Ich kenne Sebastian bereits seit vielen Jahren und wir haben schon oft über die Digitalisierung des Maklergeschäfts gesprochen. So richtig viel passiert ist in dem Bereich scheinbar nicht. Ob das wirklich so ist, ob WeWork in Wahrheit ein reines Immobilienmodell ist und was noch so passiert in der Welt der Protechs, besprechen wir in dieser Folge des Podcasts. Laut seiner Einschätzung profitieren die „guten“ Makler gerade enorm von der Digitalisierung, während die „schlechten“ entweder Geschäft an automatisierte Plattformen oder an die „guten“ Makler verlieren. So oder so muss aber auch in dieser Szene gerade niemand wirklich Angst um seinen Job haben.
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Welche Auswirkungen auf den Immobiliensektor bringt die digitale Transformation mit sich? Braucht man online noch Makler? Sind Co-Working-Anbieter doch in Wirklichkeit nur Spekulanten? Über diese – und andere Fragen – spricht Alex mit Sebastian vom weltgrößten Immobilienmakler Remax im Kassenzone-Studio, das sich passenderweise im sündhaft teuren Hamburg befindet…
„Es ist interessant, wie lange der ‚digitale Tornado‘ spurlos an uns vorbeiwütete.“
2:30
Alex: Von der Maklerindustrie bekamen viele in den letzten Jahren wahrscheinlich höchstens die Umstellung auf das Bestellerprinzip mit. Oder sie suchten in ohnehin schwierigen Märkten wie Hamburg oder München eine Wohnung und mussten 5% Aufschlag zahlen. Vor allem Letzteres führt zu großem Unverständnis… Vielleicht kannst du uns den Markt in Deutschland erst einmal beschreiben?
Sebastian: In Deutschland gibt es ca. 65.000 Immobilienmakler, die in rund 35.000 Betrieben organisiert sind – was sehr interessant ist. Der Markt ist nämlich, wenn man das durchrechnet, von Kleinstbetrieben geprägt. Diese Zahlen sind allerdings insofern mit Vorsicht zu genießen, als der Markt gerade in Deutschland sehr fragmentiert ist. So gibt es viele kleinere Verbände, die nicht so gut miteinander abgestimmt sind.
Auch spannend: Sowohl in Deutschland als auch in Europa wechseln rund die Hälfte der Objekte noch ohne Makler den Besitzer. Verglichen mit Nordamerika ist das wenig: Dort werden gerade mal 10% der Objekte ohne Makler transferiert.
Alex: Über was für ein Marktvolum reden wir in Deutschland?
Sebastian: Das lässt sich sehr schwer sagen. Die Maklercourtage ist ja Verhandlungssache. Das führt vor allem bei Bündelverträgen zu Sonderkonditionen – gerade im Lichte des neulich in Kraft getretenen Bestellerprinzips im Vermietungsbereich.
Alex: Ist es noch lohnenswert heute, Immobilienmakler zu werden?
Sebastian: Es kommt darauf an. Da trennt sich gerade der Spreu vom Weizen. Sehr gute Professionelle, die den Markt verstehen und stark kundenorientiert arbeiten, räumen den Markt für sich auf. Für die Guten gibt es nach oben keine Grenze! Und sie leben ausschließlich von Mundpropaganda.
Alex: Aber sagen wir mal, du bist Schulabgänger und überlegst dir, ob du studierst, zur Bundeswehr gehst oder eine Lehre machst – etwa eine Maklerlehre. Kann man das empfehlen? Ist das Wachstumspotenzial im Markt gut genug oder werden die Makler in der digitalen Transformation aus dem Geschäft gedrängt?
Sebastian: Es ist so: Immobilienverkauf oder -erwerb ist ein komplizierter Prozess, den man nicht jeden Tag abwickelt. Wer es versteht, den Kunden mit Fachwissen und Knowhow durch die Schwierigkeiten durchzuführen und ihm Komplexität abzunehmen, hat da sehr gute Chancen. Dabei muss man gerne mit Menschen zusammenarbeiten und Beziehungen aufbauen können. Dann ist es nach wie vor ein lohnenswertes Geschäft.
(Alex leitet aus den Zahlen ab, dass es – abgesehen von wenigen großen Firmen – viele Einzelunternehmer gibt. Was mache so eine große Firma wie Remax, um Makler anzubinden? Sebastian erzählt aus der Firmengeschichte von Remax in den USA: Das Konzept des Franchise sei seit jeher stark auf solche Einzelunternehmer ausgerichtet, die entlastet werden sollen, damit sie sich aufs Kerngeschäft konzentrieren können.)
9:30
Alex: Was für Service braucht denn so ein Makler?
Sebastian: Das Eine liegt in Themen wie Marketing-Support, IT und all das, was man braucht, um ein Geschäft betreiben zu können. Das Andere ist Lead-Generierung, was sehr viel besser im Verbund organisiert werden kann, als wenn ich das selber machen muss.
Alex: Stellen wir uns mal vor, ich mache bei mir in Kiel als Makler auf und bringe meine Kontakte dazu, mir ihre Immobilien anzuvertrauen und ihre Anfragen für Kauf und Anmietung an mich zu vergeben. Ich habe eine Webseite – Nennen wir sie mal „Kassenzone“ – und damit mache ich ein bisschen SEO, SEA und Google Local Marketing. Wenn jemand also eine Wohn- oder Gewerbeimmobilie in der Nähe sucht, kommt er zu mir. Was wäre denn dein Argument als Remax-Vertriebsmitarbeiter, mich auf eure Plattform zu ziehen? Ich meine, da werde ich bestimmt etwas von meiner Marge an euch abgeben müssen. Läuft mein Geschäft dafür besser?
Sebastian: Ja, der große Hebel dabei ist, dass man sehr viel erfolgreicher werden kann, was damit stark zusammenhängt, dass wir immer mehr Makler zu uns führen. Daraus ergibt sich eine Mehrfachpotenzierung.
Alex: Achso, also nur mich in Kiel zu haben, hilft nicht, aber wenn ihr fünf Makler da habt, entfalten sich Synergieeffekte. Das kann ich auch nachvollziehen. Aber was unterscheidet euch den von anderen, die das versuchen? Oder gibt es so wenige solche Konglomerate im Markt?
Sebastian: Tatsächlich gibt es noch wenige. Und wenn man sich anschaut, wie leicht es ist, Marktführer zu werden – Da reichen nämlich 2-4% –, dann sieht man, wie zersplittert dieser Markt ist. Daraus lässt sich auch ablesen, wie schwer es solche Einzelbetriebe haben.
Am Wichtigsten an der Stelle: So eine bekannte und gut geführte Marke hilft mir sehr als Einmannbetrieb. Ich habe dadurch einen sehr viel größeren Sprungbrett. Wo wir helfen können, ist aus solchen kleinen Betrieben wachsende Unternehmen zu machen, die dann wiederum größere Teams beschäftigen. Ohne Unterstützung den Pfad einzuschlagen, ist als Einzelner nämlich wahnsinnig schwer. Müsste man sich doch um alles gleichzeitig kümmern.
(Alex erinnere das stark an den Optikermarkt, der so kleinteilig war und von Franchises wie Fielemann und Apollo aufgerollt werden konnte. Da brauchte es nicht mal eine digitale Initiative: Konsolidierung im vorhandenen Markt reichte für Wachstum.)
14:30
Alex: In den letzten Monaten ist immer wieder von PropTech die Rede. (Ich würde mittlerweile übrigens auch WeWork als PropTech-Unternehmen bezeichnen.) Passiert da auch viel? Eigentlich müsste das ganze Geschäft doch schon ImmoScout gehören, oder?
Sebastian: Da passiert gerade sehr viel. Je nach Definition gibt es in Deutschland gerade ca. 300 PropTechs, was allerdings alles von der Immobilienbewertung bis Instandhaltung und eben Maklersoftware umfasst. Was interessant ist, ist wie lange der „digitale Tornado“ spurlos an unserer Industrie vorbeiwütete: Buchmarkt, Musikmarkt – aber bislang zog er an Immobilien vorbei. Das ändert sich gerade.
Alex: Warum denn jetzt gerade?
Sebastian: Zwei Gründe spielen hier wohl eine Rolle. Erstens: Wenn man sieht, um wieviel Geld es geht, ist es ein hochattraktiver Markt. Deswegen spielen auch große Player wie Google und Amazon immer wieder sehr stark darauf. Zweitens: Speziell in Deutschland mit der regulatorischen Veränderung sind die Dinge in Bewegung geraten. Viele Makler, die sich bisher sehr stark auf das Vermietungsgeschäft konzentriert haben, haben hier aufgegeben. Jetzt kommen nach der Umstellung auf das Bestellerprinzip viele in den Markt, die sagen: „Das kann man doch alles viel besser standardisieren und automatisieren – vom Anwerbeprozess bis zum Abschluss!“
Was man auch über die letzten vier-fünf Jahre beobachten konnte: Einige von den PropTechs, die hochkamen, sind wieder verschwunden. Manche wollen Makler komplett ersetzen, andere arbeiten mit den Maklern. Und die Tendenz zeigt, dass sich Letztere etwas besser entwickeln.
(Bevor es weitergeht, bittet Alex Sebastian die Einführung des Bestellerprinzips zu rekapitulieren. Kernfrage sei: „Wer bezahlt eigentlich diese Leistung“, sagt Sebastian und erklärt wie es zur Gesetzesänderung im Vermietungsmarkt kam. Der Effekt auf dem Markt sei nicht so groß ausgefallen, wie vielerorts erwartet, da nach anfänglicher Aufkündigung der Makler, die sie nun bezahlen müssen, viele Vermieter gemerkt haben, was für ein Aufwand hinter der Vermarktung einer Wohnung steckt – und welche Risiken die Vermietung birgt.
Das Bestellerprinzip wird demnächst ebenfalls beim Kauf eingeführt. Hier lohne sich der Blick nach Nordamerika, so Sebastian: Sowohl Käufer als auch Verkäufer haben fast immer Makler und die Courtage wird zwischen beiden Parteien geteilt. Danach beschreibt Sebastian das US-System MLS, das zu einer sehr hohen Markttransparenz führe. Jeder, der ein Objekt neu listet, ist verpflichtet, bei einem der regionalen MLS die Daten aufzugeben.)
23:05
Alex: Wenn ich in Deutschland was suche, ist mein erster Kontakt eigentlich ImmoScout. Dann gibt es auch noch Immonet. Das sind Quasi-Monopolisten, die den Markt eigentlich supergut disrupten könnten! Sie sind ja Plattformen, die den Kontakt sowohl zum Käufer bzw. Mieter als auch zum Verkäufer bzw. Vermieter haben. Warum automatisieren sie den Prozess zwischen ihnen nicht? Oder anders gefragt: Warum sind die Makler da überhaupt noch präsent?
Sebastian: Das hat verschiedene Gründe. Die Plattformen haben es auch versucht und haben noch Services im Angebot, die klar auf Makler abzielen. Aber wenn man es mal runterbricht, ist es schlussendlich stark eine Webeplattform. Ich bezahle Geld, damit ich dort eine Immobilie sichtbar machen kann. So ist der Kunde nicht der Endkunde, die sucht, sondern derjenige, der listet.
Das hat natürlich eine ethische Komponente, weil als Suchende meine Interessen eigentlich gar nicht wahrgenommen werden. So stellen mal mehrere Makler dasselbe Objekt auf die Plattformen. Die Plattformen versuchen das zwar zu unterbinden. Das fällt ihnen aber schwer, weil die Makler hier geschickt vorgehen und modifizieren den Preis oder die Größenangabe leicht. Für mich als Kunde, der sucht, ist das extrem mühsam: Ich weiß dann nicht mehr, was richtig ist – und verstehe nicht, warum da unterschiedliche Preise hängen. So muss man feststellen: Das alles ist nicht im Sinne des Endkunden gedacht. Solche Plattformen sind halt eine äußerst dankbare Melkkuh.
Alex: Wenn viel zu holen ist: Warum hat sich dann Google nicht im Markt etabliert? Zumal GoogleMaps und die 3D-Karten unfassbar gute Möglichkeiten eröffnen, Objekte gut darzustellen. Dann haben sie auch noch die ganzen Bewegungsdaten sowie andere Informationen über Nutzer.
Sebastian: Aus meiner Sicht ist es so, dass ein Unternehmen wie Google es immer noch in sich hat, zum größten Wettbewerber für Immoscout zu werden, weil sie tatsächlich deutlich besser aufgestellt sind…
Alex: „Wäre wäre, Fahrradkette!“ Warum ist es noch nicht passiert?
Sebastian: Google hat schon Versuche im Immobiliengeschäft gestartet und hat jetzt gerade jobs.google.com gelauncht. Das Konzept ist hier, den Mittelmann auszuschalten. So ist es, glaube ich, nur eine Frage von „Schalter umlegen“, bis Google so etwas mit Immobilien macht. Nichtdestotrotz hat Google bei allen Vorteilen, die sich aus Geodaten ziehen ließen, ein ganz großes Problem, das auch alle andere haben: Sie haben nicht die realen Verkaufsdaten. Es fehlen ihnen die historischen Daten, die den Markt beispielsweise in den USA so transparent machen. Da kann jeder sehen, zu wie viel das Objekt auf der anderen Straßenseite zu wann verkauft wurde.
Immoscout & Co. haben aber nur die Angebotsdaten, von denen die Verkaufsdaten dann meistens abweichen. Und an dieser Stelle kommt Playern wie Engel & Völkers oder eben Remax eine Rolle zu, weil sie auch auf die Abschlussdaten zugreifen können, die sie ja haben.
(Insgesamt sieht Alex durch die beschriebenen Entwicklungen eine große Gefahr heraufziehen für das Immobiliengeschäft, wie es heute aufgestellt ist. Betroffen werden wahrscheinlich die kleinen Makler sein, mutmaßt Alex. Sebastian wendet ein, dass die derzeitige Knappheit an Objekten alle im Geschäft schütze. Solle das sich aber ändern, schickt er hinterher, stünde dann tatsächlich eine große Marktbereinigung an. Daraufhin erzählt Alex, wie es zum Gespräch kam: Er kenne Sebastian unter anderem deswegen, weil er immer auf der Suche nach Büroflächen sei.)
31:50
Alex: Angesichts der Knappheit an Gewerbefläche in Ballungsräumen muss es Anbieter geben, die davon profitieren. Mir springt da WeWork ins Auge: Es mietet mit Skalenvorteile große Bürogebäuden an und vermietet sie teurer weiter. Und wenn man Presseberichten Glauben schenkt, ist diese ganze Community-und-Vermietungsgeschichte eigentlich nur eine günstige Art, die Immobilien zu betreiben, um in der Zwischenzeit auf Wertsteigerung zu wetten. Wie siehst du das?
Sebastian: Wir sehen viele spannende Entwicklungen in den Ballungszentrum. Zum einen das ganze Thema Einzelhandel: Es wird schwieriger, stationäre Fläche zu vermarkten. Gerade das Modell Einkaufsstraße/Shopping-Mall ist im Umbruch: Es reicht nicht mehr, ein paar große Marken reinzuholen. Denn davon gibt es mittlerweile so viel, dass wir uns eher in einem Verdrängungswettbewerb befinden. Dann gibt es natürlich den Druck vom Online-Handel, der dazu führt, dass immer weniger Leute in den Laden gehen. Das ist ja auch immer wieder Thema bei dir auf Kassenzone!
Alex: Hast du da Daten für mich? Wir haben auf Bürosuche in Hamburg gesehen, dass man jetzt über viele Läden die zweite oder dritte Etage gut mieten kann. Sie wird ja nicht mehr als stationäre Handelsflächen gebraucht. Ziemlich abgefahren, in der Mönckebergstraße zu sitzen und auf die ganzen Fußgänger zu gucken…
Sebastian: Als nicht auf Gewerbe spezialisierter Makler fehlt mir da ehrlich gesagt die Datenbasis. Die Makler, die ausschließlich Einzelhandelsfläche machen, haben den besseren Einblick…
Alex: … aber denen geht es wohl nicht so gut.
Sebastian: Nein, denen geht es überhaupt nicht gut. Wobei das auch von ihrem Konzept stark abhängig ist. Man merkt, dass sich die Rolle eines Immobilienvermittlers ändert. Wer nur vermittelt, wird leiden. Wer aber die Umwidmung von Flächen A1-Lagen für sich zu nutzen weiß, kann Erfolg haben. Zumal in Ballungszentren wie Berlin, Hamburg und München gerade so ein Druck auf Gewerbeimmobilien in den Stadtmitten entsteht, weil alle möglichst zentral ihre Büros haben wollen. Die Lage spielt eine so große Rolle bei Erreichbarkeit und Mitarbeiterattraktivität, dass viele bereit sind, deutlich höhere Preise zu zahlen, nur um den richtigen Standort zu haben.
Alex: Gute Zeiten für Büroflächenvermittler.
Sebastian: Dabei ist das Interessante, dass – gerade in Zeiten, in denen überall über Sharing-Modelle nachgedacht wird, etwa in der Autoindustrie – Mieter von Büroflächen aufgrund der im Markt vorherrschenden Knappheit sehr unvorteilhafte Verträge mit sehr langen Laufzeiten bekommen, obwohl sie heute eine ganz andere Agilität benötigen. Sich vergrößern, sich verkleinern, mal umziehen: All das wird quasi per Vertrag ausgeschlossen.
(Alex fragt, ob dieses Bedürfnis nicht zu einer weiteren Ausbreitung von Konzepten wie WeWork führen sollte? Sebastian stimmt zu und zeigt sich verwundert, dass nicht noch mehr Anbieter in den Markt einsteigen. Allerdings macht er Risiken aus: WeWork & Co. wetteten auf steigende Preise für Büroflächen bei gleichbleibender Nachfrage, denn sie mieten langfristig an und vermieten mit sehr kurzen Kündigungsfristen. Komme eine Rezession, könne das Modell schnell kippen. Alex ist sich allerdings nicht sicher, ob ein Konjunkturabschwung nicht doch zu noch höherer Nachfrage für schneller kündbare Bürofläche führen könnte. Und da habe WeWork Expertise in der flexiblen Vermietung, die viele Vermieter von Gewerbefläche nicht hätten. Sebastian unterstreicht die Bedeutung des Convenience im Konzepts: Unternehmen schätzten bei WeWork, dass sie weder auf zehn Jahre unterschreiben noch aufwändig einrichten müssten.)
40:05
Alex: Abgesehen von WeWork, das für einigen Wirbel gesorgt hat, gibt es sonst noch Neuigkeiten im Immobilienmarkt, die dich überrascht haben?
Sebastian: Aus dem USA – und von dort schwappen früher oder später viele Konzepte zu uns rüber – finde ich sogenannte „iBuyer“-Modelle interessant – auch „instant cash“-Modelle genannt.
Alex: Klingt schon einmal sehr vertrauenserweckend!
Sebastian: Die Idee ist – einfach erklärt –: Ich will irgendwo hinziehen und muss mich nicht nur um den Verkauf meiner alten Immobilie sondern um den Ankauf einer neuen kümmern. Da können IBuyer-Modelle meine jetzige Immobilie auf Basis realer Marktdaten, die es in Deutschland so nicht gibt, sofort auswerten und ankaufen. Sie können auch mit mir ein neues Objekt kaufen, was erstmal ihnen gehört, bis die Erlöse aus dem alten Objekt kommen.
(Alex zieht ein Vergleich zu Unternehmen, die Fluggäste ihre Erstattungsrechte auf verspäteten Flügen abkaufen. Für Sebastian sei es im Immobiliengeschäft etwas komplizierter aufgrund der hohen Summe und der Tatsache, dass iBuyer Objekte zwischen An- und Verkauf aufwerten, um ihre Marge zu verbessern.
Da kommt das leidige Thema Nebenerwerbskosten in Deutschland zur Sprache. Alex ist überrascht, dass es neben der Grunderwerbssteuer oft eine Maklercourtage von bis zu 6,5% des Verkaufspreises geben kann. Diese hohen Kosten erschweren iBuyer-Modelle in Deutschland, weil es dann zu einer Verdoppelung dieser Nebenerwerbskosten kommt. Andernorts in Europa könnten solche Nebenkosten auf bis zu 20% ansteigen, sodass man sich dreimal überlegt, wie oft man eine Immobilie „dreht“.)
45:40
Alex: Gibt es in der PropTech-Szene denn andere spannende Modelle?
Sebastian: Das, was die größte Auswirkung auf die Immobilienbranche in Europa haben wird: Ich sehe Überlegungen unter Maklern, ob es doch nicht gut wäre, im Rahmen eines MLS-ähnlichen Systems zu kooperieren. In Spanien zum Beispiel waren wir bei Remax der starke Treiber, Wettbewerber ins Boot zu holen, um eine Datenbasis zu schaffen, in der alle Objekte samt historischer Daten einsehbar sind. So kann man bessere Bewertungen durchführen und ein höheres Niveau an Kundenservice anbieten.
Alex: Diese Initiative kommt also nicht vom Staat?
Sebastian: Nein. Es hat auch schon in der Vergangenheit Initiativen von Unternehmern gegeben, so etwas aufzubauen. Was aber da unterschätzt wird: Bei aller Globalität handelt es sich bei Immobilien schlussendlich immer noch um ein sehr lokales Geschäft. Deswegen gibt es auch 600-700 von diesen MLS-Systemen in den USA, weil die Kompetenz regional angesiedelt ist. Da kann der Makler auch glänzen, weil er diese lokale Expertise hat. Er ist eben derjenige, der die Details im Markt über das jeweilige Objekt hinaus kennt: Wo sind gute Schulen? Wo ist die Kriminalität höher? Wo entstehen neue Viertel?
Alex: Aber in USA ziehen Familien sehr viel öfter um, als in Deutschland, oder nicht? Da ist die Notwendigkeit eines solchen Systems höher, als hierzulande.
Sebastian: Ja, dafür ist bei uns in Deutschland und Europa das Thema Mieten/Vermieten viel stärker. In USA ist der Prozentsatz der Leute, die zur Miete wohnen, extrem gering. Von Jung an versucht man eine Immobilie zu kaufen. Wenn ich dann umziehen muss oder will, führt es fast automatisch dazu, dass man seine alte Immobilie veräußert und sich dafür eine neue kauft. Bei uns in Deutschland findet das höchstens zwei-, dreimal im Leben statt – und dort fünf- bis zehnmal.
(Alex fasst das Gespräch zusammen: Die Aussichten für Makler und vor allem Geschäftsmodelle wie Remax seien nicht schlecht. Großes Potenzial sieht Sebastian bei Daten. Herausforderung sei Kundenservice: Derzeit gebe es im Markt viele Makler, die einfach nur die Tür aufschlössen und die Hand aufhielten. Ein Makler, der nicht nur Transaktion, sondern Informationen anbiete, könne allerdings zu einem lebenslanger Berater in Sachen Wohnen sein. Im Zuge der Digitalisierung hätten Makler, die vernetzt arbeiten und mehr anbieten, die besseren Chancen.)