DistanzhandelDiese Frage, nein, diese Behauptung stellt Thomas Koch in einem aktuellen Beitrag in der Wirtschaftswoche in den Raum. Im E-Commerce ist Thomas Koch bisher nicht aufgefallen, aber er ist durchaus bekannt durch seinen Mr. Media Blog in der W&V. Die von ihm genannten Argumente finden sich in vielen aktuellen Diskussionen, u.a. auch in einer Jauch Sendung zum Thema E-Commerce. Der Tenor dahinter klingt immer ein wenig nach: „Bald ist Schluss mit diesem E-Commerce Quatsch.“ Die älteren Leser von Kassenzone können sich vielleicht noch an einen ähnlichen Spruch erinnern, den man vor ein paar Jahren von Kutschfahrern hören konnte. „Noch mehr Automobile? Auf keinen Fall! So viele Straßen gibt es ja gar nicht.“ Ich sehe selbst viele Gründe, warum E-Commerce in Zukunft langsamer wachsen könnte, bzw. warum es in einigen Bereichen zu ruckartigen Konsolidierungen kommen könnte, aber die von Thomas Koch aufgezählten Argumente sind leider nur die eines Milchmädchens. Warum?

Argument 1: Die Retouren töten den E-Commerce

[…] Zunächst belastet das Thema Rückläufe die Branche nach wie vor. Kostenloser Versand wie auch die  ebenso kostenlosen Retouren führten gerüchteweise zu Rücklaufquoten von bis zu 70 Prozent. […] Doch bei zu hohen Retourkosten griffen Händler wie Amazon bereits drastisch durch und sperrten Kunden die Konten, was jedoch die Verbraucherschützer auf den Plan rief, die Amazon dafür kurzerhand abmahnten. […]

Was soll man dazu noch sagen. Retouren sind nun mal ein Teil des Systems. Möbel liegen bei 5-10%, Jeans auch gerne mal bei 80%. Wenn Käufer mehr zurücksenden, dann wird es wohl teurer oder es gibt Mechanismen, die Retouren begrenzen, aber ich verstehe nicht, warum das den E-Commerce in Summe bremsen sollte. Im Gegenteil. Retouren sind ein Wachstumstreiber für den E-Commerce.

Argument 2: Die Paketdienste geben auf

[…] Damit nicht genug, entfachen die Paketdienste nun eine Diskussion um die Anlieferung selbst. Kostendeckend arbeiten sie nur, wenn es ihnen gelingt, das Paket beim ersten Stopp abzuliefern. Doch die eifrigsten Online-Besteller, Singles und Berufstätige, treffen sie selten an […]

Ja und? Dann kostet Amazon Prime bald mehr Geld, oder Hermes & DHL entwickeln mal klügere Zustellkonzepte oder incentivieren die Lieferung in den Paketshop. Hermes & DHL profitieren doch am meisten vom E-Commerce. Die werden sicher nichts tun, um das Wachstum zu bremsen. Je stärker der Markt wächst, desto effizienter können sie ausliefern. Bessere Planung macht es möglich. Weniger Leerfahrten….

Argument 3: Die Umwelt leidet

[…] Umweltbewusst, wie sich viele Verbraucher zeigen, sind die derzeitigen Steigerungsraten im Onlinehandel ohnehin schwer zu rechtfertigen. In der Vorweihnachtszeit war es kein Einzelfall, wenn an einem einzigen Tag die diversen Paketboten bis zu fünfmal vorfuhren. […]

Dazu habe ich in meinem Beitrag zu „E-Commerce ist unfair und macht einsam“ schon ein Rechenbeispiel gegeben. Das Gegenteil ist der Fall. Zentrale Belieferung ist viel umweltfreundlicher als mit dem Auto zum Shoppingcenter zu fahren. Wenn mehr Leute Bus fahren würden, dann gäbe es auch mehr Busse. Die fahren sogar öfter, wenn die Nachfrage dafür da ist. Verblüffend.

Argument 4: Die Innenstädte gehen kaputt

[…]Nun greifen auch die Städte ein. Zahlreiche innerstädtische Geschäfts- und Wohnstraßen sind den ganzen Tag über dermaßen von den Auslieferungsfahrern zugestellt, dass es kein Durchkommen mehr gibt. NRW-Verkehrsminister Michael Groschek meint dazu, „das Sofa-Shopping“ sei die neue grüne Wiese, die Innenstädte kaputtmache.[…]

Mit dem Argument trifft Michael Groschek die Tonalität von Lovro Mandac. Viele stationäre Konzepte sind Amazon & Co. leider deutlich unterlegen. Aber warum genau sollte das den E-Commerce bremsen? Auch hier passiert das Gegenteil. Schon jetzt stehen in besten Lagen in vielen Klein- und Mittelstädten früher begehrte Lagen leer. Das sieht schlecht aus und ist schlecht fürs Geschäft. Jetzt gehen die Leute in diesen Orten direkt online einkaufen, weil die Innenstadt unattraktiver wird.

Argument 5: Der Kunde ist dumm

[…] Die Online-Kunden sitzen bequem auf ihren Sofas und an ihren Rechnern und würden sich am liebsten alles, selbst die Lebensmittel, nach Hause liefern lassen. Dass dies einmal – und so frühzeitig in der noch jungen Entwicklung des „interaktiven Handels“ – an sehr praktische Grenzen stoßen könnte, daran hat scheinbar niemand gedacht.[…]

Aber dank der klugen Milchmädchen sagt sich der Kunden jetzt: „Verdammt, Sie haben Recht. Ich geh jetzt doch wieder in den Mediamarkt und kaufe Bücher bei Thalia. Ich will, dass alles wird wie früher.“ Jetzt wo ich das so lese… ganz sicher.

Disclaimer: Das Richtige tun.

Ja, ich verdiene im E-Commerce mein Geld, aber ich empfehle niemanden im E-Commerce aktiv zu werden, wenn es bessere Optionen gibt. Viele Händler sind gut beraten genau zu überlegen, ob und wie sie sich im E-Commerce engagieren. Was ich auf jeden Fall aber fatal finde, ist es gar nichts zu tun und nur abzuwarten. Und genau das ist ja die indirekte Empfehlung von Thomas Koch. Warte ab! Alles wird gut. Ich bin selber als Händler verschiedener Produkte aktiv, die ich ehrlich gesagt nur handeln kann, weil es E-Commerce überhaupt gibt.


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Es gibt in der Tat viele Fragen, die man sich im E-Commerce stellen muss und die zum Nachdenken anregen. Einige davon sind: Dient die Optimierung der Onlineshops nur noch dazu bei Google höhere Klickkosten tragen zu können? Welche USPs haben eigentlich die fast 250.000 Onlineshops in Deutschland? Wer braucht die? Was sind sinnvolle Handelsstrategien in einer Welt, die von Amazon beherrscht wird? Wenn noch nicht mal ein super Konzept wie Globetrotter in diesem Umfeld stabil läuft, was dann? Ist Handelskompetenz im E-Commerce überhaupt noch notwendig? Diese Fragen sind Bestandteil des Digital Commerce Day am 8. April in Hamburg, den ich zusammen mit Prof. Dr. Holger Schneider organisiere. Noch 50 Tickets sind zu haben.

Wer an die Argumente von Thomas Koch glauben will, der ist beim DCD nicht gut aufgehoben. Da hätte ich aber noch die folgende Leseempfehlung über früher mal spannende Jobs.

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