden zwar aus meiner Sicht nicht funktionieren, aber der Ansatz ist nachvollziehbar. Wenn Hersteller nun anfangen im Direktvertrieb aktiv zu werden, müssen sie die Auslistung bei den Händlern befürchten, was ad hoc den Großteil der Umsätze kosten dürfte. Händler selber, insbesondere die kleinen Händler, bringen kaum Voraussetzungen mit, um im E-Commerce Markt erfolgreich agieren zu können. Eine Sonderstellung nehmen die Betreiber der 50.000 m² Möbelhäuser ein, die etwas autarker auftreten können. Die Verbände im Möbelhandel sind weitaus wichtiger als in anderen Branchen, weil sie wesentliche Teile der Wertschöpfungskette für den Händler betreuen können (Einkauf, Qualitätsmanagement, …). Insgesamt führt dieses System dazu, dass aus Richtung der alteingesessenen Branchenmitglieder keine sattelfeste E-Commerce Aktivität zu erwarten ist. Allerdings ist auch nicht damit zu rechnen, dass Home24 den Markt machen wird.

Langfristig können neue Möbelmarken die Rolle des Handels übernehmen

Zur Vereinfachung habe ich in diesem Beitrag die Rolle der 50.000 m² Möbelhausbetreiber ausgeblendet. Grundsätzlich empfiehlt es sich aber dazu mal in ein Riesenmöbelhaus seiner Wahl zu fahren. Wichtig: Es sollte eine kleine Kette sein (max. 1-3 solcher Häuser), Zeit: in der Woche zwischen 13 bis 16 Uhr. Die Kundenfrequenz dort gibt einen ersten Anhaltspunkt über die Zukunftsfähigkeit dieses Konzeptes. Davon ausgenommen sind Betreiber, die große Ketten besitzen und damit auch überregional wahrgenommen werden und echte Handelsmarken besitzen – z.B. Möbel Lutz in Süddeutschland. Analog zu meiner Entwicklungsprognose bei Shoppingclubs, versuche ich mich nun an einem tiefen Blick in die Möbelhandelsglaskugel.

  1. Aktuell beeinflusst der Online-Handel den stationären Handel nur moderat. Einen stärkeren Einfluss als die Onlinekäufe von Möbeln dürfte eher die generell sinkende Flächenproduktivität im Möbelhandel haben. Diese ist selbstgemacht und hat mit E-Commerce erst einmal nichts zu tun. Die „kleinen“ E-Commerce Spezialisten wie Home24, Avandeo und Co. dürfte das freuen, weil sie so ohne große stationäre Konkurrenz den Markt erobern können.
  2. Die Verbände und Händler versuchen mit zentralen Shoplösungen und einigen Eigenentwicklungen dagegen zu halten. In der Regel geht das sowohl bei der Generierung von Neukunden online und bei der Conversion der entsprechenden Webseiten gründlich schief. Eine Ausnahme sind aktuell die Shopprojekte der großen Möbelhäuser, wie z.B. Möbel Mahler, die zumindest bei den E-Commerce Basics vieles richtig machen. „Mehr Kunden auf die Fläche“ dürfte das Erfolgsrezept dort heißen.
  3. Der jetzt anziehende Marketingdruck der E-Commerce-Händler + das steigende Flächenangebot durch die 50.000 m² Neubauprojekte wird zeitnah zu einer Marktbereinigung führen. Kleine Läden müssen schließen. Woher soll der Umsatz denn auch kommen? Das geht einher mit einer Machtverschiebung bei den Verbänden, denen dadurch zumindest zahlenmäßig Mitglieder verloren gehen. Die großen Häuser und insbesondere die großen Ketten werden davon wahrscheinlich am meisten profitieren.
  4. Der letzte Strohhalm für die darbenden Teile der Branche dürfte der Versuch sein, „globale“ Möbelmarken zu entwickeln. Die Erkenntnis, dass diesbezügliche Versuche bisher nicht funktioniert haben, sollte dabei helfen, die Erfolgsaussichten für die neueren Projekte daraus zu bewerten. Parallel dazu werden VC gepushte Pure Player versuchen, weitere Marktanteile zu gewinnen. Vielleicht klappt das im Zusammenspiel mit Showrooms in den großen Städten sogar. Der Beweis dazu steht aber noch aus.
  5. Am Ende dürften nur noch wenige große Ketten und einige erfolgreiche Möbelmarken überbleiben. Ich denke westwing, fashion4home, avandeo & Co. geben einen schönen Vorgeschmack darauf, wie künftige Möbelmarken aussehen können. Auch das zur Otto Group gehörige Crate and Barrel sieht deutlich zukunftsfähiger aus als viele andere stationäre Konzepte. Auf jeden Fall kann ich mir vorstellen, dass es in 5 Jahren noch eine Diskussion darüber gibt, ob neue 50.000m² Häuser gebaut werden dürfen. Vielmehr wird wohl darüber gesprochen, was man mit den zunehmend leeren Flächen machen soll.

Kein schönes Szenario für die meisten Interessengruppen, aber es scheint nur auf radikale Lösungen hinauslaufen zu können. Entweder man wird Teil dieser neuen (Möbel-) Handelswelt, oder man scheidet langfristig aus. Zum Glück oder Pech der Beteiligten vollzieht sich dieser Wandel langsamer als gedacht. Auch das ist eine Erkenntnis aus den zuvor genannten Gesprächen. Und mein bestelltes Sofa bei avandeo ist nun auch schon über 8 Wochen verspätet – eine erfolgreiche Markteroberung sieht anders aus.

 

 

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