Bergfreunde.de ist ein spannende Wachstumsgeschichte im Outdoor Segment. Excitingcommerce schrieb vor Kurzem: „Auch Bergfreunde hat 2021 die 200 Mio. Euro Marke geknackt und ist um weitere 31% auf 203 Mio. Euro gewachsen. Damit ist Bergfreunde erstmals klar an Globetrotter vorbeigezogen“. Wie ist dem Unternehmen das gelungen? Braucht man für so ein Wachstum Eigenmarken? Wo geht die Reise hin und was hat sich seit der Übernahme vor 10 Jahren durch Backcountry verändert?
Outdoor online mit Matthias Gebhard von Bergfreunde
Vor 11 Jahren lief Matthias wieder seinem alten Schulfreund Martin über den Weg. Dieser hatte 2006 Bergfreunde gegründet, einen E-Commerce-Pure-Play für Outdoor-Ausrüstung. Matthias wurde zum Geschäftsführer des aufstrebenden Unternehmens und verantwortet seitdem vorwiegend die kundenbezogenen Bereiche von Front-end und Marketing bis hin zu Sortimentsplanung und Einkauf. Eckdaten des Online-Händlers: rund 200 Millionen Euro Umsatz; Wachstumsraten um bis zu 40%; und viel Aufwind im Vertical Outdoor.
03:00 Am Anfang will Alex Bergfreunde einordnen: Nach seiner Lesart wurde früh aus dem Start-up ein schnellskalierendes Unternehmen – unter Zuhilfenahme von Investeronkapital. Matthias rekapituliert: In den ersten Jahren von Bergfreunden gab es noch kein Zalando, Amazon war noch nicht allmächtig (und eBay noch stark!) – und es war ernsthaft die Frage, ob man so etwas wie Kletterausrüstung (Kernsortiment) überhaupt online verkaufen konnte. Aber es hat dann eigenfinanziert funktioniert. Als die Gründer rauswollten, begann die Suche nach einem Investoren. Fündig wurden sie beim großen Vorbild im Vertical aus den USA Backcountry, das vor zehn Jahren einstieg. Allerdings war das nicht der Beginn von fremdfinanziertem Turbowachstum: Bergfreunde blieb immer „schwäbisch-mittelständisch“ profitabel.
06:00 Bergfreunde ist hauptsächlich ein Händler von Fremdmarken. Der Merhwert sieht Matthias vor allem in der Sortimentszusammenstellung und Beratungsleistungen. Eigenmarkenprodukte gibt es zwar, aber sie liegen nicht im Fokus: Bergfreunde begnügt sich mit der Handelsspanne.
12:20 Alex fragt, inwieweit sich mediale Ereignisse wie „14 Peaks“ in der Nachfrage bemerkbar machen. Matthias sieht eher ein breiter angelegtes Bedürfnis nach Selbstverwirklichung in allen Bevölkerungsschichten: Dazu zählt auch, in den Wald zu gehen und zu zelten. Deswegen kommuniziert Bergfreunde nicht über Leistung, sondern über Erlebnisse.
15:15 Klassische Kassenzone-Frage: Woher kommen die Kunden? Wie findet denn jemand, der in der zigten Zoom-Konferenz am Tag plötzlich die Lust an Kajakfahren spürt, zu Bergfreunde…? Klassische Antwort: „vorwiegend über die GAFA-Kanäle“. Nicht nur bezahlt, sondern organisch. Für den Erfolg sorgt die in-house-E-Commerce-Kompetenz. Besonders innovativ? Nein, gibt Matthias entwaffnend zu. Dafür ausdifferenziert und durchoptimiert.
19:25 Hat Bergfreunde die Preisführerschaft? „Preisführerschaft ist ein taktischer Weg“, so Matthias. Das heiße nicht, dass man Preis ignoriere. Die strategische Führerschaft, die man anstrebe, sei Qualitätsführerschaft. Damit das klappe, müssten viele Stränge zusammenkommen: Sortimentskompetenz, Produktberatung, Lager und Logistik usw. Hier zahlten sich die 15 Jahre Erfahrung im E-Commerce aus.
23:00 Aktuelle Kassenzone-Frage für Händler: Wie geht Bergfreunde damit um, dass große Marken ihre Händlerabhängigkeit reduzieren wollen und verstärkt D2C-Ambitionen hegen? Patagonia, Mammut & Co.: alle suchen sie den direkten Draht zum Kunden. Zumal man vielen Outdoor-Kunden wohl eine hohe Markentreue unterstellen kann. „Grundsätzlich zwingt uns das nochmal viel stärker rauszuarbeiten, was unser Mehrwert ist,“ sagt Matthias, der aber perspektivisch an einen eingependelten Zustand glaubt, in dem D2C neben dem Handel sowie Marktplätzen seinen Platz hat.
28:25 Wo wird denn das Wachstum in den nächsten Jahren herkommen? Matthias bemüht das „Standard E-Commerce-Playbook“, in dem drei Faktoren wichtig sind. Erstens: der fortgesetzter channel shift hin zu Online (Basiswachstum). Zweitens: Sortimentserweiterungen und Kategorien nach dem Motto „Folge dem Kunden“. Der typische Kletterer ist ja oft auch begeisterte Fahrradfahrer. Drittens: Internationalisierung. Hier, betont Matthias, sei für Bergfreunde noch besonders viel Luft nach oben. Zudem denkt man im frühen Stadium auch über zusätzliche Dienstleistungen und Marktplatzansätze nach.
32:30 Das Segment Outdoor wird auf rund 12 Milliarden Euro Umsatz im Jahr taxiert, wovon Matthias‘ Schätzung zurfolge 8 bis 9 Milliarden noch offline gehandelt wird. Allein die Kanalverschiebung sorgt also für automatisches Wachstum im Jahr, überlegt Alex. „Da graben viele Akteure ran an diesem Kuchenstück“, schränkt Matthias ein: Offline-Outdoor-Händler mit E-Commerce-Aktivitäten, Amazon, die Marken selbst. Aber man könne durchaus argumentieren, dass die fetten Jahre noch kommen.
35:10 Alex interessiert sich für die Preise von Funktionsjacken und Wanderschuhe – und schätzt einen durchschnittlichen Warenkorb bei Bergfreunde auf 250 bis 300 Euro. Matthias darf keine genauen Zahlen nennen, verneint aber nicht.
36:05 „E-Commerce as a service“ für unbedarfte Herstellermarken, die gemerkt haben, wie viel Aufwand hinter D2C und Marktplatzmanagement steckt? Nein, das bietet Bergfreunde nicht an. Aber Matthias nimmt Alex‘ Vorschlag mit.
37:40 Wie genau ist sind die Technologie-Bereiche von Bergfreunde aufgestellt? Von den insgesamt 500 Mitarbeitern ist rund die Hälfte in der Logistik und im Kundenservice tätig: Beide Bereiche betreibt Bergfreunde bewusst selbst. Von der anderen Hälfte des Personals sind rund 70 im Einkauf und weitere 70 jeweils in Marketing und in Tech. Wie sieht es aus mit Automatisierung in der Logistik und KI im Shop? Vieles entfalte erst ab einer bestimmten Größenordnung eine Wirkung, aber Matthias sieht Potenzial in der Datenanalyse, die er gerade ausbauen lässt.
41:35 Alex stellt die Marktplatzfrage: Will Matthias nicht andere Händler anbinden und so ohne Produktrisiko das Sortiment erweitern? Bergfreunde beschäftigt sich mit dem Thema, sieht aber ein Risiko darin, die Sortimentshoheit aufzugeben.
46:15 Ausblick auf die kommenden Monate zum Schluss. Nichts Hochtrabendes, Matthias bleibt am Boden: technologishe Schulden tilgen; sich in der Logistik immer besser aufstellen; überlegen, wie sich die aufs Zusammensein ausgerichtete Kultur weiterentwickeln lässt.
Dieser Podcast wird unterstützt von Husqvarna Forst & Garten.
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