JeansDie Case Studies aus dem E-Commerce Buch gehören dort zum meistgelobten Lesematerial. Dabei sind die Inhalte aufgrund des Platzmangels oft stark gekürzt und bewusst vereinfacht. An dieser Stelle möchte ich daher die Vorlage aufgreifen und bestehende sowie neue Case Studies zur Diskussion bringen. Den Anfang macht das Fashionstartup Bonobos aus den USA, dass seit 2007 für einige Furore unter den amerikanischen Fashionbrands sorgt. Im Buch ist es als Case Study Nr. 11 eher neutral bewertet. Die jüngsten Pressemitteilungen zu Bonobos machen aber Hoffnung auf mehr. Da lohnt es sich also mal nachzuschauen. Warum möchte Wal-Mart 300 Mio. US$ für das Unternehmen ausgeben und was hat Bonobos mit den über 100 Mio. US$ Funding bisher angestellt? 

Was genau macht Bonobos?

Stark vereinfacht ist Bonobos eine vertikal integrierte (Produktion und Verkauf aus einer Hand) Fashionmarke. Sie produzieren vornehmlich Mode für Männer und haben initial ihren Erfolg mit Männerhosen gehabt. Sie selbst drücken das etwas schöner aus:

We started Bonobos because we couldn’t find pants that fit. They were either way too tight or too boxy. We fixed it. Now we’ve expanded our playbook to shirts and suits. The secret is our signature curved waistband. It actually conforms to the natural shape of your waist. A trimmer, more flattering cut and the perfect medium rise are the finishing touches on our great fit. Like most guys, we’re not big fans of shopping. That’s why we set out to build the best online shopping experience in the world, and we made it the core of what we do. We’re now the largest clothing brand ever built on the web in the US.

Weil [sie so unfassbar viel Geld eingesammelt haben] es so schön ist, haben sie auch mittlerweile einige stationäre Läden eröffnet, 35 Stück um genau zu sein. Die heißen aber nicht Laden, weil Läden ja irgendwie out sind, sondern „Guideshop“. Na denn.

Die Gründungsgeschichte hat sich mit der Zeit PR konform veredelt und wird wie folgt erzählt.

  • Gegründet 2007 von Stanford Studenten aus einer Garagenfirma heraus
  • Fokus auf Produkt, nicht auf Technologie (Hosen nicht zu weit und nicht zu eng)
  • Nach dem Erfolg mit den Hosen sind auch andere Produkte ins Sortiment aufgenommen worden (Shirts, Basics…). Mittlerweile gibt es sogar Mode für Frauen
  • Einer der Gründer (Brian Spaly) hat Bonobos 2009 im Streit verlassen, Trunk Club gegründet, für 350 Mio. an Nordstrom verkauft, die das Business mittlerweile nur noch mit der Hälfte bewerten und nun ist Brian da auch schon wieder weg
  • Nordstrom, quasi der letzte Strohhalm für Retail Geschäftsmodelle bis Wal-Mart diese Rolle erfolgreich übernommen hat, hat 2012 in Bonobos investiert (16 Mio. US$) und seitdem wird die Marke auch stationär in Nordstrom Läden angeboten
  • Bisher sind rund 127 Mio. US$ in das Business geflossen und Wal-Mart wird öffentlich als Käufer gehandelt. Die letzte große Runde ist schon drei Jahre alt (55 Mio.) und seitdem hat kein Investor mehr nachgelegt, obwohl das Unternehmen 2016 versucht hat eine 150 Mio. Runde zu strukturieren, was die Bewertung auf 500 Mio. US$ gesteigert hätte.

Ganz nüchtern interpretiert ist Bonobos also ein Business mit mind. einem starken Produkt, durchschnittlichem Wachstum bei trotzdem hohem Kapitalbedarf. Das kann man natürlich auch ganz anders sehen und behaupten, dass Bonobos „the largest US clothing brand to ever start on the web“ ist.

Wie groß, wie schnell, wie toll?

Das erste Jahr begann sehr vielversprechend bei Bonobos. Andy Dunn, Gründer und erfolgreicher medium.com Blogger schaut in einem seiner vielen Beiträge sehr offen auf die Entwicklung des Geschäfts zurück und zeigt sogar die monatliche Umsatzzahlen (2007 auf 2008) des damals noch jungen Onlineshops.

netrevenue-bonobos

Danach sind die Zahlen nicht mehr so einfach zu ermitteln, aber für einzelne Jahre finden sich aufgrund der diversen Finanzierungsrunde grobe Umsatzwerte. Die sehen dann wie folgt aus. Der Einfachheit halber, habe ich die Finanzierungsrunden ebenfalls in der Grafik eingetragen.

Bonobos-Umsatz-Kassenzone

Die Werte in Sternchen sind geschätzt. Zu den Jahren 2014 und 2011 war für mich nichts zu finden bezüglich des erreichten Umsatzes, aber so ganz grob dürfte das den wirklich erreichten Umsätzen entsprechen.

Die Trafficzahlen laut Similarweb zeigen, dass 90% der rund eine Mio. Websseitenbesucher pro Monat aus den USA kommen und davon rund 30% direkt auf die Webseite kommen. Knapp 40% müssen noch über Suchmaschinen angeworben werden, wobei da der größte Teil (80%) organischer Traffic ist. Die Webdaten sind allerdings für so ein vertikales Business nur bedingt aussagefähig. Ich gehe davon aus, dass der direkte Kundenkontakt via App und Co. sehr werthaltig ist. Die Zahlen von Bonobos (blau) verhalten sich recht analog zu Trunk Club (orange), die versuchen in der gleichen Zielgruppe Kunden zu gewinnen:

bonobos-sw

Die Warenkorbgröße online liegt bei 180 $, im Guideshop bei 300$. Das ist sehr auskömmlich und bei den zu erwartenden Margen kann man da auch ein paar Euro für Onlinemarketing ausgehen.

Ist das Geschäftsmodell besonders?

Immerhin sollen laut PR alle stationären Geschäfte profitabel sein. Solche Aussagen würde ich aber mit Vorsicht genießen, insbesondere für eine vertikale Marke, weil nicht 100% klar ist wie genau der Store Traffic durch Onlinemaßnahmen finanziert wird. Ggf. ist das den Bonobos Managern klar, aber dazu finde ich kaum gute Quellen.

In einem Blogbeitrag des Harvard Business Blog heißt es recht begeistert:

  • Data Ownership: Bonobos owns its own data. By selling only digitally, Bonobos receives 100% of customer data. The availability of this data can feed back into continuing business operations, and help Bonobos drive future decisions on designing, procurement, and marketing.

  • Inventory Management: Without pressure to stock multiple retail outlets, Bonobos has full flexibility to manage inventory from procurement to direct customer. There are significant financial advantages to this model, with lower working capital needs for the company, and much less unused inventory.

  • Employees / Fixed Costs: By maintaining only 19 guideshops[9], Bonobos is able to run a lean team as well maintain low store maintenance costs. Bonobos cost per store is lower than a traditional retailer, which would have to employ more sales people, a full cashier system, and spend time and resources on restocking. The result is exponentially higher sales per person and per square foot than the traditional retail model.

  • Better Customers/Fewer Returns: Order values in guideshops are double what they are online, with customers less likely to return products and more likely to repeat transactions. By attracting stickier customers through a good shopping experience, Bonobos is building a stable and continuing source of revenue for the long term.

Das klingt alles ganz dufte, aber die Autorin hat für meinen Geschmack eine Prise zu viel Andy Dunn (Bonobos Gründer) Content konsumiert, der im sehr populären Medium.com Beitrag über vertikale Brands (v-commerce) folgendes gesagt hat:

  • It’s primary means of interacting, transacting, and story-telling to consumers is via the web. The v-commerce brand, or digitally-native vertical brand (DNVB), is born on the internet. It is aimed squarely at Millennials and digital natives. It doesn’t have to adapt to the future, it is the future.

  • The v-commerce brand requires the commercialization of an e-commerce channel, but that channel is an enablement layer — it’s not the core asset.

  • The profit losing nature and small scale of these companies leads most traditional retailers to ignore or underestimate these little tadpoles. Then Unilever bought Dollar Shave Club for $1 billion.

  • Some big companies now believe they can make these brands themselves.

  • It is not e-commerce, it’s v-commerce. The product gross margins are at least double that of e-commerce (e.g. 65% versus 30%)

  • The data is better because every transaction and interaction is captured. You don’t have to combine data across businesses, because it’s all one business.

  • Brand matters. These brands have a soul that is not easy to quantify at first.

Also wenn das als Blaupause für die akademischen Erkenntnisse eines Stanford Studenten nach 10 Jahren im Business sind, dann weiß ich auch nicht weiter. So viel generisches BlaBla habe ich zuletzt in den E-Commerce Strategieunterlagen von Kaufhof gelesen, aber ok. Andy hat seine Fans, das muss man ihm und Bonobos lassen.

Und nun? Sieht so ein modernes Onlinebrand aus?

Auf jeden Fall sieht so ein Onlinebrand aus, was 2007 super hip war und irgendwann zwischen 2012 und 2013 vergessen hat weiterzudenken. Viele Ideen an dem Business sind richtig und im Kern steckt eine sehr gute Idee mit echten Fans des Produkts. Ich bin mir aber nicht sicher, ob der starke Fokus auf den VC Markt für dieses Geschäft gesund war. Aufgrund der gescheiterten Finanzierungsrunde 2016 musste Bonobos gezwungenermaßen den Weg der Profitabilität gehen, was hoffentlich zu neuen spannenden Ideen führt und nicht zu einem noch breiteren Sortiment und weiteren Guideshops. In den einschlägigen Medien wird auch behauptet, dass Wal-Mart sich mit Bonobos E-Commerce Expertise zukaufen will, aber wahrscheinlich kann man für diesen Zweck die 300 Mio. Dollar besser anlegen.

Aber: Das ist meine Meinung. Ich bin nun gespannt auf eure Meinung und auf euer Feedback zu diesem Format.

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