Heinemann: WISH IPO, DoorDash IPO, SellerX 100m, Tassenzone.com

01:11:14

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Florian Heinemann ist DER Kassenzone.de Podcast Stammgast. Er kommentiert monatlich die Entwicklungen am Markt und bespricht mit mir auch die Podcastgäste von Kassenzone. In dieser Folge analysieren wir live via Youtube, LinkedIn und Twitter die IPO Prospekte von Wish & Doordash, die spannende Zahlen preisgeben haben. Auch die 100 Mio. Euro Runde für SellerX ist ein Thema. Die Ausgabe haben wir ca. vor einem Monat aufgenommen, und zwischenzeitlich ist eine Menge passiert. Unsere Skepsis zu Wish ist geblieben, aber die Börse mag das Modell scheinbar. Wir versuchen in diesem Jahr in einem monatlichen Rhythmus zu bleiben mit dem Florian Heinemann Spezial – ggf. auch live auf Clubhouse. Außerdem reden wir über mein persönliches Projekt zur Rettung der Innenstädte – www.tassenzone.com.

Alexander Graf

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Kassenzone-Spezial mit Florian Heinemann, Kassenzone-Stammgast von Project A Ventures

Seit bald einem Jahr ist Florian Heinemann von Project-A-Ventures bei Alex „unter Vertrag“ – als Kassenzone-Kommentator, der mit Alex in regelmäßig-unregelmäßigen Abständen das Marktgeschehen generell – und die Auftritte der Podcastgäste insbesondere – aus seiner Sicht als Investor bewertet. Dieses sechste Heinemann-Spezial des Jahres 2020 ist das zweite, das live gestreamt wird – und das erste, dass gleichzeitig bei Twitter, YouTube und LinkedIn läuft! Themen: SellerX, Wish und DoorDash – und die Bedeutung von volkswirtschaftlichen Kennzahlen wie die Einkommensverteilung für diese Geschäftsmodellen. Nicht mehr Thema: Rum.

„Bei Wish habe ich kein investment of a lifetime verpasst.“

3:30

Alex: Florian, wie du weißt, sammele ich die tollsten Sprüche für eingefleischte Innenstadt-Fans. So Klassiker wie „Bitte nur drei Stück in die Kabine nehmen!“ oder „Online kann nicht inspirieren“. Nun habe ich mittlerweile so viele, dass ich damit Kaffeetassen bedrücken möchte – „Tassenzone“. Du bist der Experte schlechthin, wenn es um Marken- und Geschäftsaufbau geht: Was muss ich machen, damit daraus ein durchschlagender Erfolg wird? Und wo fange ich überhaupt an, wenn ich individuelle Tassen brauche?

Florian: Ich finde, man sollte nach Möglichkeit Unternehmen aus Deutschland unterstützen und würde dir daher Spreadshirt ans Herz legen.

Alex: Dann sichere ich mir die Domain „Tassenzone.de“ und wenn hier jemand von Spreadshirt zuhört: Bitte melden! Denn ich habe so viele schöne Losungen. Mein Favorit von neulich: Beim Coburger Tageblatt ging es darum, wie die Innenstadt stirbt, weil C&A schließt: „Aber: Es gibt Hoffnung auf Nachmieter!

Aber jetzt zu ernsteren Themen. Und zwar Thrasio, das wir letztens besprochen haben. In dem Umfeld gab es Geld…

Florian: Ja, da gab es eine neue Runde von SellerX, die unter anderem von Cherry Ventures hier in Berlin, Phoenix Capital (Farfetch) und TriplePoint Capital Geld bekommen hat, um Marken auf Amazon aufzukaufen. Vor allem das Engagement von TriplePoint passt zu meiner Beobachtung, dass Modelle wie Thracio eher ein Fall für Private-Equity oder für andere, die mit Fremdkapital arbeiten, als für Wagniskapitalgeber sind. Andere, die mit dabei waren: David Schneider (Zalando-Gründer) und die KW-Commerce-Gruppe.

(Florian geht davon aus, dass es in nähere Zukunft mehrere solche Konzepte geben wird, die sich jeweils auf bestimmte Verticals spezialisieren. Wenn man nämlich einmal die Infrastruktur aufgebaut habe, um auf Amazon in einer Produktkategorie führend zu werden, ergebe es sehr viel Sinn, Marken dafür zu akquirieren. Da hätten Unternehmen wie KW-Commerce oder Berlin Brands Group zudem genau die richtige Expertise im Markenaufbau.

Alex unterstreicht, wie hoch die Beträge für europäische Verhältnisse seien: 100-Million-Euro schon in der PowerPoint-Phase! Gründer Malte Horeyseck habe aber das brasilianische Zalando gegründet und sein Mitgründer Philipp Triebel brächte auch Erfahrung mit, unterstreicht Florian. Zudem werden hier keine 100 Million Euro auf einem Schlag ausbezahlt, sondern es handele sich um Zusagen über diesen Betrag, sofern SellerX entsprechende Kaufgelegenheiten auftue.)

11:00

Alex: Ein weiteres spannendes Thema: Der WIsh-Börsengang. Dazu habe ich mir das IPO-Prospekt des Unternehmens durchgelesen – alle 250 Seiten und 300.000 Wörter. Wish sorgte natürlich schon mehrmals und aus mehreren Gründen für Aufsehen: smart, mobile first, aus den USA mit sehr schnellem Wachstum und angeblich Hunderte Millionen Kunden binnen weniger Jahren. Und jetzt gibt es endlich konkrete Zahlen!

Wie war es bei dir Florian, als du von Wish gehört hast? Hast du da alle Zalando-Aktien verkauft, um dort voll einzusteigen…?

Florian: Ich sage es mal so: Bis dieser Börsenprospekt kam, spielte ich hin und wieder mit dem Gedanken, mich zu beteiligen. Ich hatte dazu vor paar Jahren zu einer schon üppigen Bewertung von rund 200 Millionen Euro auch Gelegenheit. Das habe ich damals nicht gemacht, weil ich mir ganz einfach gedacht habe: „Bei so einem schlechten Kauferlebnis kann ich es mir nicht vorstellen, dass das allzu groß wird! Und wie sollen sie sich auch gegen AliExpress durchsetzen?“ Zwischenzeitlich, als eine Erfolgsmeldung die andere jagte, habe ich das beinahe bereut: „Mensch, da habe ich echt was verpasst. Das Ding ist eine Rakete! 500 Millionen Downloads! Platz Eins unter den Shopping-Apps…!“

Mein Schmerz ist nach Sicht dieses Dokumentes nun etwas gemildert. Klar, selbst bei der hohen Bewertung damals wäre das ein gutes Investment gewesen: Da habe ich aber auch kein investment of a lifetime verpasst. Angesichts der Ankündigungen und dem, was Wish die letzten Jahre suggeriert hat, bin ich schon davon enttäuscht, was da jetzt rausgekommen ist. Um nur einen Aspekt rauszugreifen: Ja, sie haben wahnsinnig viele Downloads und haben glauben lassen, dass sie rund 500 Millionen Kunden haben; jetzt sieht man aber, dass die aktiven Kunden eher 60 bis 70 Millionen an der Zahl sind. Das sind immer noch viel. Aber das ist eher Etsy-Niveau – nichts gegen Etsy! Aber Wish ist nicht der killer, der alles im E-Commerce aufmischen wird. Und diese Erwartung hatten sie geschürt.

(Bevor er in die Untiefen des Berichts einsteigt, fasst Alex zusammen: Der mobile-first-Marktplatz mit dem Ansatz, Kunden in der westlichen Welt mit der ganzen Bandbreite von attraktiven Billigprodukten aus China zu beglücken, habe bislang 200 Millionen Euro eingesammelt – auf einer Bewertung von zuletzt 11 Milliarden Dollar. Dann geht es um die Testimonials von glücklichen asiatischen Fachhändlern einerseits – die davon schwärmen, „Innovationen“ wie Hundezwinger zum Selberzusammenschrauben und aufblasbaren Planschbecken weltweit anbieten zu können – und US-Kunden wie die angebliche Influencerin (und Bilddatenbank-Statistin?) CarlaB andererseits, die dank eines günstigen Mikrofons von Wish mit ihren Social-Media-Aktivitäten mehr Erfolg hatte. Es gebe sogar laut Prospekt glückliche Ehepaare, die sich über Wish für ihre Hochzeit mit äußerst Hochwertigem eingedeckt haben…)

18:05

Alex: Eine der zentralen Annahmen von Wish ist ja, dass sich der E-Commerce bislang eher an gutverdienende Kunden gerichtet und dabei die unteren Einkommensschichten vernachlässigt habe. Auf dem ersten Blick schlüssig, aber so richtig verfangen tut der Ansatz nicht, oder?

Florian: Die Grundidee, dass vor allem so etwas wie Amazon Prime eher für die Mittel- und Oberschicht ist, ist vermutlich richtig. Bislang haben die unteren Einkommensschichten unterproportional am E-Commerce-Geschehen teilgenommen: Durchschnittswarenkorbwerte von 50-Euro-plus sind ja nichts, wenn man wirklich knapp bei Kasse ist. Deswegen fand ich den Wish-Ansatz zu Beginn sehr spannend – und auch deswegen hatte der Gründer Peter Szulczweski anfangs Probleme, in Silicon Valley Investoren zu finden. Kann sich doch kaum ein Wagniskapitalgeber dort vorstellen, dass man bereit ist, wochenlang auf eine Lieferung von einem qualitativ nicht unbedingt sehr hochwertigen Artikel – beziehungsweise: einen Artikel in der für acht Dollar angemessenen Qualität – zu warten…

Bloß: Selbst, wenn es relativ viele Käufer in diesem bislang unterbedienten Segment gibt, wie hoch ist denn deren Kaufkraft? Dabei weiß jeder, der die Wish-App schon einmal runtergeladen hat, wie aggressiv sie mit Benachrichtigungen und dergleichen CRM betreiben. Trotz dessen – und trotz recht günstiger Produkte und eines breiten Sortiments – schaffen sie es nicht, eine große Anzahl von Kunden in eine vernünftige Kauffrequenz zu bringen.

So sehe ich schon den Trend, das untere Ende der Einkommensskala im E-Commerce zu bedienen: Neben Wish gibt es ja auch AliExpress und Joom, wo laut CNBC kommen 94% der Seller aus China kommen. Wish muss sich aber die Frage gefallen lassen, ob die Kommunikation den Tatsachen auch angemessen war (und diese mit „Nein!“ beantwortet sehen). Es ist ja auch nicht schlau, mit höchstens moderatem Wachstum und schlechter-als-angekündigten Zahlen einen Börsengang zu machen!

(Stichwort Zahlen steigt Alex jetzt mit Florian tiefer in den IPO-Prospekt ein – und nutzen die Vorlage von Jochen Krisch dazu. Von rund 150 Milliarden an Marktplatzverkäufen bleibe Wish als Provision rund 15 Milliarden. Dazu kommen paar hundert Millionen an Marketingerlösen vom Wish-Boost-Programm – Klartext: von verkauften Rankings. Dritte Umsatzsäule sei die relativ neue Wish-Logistics-Sparte, die ebenfalls niedrige neunstellige Einnahmen einbringe. Das sehe neben AliExpress eher mau aus. Zumal der Marktplatzumsatz 2019 im Vergleich zu 2018 gesunken sei!

Wie das bei so hohen Investment passieren könne? Alex und Florian zeigen sich von den Erklärungsversuchen des Prospekts, das hänge mit der Konzentration auf Logistik zusammen, alles andere als überzeugt. Zu allem Überfluss kontere Wish nun mit noch höheren Marketingausgaben, so Florian. Auch das stelle Fragen bezüglich der Stabilität des Modells nach vorne raus.

Alex legt nach: Wish gehöre nun auch zu den wenigsten Marktplätzen, die in der Coronakrise gelitten haben, anstatt zu gedeihen. Und das, obwohl untere Einkommensschichten nun besonders sparen mussten. Ob man hier den heiklen Begriff „Kartenhaus“ verwenden könne? Ganz so weit würde Florian gehen. Aber bei allem Verständnis für die Schwierigkeiten der US-Zollpolitik und des Corona-Frühlings im Produktionsstandort China: Um das nächste Alibaba handele es sich hier sicherlich nicht – nicht mal um das nächste eBay!)

30:10

Alex: Man muss sich mal vor Augen führen: Weder Einnahmen noch der Zahl der aktiven Kunden steigt, obwohl WIsh eines der größten Budgets im Facebook-Advertising-Programm ausgibt. Also trotz Werbekosten im neunstelligen Bereich ist Wish offensichtlich nicht in der Lage, Karteileichen neues Leben einzuhauchen.

Florian: Ja, noch einmal: Sie haben nur knapp 70 Millionen aktive Kunden – und „aktiv“ heißt hier „in den letzten 12 Monaten aktiv“. Über 12 Monate nur 70 Millionen Kunden aus 500 Millionen Downloads zu machen? Boah!

Alex: Im Börsenprospekt wird erzählt, wie sie drei Jahre lang eine der beliebtesten Shopping-Apps waren. Sie haben also eine sehr gute App. Und was man ihnen lassen muss: 70% der Käufe werden nicht über Suchanfragen generiert, sondern sie inspirieren die Kunden im Stream. Aber aus diesen beiden beeindruckenden Erfolgen schaffen sie es nicht, ebenso beeindruckende Einnahmen zu erzielen. Selbst wenn man von den 500 Millionen Downloads 20 Millionen Neugierige abzieht wie du und ich, die nur einmal bestellen wollten, um zu sehen, ob die Ware auch ankommt… Ich finde es sehr bedenklich, dass es ihnen trotz hohen Investitionen nicht gelungen ist, mehr Umsatz aus den Kunden rauszuholen. Zumal das keine dummen Leute sind, die bei Wish sitzen. Jetzt wollen sie sparsamer wachsen und nicht so viele Kohle für Marketing raushauen, weil der Börsengang ansteht…

Dann kommen wir zu meinem größten Kritikpunkt. Wer sich gefragt hat, wie man so eine Kopftaschenlampe für 3,00$ kostenlos in die USA zukommen lassen kann, dem kann ich sagen, dass das auf dem Weltpostvertrages basiert, der armen Ländern – wie China – helfen soll, kostengünstig in andere Länder versenden zu können. Dazu gibt es einen spannenden Bericht von Forbes – „Wish built an $11-billion business on insanely cheap shipping – Can it survive without it?“ – den ich übrigens im Pressebereich der Wish-Webseite gefunden habe! Da hat einer in der Kommunikationsabteilung geschlampt, vermute ich mal…

Florian: Nach meinem Verständnis ist angekündigt worden, dass es in diesem Vertragswerk zu einer Reklassifizierung von China kommt – und zwar nächstes Jahr. Und wenn das so ist und die Shipping-Kosten spürbar steigen, muss der Endkunde da zumindest zum Teile die höheren Kosten übernehmen. Dann ist es ein Stück weit vorbei mit „Kopftaschenlampe mit Versand für 8$“. Das kann für Wish ein existenzielles Risiko sein – und ist möglicherweise ein Grund, warum sie den Börsengang jetzt machen.

(Alex und Florian pflücken die Absurditäten der derzeitigen Versandbegünstigungen für China im Detail auseinander – und gehen dann noch einmal die zu erwartenden Folgen für das Geschäftsmodell von Wish durch, wenn es ab Januar 2021 nicht mehr günstiger ist, von außerhalb der USA Ware ins Land zu versenden, als es das innerhalb der USA ist. Gepaart mit dem sinkenden Wachstum und der Unfähigkeit von Wish bislang, aus Einmalkunden Stammkunden zu machen, spreche das nicht unbedingt für eine glänzende Zukunft. Alex fühlt sich stark an Jet.com erinnert: astronomische Werbeausgaben, schwindelerregende Summen an Kapital, himmelshohe Bewertung – und wenig dahinter. Florian kann dem Ganzen was Positives abgewinnen: Das Konzept von Wish sei das absolute Gegenteil von ökologischer Nachhaltigkeit. Schön, dass zumindest der Umwelt ein Gefallen getan würde, wenn Wish schrumpfen würde. Gewinner aus der Kapitalverbrennungsanlage Wish macht Alex in der Form von Google und Facebook aus.

Zum Schluss erwähnt Alex zur Sicherheit den Kassenzone-Haftungsausschuss, den alle Leser zur Kenntnis nehmen sollen, die sich hier für eine anstehende Investitionsentscheidung informieren wollten.)

43:50

Alex: Zahlen gab es ebenfalls von DoorDash. Kann man das etwas vereinfacht als eine Art Foodora beschreiben?

Florian: Nach meinem Verständnis kann man das schon. Foodora in cool ist übrigens Wolt (korrigiert) – ich weiß nicht, ob du Wolt schon kennst.

Alex: Florian, ich wohne bei Kiel. Wir haben letztens erst die Roller von Tier bekommen…

Florian: Neben Gorillas ist hier in Berlin-Mitte Wolt der heiße Scheiß. Das ist eine finnische Variante von Deliveroo und Foodora und cooler als Lieferando, das hier lange Platzhirsch war: hochwertige Restaurants, gut gemachte App.

Alex: Und wir müssen pünktlich Schluss machen um 18:00, weil ich zur Abholung nach Strande fahren muss. Hier liefert ja keiner!

Florian: DoorDash arbeitet jedenfalls auch mit einer eigenen Lieferflotte – obwohl „Flotte“ vielleicht übertrieben ist. Sie nennen ihre Boten „Dasher“ und diese sind – je nach Gelände und Eignung – mit dem Fahrrad, dem Motorrad und dem Auto unterwegs. Diese Dasher fahren Essen von eher besseren Restaurants aus. Da ist ein Unterschied zu Lieferando, das zwar ebenfalls eigene Fahrer hat, aber auch als Bestellplattform für Restaurants dient, die die Auslieferung selber in die Hand nehmen. Die höherpreisigen Restaurants, die DoorDash bedient, haben meistens keinen eigenen Lieferservice. Und Covid-bedingt sind die bereits vor der Pandemie sehr guten Zahlen von DoorDash jetzt durch die Decke gegangen.

Alex: Zahlentechnisch reden hier über ein Modell, das seit Gründung 2012-13 2,5 Milliarden Dollar einsammelte, bis es in der letzten Finanzierung wurde es dann mit 16 Milliarden ausgestattet wurde. 2019 machte es einen Ertrag von 858 Millionen Dollar auf 8 Milliarden Dollar GMV.

Florian: Die sprechen von order volume, aber ja, das ist mit GMV vergleichbar.

Alex: Angenommen, du hättest hier vor paar Jahren die Gelegenheit gehabt, zu investieren und hättest es nicht gemacht: Wie würdest du heute darauf blicken?

Florian: Hätte ich die Gelegenheit gehabt und nicht ergriffen, würde ich heute sicher mit einem weinenden Auge darauf blicken! Denn damals hätte ich das sicherlich unterschätzt. Ist es doch schwierig, dass es sich mit Auslieferung rechnet. DoorDash macht ja auch immer noch minus. Nur: Wenn man sich deren unit economics anguckt – und da sind sie ja sehr transparent – und eine mit dem Wachstum einhergehende Reduzierung des Verlustes annimmt, dann sieht das ziemlich gut aus. Zumal sie eine sehr niedrige Marketingkostenquote haben: Auf das Volumen im Jahr 2020 haben sie bislang nur rund 3,7% Vermarktungskosten auf Außenumsatz; im Jahr davor waren es noch 8%. Allein mit dieser Senkung haben sie also eine 4,3%-ige Erhöhung der Marge erreicht.

Alex: Aus deren Börsenprospekt geht hervor, dass sie mit 70% Stammkunden arbeiten. Und diese können – ganz anders als bei Wish – sehr effizient reaktiviert werden. Sie brauchen gar nicht so viele Gutscheinanreize oder ähnliches. Was von einem sehr stabilen Geschäft zeugt.

Florian: Ja! Es sieht so aus, als ob sich das rechnen könnte. Wachsen sie nächstes Jahr mit 30% bis 50%, müssen sie nach meiner Überschlagsrechnung profitabel werden. Fragen/Risiken gibt es allerdings: 1) Was passiert nach Covid, wenn wir alle wieder normal essen gehen können? 2) Was, wenn sie ihre „Dasher“ nicht mehr als selbständige Freelancer (wobei der Begriff „Freelancer“ zu nett klingt…) behandeln können, sondern sozialversicherungspflichtig anstellen müssen?

(Auf eine skeptische Rückfrage von Alex bezüglich der zweiten Frage malt Florian aus, auf welche wackeligen Beinen das Zusammenarbeitsmodell in Wirklichkeit steht: Gelinge der Nachweis, dass die Fahrer Scheinselbstständig ist, würden sie angestellt werden müssen. Politisch drehe sich hier der Wind – selbst in den nicht gerade für Sozialismus bekannten USA, wo DoorDash vorwiegend aktiv ist. Florian rechnet dann im Detail vor, wie viele Bestellungen in welcher Höhe pro Stunde ein Dasher ausfahren müsse, um lediglich so etwas wie Mindestlohn einzufahren. In so Städten wie New York gehe das zwar auf. Ob das aber in der Breite funktioniere? Aus Kunden- und Investorensicht jedenfalls sei das ein attraktives Modell.

Alex bringt hier den Gini-Koeffizient ins Spiel: In ungleichen Ländern mit einem hohen Koeffizient gebe es viele Leute, die bereit seien, für wenig Geld zu arbeiten – und ausreichend Leute, die sich Dienstleistungen leisten können. In Deutschland ist – trotz leicht gegenläufigen Trends – dieser Koeffizient gering, weil die Einkommen relativ gleich verteilt sind. Die USA schneiden aber nicht viel besser als China oder Brasilien ab. Deshalb sei gerade der US-Markt für solche Liefermodell prädestiniert. DoorDash werde sich sicherlich deshalb in Europa schwerer tun als im Heimatmarkt. Alex bittet regelmäßige Hörer, sich mit dem Gini-Koeffizient zu befassen, da das Thema bestimmt wiederkehren wird.)

55:30

Alex: Was DoorDash sehr viel Rückenwind garantiert: Unsere Esskultur verschiebt sich gerade massiv. Immer mehr Essen wird außer Haus eingenommen – oder von außer Haus bestellt – und der Anteil der Restaurants, die liefern, steigt auch enorm. In USA sind das schon Hunderte Milliarden für Essensbetellungen. Und da hat DoorDash 2020 gerade mal 16 Milliarden von. Der Markt ist also riesig und wird noch größer! Zudem ist es für alle Restaurants außer sehr großen Ketten – selbst für solche, die in jeder Stadt drei oder vier Lokale haben – unmöglich, effizient eine eigene Lieferflotte vorzuhalten. DoorDash kann sich hier Skaleneffekte zunutze machen.

Im Börsenbericht zeichnet DoorDash ein Amazon-artiges flywheel bzw. „Spirale nach Oben“. Mehr Kunden führen zu mehr Bestellungen führen zu einer höheren Effizienz führt zu mehr Auslastung, mehr Dasher, bessere Lieferung und zum Schluss zu: mehr Kunden. Die ebenfalls zu mehr angebundene Restaurants führen, die wiederum zu mehr Auswahl führen – und dann zu mehr Kunden.

Abgesehen davon fand ich die Tendenz zu mehr Profitabilität pro Lieferung einfach beeindruckend.

Florian: Umso mehr, wenn man sieht, wie sie sich in den letzten paar Jahren im Vergleich zu Konkurrenz entwickelt haben! Januar 2017 hatten sie 17% Marktanteil: Im jetzigen Börsenbericht taxieren sie das auf 50%. Selbst wenn das etwas geschönt sein sollte, weil sie den einen oder anderen Wettbewerber aus der Berücksichtigung rauslassen, ist die Steigerung gegenüber UberEats, Grubhub & Co. ist schon Wahnsinn. Für mich zeigt das, dass die Fokussierung auf hochwertige Restaurants eine gute Strategie ist: höhere Warenkörbe, die besser die Logistikkosten abdecken. Ein stimmiges Modell also.

(Und Alex macht noch weiteres Potenzial aus: Im Prospekt wird auch angekündigt, dass eine White-Label-Lieferlösung für die Systemgastronomie in Arbeit sei. Für Ketten wie Little Ceasars in USA übernehme DoorDash bereits die Lieferung. Florian: Alles, was zur Erhöhung der Lieferfrequenz beitrage, sei sinnvoll. Was das Wachstum doch begrenzen könnte, fragt Alex. Noch einmal dreht es sich um das Risiko der Arbeitsverhältnisse – zur Veranschaulichung wessen die unglaubwürdig rosige Darstellung von zufriedenen Nebenbei-Dashern im Prospekt dient.)

1:04:00

Alex: Angenommen du betreibst ein Restaurant – nennen wir es „Flo‘s Pizza-Rampe“ – würdest du dich DoorDash anschließen?

Florian: Absolut. Wenn ich in der Lage wäre, das von der Küchenkapazität her zu gewährleisten, würde das Sinn ergeben. Zumal ich das Geschäft auf DoorDash zu Zeiten mitnehmen könnte, wenn nicht alle Tische besetzt sind. Warum nicht? Als Restaurantbetreiber habe ich relativ hohe Fixkosten wie Miete und Personalkosten (obwohl man sich da darüber streiten kann…) – und diese kann ich dann über mehr Umsatz verteilen, wenn ich das mit nutze. Und kommt es zu Lockdowns, habe ich einen Kanal offen. Die Fähigkeit, schnell auf Lieferung umstellen zu können – inklusive so Sachen wie „Wie verpacke ich meine Gerichte vernünftig?“ – kann schon überlebenswichtig sein. Auch in Zukunft: Denn wer sagt uns, dass Covid19 die letzte Pandemie war?

(Alex fasst zusammen: Grundsätzlich gebe es Skalen- und Netzwerkeffekte und DoorDash sei schon Marktführer in USA mit hoher Kundenbindung sowie hohem Potenzial für andere Dienstleistungen. Daumen hoch, also!

Alex‘ strategische Frage an Florian von DoorDash aus besehen: Wettbewerber wie Grubhub und Just Eat übernehmen oder lieber aus dem Markt drücken? Florian: Wenn die Entwicklung so weitergeht, würde es wenig Sinn ergeben, Wettbewerber zu kaufen, die man sowieso organisch und dank Kapitaleffizienz verdrängt. Lediglich beim Einstieg in andere Ländermärkte außerhalb der USA könnten Zukäufe sinnvoll sein.)

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