bonprix hat mich während meiner Karriere bei Otto fast jeden Tag begleitet. Sie hatten einfach die beste Kantine auf dem Campus und in kaum einer Strategiediskussion wurde bonprix als positives Beispiel (unabhängig, stark wachsend…) ausgelassen. Umso spannender ist es natürlich 10 Jahre später den Geschäftsführer Markus Fuchshofen, nur 100m Luftlinie vom neuen Store entfernt, nach der Gegenwart und Zukunft des Unternehmens zu befragen und zu verstehen, wie man in diesem Preissegment überhaupt noch profitbel wachsen kann und was es bedeutet über 1,5 Mrd. Umsatz zu generieren. Die Herausforderungen dieses Umsatzniveau profitabel zu verteidigen und trotzdem noch schnell genug zu wachsen, werden aufgrund der vielen neuen Wettbewerber in Zukunft noch größer. Ob das Storekonzept dabei helfen kann, ist noch vollkommen offen.

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Affordable Fashion mit Markus Fuchshofen, Geschäftsführer bei bonprix

Als Markus Fuchshofen 1995 frisch von der Uni im Controlling von bonprix anfing, dauerte es nicht lange, bis er den Eindruck gewann, dass der Online-Handel der bessere Kanal für das Distanzhandelsgeschäft des damaligen Katalogversenders wäre. Sicher nicht zuletzt aufgrund solcher Visionen ist der heute 53-Jährige nun einer von vier Geschäftsführern der 1986 gegründeten OTTO-Tochter. Nur einige Meter von der neuen bonprix-Filiale in der Hamburger Innenstadt entfernt erörtern Markus und Alex in dieser Folge, wie Transformation möglich ist, ohne sich komplett neu erfinden zu müssen.

 „Für uns ist organisches Wachstum der bessere Weg zum nachhaltigen Erfolg“

07:05

Alex: Wenn du heute jemandem bonprix erklären müsstest,  der noch nie einen bonprix-Katalog gesehen, aber eine Vorstellung von H&M und Esprit hat – wo würdest du bonprix ansiedeln?

Markus: Wir sind eine vertikal integrierte Modemarke, wie Zara und H&M auch. Das bedeutet: Wir kreieren unsere eigenen Sortimente. Das machen wir als price-value-Anbieter – also als Anbieter, für Kunden, die das beste Preis-Leistungs-Verhältnis suchen. Unsere Zielgruppe sind Frauen zwischen 30 und 59 Jahren und wir konzentrieren uns in erster Linie auf Mode und den Bereich Home & Living. Heute machen wir das durch unser stark online-getriebenes Geschäft und verkaufen auch nur durch unsere eigenen Touchpoints. Mit diesem Geschäft sind wir in knapp 30 Ländern unterwegs.

Alex: Wie haben sich der Markt und euer Wettbewerb seit den 1990er Jahren verändert?

Markus: Auf jeden Fall gibt es da eine große Dynamik, aber erst einmal kann man festhalten: Die Grundidee, die zur Gründung von bonprix führte, bestand darin, preisgünstige Mode über den Distanzhandel zu verkaufen. bonprix wurde als „Mode-Discounter“ gegründet. Das war der Begriff, der damals verwendet wurde. Und auf diesem Gebiet gab es in den frühen 1990er Jahren tatsächlich relativ wenig Konkurrenz. Hier in Hamburg gab es damals genau eine H&M-Filiale – das heißt, kein Kik und kein Takko, dafür aber vielleicht noch ein C&A, doch mit denen hatten wir damals wenig Überschneidungen.

Seitdem hat sich die Situation sehr stark verändert. Aber es ist das eine, zu sagen: „Ich möchte im preisgünstigen Segment price-value-Anbieter sein“ – und das andere, genau das auch wirklich zu tun. Da gibt es große Unterschiede. Für uns ist das ein Muskel, den wir seit Jahren trainieren: Schließlich ist das unser Kern, da kommen wir her. Deshalb haben wir Prozesse erarbeitet, die uns helfen, unser Versprechen auch wirklich zu halten.

Alex: Wie viel bezahle ich bei bonprix für ein klassisches Sommerkleid?

Markus: Auf jeden Fall noch unter 30 Euro. Unser Durchschnittsverkaufspreis liegt in der Summe bei 20 Euro.

11:50

Alex: Inwiefern haben sich die Kanäle verändert, über die ihr verkauft?

Markus: Als ich zu bonprix gestoßen bin, lief das im Grunde über ein reines Single-Channel-Marketing: Es gab einen Katalog und die Möglichkeit, per Telefon zu bestellen. Heute haben wir – das kennen wir ja alle – eine riesige Zersplitterung der Landschaft in viele einzelne Marketingkanäle. Aber damit haben sich eben auch die Fähigkeiten verändert: Heute arbeiten mehrere hundert Menschen in völlig neuen Berufsbildern und Aufgabenbereichen, die es damals noch gar nicht gab.

Als wir 1997 den Online-Shop gelauncht haben, war das unser erster Schritt in Richtung Multi-Channel. Damals haben wir den Shop eigentlich nur an unser bestehendes Geschäftsmodell vornan geschraubt, und der Shop selbst ging noch gar nicht so in die Tiefe. Aber das war unser erster Schritt und unser eigener Touchpoint. Heute müssen wir in Touchpoints hinein, die wir selber vielleicht gar nicht beherrschen – wie Instagram oder Facebook. Wir müssen unsere Inhalte unter ganz anderen Rahmenbedingungen darstellen. Und das ist eine ganze andere Sache als mit unseren eigenen Kontaktpunkten.

(Laut Markus ist das Filialgeschäft nach wie vor „eine sehr kleine Sache und eher ein Experiment“ für bonprix. Auch heute noch betreibt das Unternehmen seinen Handel zu 100 Prozent über Distanz. Dementsprechend kommt auch dem Katalog noch einige Bedeutung zu: Er ermöglicht bonprix eine Risikostreuung und eine gewisse Unabhängigkeit von anderen Traffic-Quellen, denn er erweist sich immer noch als wichtiges Instrument zur Kundenbindung.)

15:20

Alex: Unter all den Versandhäusern – OTTO, Bauer, Schwab – hatte bonprix schon immer eine Sonderstellung. Unter den Mitarbeitern dieser Häuser hieß es immer, dass ihr eine ganz eigene Zielgruppe hättet, ein eigenes Preisgefüge und dass das Unternehmen aus sich heraus wächst, auch international, ganz solide und stark. Wie viel Umsatz macht ihr heute, wie viele Mitarbeiter sind daran beteiligt und welche Märkte sind für euch relevant?

Markus: Das stimmt, wir haben uns über die Jahre eher organisch entwickelt. Das sehe ich in Summe als eine große Leistung an – für uns als Gruppe, als Team, als Mannschaft – weil wir diese große Transformation von einem kataloggetriebenen Discountmodell zu einem eher E-Commerce-getriebenen Markenmodell heute zu einem Großteil bewältigt haben. Und unser Ziel ist es, in den nächsten zwei bis drei Jahren die zwei Milliarden Umsatz zu erreichen.

Zu den Märkten: Früher war Deutschland der „Heimmarkt“ und es bestand eine große Abhängigkeit bezüglich Umsatz und Ergebnis. Heute wird Deutschland nach und nach zu einem Markt wie viele andere und ähnelt in diesen Punkten jetzt eher Frankreich oder den Niederlanden. Das ist aber nicht automatisch etwas Schlechtes, sondern dient ebenfalls der Risikostreuung: Zuletzt haben wir in Russland Probleme bekommen, durch die Auseinandersetzung mit der Ukraine. So etwas hat dann Auswirkungen auf die Währungskurse. Deshalb fühlt es sich immer sehr gut an, auf mehreren Beinen zu stehen und in mehreren Märkten unterwegs zu sein.

Alex: Du hattest eben erwähnt, dass ihr auch im Home & Living-Segment unterwegs seid. Wie muss man sich das vorstellen? Verkauft ihr auf bonprix.de auch Möbel? 

Markus: Jetzt auch. Wir haben zuletzt auch größere Möbel in unser Angebot aufgenommen, kommen aber eigentlich aus dem Heimtextilien-Bereich und versuchen diesen Bereich auch noch ein bisschen weiter auszudehnen. Rein logistisch ist das eine sehr gute Ergänzung unseres bestehenden Sortiments und wenn wir so noch mehr Nachfrageumsatz abholen können, ist das zwar auch eine Herausforderung, aber eben auch eine Bereicherung.

19:50

Alex: Bei vielen Händlern mit einer klassisch analogen DNA – wozu meines Erachtens auch der Versandhandel gehört – kann man sehen, dass die erst einmal mächtig zu tun hatten, ihre katalogaffinen Kunden in den Online-Shop oder eben in die eigene App zu holen, und dass es ihnen auch relativ schwerfällt, neue Kunden anzusprechen. Über welche Kanäle gewinnt ihr Kunden?

Markus: Ich sehe zwei Wege – zwei Fähigkeiten – wie man Kunden gewinnen kann. Einerseits sehr, sehr stark durch Steuerung, also mithilfe von Attributions-/Customer-Journey-Modellen, und andererseits durch Kommunikationsangebote und eine gute Content-Strategie. Viele Interessenten und potenzielle Kunden befinden sich in einer gewissen Distanz zu bonprix, vielleicht weil sie bisher noch gar nicht mit uns in Kontakt gekommen oder gerade noch in der Recherchephase sind. Deswegen müssen wir auch verschiedene Kommunikationsangebote bereitstellen. Das kann bedeuten, dass wir gar nicht mal direkt das Produkt zeigen, sondern erst einmal andere Inhalte kreieren. Diese Inhalte sind wiederum abhängig von den Kontaktpunkten, über die uns die Kunden begegnen. Und diese beiden Dinge müssen wir zusammenbringen: Die Wertermittlung und die Strategie, wie wir den Kunden alternativ erreichen können.

(In einem Markt, in dem alle Beteiligten ständig von Werbung überflutet werden, erweist es sich natürlich als Herausforderung, den Kunden auf möglichst vielen verschiedenen Wegen erreichen zu wollen. Für bonprix war eine flexible Marketingstrategie der Schlüssel zum Erfolg: Ausgehend vom „superstrukturierten, preisgünstig produzierten Katalog“ in den 1990er Jahren eignete man sich nach und nach die volle Bandbreite an Kanälen an. Heute steuert bonprix sein Marketing zentral aus Hamburg heraus und allein das Performance-Marketing-Team besteht aus 70 bis 80 Leuten.)

27:35

Alex: Lass uns kurz noch bei euren Kunden bleiben, bevor wir einen Blick unter eure Motorhaube werfen: Wie treu sind eure Kundinnen und Kunden? Wie oft kaufen die in eurem Online-Shop?

Markus: Online kaufen sie drei- bis viermal im Jahr, aber natürlich sehen wir sie häufiger. Das eine ist ja das „Sehen“ im Sinne des Besuchs im Webstore, das andere sind unsere anderen Touchpoints, wie wenn wir eine E-Mail mit einer Paketankündigung rausschicken und der Kunde darauf reagiert.

Alex: Und ist der Großteil eurer Neukunden loyal? Oder müsst ihr dauerhaft für neue Anstöße sorgen?

Markus: Natürlich hat man immer eine Fluktuation, aber uns gelingt es schon, die Kunden über einen oder mehrere dieser vielen kleinen Punkte zu binden. Man muss diese kleinen Kontaktmöglichkeiten halt nutzen, muss sie gut lesen können, so wie: Was bedeutet es für mein Remarketing, wenn ein Kunde einen Newsletter öffnet? Muss ich da noch viel zusätzlich ausgeben? Heute gibt es viele kleine Trigger. Alles ist viel feingranularer als früher. Früher drehte sich fast alles um die Kaufhistorie – heute ist der Kauf zwar ein Signal, aber eben auch nur eines von vielen.

30:25

Alex: Bei der Kauffrequenz geht es häufig um die Anzahl der Produkte, die man dem Kunden anbietet. Wie viele sind das bei euch?

Markus: Wenn ich alle Artikel in allen Farbausführungen einberechne, sind wir so bei 25.000 Produkten.

Alex: Und sind die jede Saison neu oder habt ihr so eine Art Standardsortiment?

Markus: Nein, wir haben zwar immer einen gewissen Neuerungsgrad, aber zugleich sowohl ein saisonales als auch ein nicht-saisonales Angebot. Im Grunde arbeitet unser Einkauf heute nicht mehr in Saisons, sondern in Kollektionen. Wir bringen im Jahr zwölf Kollektionen auf den Markt und bieten in diesem Rahmen immer etwas Neues an, aber auch immer ein Grundangebot.

Alex: Wie wichtig ist die Qualität für den Erfolg einer Kollektion?

Markus: Wir haben uns schon immer eine Art Vorqualifizierung zunutze gemacht: Wir haben versucht, Artikel im Internet „vorzutesten“, um zu wissen, ob sie es wert sind, ins Sortiment aufgenommen zu werden. So wollten wir die gewonnenen Erfolgsinformationen in die Beschaffung einbringen, um möglichst schnell eine erneute Order auszulösen und diesen Erfolg, den wir dort messen konnten, schließlich auch für uns zu kapitalisieren.

Alex: Wie schwer ist es denn, den Verkauf eines Artikels wie des Pullis, den du gerade trägst, zu planen? Wie oft liegt man bei so einem großen Sortiment auch mal daneben und muss dann über Sale-Kampagnen versuchen, das Lager wieder leer zu bekommen?

Markus: Auch bei uns gilt in dieser Größenordnung so eine 70/30- beziehungsweise 80/20-Regel: Man hat am Ende immer einen relativ kleinen Teil der Artikel, der 80 Prozent des Ergebnisses ausmacht. Diesen Teil muss man zwar erstmal kreieren, aber genauso wichtig ist es, zu berücksichtigen, dass wir auf die Artikel, die dann nicht weggehen, kein Investment tätigen. Die größte Investition ist für uns heutzutage die Bestellung von 100.000 Pullovern. Wenn wir da danebengelegen haben, haben wir ein großes Bestandsrisiko.

Früher, im Kataloggeschäft, war das noch schlimmer. Da kam noch das Werbekostenrisiko dazu, weil man auch noch teures Papier bedruckt und dafür Geld ausgegeben hatte. Heute nehmen wir den Pullover einfach aus dem Online-Shop. Das sind die großen, traditionellen Risiken, die man im Distanzhandel tragen muss. Deswegen macht es so viel Sinn, großen Aufwand zu betreiben – mit einer Methodik und mit Prozessen – um dieses Risiko abzumindern.

Alex: Das verstehe ich. Wie weit im Voraus muss man eine Kampagne mindestens planen?

Markus: Das ist unterschiedlich. Einerseits haben wir sogenannte „Langläufer“, wobei für uns natürlich auch das Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle spielt. Die Dauer ist also eine Frage der Funktion des Artikels und ob er auf einem unserer Quick-Response-Märkte hier in Europa verkauft werden soll. Die Planung kann daher von wenigen Wochen bis zu neun Monaten dauern.

37:45

Alex: Ihr seid einer der wenigen Kataloghändler, die man noch als erfolgreiches Transformationsbeispiel nennen kann, auch wenn viele von den ehemaligen eher horizontal angesiedelt waren und deshalb nur bedingt mit euch vergleichbar sind. Was war für euch der Erfolgshebel?

Markus: Ich denke, es war immer unsere Positionierung, die uns Stärke verliehen hat. Der Markt für Preis-Leistungs-Anbieter wuchs lange Zeit, auch wenn natürlich zeitgleich Verdrängungseffekte auftraten. Schaut man auf unser Geschäft heute, sieht man: Das Geschäftsmodell ist immer noch das gleiche wie zur Zeit der Gründung. Nur die Art und Weise, wie wir die Wertschöpfung erbringen, hat sich radikal verändert. Und wir hatten immer ein gutes, funktionierendes Geschäftsmodell, durch das wir genug Zeit gehabt haben, die digitale Transformation in Ruhe anzugehen und das Thema organisch aufzubauen. Kurz: Wir haben einfach sehr früh angefangen und hatten einen langen Atem.

(Die Infrastruktur für seine ersten Transformationsschritte erhielt bonprix in den 1990er Jahren von OTTO. „Damit hat Michael Otto damals den Urknall beschleunigt“, sagt Markus. „Aber wie das mit dem Urknall so ist: Ab da gehen die Kräfte auseinander. Und das war auch gut so“. Immerhin ist OTTO ein sogenannter Vollsortimenter und mausert sich heute zur Plattform. Deshalb waren und sind die technologischen Anforderungen an die Oberfläche wie auch an die Prozesse andere.)

44:55

Alex: Wie viele Leute braucht man, um so eine Infrastruktur aufbauen, instand zu halten und pflegen zu können?

Markus: Ich sag’s mal so: Wir reden nicht von 50 und auch nicht von 100, sondern eher von 200 Leuten und mehr. Das ist ein Weg, für den braucht man eine kritische Masse. Schließlich ist der Großteil unserer aktuellen Infrastruktur selbstgebaut. Mittlerweile ist das Ganze ein großer Infrastruktur-Zoo, den wir benötigen, um unsere Arbeit zu machen. Und deshalb ist es für uns auch nach wie vor noch der richtige Weg.

Ja, die Systemfrage ist wichtig, aber am Ende des Tages auch nur ein Teil des Geschäfts. Viel wichtiger ist die Frage, wie man es schafft, dass die dahinterstehende Organisation bereit ist, sich auf solche Veränderungen in der Organisation von Aufbau und Ablauf einzulassen.

Alex: Bleiben wir beim Thema Technologie: Du hast diese Welle jetzt schon lange miterlebt und ich glaube, es gibt keinen Konzern in Deutschland, der noch aktiv ist und diese Diskussion „Standardsoftware vs. Eigenbau vs. Framework“ in den letzten 20 Jahren so intensiv und so oft geführt hat. Siehst du denn die Wellenbewegung auch wieder zurücklaufen, das heißt, dass Elemente und Tools wieder abgestoßen werden, die zur Commodity geworden sind, vielleicht weil man sich auf andere, wichtigere Dinge konzentrieren will?

Markus: Ja, auch wir haben Technologien ausprobiert und wieder abgestoßen, weil sie uns wenig genützt haben – oder weil wir von anderen überholt worden waren. Ich habe zum Beispiel auch den Fehler gemacht, zu denken, E-Mail sei nicht mehr so das Richtige …

Alex: Das dachte ich auch! Bis ich den Kassenzone-Newsletter ins Leben gerufen habe …

Markus: Genau, da habe ich den technologischen Abgesang definitiv zu früh angestimmt. Diese Entwicklung ist also Teil unserer Realität, aber für uns steht derzeit die Frage im Vordergrund, wie viele Ressourcen man überhaupt noch wofür verwendet. Müssen wir noch mit dem gleichen Aufwand in die Prozesse reingehen oder wo wandeln sich welche Abläufe von manuell zu automatisiert? Dieser Wechsel mag nicht weniger Aufwand bedeuten, aber die Logik dahinter ist eine andere.

51:35

Alex: Die Komplexität des Geschäfts und der Branche erhöht sich ja noch mehr, wenn man auch noch stationäre Initiativen hinzufügt. Was ist die Idee hinter euren Filialen?

Markus: Für mich ist das eine natürliche Erweiterung der vertikalen Integration. Schließlich bedeutet „vertikal integriert“, dass man auch direkten Kontakt zum Kunden hat. Und immerhin werden immer noch 70 Prozent der Modeartikel stationär verkauft.

Alex: Wie viele Filialen habt ihr?

Markus: Wir hatten mal bis zu 100, und jetzt haben wir nur noch ganz wenige. Die Filiale hier in Hamburg ist die, auf die wir setzen. Wenn wir es aus Kundenperspektive schaffen würden, Leistungen aus unserer Handelsplattform, die wir über viele Jahre hinweg aufgebaut haben, sinnvoll auf die Fläche zu bringen – wenn das ein realisierbares Modell wäre, dann hätte bonprix etwas an den Tisch zu bringen. Wenn Kunden das als sinnvolle Ergänzung sehen würden, dann wäre dieser Schritt eine lohnenswerte Investition. Und vor drei Jahren haben wir entschieden, dass wir daran glauben. Deshalb haben wir den Laden gebaut.

Alex: Okay, aber dann würde ich es schon als „Laborsituation“ zusammenfassen. Es kann auch total gut sein, dass wir in einem Jahr wieder hier sitzen und feststellen, dass es nicht funktioniert hat und es zwischen den beiden Welten keine Hebelwirkung gibt.

Markus: Ja, genau.

55:25

Alex: Die zweite große Frage, die wir hier nicht in voller Länge werden besprechen können, ist die Plattformfrage im Sinne des Verkaufs eurer Produkte auf anderen Plattformen, damit ihr Kunden effizienter erreicht. Könntet ihr euch das vorstellen?

Markus: Das ist eine Frage, die uns schon seit Langem beschäftigt. Wir wollen Plattformen vor allem dafür nutzen, um Kunden an die Marke bonprix heranzuführen. Plattformen aber bieten Rahmenbedingungen, die Einfluss auf unsere Wirtschaftlichkeit haben können, und die schauen wir uns gerade noch ganz genau an. Auf jeden Fall steht für uns fest, dass Plattformen nur ein kleiner Teil unseres Geschäfts sein können, und nicht unser Kern. Seit März sind wir jetzt bei AboutYou vertreten und werden auch noch bei OTTO und auf anderen Plattformen live gehen. Am Ende ist es, wie schon gesagt, so, dass unser Modell auf genau diesem Kundenzugang beruht. Nur so kriegen wir viele Signale mit, die wir wertschöpfend in unser Sortiment einfließen lassen können.

Alex: Ich habe im Podcast zuletzt außerdem öfter die Frage gestellt: Was hindert euch an noch schnellerem Wachstum und wo ist das Limit für euch?

Markus: Hindern könnte uns vor allem unser Reifegrad. Wir haben ein etabliertes Geschäftsmodell in einem stark digitalen Umfeld, aber auch den Anspruch, nicht nur zu investieren, sondern auch wirklich Geld zu verdienen. Auf dem Niveau, auf dem wir uns bewegen, und mit Blick auf unsere Herkunft glaube ich viel mehr an ein organisches Wachstum als an ein sprunghaftes. Für uns ist organisches Wachstum der bessere Weg für nachhaltigen Erfolg. Deshalb geht es für uns jetzt vor allem darum, neue Fähigkeiten zu erwerben, und nicht nur rein durch Marketing-Dollar mal eben kurz mehr Sichtbarkeit zu erzeugen.

(Im nächsten Jahr freut sich Markus vor allem auf Fortschritte auf dem Gebiet der KI und des Machine Learning – beides kommt in der Firma bereits zum Einsatz – sowie auf neue Mitarbeiter, die er in seiner Antwort auf die absolut letzte Frage in diesem Podcast anwirbt.)

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