Jeder redet über Facebook. Da muss ich natürlich dabei sein und ggf. ein paar Gedanken Richtung Commerce entwicklen.

Vor ca. 9 Monaten gab es in der amerikanischen Blogszene eine Debatte um das Thema „Facebook is the new AOL“. Angestoßen durch einen Gedanken von Scott Heiferman:

AOL 94 vs. Facebook 07 While at Sony in 1994, I was sent to Virginia to learn how to build a Sony „app“ on AOL (the #3 online service, behind Compuserve & Prodigy at the time) using AOL’s proprietary „rainman“ platform.

Fast forward to Facebook 2007 and see similarities: If you want access to their big base of users, develop something in their proprietary language for their people who live in their walled garden.

Jason Kottke hat daraufhin ein paar Gedanken zu Facebook formuliert, die aufzeigen was die Gefahr von proprietären Anwendungen sein können:

What happens when Flickr and LinkedIn and Google and Microsoft and MySpace and YouTube and MetaFilter and Vimeo and Last.fm launch their platforms that you need to develop apps for in some proprietary language that’s different for each platform? That gets expensive, time-consuming, and irritating.

Das führte zu diversen Reaktionen, bei der eine Meinung von Jeff Jarvis besonders hervorsticht:

AOL was closed to give AOL control over us and our money. Facebook is closed to give us control over our identities and communities. AOL tried to “own” — their language back then — our relationship with them. Facebook enables us own our relationships with our friends.

Diese Sichtweise ist bemerkenswert, denn sie führt die Diskussion in eine ganz entscheidende Richtung. Die Angst von Kottke ist sicherlich nicht mehr aktuell, weil Google mit seiner Open Social Strategie alle eines Besseren belehrt und meines Erachtens auch Facebook langfristig alt aussehen lässt. Aktuell erlebt Facebook einen riesigen Boom durch seine F8-Strategie, allerdings ist dieser Vorsprung bei einem halbwegs brauchbaren Open Social Ansatz dahin und schon steht man wieder nur bei Werbung. Ok, das ist unfair :-).

Ich stimme übrigens Jeff Jaris zu der der Meinung von Heifermann ein sehr schönes Argument entgegenstellt, allerdings halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass sich Facebook langfristig die Applikation-Cashcows selber einverleibt. Bei mittlerweile über 20.000 Applikationen wird sich schon etwas Einträgliches finden. Würde ich genause machen als Facebookbetreiber. Es bleibt also abzuwarten, ob sich Facebook langfristig in eine ähnliche Richtung bewegt wie AOL „My House, My User!“, oder ob sie sich mit ggf. geringen Margen auf Provisionsbasis zufrieden geben „My Market, your User!“. Beides ist meines Erachtens noch nicht abzusehen, und das sollte bei allem Hype um Facebook nicht vergessen werden.

Was das für Entwickler bedeutet ist klar. Sie dürfen die Cash Cows finden, Facebook wird sie nutzen. Gibt es eigentlich schon eine Art Musterschutz für Applikationen oder darf Facebook alles damit machen. Ggf. so wie Adobe mit den mE skandalösen „mir gehört alles, ätsch bätsch“ AGB.

Was hat das eigentlich mit E-Commerce zu tun? Auf den ersten Blick erstmal nix. Allerdings wollen wir hier ja ein wenig in die Glaskugel blicken.

Status Quo:
Viele Händler verhalten sich genauso wie AOL vor 10 Jahren. Wobei es hier nicht um „MyCustomers“, sondern um „MyProducts“ handelt. Händler haben lange sehr restriktiv ihre Daten respektive ihre Produkte beschützt und nur teilweise durch Partnerprogramme nach außen gelassen. Das hat/hatte diverse Gründe. Kontrollverlust, Angst vor Mißbrauch, Vermarktbarkeit, Aversion der Produktpartner…. und viele andere. Jetzt kommen die offenen Plattformen wie Smatch, Edelight und Co.  und bauen ihre eigenen Applikationen mit Warenzugang, weil die eigentliche Ware (respektive Nutzer) noch bei den Händlern ist. Man stelle sich vor, dass Facebook seine Plattform schließt und beschützt und deshalb intelligente Applikationentwickler eigene Portale bauen an die sich die Nutzer anschließen. Jeder würde sagen, dass das die falsche Strategie wäre. „Es wäre doch traumhaft, wenn es Entwickler gäbe, die ihre Social Commerce Applikationen auf Handelsportalen entwickeln.“ Naja, die gibt es aber nicht – behaupte ich einfach mal.

Glaskugel:
Die Diffusion der Zugangswege im E-Commerce ist wohl nicht mehr aufzuhalten – im Interesse des Kunden. Man wird noch deutlich mehr Konzepte sehen und ich erwarte in Deutschland noch eine Menge Wind von Zlio – auch wenn Stefan da anderer Meinung ist. Ich will nicht sagen, dass es den Händlern ähnlich ergeht wie AOL, aber eine protektionistische Grundhaltung ist in keinem Fall zu empfehlen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es open trade Anstrengungen durch Händler gibt. Ein gemeinsamer Check Out, bessere Kundenansprache und insbesondere ein perfekter/personalisierter Warenzugang könnten das Ergebnis solcher Bemühungen sein. Dabei werden die Social Commerce Unternehmen ein kräftiges Wort mitzureden haben. OTTO, Quelle, Amazon und Co. wären dann „nur“ noch die Warenlieferanten und so wie Facebook der Nutzerlieferant ist. Die Veredelung der Ware bzw. bei Facebook die Veredelung der Nutzer geschieht dann durch Dritte.

Perspektive: 10 Jahre

Meine Güte, so beim drüberlesen stehen da ein paar einfache Gedanken wirklich lange (=langweilig?) hergeleitet. Ich hoffe die Leser schlafen dabei nicht ein. Um das zu beurteilen brauche ich ein bißchen Leserfeedback. Na, traut sich jemand?

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