André Elfers, HOLD Mode – Die Zukunft des lokalen Einzelhandels?

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Modeläden in kleinen Städten und Gemeinden können doch noch funktionieren, wie ich mir von meiner Familie kürzlich erklären lassen musste. Vor ein paar Wochen hat in Gettorf der bisherige Modeladen „Baloon“ unter neuem Namen geöffnet, so dass ich den neuen Besitzer direkt im Podcast einladen konnte. Wie kann Modehandel in „kleinen“, „lokalen“ Geschäften überhaupt noch funktionieren? Wie differenziert man sich von großen Ketten? Lohnt sich das überhaupt auch 100m²? André Elfers hat mich mit auf die Reise genommen und erklärt wie er mittlerweile über 20 solcher Läden überaus erfolgreich betreibt und warum es in Zukunft eher noch mehr werden.

1996 wurde die HOLD Modevertriebs GmbH gegründet. „Wir lieben norddeutsche Städte“, sagt André, der seit nunmehr 10 Jahren zusammen mit seiner Schwester das Familienunternehmen leitet und heute mit Alex in dessen heimischen Gettorf spricht. Denn HOLD betreibt seit neuestem in der schönsten Kleinstadt Schleswig-Holsteins einen Modeladen! Laut Kassenzone-Lehre dürfte das Geschäftsmodell vom neuen im Ort doch eigentlich gar nicht funktionieren: ein stationärer Händler ohne Exklusivware aber mit den Fixkosten von 20 Filialen und 125 Mitarbeitern – und einem Online-Anteil von Null. Doch letztes Jahr hat HOLD die Zehnmillionenmarke geknackt und ist gut unterwegs. Anddré erklärt, wie klein und offline fein sein kann.

06:00     Wie hat die HOLD Modevertriebs GmbH zu ihrer heutigen Form gefunden? Die erste Filiale machten Andrés Eltern in Hamburg auf – und musste sie nach sechs Monaten wieder schließen. Sie wichen auf Mölln aus, womit die langsame Expansion durch die kleinen und mittleren Städte Norddeutschlands ihren Anfang nahm. Stand heute hat HOLD 20 Ladengeschäfte, die um die 100 Quadratmeter groß sind und für rund 3.000 Artikel Platz bieten. Kleinere Städte, kleinere Läden: eine bewusste Entscheidung für mehr Kundennähe und mehr Service – Firmenmotto „near, cosy, familiar“.

11:00     Nagt nicht der Frequenzverlust der letzten Jahre auch an HOLD-Standorten? André ruft in Erinnerung, dass der innerstädtische stationäre Handel schon vor dem E-Commerce mit neuen Gegnern umzugehen lernen musste: erst Versandhändler, dann Outlet-Stores. Einen starken Rückgang habe man bei HOLD durch Kundennähe und Service vermeiden können.

Alex‘ Schlagwort-Spürsinn schlägt Alarm: „Wie wird das gelebt und umgesetzt?“ Vor allem in kleineren Standorten wie Soltau oder nun Gettorf kennen die Verkäufer die Stammkunden wirklich persönlich – und wissen noch, was sie letztens gekauft haben.

13:00     Auf wen zielt das HOLD-Sortiment ab? Die HOLD-Kundin ist eine erwachsene Frau, die es modischer als bei bekannten Modehändlern aus der Fußgängerzone mag. Zudem ist sie auf der Suche nach einem bestimmten Look: nordisch, schlicht, sportiv. Dass das HOLD-Sortiment dieser genauen Vorstellung nachkommt, stellt aus Andrés Sicht einen entscheidenden Unterschied zur Konkurrenz dar.

17:30     Wie sind HOLD-Mitarbeiter eingeteilt? Zu frequenszstarken Tageszeiten hat André gern zwei Mitarbeiterinnen auf der Fläche im Laden. Jede Kundin, die reinkommt, solle scchnell bedient werden können – und das gehe nicht, wenn es nur eine Mitarbeiterin gibt, die gerade an der Kasse beschäftigt ist.

Interessant dabei: In Badeorten wie Eckernförde dürfen Geschäfte während der Saison sonntags aufmachen („Bäderregelung“). Lohnt sich der Sonntag? Die Theorie, wonach sich der gleiche Umsatz auf sieben Tage statt sechs verdünnt, kann André so nicht bestätigen. Auch in nichttouristischen Standorten wie Gettdorf würde er – wenn nicht ganz für eine durchgehende Sonntagsöffnung – schon noch eine höhere Anzahl an verkaufsoffenen Sonntagen befürworten, zumal zu Stadtfesten.

23:55     Viele Städte in Norddeutschland sind besonders aktiv, wenn es darum geht, mit einem spannenden Programm die Kunden in die Einkaufsstraßen zu holen. Wo funktioniert es am besten? André antwortet diplomatisch: Überall dort, wo es viel Kontakt mit Händlergemeinschaften gibt, laufe es gut. Tendenziell sei das in kleineren Städten – wie zum Beispiel Plön – eher der Fall als in größeren Städten wie Lüneburg oder Kiel. Standorte, die nicht wie zum Beispiel Eckernförde eine vorteilhafte Küstenlage genößen, müssten kreativ werden – und täten das auch.

26:20     Kein Online-Handel – und dann kommt Corona. Wie überstand HOLD die Pandemie? André spricht über eisernen Willen („Einstellung: Wir müssen da durch!“) und federnder Flexibilität: Die Regelungen änderten sich dauernd und waren von Bundesland zu Bundesland (Schleswig-Holstein, Niedersachsen) und zum Teil von Stadt zu Stadt („Modellregion Eckernförde“) unterschiedlich. Ohne die pragmatische Herangehensweise der Mitarbeiter und der Treue der Kunden wäre HOLD untergegangen, so André. Auch die Lieferanten mussten darauf eingehen, dass Ware nicht immer geliefert werden konnte: Einige bestanden darauf – und sind jetzt bei HOLD ausgelistet.

Konkrete Lösung: Es fehlte der Kundenkontakt nach Hause, also wurde in den Läden platkatiert – „Ihr könnt uns über WhatsApp erreichen!“ Die bestellte Ware wurde durch die Ladentür rausgereicht. Die enge Kundenbindung war hier vom Vorteil: Die Verkäuferin wusste noch die Größe, die Farbpräferenz usw. Anstatt nicht ganz so vorteilhafte Abschreibregelungen im Hilfspaket der Bundesregierung in Anspruch zu nehmen, ist HOLD Überhangware in „Wundertüten“ zu noch über dem Einkaufspreis liegenden Stückpreisen losgeworden,. Und die Kundinnen waren begeistert! Andrés Lektion: Wer sich im Lockdown in ein Dornröschenschlaf begab, geriet in Vergessenheit.

34:20     Was ist die Handelsstrategie von HOLD? „Wir sind Händler: Unser Job ist es, die Ware an den Kunden zu bringen.“ Der Bestand wird von Lieferanten eingekauft – Punkt. Nicht auf Kommission, nicht mit Rückgaberecht. Auch kein „Shop-in-Shop“, wo die Marke bestimmt, was gezeigt wird. Der Einkauf wird ja zentral auf einen bestimmten Look hin gesteuert – von Andrés Schwester. Von den fünf bis sechs Hauptlieferanten, die 80% des Sortiments ausmachen, werden längst nicht alle Teile einer Kollektion aufgenommen.

40:05     Bekommt André Anfragen von neuen Marken? Kurze Antwort: Nein! Als vergleichsweise kleines Modehaus muss HOLD auf neue Marken zugehen, die interessant sind. Etablierte Mainstream-Marken haben die kleine Kette aus Norddeutschland allerdings durchaus auf dem Zettel.

42:00     Nehmen Kunden HOLD als ausschließlich örtlichen Händler, nicht als Kette wahr? Manchmal schon – „Und das ist auch gut so!“ Für jeden Standort wird das Logo etwa mit Elementen aus den jeweiligen Stadtwappen angepasst. Darum kümmert sich eine Marketing-Mitarbeiterin. Wie viele weitere Mitarbeiter arbeiten in der Zentrale? André, seine Schwester, zwei in der Buchhaltung (plus Azubi) und zwei im Personalwesen.

44:00     Hat Zalando schon angefragt, ob HOLD auf den Marktplatz will? Ja – und HOLD hat während Corona erzwungenermaßen mitgemacht. Auch bei Outfits24. Es blieb aber eine Pandemie-Notlösung. Trotz vergünstigte Gebühren waren Versand- und Retourenkosten nämlich viel zu hoch – und Zalando-Bedingungen wie 100 Tage Rückgaberecht bedeuteten bei rund 50% Retourenrate ein signifikantes Warenrisiko.

49:20    Hat André Angst vor superbilligen Marktplätzen wie Shein und Temu? Jeder, der über einen gesunden Menschenverstand verfügt, müsse wissen, unter welchen Bedingungen solche Ware hergestellt werde. „Und für uns als HOLD habe ich null Sorge.“ Die Kundinnen wollen ja Service und Qualität. Als Fast-Fashion (Primark) oder Discounter (Kik) würde es ihm aber mulmig.

51:50     Ist HOLD bei WhatsApp geblieben? Gibt es weitere digitale Pläne? Ja, über WhatsApp können Kunden weiterhin individuell das Filialenhandy von ihrem jeweiligen HOLD-Standort erreichen. Neue Ware wird im Kanal präsentiert, Kundinnen können sich etwas zurücklegen lassen.

Zudem nutzen Verkäuferinnen in den Filialen B2B-Webshops der Lieferanten, etwa um Teile nachzubestellen oder Details zu Passformen zu erfahren. Auch zwischen den Stores kann der Warenbestand aufgerufen und bei Bedarf hin- und hergeschickt werden: Größe in Kiel ausverkauft? Wird aus Lüneburg hochbestellt! Kein Mindestbestellwert: „Sonst geht die Kundin nach Hause, setzt sich aufs Sofa und bestellt was online.“ Und dort versucht man bei HIOLD, sie über WhatsApp zu erreichen…  Auch über einen E-Mail-Newsletter, der sich weiterhin einer gewissen Relevanz erfreut – und Sonderangebote, Geburtstagsüberraschungen usw. bietet. Auf Facebook und Instagram ist HOLD ebenfalls. Nur bei TikTok nicht: zu aufwendig, zu unbekannt.

1:02:15 Kommen neue Läden? Ja! Zwei Geschäfte werden demnächst in und um Hannover übernommen, da die Inhaber in Rente gehen – und auf HOLD zugekommen sind. Weitere Standorte sollten binnen zwei Stunden von Hamburg und Lüneburg aus zu erreichen sein. Übrigens seien – selbst in kleinen Städte – überhöhte Gewerbemietpreise der Hauptgrund für den Leerstand. „Das sind Preise… So viel T-Shirts und Hosen kann man nicht verkaufen. Da muss ein Umdenken stattfinden!“

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