Im Rahmen des 300. Kassenzone Podcast mit Tarek Müller, haben wir auch über mein kleines Hobby gesprochen, das ich dank meines Schwiegervaters in den letzten 10 Jahren ausüben durfte. Wir haben seit 10 Jahren eine eigene Hereford Rinderherde hinter unserem Haus gezüchtet und direkt an Endkunden vermarktet. Nun ist der Chef der Herde leider verstorben und wir haben damit auch einen Schlussstrich rund um das Thema Rinderhandel gezogen. Die bis zu 60 Rinder komplett nebenbei zu managen geht dann einfach nicht. Eine schöne Gelegenheit für mich zurückzuschauen und zu reflektieren.

Ich hatte auf großes Glück so etwas in meinen 30ern so ganz nebenbei erleben zu dürfen, und mich auf meinen Fahrten zurück aus Hamburg, Berlin oder Amsterdam auf die Kleinigkeiten des Rinderalltags am Wochenende zu freuen. Rinderzucht in kleinen Betrieben ist ein Hobby vieler Rentner oder vermögender Aussteiger und immer dann, wenn es nicht mehr vorrangig darum geht Geld zu verdienen, sind die Geschäftsmodelle oft brüchig. Dazu gehört neben dem Rinderhandel z.B. auch der eigene Weinberg, die Ölplantage, die Schnaps (Gin) Brennerei…. Kaum jemand verdient damit Geld, weil viele Betreiber das eben nicht müssen bzw. die produzierten Güter schwer skalierbar sind, was mich zur Geschäftsmodellfrage führt.

Macht das Geschäftsmodell „Rinderhaltung und -handel“ Sinn?

Es gibt dutzende Variablen bei diesem Geschäftsmodell, wie z.B. Rasse, Haltungsform, Vertikalisierung, Vermarktung usw. Die Variablen für die wir uns entschieden haben waren, maximale Fleischqualität (Hereford Rinder), Herdenhaltung bis zur Schlachtung, Direktvermarktung und lange Reifung. Es ging immer um die bestmögliche Haltungsform für die Tiere und um den perfekten Braten, das perfekte Hack oder halt Steak. Wie das genau funktioniert hatte Peter vor drei Jahren in dem Podcast „Warum Jungbullensteak nicht schmeckt“ erklärt.

Wir hatten den Anspruch das ganze bezahlbar zu halten und das Tier vollständig zu verwerten. In unserer Milchmädchenrechnung, die auch in anderen Betrieben so angewendet wird, ist die eigene Arbeitszeit, die Opportunitätskosten der eigenen Assets (Weideland) und vieles mehr nicht eingerechnet. Aber auch in dieser kaufmännisch hanebüchenen Rechnung bleibt nach Verkauf (inkl. Versand) an die Kunden kaum etwas übrig. Das Modell lässt sich ohne Quersubvention, ohne industrielle Skalierung oder massivem Abschlag bei der Fleischqualität nicht betreiben. Das dürfte auch erklären, warum man diese Art von Fleisch auch niemals im Handel erhalten wird – auch nicht beim Eppendorfer Edelfleischer. Keine Chance!

Allein der Aufwand der beim Landschlachter betrieben werden muss ist enorm und heutzutage bei großen, industriellen Schlachtereien nicht mehr zu bekommen. Diese Mühe macht sich niemand mehr und das Geschäftsmodell Landschlachterei stirbt aus. Wir haben Glück mit unserer Landschlachterei in Holtsee die noch sicher 30 gute Jahre vor sich hat. Liebe Leser, macht euch nichts vor – diese Art von Qualität gibt es nicht in der Stadt zu kaufen, egal wie edel die Warenpräsentation ist. Darüber spreche ich auch mit Moritz Crone-Rawe im Onebeef Podcast. Wer es ganz genau wissen will, schaut sich noch dieses Video von Schlachter Nobert und Züchter Peter aus dem Frühjahr 2020 an.

Mit dem preisgekrönten Localgourmet.de hatte ich ca. 2011 versucht diese Art der Haltung und des Handels skalierbar zu machen, bis hin zu der Idee verschiedenen Höfe zu vernetzen. Ca. 4-6x pro Jahr bekomme ich auch noch heute Anfragen zu dem Modell von Gründerteams die etwas Ähnliches vorhaben. Die Idee ist immer gleich: Lokale Erzeuger die Gutes tun mit lokalen Verbrauchen verbinden, die etwas Gutes wollen. Das Modell mag in Einzelfällen funktionieren, besonders dann, wenn sich die Team, analog zu den Erzeugern, kein adäquates Gehalt zahlen, aber es ist nicht skalierbar. Soviel steht für mich fest. Das bedeutet nicht, dass nun jeder seine Idee vom Kauf/Aufbau eines nachhaltigen Obstbauernhofs aufgeben sollte, aber man sollte sie ohne Gewinnerwartung realisieren können – außer ihr denkt etwas größer wie mein Lieblingspodcastgast Robert.

Was hat am meisten überrascht?

Meistens habe ich Peter mit großem Staunen zugehört, wenn er von den einzelnen Marktakteuren berichtet hat. In Summe: Alles Amateure – vom Kunden der denkt, dass Jungbullensteak gut ist, über Erzeuger die darauf schwören aus französischen Mastrinderrassen gutes Steak zu bekommen bis hin zum „Fachverkäufer“ beim EDEKA der bei der Frage nach der Rasse sagt „ja Rindfleisch halt.“ Ein Markt der wochenlang in Vakuum gereiftes Industriefleisch aus Argentinien als besondere Delikatesse gefeiert wird ist aus meiner Sicht hochgradig dysfunktional, aber der Verbraucher stimmt nun mal selbst im Supermarkt und im Blockhouse Restaurant so ab.

Für mich am spannendsten ist, dass kein Anbieter bisher eine richtige Fleischmarke entwickeln konnte. Die inhaltslosen Claims im Restaurant wie „Husumer Rind“ (dort gibt es maximal einen Schlachter, aber kaum Rinder) oder „Steak vom Schwarzbunten“ (so ziemlich die schlechteste Qualität) untermauern das aus meiner Sicht, und dutzende Ökosiegel tragen für den durchschnittlichen Verbrauchen auch kaum zur Aufklärung bei. Die Angabe der Haltungsform auf den Verpackungen ist sicher ein Fortschritt, auch wenn gemäß meiner eigenen Erbhebung über 90% der Fleischprodukte meines lokalen REWEs maximal die schlechteste Stufe „Haltungsform 1“ erreichen. Während es in nahezu jeder Produktgattung Marken gibt, die für Qualität und oder Nachhaltigkeit stehen, kennt die Fleischindustrie nur eine Richtung: Mehr, günstiger und schneller.

Eines muss man dieser Industrie lassen, sie hat es geschafft bei jeder Mahlzeit dabei zu sein. Wurst zum Frühstück, Schnitzel am Mittag, Steak am Abend. Da ist es nur überraschend, dass die Lobby es noch nicht geschafft hat das Geschäft mit Kaffee & Kuchen zu erobern. Ok, die Rezeptsuche nach „Fleischtorte“ bringt befremdlich viele Rezepte an die Oberfläche.

Sehr schön waren aber die Momente mit Konsumenten, die sehr dankbar waren so ein Fleisch kaufen zu können, oder die Diskussionen im Büro über die Hackfleischqualität. Diese Art Geschäftsmodell war mein erstes und wohl auch letztes B2C Modell mit allen Vor- und Nachteilen, aber ich kann dadurch auch besser nachvollziehen, woher gute stationäre Unternehmer und Mitarbeiter ihre Motivation ziehen.

Aber in Summe bleibt, die Fleischindustrie ist ein Markt voller Amateure in dem sich die Verbraucher täglich von den großen Erzeugern und Handelsketten verarschen lassen, mit tatkräftiger Unterstützung von Julia Klöckner.

Was verändert sich durch den veganen Trend?

Einer der ersten WimLex Podcasts, die ich mit meinem Co-Host Willem Blom aufgenommen habe war mit einem Unternehmer aus Holland, der es sich zum Ziel gemacht hat Fleisch aus Stammzellen zu produzieren. Es gibt beim Thema Fleischersatz zwei grundlegend verschiedene Handlungsoptionen. Man kann versuchen tierische Proteine zu erzeugen ohne dass man dafür ein Tier braucht, oder man setzt komplett auf pflanzliche Proteine und erzeugt vegane Produkte. Meatable versucht es mit Ansatz #1 und der Gründer Dann Luining hat im Podcast auch erklärt, wann es den Durchbruch für diese Technologie gibt. Wenn das Schweinenackensteak auf Basis dieser Herstellungsmethode günstiger ist, als konventionell erzeugtes, kaufen die Menschen das günstigere Produkt. So einfach. Das dürfte in spätestens in 20 Jahren der Fall sein und bis dahin dürfte sich der Anteil der veganen und vegetarischen Alternativen stark erhöht haben. Es ist aus meiner Sicht kein Kampf um Nachhaltigkeit, sondern ein Kampf um den Preis bei dem zum ersten Mal die Umwelt gewinnen kann, wenn der Preis niedrig genug ist.

Mein Podcast  Co-Host Willem, der sich schon länger vegan ernährt, ist sogar so weit gegangen einen eigenen Fund zu dem Thema zu gründen und dürfte schon jetzt als einer der aktivsten „vegan“ VCs im Markt gelten. Unter plantbase.vc könnt ihr sein Portfolio einsehen.

Diese Entwicklung im Bereich der Fleischalternativen, die desaströsen Zustände im Fleischhandel, der krass negative Umwelteinfluss tierischer Fleischproduktion und der Umstand, dass meine Tochter mit gerade mal sechs Jahren die Entscheidung getroffen hat keine Tiere mehr essen zu wollen, lassen aus meiner Sicht keinen positive Zukunftseinschätzung für diese Art von Geschäftsmodelle mehr zu. Die veganen bzw. künstlichen Fleischalternativen werden sich durchsetzen, und das wahrscheinlich viel schneller als wir denken. Das kann noch nicht mal Julia Klöckner verhindern.

Danke Peter – es war schön mit dir!

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