Inspiriert durch den Beitrag von James Atucher (100 Antworten für Gründer) und den sich wiederholenden Fragen in diversen Terminen aus den letzten Monaten, gibt es jetzt die völlig kostenlose und in 90% aller Fälle vollkommen ausreichende Antwortliste für die wichtigsten Fragen zum Thema „Direktvertrieb E-Commerce“. Ich gebe bewusst keine ausführlichen Erklärungen zu den Antworten, weil das zu weit führen würde, aber jeder Vertriebsleiter, Marketingvorstand oder Projektmanager wird sich diese und ähnliche Fragen beim Thema Direktvertrieb sicherlich schon gestellt haben. Je nach Sachlage, passen natürlich nicht alle Antworten zu allen Kunden, aber die Richtung stimmt. Fragen & Anmerkungen können direkt an mich oder in die Kommentare geschrieben werden.
Strategie:
- Sollten wir unsere Produkte online verkaufen? Ja, wenn Endkunden danach suchen.
- Kannibalisieren wir mit dem Onlineverkauf bestehende andere Kanäle, z.B. den Vertrieb über unsere Vertriebsmitarbeiter/Filialen? Kunden kaufen online und offline anders ein und werden deshalb anders bedient. Wenn Ihre Produkte nicht online verkauft werden und Kunden ggf. deshalb Wettbewerbsprodukte kaufen, dann verlieren Sie übergreifend Marktanteile. In diesem Fall sollten Sie Ihre Kanäle lieber selber kannibalisieren.
- Können wir den im Vertrieb und in Filialen verlorenen Umsatz online wieder zurückgewinnen? Ja, aber die Gewinnmarge online ist in der Regel kleiner.
- Sollten wir unser Unternehmen in ein „digital driven“ Unternehmen wandeln? Was auch immer das für Sie heißt – machen Sie das, was Sie können und eifern Sie nicht Amazon & Co. nach.
- Können wir die bestehenden Vertriebskanäle gerecht am Onlineumsatz beteiligen? Nein, das geht nur sehr oberflächlich und meistens führt das zur Stagnation (Bestandsschutz).
- Können wir das E-Commerce-Geschäft an einen Dienstleister auslagern? Ja, aber das macht nur in Ausnahmefällen Sinn, z.B. bei hoher Standardisierung, hohen Volumen, wenig Sonderlösungen, …
- Sollten wir unseren Partnern erlauben Produkte bei Amazon, eBay & Co. zu verkaufen? Wenn Sie dadurch nachhaltigen Umsatzzuwachs bekommen und das selber nicht abbilden wollen/können, dann ja.
- Wir können wir unsere Partner von der E-Commerce-Strategie überzeugen? Mit harten Fakten. Kunden suchen & kaufen heute anders als vor 20 Jahren.
- Können wir vermeiden, dass bestehende Partner/Händler nicht mehr mit uns zusammenarbeiten wollen? Nein. Wenn Sie sich das nicht leisten können, überdenken Sie die Direktvertriebsidee.
- Wir sind darauf angewiesen mit den Kunden direkt zu reden. Lässt sich das online forcieren? Nein. Verkaufen Sie nicht direkt online, sondern implementieren Sie intelligente Lead Mechanismen, die zu mehr Kundengesprächen führen.
Umsetzung:
- Wie sollen wir vorgehen? Selber Kompetenz aufbauen, testen, Fehler machen, lernen. Dienstleister nur beauftragen, wenn man diese auch auf Augenhöhe steuern kann.
- Ich habe dafür gar keine Mitarbeiter. Wo finde ich die? Sie müssen es selber lernen und einschätzen können, wenn Sie neue Mitarbeiter anwerben.
- Was kostet so ein Projekt? Die Kassenzone-Faustregel dient zur groben Berechnung: Anzahl Teilprojekte x Anzahl beteiligter interner Bereiche x Anzahl beteiligter Agenturen x Basisbudget = Richtpreis. Beispiel: 2 Teilprojekte (Shop + CRM) x 1 Fachbereich (IT Abteilung) x 2 Agenturen x 100.000 Euro Basisbudget (mittelgroßes Unternehmen) = 400.000€ Richtpreis.
- Wir wollen im Rahmen des E-Commerce-Projektes auch noch die Warenwirtschaft aktualisieren. Was wäre da die beste Lösung? Die beste Lösung gibt es nicht. Betrachten Sie das als zwei getrennt laufende Projekte.
- Wir haben jetzt August und würden gerne zum Weihnachtsgeschäft starten. Ist das realistisch? Nein, planen sie mindestens 6 Monate von Auftrag bis Launch. 12 Monate sind realistischer.
- Sollten wir jemanden beauftragen, um einen E-Commerce Business Case für uns zu rechnen? Nein, außer so ein Case wird intern für die Budgetplanung benötigt. Das sollte aber eher die Ausnahme sein.
- Wie viele Mitarbeiter sollten für das Projekt eingeplant werden? Mindestens zwei. Ein Mitarbeiter, der es inhaltlich steuern kann und ein Mitarbeiter als Backup im Fall von Krankheit, Urlaub usw…
- Wie ausführlich sollte das Lastenheft formuliert werden? Möglichst kurz. Wichtiger ist die Auswahl einer guten Agentur (z.B. Netshops.de) und die Definition zentraler User Stories, die das System später beherrschen muss. Vergeuden Sie keine Zeit mit der Diskussion um Manntage für irgendwelche Shopfeatures (Zoom, Kundenbewertung, …).
- Wir haben ein Agenturangebot bekommen, das ca. 10.000 Euro monatliche Wartungskosten vorsieht. Ist das in Ordnung? Nein, 1.000 – 3.000 Euro fixe Wartungskosten pro Monat reichen fast immer aus bei kleineren Projekten.
- Wenn wirklich viele Onlinebestellungen kommen, können wir das mit unseren Strukturen gar nicht abwickeln. Sollten wir das Fulfilment nicht auslagern? In 99% der Fälle kommen weniger Bestellungen als angenommen. Wenn wirklich zu viele Bestellungen kommen, ist das super und dann findet sich auch eine Lösung.
Technisches:
- Welches Shopsystem sollten wir verwenden? Shopware oder Magento.
- Wir haben ein Angebot von einer tollen Agentur, die ein eigenentwickeltes System hat. Können wir die Agentur trotzdem nehmen? Leider nein, weil die Gefahr besteht in eine Agenturabhängigkeit zu kommen.
- Sollten wir SEM & SEO inhouse umsetzen und steuern? Bei kleinen Budgets ist das nicht zielführend.
- Sollte die Produktdatenpflege im Shopsystem gemacht werden? Im Rahmen der Testphase ist das ok. Dauerhaft ist ein Shopsystem aber mit dieser Aufgabe überlastet.
- Kann das CRM vom Shopsystem gemacht werden? Auf keinen Fall.
Die Liste ließe sich noch ewig weiterführen. Die Themen Marketing, Kundenakquisition, Wettbewerbsbeobachtung usw. bieten noch Stoff für viele weitere Fragen. Ich arbeite gerade an einem „Handbuch Direktvertrieb“, das noch in diesem Jahr erscheinen soll. Dieses beinhaltet neben den ausführlichen Antworten zu den o.g. Fragen noch viele Praxisbeispiele und Erfahrungsberichte – für dich ich noch freiwillige Händler suche! Wer daran Interesse hat, braucht nur auf den „abonnieren“-Button oben rechts im Blog zu klicken und bekommt automatisch eine Email, wenn das Handbuch erscheint.
UPDATE: Das Handbuch ist mittlerweile erschienen und kann unter dem Titel „Knut geht baden“ als .pdf oder Amazon Buch erworben werden.