Es gibt kaum ein B2B Unternehmen was in den letzten drei so oft als Digitalisierungsbeispiel herhalten musste wie Kloeckner. Bereits heute macht der Stahlhändler über 20% seiner Bestellungen über digitale Kanäle und verfolgt durchaus progressive Onlinestrategien. Angefangen mit dem eigenen Digitalunternehmen in Berlin, bis hin zur durchdachten und in Teilen schon ausgerollten Plattformstrategie. Die meisten CEOs reden nur darüber, aber Gisbert Rühl macht es. Dafür muss man ihm Respekt zollen. Im Podcast erzählt er, was er in diesem Prozess in den letzen Jahren gelernt hat. Über die Ergebnisse dieses Prozesses wird in der Branche fleißig diskutiert. Die einen sagen, dass das alles nichts bringt und solche Vorhaben ohne erkennbare Verbesserung der Marge schlecht sind. Andere wiederum meinen, dass das nur die Neider der Konkurrenzunternehmen sagen, weil diese schon jetzt hemmungslos abgehängt sind. Bildet euch selber eure Meinung.

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Stahlhandel online mit Gisbert Rühl, CEO von Klöckner

Neben ihrer Förderung von Frauen und ihrem verantwortungsvollen Umgang mit Praktikanten ist die 1906 gegründete Klöckner & Co SE vor allem für ihre Digitalisierungsbestrebungen bekannt. Das Ziel: die Digitalisierung der gesamten Lieferkette. Gisbert Rühl ist CEO und CFO des B2B-Unternehmens mit Sitz in der Stahlstadt Duisburg und Digitalableger in Berlin. Unter seiner Leitung arbeiten in Europa und Nordamerika derzeit rund 8.850 Mitarbeiter, die 2018 gemeinsam 6,8 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet haben. Im Gespräch mit Alex reflektiert Gisbert, warum es eine gute Idee sein kann, sich mit seinen Konkurrenten zusammenzutun statt einander bis aufs Blut zu bekämpfen, und warum es nie schadet, klein anzufangen – in allen Bereichen.

Der Podcast wird gesponsert von uptain. Das Unternehmen verspricht Erfolge in der Konversionssteigerung im Online-Shop. Bleiben sie aus, gibt es Mett. Ja, Mett. Hier mehr erfahren und Umsatzpotenzial nutzen.

„Wir ordnen nicht an – wir überzeugen“

03:50

Alex: Wie so oft im Kassenzone-Podcast geht es heute um das Thema Transformation und Digitalisierung. Du bist in diesem Markt das Paradebeispiel für einen CEO, der sich mit dem Thema selbst eingehend auseinandersetzt. Dabei geht es gefühlt nicht viel analoger als: Stahl. Woher kommt der Impuls, so viel für die Digitalisierung zu tun?

Gisbert: Das Stahldistributionsgeschäft ist zum großen Teil ein Commodity-Geschäft. Und beim Commodity-Geschäft besteht ja das grundsätzliche Problem, dass man auf der Kostenkurve eigentlich immer unten sein muss. Deswegen sind es solche Unternehmen gewohnt, ständig Kosteneinsparungsprogramme durchzuführen. Aber: Das macht nicht nur ein einzelnes Unternehmen, sondern der Wettbewerb auch. Und das führt dazu, dass die Produktivitätsfortschritte, die man erzielt, immer wieder in den Markt abgegeben werden.

Da war es vor mehr als fünf Jahren unsere Überlegung, dass wir unser Geschäftsmodell ändern müssen, um das Unternehmen nachhaltig auf eine andere Ebene zu heben. Damit wurde die Idee geboren, dass man sich aufgrund der Technologien, die heute dafür zur Verfügung stehen, eher in die Richtung Plattformgeschäft bewegt. Das war der Auslöser.

Alex: Ihr handelt mit Stahl, stellt ihn aber nicht selber her, richtig?

Gisbert: Wir kaufen Stahl von den großen, bekannten Stahlproduzenten in Europa und Nordamerika. Wir haben insgesamt 160 Standorte, von denen aus wir den Stahl dann an unsere Kunden aus der Automobilindustrie, dem Anlagen- und Maschinenbau und der Bauindustrie oder eben auch an Weiterverarbeiter von Stahl und Metall verteilen. Meistens mit einer gewissen Anarbeitung – das kann eine relativ einfache sein, indem wir zum Beispiel einen großen Träger zersägen, weil ein Handwerksunternehmen kleinere Dimensionen braucht, bis hin zu komplexeren Leistungen.

Alex: Also seid ihr eher so eine Art Großhändler, der außerdem eine Logistikfunktion übernimmt?

Gisbert: Wir sind ein Händler, der außerdem die ersten beiden Prozessschritte abdeckt und die Logistik zu den Kunden bringt.

07:05

Alex: Was ist die Rechtfertigungsgrundlage für das Geschäftsmodell von Klöckner? Warum kann ein Stahlproduzent nicht selbst an den Handwerker liefern?

Gisbert: In Europa gibt es durchaus Stahlproduzenten, die einen eigenen Vertrieb führen. In Nordamerika ist das aus historischen Gründen stark getrennt. Was ein Stahlproduzent aber immer braucht, ist die Distribution im Sinne einer Kleinverteilung. In den allermeisten Fällen unterhält der Produzent keine eigene, hierauf ausgerichtete Logistik. Wenn ein Produzent direkt liefert, dann zum Beispiel an größere Stahlverbraucher. Ich würde sagen, 60 Prozent gehen über die Distribution in den Handel und 40 Prozent direkt an Großabnehmer.

Alex: Wie siehst du die Kundenloyalität in eurem Bereich und die Fragmentierung des Marktes? Gibt es viele große Handelskonzerne wie Klöckner, die mit Stahl handeln?

Gisbert: Im Gegensatz zur Produzentenseite ist der Stahlhandel extrem fragmentiert. Selbst wir als in Europa drittgrößter Stahlhändler haben einen Marktanteil von unter 10 Prozent. 80 Prozent sind eher mittelständisch geprägt.

Alex: Aber wie ist das möglich, dass es zum Beispiel ein kleiner Stahlhändler in Wuppertal schafft, zu günstigeren Konditionen als ihr ein Stahllager zu finanzieren und die Träger an den Handwerker zu liefern?

Gisbert: Wenn man sich mit Skaleneffekten auseinandersetzt, muss man auch immer fragen, wo sie herkommen. Im Handel kommen die normalerweise über den Einkauf. Das ist im Stahlhandel aber nicht notwendigerweise der Fall, weil wir eigentlich immer von einer bestimmten Hütte kaufen, und die Mengen von dieser bestimmten Hütte sind vielleicht manchmal gar nicht so viel größer als von einem mittleren oder kleineren Stahlhändler.

Darüber hinaus gibt es im Stahl immer Überkapazitäten. Das führt dazu, dass die Skaleneffekte im Einkauf reduziert sind. Und dann hat natürlich ein kleiner Stahlhändler, der meinetwegen nur einen Standort hat, auch keinen Overhead. Das heißt, er hat auf der Administrationsseite mit hoher Wahrscheinlichkeit eine günstigere Kostensituation, vielleicht sogar einen Familienbetrieb. Und weil das so ist, konsolidiert der Markt traditionell auch nicht. Oder nur sehr langsam.

Alex: Und es gibt auch keinen wesentlichen Effekt, der dafür sorgen würde, dass eine Zentralisierung einsetzt?

Gisbert: Ich würde vielmehr sagen: Es existieren keine ausreichenden Skaleneffekte, die zu einer stärkeren Konsolidierung führen würden.

(Die Nachfrage nach Stahl steigt in den Industrieländern derweil kaum wahrnehmbar – laut Gisbert lediglich um ein bis zwei Prozent. Da Stahl in unseren Breiten zu ähnlichen Anteilen auch in andere Bereiche als in die Bauindustrie wandert, wäre es also ein Trugschluss, anzunehmen, dass Unternehmen wie Klöckner 1:1 von dem vorherrschenden Bauboom profitieren könnten.)

13:30

Alex: In eurem Markt seid ihr einer der ganz großen Player. 2015 habt ihr mit der Einrichtung eurer Plattform begonnen. Welche Überlegungen gingen dem voraus und wo bist du, obwohl du dich allem Anschein nach getreu ans „Digital-Handbuch“ gehalten hast, auf Probleme gestoßen?

Gisbert: Wir haben den Bau der Plattform unter anderem mit der Idee begonnen, dass auch der Wettbewerb dort seine Produkte verkaufen soll. Die hat in unserem Unternehmen zwar sehr wenig Anhänger gefunden und war auch eher disruptiv, aber die Überlegung war eben, dass man in einem fragmentierten Markt nur dann mit einer Plattform erfolgreich sein kann, wenn man sie für den Wettbewerb öffnet. Und eine Sache haben wir von Anfang an richtig gemacht: Wir haben uns dem Thema nicht wie ein großes Corporate-Unternehmen genähert. Stattdessen haben wir frühzeitig gelernt, wie man beim Kunden anfängt und erste Prototypen baut. Dieser MVP-Gedanke (minimum viable product, MVP) war mir damals noch fremd, und gerade wenn man das 30 Jahre lang anders gemacht hat und eigentlich immer unzufrieden war mit diesen Wasserfall-Projekten, dann ist das ein unheimlich erhellendes Ereignis.

Und das haben wir dann aufgegriffen: Wir hatten diese große Vision von einer Industrieplattform, haben aber erst einmal klein und beim Kunden angefangen. Wir haben herausgefunden, welche Schmerzpunkte bestehen, wenn er Stahl bestellt, und das nicht nur, indem wir ihn gefragt haben, wie’s bei ihm so läuft und was wir besser machen könnten. Nach sechs Monaten haben wir dann eine erste kleine Plattform gelauncht, die wir daraufhin einfach immer weiterentwickelt haben.

Alex: Was war konkret nötig, um das anzuschieben? Was muss ein großer Mittelständler heute investieren, um die Digitalisierung ähnlich wie ihr sinnvoll zu starten?

Gisbert: Also, wir haben wirklich mini angefangen. Wir haben mit 1.000 Euro und zwei jungen Mitarbeitern an einem gemieteten Tisch in einem Wirtshaus losgelegt, unter anderem auch, weil wir gar nicht genau wussten, wie wir letztendlich zum Ziel kommen. Die Kosten stiegen erst mit dem, was wir gebaut und entwickelt haben. Das ist, glaube ich, eine wichtige Botschaft: Man muss nicht gleich einen Riesenapparat haben, sondern kann auch erst einmal relativ klein anfangen – dafür aber an der richtigen Stelle.

Mittlerweile haben wir hier in Berlin zwei Unternehmen. Einerseits ist das kloeckner.i mit 90 Mitarbeitern. kloeckner.i hat bisher ausschließlich für Klöckner gearbeitet, die proprietären Plattformen erstellt und bei der ganzen Transformation in das Unternehmen hinein geholfen. Jetzt haben wir kloeckner.i aber auch für Drittunternehmen geöffnet. Und das andere Unternehmen ist XOM Materials, das ist die ursprüngliche Vision, die Industrieplattform, mit der wir hier noch einmal 50 Mitarbeiter beschäftigen. Letztere wird aber noch einmal sehr stark weiterwachsen.

19:50

Alex: Reden wir doch mal über die erste Plattform, die ihr gebaut habt …

Gisbert: Dem muss man vorausschicken: Wir haben zwei Arten von Kunden. Wir haben Spot-Kunden, die eher von heute auf morgen kaufen, und wir haben Kontraktkunden, zum Beispiel aus der Automobilindustrie, mit denen wir Vierteljahres- oder Halbjahreskontrakte unterhalten. Die erste, die wir damals gebaut haben, war eine Kontraktplattform. Wir hatten herausgefunden, dass die Kunden ihre Verträge gar nicht wirklich nachvollziehen können. Der eine hat ein Excel-Sheet, der andere nicht – jeder macht das irgendwie anders und es muss ständig kommuniziert werden, wo man mit dem Vertrag steht. Daraufhin haben wir genau dafür eine einfache Plattform entwickelt, über die die Kunden ihre Verträge einsehen und neue Kontrakte initiieren können.

Alex: Wie hat damals eure Betriebsmannschaft darauf reagiert, die ja wahrscheinlich bis dahin den exklusiven Draht zu den Kunden hatte?

Gisbert: Die Schwierigkeit trat eigentlich erst mit dem nächsten Thema, dem Online-Shop, auf. Da wurde’s dann kritischer. Die Verhandlung der Kontrakte läuft ja weiterhin über den Betrieb und nur die Abrufe sind automatisiert. Aber beim Online-Shop ist das anders. Da kann der Kunde ja auch direkt am Vertrieb vorbei bestellen. Das war natürlich schwierig, weil unsere Vertriebsleute zum damaligen Zeitpunkt auf der einen Seite befürchtet haben, dass sie dadurch möglicherweise obsolet werden könnten. Aber: Auch der Einkäufer fürchtet das. Und wenn beide letztendlich fürchten, ihren Job zu verlieren, wird keiner den Online-Shop unterstützen.

Alex: Warum fürchtet der Einkäufer den Online-Shop?

Gisbert: Wenn der Einkauf dann auch automatisiert wird, kann schließlich gleich die ganze Transaktion automatisiert ablaufen.

Alex: … was ja, fairerweise, auch zu der Vision passt, diese Skaleneffekte, die ihr immer noch erreichen müsst, zu hebeln. Letztendlich sind’s eben Personalkosten, die eingespart werden können.

Gisbert: Ja, und im Grunde ist das auch Teil der Zielsetzung, keine Frage – insbesondere für das Commodity-Geschäft. Denn dieses Geschäft hat eigentlich nur eine Chance, attraktiv zu sein, wenn seine gesamte Liefer- und Leistungskette vollkommen digitalisiert ist. Aber – und das haben wir dann auch unseren Vertriebsleuten kommuniziert –: Je mehr Zeit wir für den Kunden haben, umso mehr können wir uns mit seiner Tätigkeit auseinandersetzen und dann eben auch andere Dienstleistungen und Produkte anbieten. Der Kundenkontakt geht also eigentlich nicht verloren, sondern er verschiebt sich nur.

(Alex ist weiterhin skeptisch. Er ist davon überzeugt, dass es in jedem Unternehmen Mitarbeiter gibt, die die Bemühungen nicht erreichen und die deshalb ins Hintertreffen geraten. Gisbert kontert: Dank einer fortwährenden und umfassenden Weiterbildung und der intensiveren Auseinandersetzung mit dem Kunden sind bei Klöckner alle mit an Bord. „Klar ist aber auch, dass das nur funktionieren kann, wenn man dadurch wächst“, fügt er hinzu.)

28:20

Alex: Glaubst du an die Gefahr, dass es eine Art Amazon-Modell in eure Welt schaffen und diese durchdringen könnte, insbesondere für Commodity-Produkte?

Gisbert: Ich glaube, wir werden, ganz grob, drei Arten von Plattformen haben. Amazon ist ja eher eine horizontale Plattform, die im Übrigen auch Stahl anbietet. Eine Privatperson, die nach einem Blech oder einem Träger sucht, wird dort sicher auch fündig werden. Deshalb würde ich sagen: Es wird Überlappungen geben. Solchen horizontalen Plattformen unterscheiden sich aber stark von proprietären Plattformen, wie unserem Klöckner-Marktplatz. Plattformen wie diese werden eher in die Tiefe gehen und stärker auf die Services spezialisiert sein, die das Unternehmen anbietet.

Und dann gibt es solche wie die XOM-Plattform. Dort werden zwar auch spezialisierte Services angeboten, aber die werden noch ein wenig allgemeiner gehalten sein als die, die auf den proprietären Plattformen verfügbar sind. Aber derjenige, der als Handwerksunternehmen oder Blechverarbeiter größere Spot-Mengen hat, der wird am Ende des Tages wahrscheinlich trotzdem über XOM besser bedient sein, weil er diese Mengen in dieser Form zu diesem Preis bei Amazon vielleicht gar nicht findet.

33:20

Alex: Wenn ich das richtig verstanden habe, ist eure XOM-Plattform von kloeckner.i getrennt, damit ihr überhaupt die Möglichkeit habt, andere Unternehmen, die eigentlich Wettbewerber sind, auf diese Plattform zu holen. Wie ist da der Zuspruch? In einer solchen alten, eingefuchsten Industrie wird doch wahrscheinlich jeder den anderen verdächtigen, sein Geschäft klauen zu wollen …

Gisbert: Die beiden Einheiten sind auf jeden Fall hart voneinander getrennt. Wir haben XOM damals beim Bundeskartellamt angemeldet und das war auch für das Amt ein spannendes Thema. Die Maßgabe ist hierbei für Klöckner, dass es eine ganz klare Chinese Wall zu XOM geben muss. Deshalb hat XOM einen eigenen Standort und auch personell gibt es keine Überlappungen. In letzter Konsequenz steht es sogar in Konkurrenz zum Klöckner-Marktplatz.

Alex: Warum diese scharfe Trennung?

Gisbert: Weil dort Wettbewerbsdaten liegen. Anders könnte eine Industrieplattform gar nicht funktionieren.

Alex: Und wie viele Leute verkaufen dort schon?

Gisbert: Das Interesse ist riesengroß. Wir haben mittlerweile mehr als 6 Millionen Euro an Bestellvolumen darüber abgewickelt. Und das bringt uns zu den Problemen im B2B-Bereich: Die erste Herausforderung ist das On-Boarding eines neuen Kunden. Wir müssen Verbindungen zu seinen EAP-Systemen schaffen, uns um das Produkt-Matching kümmern und die Bezeichnungen angleichen. Im B2C-Bereich ist das anders. Zwar sind solche einfachen Bestellungen auch über XOM möglich, aber der richtige Nutzenvorteil entsteht ja erst, wenn eine Integration erfolgt.

38:30

Alex: Und welches Motiv hat dann ein Handwerksbetrieb, sich bei kloeckner.i anzumelden, statt alles über XOM abzuwickeln, wo es ja zudem eine größere Auswahl gibt?

Gisbert: Wenn der Kunde tatsächlich mehr Commodity-Stahl kaufen will, ist er bei XOM besser bedient. Denn, das muss man auch lernen: Wenn der Kunde über einen Online-Shop kauft, läuft der Prozess möglicherweise anders ab, als wenn er normal Stahl einkaufen würde. Im Online-Shop muss er direkter agieren. Das macht vor allem dann Sinn, wenn er mal schnell etwas braucht. Aber auf XOM kann er beides: Er kann direkt kaufen oder eine Anfrage stellen.

(Und obwohl die Plattform noch nicht einmal ein Jahr alt ist, wurde sie bereits kurz vor dem Gespräch in den USA ausgerollt, bevor sie nun auch im gesamteuropäischen Markt gelauncht werden soll. Diese und ähnliche Entwicklungen dominieren derweil auch die Gespräche auf den Messen: „Es gibt kaum eine Veranstaltung, bei der dem Thema Digitalisierung nicht ein hoher Stellenwert eingeräumt wird“, sagt Gisbert. „Und in der Regel werden wir dann auch dazu eingeladen.“)

41:15

Alex: Etwas, das mich vor allem zum Thema Transformation interessiert, ist die Rückführung der an Remote-Standorten erarbeiteten Fähigkeiten zum Kerngeschäft. Wie hat das bei euch funktioniert?

Gisbert: Als wir damit angefangen haben, haben wir kloeckner.i komplett eigenständig agieren lassen. Das war vielleicht auch nicht schlecht, um die ersten MVP relativ schnell zu erstellen, doch dann setzte der typische Abstoßungseffekt ein. Damit eine solche Rückführung auch wirklich funktioniert, muss man einen Hub also richtig positionieren. Im Übrigen verlangten auch die Mitarbeiter vor Ort mehr Nähe zum Unternehmen. Sie wollten mehr Know-how haben, um die Produkte richtig klassifizieren zu können.

In vielen Bereichen arbeiten wir mittlerweile auch agil und zum Beispiel auch mit Scrum. Dort, wo wir Innovation vorantreiben, haben wir zudem eine höhere Fehlerkultur. Wir haben die Digital Academy, durch die sich unsere Mitarbeiter weiterbilden können, und wir fördern eine hierarchiefreie Kommunikation.

44:25

Alex: Wie weit hat die Digitalisierung eure Unternehmenszentrale in Duisburg denn schon durchdrungen? Auf einer Skala von 1 bis 10, wobei 1 bedeutet, dass sie noch gar nicht begonnen wurde, und 10, dass alle das „Digital-Handbuch“ schon mindestens einmal durchgelesen, an einem Workshop teilgenommen und ein Kundengespräch geführt haben. Wie weit seid ihr?

Gisbert: Bei uns gibt es definitiv keine Niederlassung mehr, die keine Ahnung vom Digitalgeschäft hat. Immerhin erzielen wir 25 Prozent unseres Umsatzes digital. Und in einigen Niederlassungen gibt es mittlerweile ganze Teams, die das Geschäft nur noch digital vorantreiben. Derweil breitet sich Scrum von der Zentrale jetzt auch in die Regionen und Länder aus. Zum Beispiel war ich vor drei Wochen in den Niederlanden, und die machen ihre Geschäftsführersitzungen nur noch im Scrum-Verfahren, in Form von Sprints.

Aber das passiert freiwillig! Es ist nicht so, dass wir das bei der Zentrale anordnen, und dann müssen das alle so machen. Wir versuchen zu überzeugen, damit die Leute das selber annehmen und weitertreiben. Die Frage, wo wir stehen, ist wichtig – kann man von innen heraus aber gar nicht so richtig beantworten. Selbst mit deiner Skala – ich wüsste gar nicht, wann genau wir an der 10 stehen.

Alex: 10 würde bedeuten, dass ihr die neuesten Methodiken entwickelt, egal ob für eure Industrie oder Digitalisierungsansätze allgemein – alle schauen auf euch, um zu lernen. Das Problem bei der 10 ist aber: Das, was heute eine 10 ist, ist morgen eine 5. Die meisten glauben, dass das ein einmaliger Prozess ist, den sie irgendwann mal managen müssen. Aber sobald man aufhört, zu lernen, rutscht man ab.

Gisbert: Ich glaube auch, dass das ein kontinuierlicher Prozess ist. Und auch die Öffnung nach außen ist wichtig – dass man nicht nur in seinem eigenen Saft schmort. Schließlich erhält man von außen wertvolle Impulse, die man dann auch wieder nach innen transportieren kann.

50:20

Alex: Zum Ende unseres Podcasts hätte ich noch einmal eine Frage zum Thema Online-Einkauf im Stahlbereich: Gibt es denn wirklich diese klassischen Commodity-Kunden, die im Internet einfach nach einem bestimmten Blech suchen und die ihr dann über Suchmaschinenmarketing abholen könnt, bevor ihr sie in eurem Online-Shop konvertiert?

Gisbert: Im Long-Tail-Bereich ja. Wir haben auch eine Reihe von Kunden, die den Shop über Google finden und dann dort einkaufen, aber das sind natürlich eher Kunden mit Kleinbedarf, wie der Bäckermeister, der sich seine Bleche bei uns kauft. So haben wir übrigens auch viele Neukunden auf die Plattform bekommen. In Deutschland haben wir dort mittlerweile 25.000 Neukunden.

Alex: Wachst ihr denn über den Markt?

Gisbert: Wir sind im letzten Jahr über den Markt gewachsen, insbesondere in den USA. Ob das jetzt schon stark online getrieben ist, kann ich gar nicht genau sagen. Aber ich glaube auch, dass man da etwas Atem haben muss. Generell, im B2B-Bereich: Ein Erfolgsrezept ist es, dranzubleiben. Das haben wir in den letzten fünf Jahren, glaube ich, auch ganz gut gezeigt. Man stößt immer wieder auf Schwierigkeiten und Themen, für die es keine Blaupause gibt, weil es noch keiner gemacht hat. Die Hauptsache ist, man bleibt dran.

Alex: Wenn du „Wünsch dir was“ spielen könntest, was würdest du dir wünschen?

Gisbert: Ich wünsche mir natürlich, dass wir bei XOM unsere Ziele im Hinblick auf die Skalierung erreichen – aber auch, dass die Industrie noch offensiver an die Digitalisierung herangeht. Denn eins ist doch völlig klar – das muss jeder sehen, der in dieser Industrie tätig ist: Wir sind auch nur Teil einer Wertschöpfungskette, und die ganze Wertschöpfungskette digitalisiert sich. Und jedes Glied dieser Kette, das sich nicht digitalisiert, fällt schlicht und ergreifend raus. Und das wird schneller gehen, als man denkt.

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