Haben Sie schon gehört? Das Landgericht Stuttgart hat entschieden, dass außer religiösen Beschneidungen ab sofort auch das Posten von Fotos auf Facebook-Fanpagepinnwände rechtswidrig ist. Zuwiderhandlungen werden streng bestraft, nämlich mit mindestens 24 Stunden Rechtsanwalts-YouTube-Channel-Dauerbeschallung.

Unsinn. Das war natürlich nur ein kleiner,  billiger, dennoch aber mehr oder minder lustiger Scherz auf Kosten der Kollegen, für den ich mich sofort entschuldigen möchte. Außer religiösen Beschneidungen bleibt selbstverständlich auch das Posten von Fotos auf Facebook-Fanpagepinnwände erlaubt, wenn auch unter Einschränkungen.

Zum Beispiel haftet der Fanpagebetreiber, wenn er selbst Inhalte Dritter auf seine Facebook-Fanpage hochlädt, wenn er selbst fremde Inhalte in seiner Chronik teilt, oder auch, ab dem Zeitpunkt, an welchem er über das Vorhandensein eines rechtswidrigen Inhalts in seiner eigenen Chronik in Kenntnis gesetzt worden ist. Wie der Kollege Schwenke, der das fragliche Urteil des Stuttgarter Landgerichts vom 20.7.2012 in seinem Blog kenntnisreich kommentiert, richtig anmerkt:  das ist weder Grund zur Aufregung, noch ist es neu.

Allerdings handelt es sich dabei auch nicht um „das erste Facebook-Urteil“, wie allerorten zu lesen ist. Das soziale Netzwerk Facebook berührt so viele Rechtsfragen und unterschiedliche Rechtsgebiete, dass selbstverständlich auch schon die unterschiedlichsten Rechtsstreitigkeiten um Inhalte auf Facebook geführt werden oder wurden.

Einige davon haben es auch schon in die Öffentlichkeit geschafft, etwa das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6.3.2012, welches sich u.a. mit Teilen der Facebook-AGB befasste. Oder auch das berühmt-berüchtigte Urteil des Landgerichts Aschaffenburg, das irgendwie die Impressumspflicht auf Facebook zum Gegenstand hatte.

Oder eben auch die aktuell drei Verfahren vor dem Schleswiger Verwaltungsgericht, in denen sich IHK-Unternehmen gegen Ordnungsverfügungen des Unabhängigen Landeszentrums für den Datenschutz in Schleswig-Holstein (ULD) wehren. Ich könnte diese Reihe fortsetzen, ich habe aber gerade Besseres zu tun.

„Abmahnung“ im Titel – Das gibt Klicks

Fakt ist, dass dem ersten Facebook-Urteil des Landgerichts Stuttgart ein Sachverhalt zu Grunde liegt, bei dem eine Abmahnung alles ins Rollen brachte. Und dies stellt wohl auch denjenigen Aspekt dar, welcher dem Urteil zu seiner medialen Verbreitung verhilft. Die Suche nach „Facebook Abmahnung“ ergibt auf Google zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Beitrages 446.000 Treffer. Dabei befassen sich sämtliche Treffer der ersten Ergebnisseite mit der Abwehr solcher Abmahnungen, nicht etwa mit Fallbeispielen. Jetzt das erste Urteil! Fast möchte man rufen: „Endlich!“.

Die Abmahnungs-Abwehr-Industrie läuft in diesem Bereich also auf vollen Touren. Dabei stellen Beiträge wie die des sehr geschätzten Kollegen Schwenke oben leider die rühmliche Ausnahme dar. Das Geschäft mit der Angst vor der Abmahnung – auch und vor allem: der „Facebook“-Abmahnung als Abmahnug sui generis – hat vermutlich inzwischen ein ähnliches Volumen wie das Geschäft mit der Abmahnung selbst. Obwohl hier, wenn man kundigen Stimmen trauen darf, vor allem im Filesharing-Bereich wohl langsam aber sicher das Ende der Fahnenstange erreicht ist.

Dabei will ich über die Qualität der zum Beispiel über „Google Ads“ oder aggressives Social-Media-Marketing angebotenen anwaltlichen Dienstleistungen gar nicht urteilen, auch wenn man sich natürlich fragen darf, wie mancher selbst ernannte Filesharing-Papst, der seine Mandantschaft für eine Pauschale von 100 Euro vertritt, davon seine Anwaltsfortbildungen finanzieren kann – die pro Stunde oft 75 Euro oder mehr kosten.

Es geht mir eher um folgenden Punkt: die Präsenz des Reizwortes „Abmahnung“ in sämtlichen – klassischen, neuen wie sozialen –  Medien steht in keinem Verhältnis zu ihrer wirklichen Bedeutung.

Die „Abmahnung“ wird in jeder Hinsicht in ihrer Bedeutung vor allem vom Rechtssuchenden (So nennen Anwälte ihre Target Group) massiv überschätzt. Wer sich im B2B-Bereich vor unangenehmen Überraschungen schützen möchte und deshalb „Facebook Abmahnung“ googelt, verliert dabei leicht den Blick für das Wesentliche.

„Abmahnsichere“ AGB gibt es nicht

Als mich Alexander Graf fragte, ob ich nicht einmal einen Gastbeitrag für dieses Blog verfassen könnte, der sich mit einem „aktuellen E-Commerce-Rechtsthema“ befasst, hatte er sicherlich an etwas anderes gedacht, als an diese Zwischenüberschrift.

Aber es ist die nackte Wahrheit: so wenig, wie der Rechtsanwalt in die Köpfe anderer schauen kann, die sich irgendwann in ferner Zukunft möglicherweise zu einer Abmahnung entschließen (oder auch nicht), kann er „abmahnsichere“ AGB herbeizaubern. Und doch ist es genau dieser Wunsch, den auch ich in meiner täglichen Praxis am Telefon sehr häufig zu hören bekomme, und den ich abschlägig bescheide.

Wer zum Beispiel einen Onlineshop, eine Facebook-Fanpage oder auch nur einen klassischen Webauftritt für ein Unternehmen launchen möchte, sollte sich also nicht zu allererst vom  Reizwort „Abmahnung“ blenden lassen. Andererseits will ich natürlich nicht sagen, dass man die Investitionen in eine gute rechtliche Beratung getrost einsparen kann. Ganz im Gegenteil: Hier wird meist am falschen Ende gespart, denn gute Beratung ist gerade nicht billig.

„Ist mein Geschäftsmodell eigentlich rechtlich zulässig? Brauche ich behördliche Genehmigungen?“

„Welche Pflichten bestehen in Hinblick auf den Datenschutz? Kann oder muss ich mein Unternehmenskennzeichen schützen lassen oder verletze ich möglicherweise genau damit Rechte Dritter?“

„Muss ich mich mit allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen Haftungsrisiken absichern?“

„In wieweit muss ich durch andere erstellte Inhalte meiner Webpräsenzen lizenzieren?“

Diese und weitere Fragen sollten selbstverständlich ausführlich geklärt sein, bevor der erste Euro vereinnahmt wird. Und, ja – richtig:  Ganz am Ende wird es bei einem Beratungsgespräch, das sich mit diesen Themen befasst, auch um ein Impressum und eine Widerrufsbelehrung gehen, die Abmahnungen vermeiden hilft. Aber eben erst dann.

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