Wir haben DHL einen Fragebogen zum Weltpostvertrag gesendet. Wie funktioniert er genau und wer profitiert davon? Hier könnt ihr die Antworten lesen.
In den diesjährigen Kassenzone Interviews mit Florian Heinemann mussten wir erstaunlich oft über chinesische Marktplätze und deren Logistikkette reden. Wie können TEMU oder SHEIN so günstig nach Deutschland oder in die USA versenden? Im Rahmen der Recherche sind wir oft auf den „Weltpostvertrag“ gestoßen, um den sich so mancher Mythos rankt. Aus diesem Grund haben wir an das Team der DHL einen Fragebogen zu diesem Thema gesendet, der für Aufklärung sorgen soll. Die Antworten wurden unverändert übernommen. In Kürze erfolgt dazu noch ein weiterer Artikel, der die Antworten kommentiert und einordnet.
Welche Rolle spielte der Weltpostvertrag beim Versand von Waren aus China bis 2019 – und welche Rolle spielt er seitdem?
Grundsätzlich spielt der Weltpostvertrag (WPV) für den weltweiten Postverkehr (und damit auch den Postaustausch mit China) eine zentrale Rolle:
- Ohne den WPV, der völkerrechtlicher Natur ist (Vertragspartner ist die Bundesrepublik Deutschland, die Deutsche Post AG ist mandatiert, die Rechte und Pflichten aus dem WPV wahrzunehmen) wären unzählige bilaterale Abkommen zwischen den Postunternehmen auf der Welt erforderlich – mit entsprechender Komplexität für die Versender.
- Der WPV, der alle vier Jahre aktualisiert wird, legt u.a. fest, welche Produkte die mandatierten Postunternehmen anbieten bzw. zur Zustellung annehmen müssen, definiert technische Standards, wie z.B. für Barcodes zur Sendungsverfolgung – und regelt die „Verrechnungspreise“, welche die absendende Post der zustellenden Post für die Zustellung von Sendungen im Zielland zahlen muss.
- Diese Verrechnungspreise betreffen immer nur den Preis für die Zustellung im Zielland, d.h. es handelt sich NICHT um den Preis „end-to-end“ ab Zielland bis zur Zustellung.
- Geregelt werden auch nur Bedingungen für Postsendungen, nicht aber für Kurier- und Express-Sendungen (z.B. der Integratoren wie der DHL Express und deren Marktbegleiter).
Im Kontext „China“ geht es vor allem um den leichtgewichtigen Warenversand im Briefbereich (Päckchen), wo die Verrechnungspreise „Endvergütungen“ (engl.: Terminal Dues) heißen:
- Endvergütungen werden auf Basis eines sehr komplexen Systems festgelegt und in der Regel aus einer Preiskomponente pro Stück und pro kg gebildet. Zusätzlich wird i.d.R. noch nach Sendungsformaten differenziert.
- In der Vergangenheit wurden dabei im Austausch zwischen wirtschaftlich weiterentwickelten Ländern – gemessen primär am Bruttosozialprodukt pro Kopf – höhere Endvergütungen fällig als für Sendungen im Austausch mit weniger entwickelten Ländern.
- Diese Abstufung wurde eingeführt, um einen Briefaustausch von den weniger entwickelten Ländern in die weiterentwickelten Länder zu erschwinglichen Preisen sicherzustellen.
- Insgesamt wurden die Länder in vier Gruppen eingeteilt; China gehört zur zweitniedrigsten Gruppe. Vor diesem Hintergrund konnte China bis vor einigen Jahren von günstigen Endvergütungen profitieren.
- 2018 wurde erstmals eine eigene, höhere Bepreisung für voluminösere Sendungsformate und alle warentragenden Briefsendungen („Small Packets“, Format E ) vereinbart. Diese Verrechnungspreise sollten bis zum Jahr 2021 harmonisiert werden.
- Der Weltpostkongress 2019 beschloss, dass die Endvergütungen für dieses Format „E“ durch die Mitgliedsländer bzw. Postunternehmen ab 2021 selbst frei festgelegt („self declared“) werden dürfen, wobei für die Preissteigerungen Obergrenzen definiert wurden.
- Daher ergibt sich allein seit 2020 bis 2023 eine Steigerung der von China zu zahlenden Endvergütungen um über 44% (über 140% seit 2009).
- Konkret auf China bezogen nahm die Bedeutung des WPV relativ gesehen in den letzten Jahren eher ab:
- Wir sehen, dass der Anteil der direkt aus China unter den Regeln des Weltpostvertrags eingehenden Sendungen v.a. seit 2021 erkennbar rückläufig ist und vor allem die großen Online-Plattformen verstärkt nationale Versandlösungen, z.B. unsere Warenpost, nutzen.
- Daher ist – rein auf die Sendungsmengen bezogen – die Bedeutung des Weltpostvertrags für den Versand aus China aus unserer Sicht heute geringer als z.B. noch vor 4 Jahren.
Der Bedeutung des Weltpostvertrags als Grundlage des internationalen Postaustauschs tut dies jedoch keinen Abbruch.
Welche Freigrenzen gelten für den Versand von Ware aus China?
Die Freigrenze bei der Einfuhrumsatzsteuer ist zum 1. Juli 2021 weggefallen. Es besteht noch eine Freigrenze bei Zöllen für Sendungen mit einem Sachwert bis 150 EUR. Zu den Abgaben bei Einfuhren aus Drittländern verweisen wir ansonsten auf die Ausführungen des deutschen Zolls auf seiner Website (Zoll.de):
Gibt es innerhalb der EU verschiedene Freigrenzen / Zollabkommen mit China?
Nein – Zollvorschriften, wie z.B. der Unionszollkodex der EU, liegen in der Verantwortung der EU. Die Umsetzung und Überwachung ist dann Aufgabe der Mitgliedsländer.
Wichtig ist dabei auch der oben zitierte Hinweis des Zolls: „Die Wertgrenzen gelten […] unabhängig davon, ob im Rahmen des Weltpostvertrages oder von einem Express- oder Kurierdienstleister befördert wurde.“
Wie haben sich die Mengen an versendeten Paketen nach Europa / Deutschland in den letzten 10 Jahren verändert?
Für Europa insgesamt können wir keine Aussage treffen. Für die Destination Deutschland ist folgendes feststellbar:
- Nach einem starken Wachstum des Imports direkt aus China, welches v.a. von 2018 bis 2021 stattfand, ist seit Mitte 2021 der direkte Versand aus China an deutsche Empfänger erkennbar zurückgegangen.
- Stattdessen werden seither verstärkt nationale Versandlösungen (entweder von Deutsche Post und DHL oder auch Angebote unserer Marktbegleiter) genutzt.
- Für uns gilt aktuell, dass die Mehrheit der „China-Päckchen“ (vormals postalische Importe) jetzt als nationale DHL Paket- bzw. Warenpost-Produkte in unserem deutschen Netz zugestellt wird.
- Ursächlich ist dafür nach unserer Einschätzung eine gesamthafte Entwicklung, die den direkten Versand einzelner E-Commerce-Sendungen über die China Post in die EU für in China ansässige Online-Händler kommerziell zunehmend unattraktiv gemacht haben dürfte:
- Kostensteigerungen durch die gestiegenen Endvergütungen in Verbindung mit während der Pandemie v.a. im Flugverkehr erhöhten Transportkosten
- Verlängerte Laufzeiten beim direkten Online-Handel aus China auf alternativen Transportwegen (Bahn, Schiff) v.a. während der Pandemie und dadurch unzufriedene (weil lange wartende) Besteller
- Höherer Aufwand und gestiegene Kosten durch die Auswirkungen des Unions-Zollkodex.
Wie viel Ware kommt nach Deutschland aus China direkt vs. über Läger im europäischen Ausland?
Uns ist nicht bekannt, wie die Sendungen in den einzelnen Fällen nach Deutschland gelangen, da es verschiedenste Varianten und Spielarten gibt (direkte B2B2C-Lösungen, Versand aus Fulfillment-Lägern etc.). Auch haben wir keine Kenntnis des gesamten Handelsvolumens.
Wenn der Anteil aus dem europäischen Ausland höher ist, warum ist das so? Wie kann es günstiger sein, erst dorthin zu versenden, und dann weiter nach Deutschland?
Hier können wir nur erneut darauf hinweisen, dass die Zustellung auf der letzten Meile (und ausschließlich diese wird preislich über die Endvergütungen im Weltpostvertrag geregelt) nur einen Teil der gesamten Versandkosten ausmacht. Wesentliche weitere Komponenten sind die Linehaul-Kosten, z.B. der Lufttransport, die Kosten der Verzollung usw.. Dabei gibt es viele Einflussfaktoren auf die verschiedenen Kostenkomponenten bei einer „end-to-end“-Betrachtung:
- Große E-Commerce-Plattformen können ihr Volumen nach Europa konsolidieren und sogar eigene Charter-Transporte nutzen, um ihre Sendungen nach Europa zu transportieren. Dadurch bieten sich Kostensenkungspotenziale.
- Die Frachtraten in die europäischen Flughäfen sind sehr unterschiedlich. Das gilt auch z.B. für die Flughafengebühren, die bei jedem Airport unterschiedlich sind.
- Die Verfügbarkeit und Kosten von Verzollungsdienstleistern („Customs Broker“) sind standortbedingt unterschiedlich.
- Wenn große E-Commerce-Plattformen große Sendungsmengen in nationale Zustellnetze einspeisen, können sie von Großkundenkonditionen profitieren, wie andere Onlinehändler mit vergleichbaren Volumina auch.
Hinzu kommen aber auch Aspekte wie die Erwartungen der Empfängerkunden / Besteller:
- Durch eine EU-Sammelverzollung und eine Einspeisung der Sendungen aus europäischen Fulfillment-Lägern kann ggf. eine Laufzeitbeschleunigung erreicht werden.
- Diese Beschleunigung ist ein wesentlicher Treiber für die Wahl des Versandwegs.
- Durch ihre integrierte Fluglogistik können die chinesischen Plattformen ihre Warensendungen innerhalb von 4-6 Tagen in ganz Europa zu den Empfängern bringen.
- Bei einer EU-Sammelverzollung entfallen zudem auch die Kosten einer individuellen Verzollung, die i.d.R. zur Erhebung von Einfuhrabgaben und ggf. einer zusätzlichen Service-Pauschale beim Empfänger führen und somit die Kundenzufriedenheit beeinträchtigen können.
Entscheidend ist also eine Kombination verschiedener Einflussfaktoren.
Verdient DHL mit dem Versand chinesischer Händler nach Deutschland Geld oder wird diese Versandform subventioniert?
Es erfolgt keine „Subventionierung“.
Wie funktioniert die aktuell typische Logistikkette für Ware aus China nach Deutschland (Lüttich, Polen…)?
Das Versandverhalten der China-Versender ist sehr dynamisch, weshalb sich keine „typische“ Logistikkette beschreiben lässt. Neben dem „klassischen“ postalischen Import, der nur noch für geringe Anteile des China-Imports genutzt wird, gibt es folgende grundsätzliche Optionen für B2B2C:
- Hierbei werden Sendungen, die häufig schon in China mit der Adresse des Endempfängers versehen wurden, im „Bulk“ – meist unter Nutzung von Zoll-Brokern – in die EU importiert.
- Die Verzollung erfolgt im Ankunftsland auf einen Repräsentanten des Online-Händlers oder Marktplatzes, der auch die Einfuhrabgaben abführt (d.h. der Käufer / Endkunde hat diese bereits im Check-out bezahlt).
- Danach sind die Sendungen für den Intra-EU-Verkehr freigegeben und können an ein Zustellunternehmen übergeben werden.
- Die Zustellung kann dann über internationale Versandlösungen erfolgen oder es werden nationale Produkte im Zielland genutzt.
- In diesem Modell erfolgt ggf. keine oder nur eine sehr kurze Lagerung der Sendungen.
- Es kann hier auch sein, dass schon einzeln vorbereitete Sendungen nochmals zur Optimierung der Zustellkosten in eine „Sammelsendung“ konsolidiert werden (d.h. der Empfänger erhält eine Sendung, in der sich dann wiederum diverse Einzelsendungen mit Produkten befinden, die er möglicherweise zeitgleich online und bei der gleichen Plattform bestellt hat).
- Bei dieser Variante hat der Marktplatz oder Online-Händler in der Regel auch eine Rücksendeadresse in der EU.
Fulfillment aus Intra-EU-Lägern
Hier hat der betreffende Marktplatz ein (selbst oder durch einen Dienstleister betriebenes) Lager in einem EU-Land.
Die Waren werden in großen Mengen in die EU importiert, die Abgaben werden gezahlt und die Ware wird erst bei Bestellung versandfertig gemacht.
Auch hier wird ggf. IT-unterstützt eine Versandkostenoptimierung betrieben und es wird durch IT-Unterstützung die Nachfrage und damit die eingelagerten Waren prognostiziert.
Dies sind grundsätzliche Varianten – daneben wird es noch weitere „Spielarten“ oder Kombinationen aus diesen Optionen geben, was aber den Rahmen sprengen würde.
Wer ist Vertragspartner der DHL, wenn die Ware aus dem EU-Ausland kommt? Temu?
Zu Kundenbeziehungen machen wir grundsätzlich keine Angaben. Als Vertragspartner kommen aber z.B. in Frage:
a) andere europäische Postunternehmen
b) chinesische Online-Händler oder Marktplätze
c) Konsolidierer.
Was kostet der Versand CN nach DE und DE nach CN?
Diese Frage lässt sich so nicht beantworten, da – wie oben erläutert – der Weltpostvertrag nur die Verrechnungspreise für die Zustellung im Zielland umfasst, die Versandkosten „end-to-end“ aber noch viele weitere Komponenten und Faktoren der Preisbildung enthalten, die sehr unterschiedlich ausfallen können. Dies sind z.B. Sendungsformat und -gewicht,
Versandservice (z.B. mit / ohne Sendungsverfolgung), Transportmodus (Air / Surface) und davon abhängige Kosten, Individuelle Margen der Beteiligten.
Außerdem haben wir keine Kenntnis darüber, welche Geschäftskundentarife z.B. China Post ihren Kunden in China anbietet oder welche Frachtraten die verschiedenen Airlines den großen Plattformen in Rechnung stellen. Wir bitten auch um Verständnis, dass wir zu unseren eigenen Kosten keine Auskunft geben.
Vielleicht hilft aber folgende Einordnung: Die Vergütung, die wir aktuell gemäß Weltpostvertrag von der China Post für eine sehr leichte Briefsendung mit Wareninhalt (ohne Tracking) erhalten, liegt zwischen dem innerdeutschen Einzeltarif für zwei vergleichbare nationale Versandlösungen, nämlich einem Großbrief (EUR 1,60) und einer Bücher- & Warensendung 500 (EUR 1,95)
Ist DHL auf EU-Ebene engagiert, um für eine ordnungsgemäße Verzollung / Besteuerung zu sorgen?
Aufgrund unserer hohen Compliance-Standards, die für die gesamte DHL Group gelten, arbeiten wir eng mit den Behörden zusammen, um die Einhaltung der relevanten Vorschriften sicherzustellen.
Gibt es analog zur „DHL GoGreen Bewegung“ eine Art „DHL Stop Fraud Initiative“?
Vorab: GoGreen ist die Marke der DHL Group für unser Serviceangebot an klimafreundlichen bzw. klimaneutralen Versandlösungen.
Die Beurteilung, ob in die EU eingeführte Waren einwandfrei sind und den EU-Regularien entsprechen, obliegt den zuständigen Behörden. Als Postdienstleister unterliegen wir strengen Einschränkungen, was insbesondere auch die Kenntnis vom Inhalt einer Sendung betrifft.
Zwischen welchen Formen der Logistik muss man unterscheiden, um die Preisführerschaft der chinesischen Anbieter zu erklären? (untracked vs. tracked…)
Falls tatsächlich eine Preisführerschaft chinesischer Anbieter bestehen sollte, könnte dies nach unserer Einschätzung an folgenden Faktoren liegen:
a) der Fähigkeit, Daten und IT effektiv und effizient zur Optimierung der Versande zu nutzen.
b) (sehr) niedrigen (Herstell-) Kosten der angebotenen Produkte, die es möglicherweise erlauben, Teile der Versandkosten in die Endkundenpreise zu integrieren und so „optisch“ einen günstigen oder gar kostenlosen Versand zu suggerieren.
Ein Hinweis zu „untracked“ und „tracked“, die beide keine „Formen der Logistik“ darstellen, sondern unterschiedliche Services bei Versandlösungen sind:
a) „Tracked“ – also ein Versand mit Sendungsverfolgung – wird immer mehr zum Standard.
b) Vor allem für geringwertige Güter wird jedoch auch weiterhin der Versand ohne Sendungsverfolgung („untracked“) nachgefragt.
Die beschriebenen Logistiklösungen erlauben sowohl den Versand von getrackten als auch von nicht getrackten Sendungen.
Dieser Podcast wird unterstützt von Husqvarna Forst & Garten.
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