Ich muss zugeben, dass ich bei meinem Vortrag im Rahmen des hervorragend organisierten Handelsimmobilienkongresses 2014 in Berlin die Befürchtung hatte, nur noch Banalitäten aus Sicht der Zuhörer zu verkünden. Nichts liegt mir ferner als Konferenzgäste zu langweilen. Das können andere viel besser als ich. Aber die kürzlich erschienene Pressemeldung des HDE – dem Sprachrohr des (stationären) Handels – war erschreckend eindeutig in ihrer Aussage. Sie spiegelte bereits 1:1 meine Thesen:
„Der boomende Online-Handel sorgt dafür, dass viele oft seit Jahrzehnten bewährten Konzepte im stationären Handel neu gedacht werden müssen“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Vor allem in den Innenstädten seien neue Ideen und Konzepte gefragt. Denn der Online-Handel sei bislang insbesondere mit innenstadttypischen Produkten erfolgreich.
Dazu hat mit Alain Caparros, CEO Rewe Group, ein echtes Handelsschwergewicht in letzter Zeit mehrfach betont, dass der Onlinehandel den stationären Modellen in Zukunft das Leben schwer machen wird. Man müsste etwas tun. Man müsste zumindest ernsthaft experimentieren, auch wenn heute noch nicht ganz klar ist, was morgen funktionieren wird.
Caparros will auch das Online-Geschäft ausweiten. Einerseits, um Anbietern wie Amazon die Stirn zu bieten, aber auch um Marktführer Edeka zu überholen. Derzeit liefert Rewe Online in sieben Städten Waren aus den Filialen. Rewe beteiligt sich deshalb – wie Konkurrent Tengelmann – an Internetfirmen, um von den „verrückten Nerds“ zu lernen, so Caparros. Er fordert ein Umdenken im eigenen Konzern. Die „hemdsärmeligen Händler“ müssten davon überzeugt werden, dass Rewe die „Internet-Jungs“ brauche und deshalb finanziere. „Sie sind unsere Zukunft.“
Meine Furcht war unbegründet. Einige der ca. 200 Teilnehmer fanden doch ausreichend Möglichkeiten, sich am meinen Thesen zu reiben. Mein nachfolgender Redner, Lovro Mandac, der CEO von Kaufhof, hat sich dieser in seinem Vortrag sofort angenommen und das stationäre (Kaufhof) Modell munter verteidigt. Ich habe zwar meine Zweifel, dass sich aus der 125-jährigen Unternehmenshistorie von Kaufhof, dem Hinweis auf zwei überstandene Weltkriege, der Forderung nach Waffengleichheit („Samstags 22.00 Uhr muss halt die Daddelkiste ausgemacht werden.“), der Belustigung über sogenannte „Experten“ und diversen Hinweisen auf die soziale und architektonische Funktion von Kaufhäusern in Städten auch nur ansatzweise begründen ließe, warum dieses Handelsmodell nicht durch den E-Commerce bedroht ist, aber fairerweise sieht Herr Mandac meine Argumente andersherum sicherlich ähnlich zweifelhaft.
Zu meiner großen Freude hat Dr. Christian Mielsch, Finanzvorstand der Rewe Group, der den erkrankten Alain Caparros vertreten hat, im Anschluss von Lovro Mandac einen denkwürdigen Vortrag zur Zukunft des stationären Handels gehalten. Sinngemäß:
„Wir fragen uns, welche Konzepte in Zukunft an den Standorten neben Penny & Rewe für Frequenz sorgen, wenn Schuhhändler, Drogerien und Technikmärkte ihren Umsatz an das Internet verlieren.“
Das sind u.a. die Themen, die wir in wenigen Wochen auf der K5 Cruise in illustrer Runde diskutieren werden. Das wird großartig. Wenn nicht, gehen wir halt alle in den Vergnügungsbereich des Schiffs. Wer wissen will, mit welchen Charts Lovor Mandac nicht 100%-ig einverstanden war, der kann sich hiermit auch selber ein Bild von der Präsentation machen. Ich habe zum einfacheren Verständnis die Folien mit kleinen Sprechblasen kommentiert.